TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/2 W197 2110245-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.10.2019
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Entscheidungsdatum

02.10.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52

Spruch

W197 2110245-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.06.2015, ZI. 64.011.010.7-1699155, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.01.2019, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III. wird stattgegeben und gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt. XXXX wird gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 1 und 58 Abs. 2 iVm 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der (zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige) Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 31.07.2013 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

Am 31.07.2013 wurde der Beschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei an, bis zur neunten Klasse die Schule besucht und danach keine Möglichkeit gehabt zu haben, weiter zur Schule zu gehen. Er hätte mit seinem Bruder gestritten, weil dieser gewollt habe, dass der Beschwerdeführer ihm helfe; der Beschwerdeführer hätte jedoch weiter lernen wollen. Die Mutter des Beschwerdeführers habe ihm Geld gegeben, um in den Iran zu reisen; im Iran habe der Beschwerdeführer jedoch illegal gelebt und hätte, um nicht nach Afghanistan abgeschoben zu werden, den Iran verlassen.

Am 26.06.2014 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. In dieser brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, gemeinsam mit seinem Bruder eines Tages mit dem Auto von Kabul, wo sie Waren für das Geschäft der Familie gekauft hätten, zurück in ihr Herkunftsdorf gefahren zu sein. Unterwegs hätten die Taliban das Auto gestoppt. Im Auto wären auch noch vier Schüler mit ihren Schulzeugnissen gewesen, diese hätten die Taliban mitgenommen. Dem Beschwerdeführer und seinem Bruder hätten die Taliban gedroht, dass sie, falls sie diese erneut erwischen sollten, die Waren vernichten und den Beschwerdeführer und seinen Bruder umbringen würden.

Mit oben genanntem Bescheid vom 10.06.2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei; für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

Am 29.01.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen persönlichen Lebensumständen sowie zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Anwesend waren weiters die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers und eine Sozialarbeiterin sowie drei mit dem Beschwerdeführer befreundete Personen, welche als Zeugen befragt wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Hazara zugehörig und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der Beschwerdeführer ist im Distrikt XXXX in der Provinz Bamyan in Afghanistan geboren und wuchs dort gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern auf. Die Mutter und ein Bruder des Beschwerdeführers leben nach wie vor am Herkunftsort; der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seiner Mutter. Der Bruder des Beschwerdeführers arbeitet in der Landwirtschaft, die Mutter des Beschwerdeführers ist Hausfrau. Weiters leben in Afghanistan zwei Onkel und eine Tante des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer besuchte in Afghanistan bis zur neunten Klasse die Schule. Der Beschwerdeführer beherrscht seine Erstsprache Dari in Wort und Schrift. In Afghanistan hat der Beschwerdeführer keine Berufsausbildung absolviert. Der Beschwerdeführer hat in der Türkei vier Monate als Gärtner gearbeitet.

Der Beschwerdeführer ist alleinstehend und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 31.07.2013 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer lebt seit diesem Zeitpunkt im Bundesgebiet und war auch durchgehend aufrecht gemeldet.

In Österreich hat der Beschwerdeführer Deutschkurse besucht und zuletzt die Deutschprüfung auf dem Niveau B1 abgelegt. Er spricht gut Deutsch und kann sich in allen Lebenslagen verständlich machen; bei einfacheren Passagen konnten Teile der Verhandlung auf Deutsch geführt werden. Der Beschwerdeführer war ehrenamtlich tätig und hat einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Er hat in Österreich die Pflichtschulabschlussprüfung abgelegt. Seit dem 03.05.2017 absolviert der Beschwerdeführer eine Lehre als Friseur und hat die ersten beiden Berufsschulklassen positiv abgeschlossen. Als Lehrlingsentschädigung erhält der Beschwerdeführer den im Kollektivvertrag für Handwerk und Gewerbe festgesetzten Betrag, das sind im dritten Lehrjahr aufgrund des ab 01.01.2019 gültigen Kollektivvertrages 940,00 Euro. Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über einen Freundeskreis. Er hat engen Kontakt zu einer österreichischen Familie, die den Beschwerdeführer als Familienmitglied betrachtet und in deren Familienleben der Beschwerdeführer integriert ist. Der Beschwerdeführer lebt mit einem Freund zusammen in einer Wohnung. Er ist in Österreich selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan nicht individuell bedroht oder verfolgt (worden). Im Fall der Rückkehr nach Afghanistan ist der Beschwerdeführer daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt.

Dem Beschwerdeführer droht wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion keine konkrete und individuelle physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt ist.

Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht konkret vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Der Beschwerdeführer kann in seine Herkunftsprovinz zurückkehren. Bamyan wird als relativ friedliche Provinz erachtet und verfügt über einen nationalen Flughafen, der z.B. von der afghanischen Fluglinie Kam Air angeflogen wird, sodass der Beschwerdeführer seine Herkunftsprovinz via den Flughafen Kabul sicher erreichen kann. Der Großteil der Bevölkerung in Bamyan sind Hazara. Die wirtschaftliche Lage in Bamyan ist angespannt, der Beschwerdeführer könnte jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Der Beschwerdeführer verfügt auch über ein familiäres Netz am Herkunftsort und wäre daher bei einer Rückkehr dorthin nicht auf sich allein gestellt.

Dem Beschwerdeführer ist zudem eine Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif möglich und zumutbar:

Zwar sind die wirtschaftlichen Bedingungen für Rückkehrer schwierig. Der Beschwerdeführer läuft jedoch im Falle der Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers in die Stadt Mazar-e Sharif ausschließen, können nicht festgestellt werden. Er kann dort seine Existenz - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, in der Stadt Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden. Es ist dem Beschwerdeführer daher möglich, in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort für seinen grundlegenden Lebensunterhalt zu sorgen. Zudem hat der Beschwerdeführer zunächst auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

Die Stadt Mazar-e Sharif ist über den Flughafen direkt und sicher erreichbar.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, letzte eingefügte Kurzinformation vom 31.01.2019, gekürzt auf die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen:

"[...]

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 31.01.2019 - LIB 31.01.2019, S. 48).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 31.01.2019, S. 48).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 31.01.2019, S. 51).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 31.01.2019, S. 59).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 31.01.2019, S. 52).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 31.01.2019, S. 52). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen. (LIB 22.01.2018, S. 52 ff). Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS. Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt. Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (LIB 31.01.2019, S. 55ff).

Taliban

Die Taliban konzentrierten sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" nicht. Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren. Das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 ist auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (LIB 31.01.2019, S. 51 f).

Bamyan

Bamyan liegt im Süden des Hindukusch und im Norden des Koh-e-Baba Gebirges. In Bamyan existiert ein nationaler Flughafen, der z.B. von der afghanischen Fluglinie Kam Air angeflogen wird (LIB 31.01.2019, S. 95).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 462.144 geschätzt. Bamyan-City gilt als die inoffizielle Hauptstadt der Hazara. Der Großteil der Bevölkerung besteht aus Hazara, gefolgt von Tadschiken, Tataren und Pashtunen. Etwa 96% der Bevölkerung spricht Dari, die restlichen 4% sprechen Paschtu. Mehr als 90% der Bevölkerung fühlt sich dem schiitischen Islam zugehörig (LIB 31.01.2019, S. 95).

Bamyan wird als relativ friedliche Provinz erachtet; die Ursache dafür ist, laut UNAMA, die aktive Einbindung religiöser Gelehrter in Friedensprozesse, sowohl auf Gemeinde- als auch Regierungsebene. Die Provinz wird trotz der Armut und Vernachlässigung durch die Zentralregierung als sicherer Hafen betrachtet. Mit Stand April 2017 war die Provinz laut Berichten sicher und war offen für den lokalen und internationalen Tourismus. Im Zuge einer Befragung wurde die Verbesserung der Sicherheitslage im Jahr 2017 als Grund zum Optimismus angeführt. Bamyan hat in den letzten 15 Jahren weniger Gewalt als die anderen Provinzen durchlebt; sogar Frauen können in Bamyan sicher und alleine in eigens für sie errichtete Cafés gehen, ohne belästigt zu werden (LIB 31.01.2019, S. 95).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 10 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 4 zivile Opfer (0 getötete Zivilisten und 4 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Drohungen, Einschüchterungen und Belästigungen, gefolgt von Blindgängern/Landminen und Bodenoffensiven. Dies bedeutet einen Rückgang von 60% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern ethnisch homogenerer Gesellschaften wird als Grund für die geringe Anzahl an Anschlägen betrachtet. Im Juli 2017 nahmen elf Talibanmitglieder an den Friedensverhandlungen in der Provinz Bamyan teil. Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in Bamyan gemeldet (LB 31.01.2019, S. 95f).

Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 31.01.2019, S. 91f).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 31.01.2019, S. 92, 248).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 31.01.2019, S. 92).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 31.01.2019, S. 91 f).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen durch den die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 31.01.2019, S. 73f, 249f).

Dürre

Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren. Da die Getreideernte in Pakistan und im Iran gut ausfallen wird, kann ein Defizit in Afghanistan ausgeglichen werden. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Städten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt als auch in Mazar-e Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2014 (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in der Stadt Herat und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018 - AB vom 13.09.2018, S. 3). Das Angebot an Weizenmehl ist relativ stabil (ACCORD-Anfragebeantwortung Folgen der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018 - AB vom 12.10.2018, S. 8). Aufgrund der Dürre wurde bisher kein nationaler Notstand ausgerufen (AB vom 13.09.2018, S. 11).

Für die Landflucht spielen die Sicherheitslage und die fehlende Beschäftigung eine Rolle. Durch die Dürre wird die Situation verstärkt, sodass viele Haushalte sich in städtischen Gebieten ansiedeln. Diese Personen - Vertriebene, Rückkehrer und Flüchtlinge - siedeln sich in informellen Siedlungen an (AB vom 12.10.2018, S. 2, S. 5). Dort ist die größte Sorge der Vertriebenen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, diese sind jedoch mit der Menge und der Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden. Viele Familien, die Bargeld für Lebensmittel erhalten, gaben das Geld jedoch für Schulden, für Gesundheitsleistungen und für Material für provisorische Unterkünfte aus. Vielen Familien der Binnenvertriebenen gehen die Nahrungsmittel aus bzw. können sich diese nur Brot und Tee leisten (AB vom 12.10.2018, S. 6). Arme Haushalte, die von einer wassergespeisten Weizenproduktion abhängig sind, werden bis zur Frühjahrsernte sowie im nächsten Jahr Schwierigkeiten haben, den Konsumbedarf zu decken (AB vom 12.10.2018, S. 11). Es werden, um die Folgen der Dürre entgegen zu treten, nationale und internationale Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen gesetzt (AB vom 12.10.2018, S. 17 ff).

Die Abnahme der landwirtschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten zusammen mit der steigenden Migration sowie der hohen Anzahl an Rückkehrerin und Binnenvertriebenen führt zu einer Senkung der Löhne für Gelegenheitsarbeit in Afghanistan und zu einer angespannten Wohnraum- und Arbeitsmarktlage in urbanen Gebieten (AB vom 12.10.2018, S. 15f).

Von Mai bis Mitte August 2018 sind ca. 12.000 Familie aufgrund der Dürre aus den Provinzen Badghis und Ghor geflohen um sich in der Stadt Herat anzusiedeln. Dort leben diese am westlichen Stadtrand von Herat in behelfsmäßigen Zelten, sodass am Rand der Stadt Herat die Auswirkungen der Dürre am deutlichsten sind (AB vom 13.09.2018, S. 5f). Mittlerweile sind 60.000 Personen nach Herat geflohen (AB vom 12.10.2018, S. 5). Es ist besonders die ländliche Bevölkerung, insbesondere in der Provinz Herat, betroffen (AB vom 12.10.2018, S. 7). Personen die von der Dürre fliehen, siedeln sich in Herat-Stadt, in Qala-e-Naw sowie in Chaghcharan an, dort wurden unter anderem Zelte, Wasser, Nahrungsmittel sowie Geld verteilt (AB vom 13.09.2018, S. 10; AB vom 12.10.2018, S. 2).

Während das Lohnniveau in Mazar-e Sharif weiterhin über dem Fünfjahresdurchschnitt liegt, liegt dieses in Herat-Stadt 17% unter dem Fünfjahresdurchschnitt (AB vom 13.09.2018, S. 8). Es gibt keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif- Stadt (AB vom 12.10.2018, S. 3; AB vom 13.09.2018, S. 1 und 3). Im Umland der Stadt Mazar-e Sharif kommt es zu Wasserknappheit und unzureichender Wasserversorgung (AB vom 13.09.2018, S. 2).

Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (LIB 31.01.2019, S. 293).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (LIB 31.01.2019, S. 293).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (LIB 31.01.2019, S. 294).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert; so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion. Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (LIB 31.01.2019, S. 294).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt. Die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit sinkt weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (LIB 31.01.2019, S. 295).

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung. Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (LIB 31.01.2019, S. 295).

Schiiten

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt. Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara. Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (LIB 31.01.2019, S. 296).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit (LIB 31.01.2019, S. 296).

Die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen; dennoch kommt es zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (LIB 31.01.2019, S. 296f).

Ethnische Minderheiten

Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (LIB 31.01.2019, S. 303).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet.". Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es werden keine bestimmten sozialen Gruppen ausgeschlossen. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (LIB 31.01.2019, S. 303f).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (LIB 31.01.2019, S. 304).

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild; andererseits gehören ethnische Hazara hauptsächlich dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (LIB 31.01.2019, S. 305f).

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (LIB 31.01.2019, S. 306).

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (LIB 31.01.2019, S. 306).

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Es existiere in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Hazara beschweren sich über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. Arbeitsplatzanwerbung erfolgt hauptsächlich über persönliche Netzwerke; Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (LIB 31.01.2019, S. 306f).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangs-rekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (LIB 31.01.2019, S. 307).

Medizinische Versorgung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 31.01.2019, S. 346ff).

Wirtschaft

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 31.01.2019, S. 342).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 31.01.2019, S. 342f).

Rückkehrer

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 31.01.2019, S. 355).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 31.01.2019, S. 356f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 31.01.2019, S. 357f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 31.01.2019, S. 358f).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 31.01.2019, S. 359f).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 31.01.2019, S. 360).

[...]"

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zum Namen und Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (AS 13 und 91) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie einer Röntgenuntersuchung zur Altersbestimmung (AS 37 und 45). Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, der Volksgruppen- und der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsort, seinen Aufenthaltsorten bzw. dem Aufenthaltsort seiner Familienangehörigen, seiner Schulbildung, seiner Berufsausbildung und Berufsausübung, seinen Sprachkenntnissen, seinem Familienstand beziehungsweise seinen Familienverhältnissen und seiner Einreise nach Österreich waren im Wesentlichen gleichlautend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozioökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel.

Das Datum der Antragstellung ergibt sich - ebenso wie die zuvor erfolgte illegale Einreise - aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Aufenthalt sowie zu den Aktivitäten und sozialen Anknüpfungspunkten (insbesondere Besuch von Deutschkursen und Absolvierung der Deutschprüfung auf dem Niveau B1 bzw. Deutschkenntnisse, ehrenamtliche Tätigkeit und Absolvierung eines Erste-Hilfe-Kurses, Ablegung der Pflichtschulabschlussprüfung, Absolvierung einer Lehre, Lehrlingsentschädigung, Freundeskreis und insbesondere enge Beziehung zu einer österreichischen Familie, Unterkunft) sowie der Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den im Verfahren vorgelegten Integrationsunterlagen, Zeugnissen und Bestätigungen (insbesondere in der Verhandlung vorgelegte Unterlagen, mit Schreiben vom 16.01.2017 und 13.06.2016 übermittelte Unterlagen; AS 491ff), aktuellen Auszügen aus dem Zentralen Melderegister und dem Betreuungsinformatonssystem sowie den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und der Zeugen in der mündlichen Verhandlung. So erklärte etwa die mit dem Beschwerdeführer gut befreundete Zeugin G. G., dass der Beschwerdeführer für sie ein drittes Kind sei. Die Ausbildnerin im Rahmen der Lehre sei sehr zufrieden mit dem Beschwerdeführer. Auch die Zeugen M. G. und P. G. bestätigten nachdrücklich die gelungene Integration des Beschwerdeführers sowohl in die österreichische Gesellschaft allgemein als auch in ihren Familienverband.

Die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich insbesondere aus den Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Gesundheitszustand in der mündlichen Verhandlung sowie den in Österreich verrichteten Tätigkeiten.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Das Bundesverwaltungsgericht geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und insbesondere aufgrund des dabei gewonnenen persönlichen Eindrucks des erkennenden Richters davon aus, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat Afghanistan nicht individuell bedroht oder verfolgt (worden) ist und im Falle der Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt ist.

In der mündlichen Verhandlung schilderte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund befragt, dass er Polizist werden hätte wollen; er habe sich dafür angemeldet und Formulare ausgefüllt. Ihm sei gesagt worden, dass die Schule in Kabul wäre und dort über die Aufnahme des Beschwerdeführers entschieden werde. Der Beschwerdeführer sei dann eines Tages nach Kabul gefahren, um Waren einzukaufen; dabei hätte er "das Problem" mit den Taliban gehabt, welches er schon bei der Erstbehörde geschildert habe. Er sei dann in Bamyan zur Polizei gegangen, wo man ihm mitgeteilt habe, dass die Taliban die Unterlagen, welche die Polizei nach Kabul geschickt habe, beschlagnahme hätten und nun wissen würden, wer für die Polizei arbeiten wolle.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer das im Zusammenhang mit seiner Bewerbung als Polizist in der mündlichen Verhandlung geschilderte Vorbringen weder in seiner Erstbefragung noch in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erwähnt hat; in seiner Erstbefragung gab der Beschwerdeführer lediglich an, weiterhin die Schule besuchen zu wollen und im Fall einer Rückkehr nichts zu befürchten. Nach dem Grund dafür befragt erklärte der Beschwerdeführer in der Verhandlung, dass er bei der Polizei übermüdet und hungrig gewesen und ihm nicht bewusst gewesen sei, dass es so wichtig gewesen wäre, mehr vorzubringen als das, was er gesagt habe; außerdem sei er sehr jung gewesen. Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert (vgl. zur Verwertbarkeit von Angaben bei der Erstbefragung auch VwGH 17.10.2018, Ra 2018/01/0434; 31.1.2019, Ra 2018/14/0252). Die Verwaltungsbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht können im Rahmen ihrer Beweiswürdigung die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen. Es wird daher im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung nicht in erster Linie auf die Fluchtgründe des Beschwerdeführers bezog und diese nur in aller Kürze angegeben sowie protokolliert wurden. Dabei wird auch nicht übersehen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung sowie bei seiner Erstbefragung fünfzehn Jahre und damit noch minderjährig war und auch die geschilderten Erlebnisse sich demnach auf einen Zeitraum beziehen, in welchem der Beschwerdeführer minderjährig war. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist daher eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich und darf die Dichte dieses Vorbringens nicht mit "normalen Maßstäben" gemessen werden (vgl. zur Berücksichtigung der Minderjährigkeit in der Beweiswürdigung insbesondere VwGH 24.09.2014, Ra 2014/19/0020; 06.09.2018, Ra 2018/18/0150). Dass der Beschwerdeführer die erst in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angeführte Bedrohung durch die Taliban bzw. die überhaupt erst in der Verhandlung angeführte damit in Zusammenhang stehende und dem Vorbringen des Beschwerdeführers nach wesentliche Bedrohung aufgrund seiner Bewerbung als Polizist jedoch nicht einmal ansatzweise erwähnte, ist für das Bundesverwaltungsgericht auch unter Berücksichtigung der damaligen Minderjährigkeit des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar und ist dieser Umstand zumindest als Indiz für ein insgesamt nicht glaubhaftes Fluchtvorbringen zu werten.

Der Beschwerdeführer legte in der Verhandlung weiters dar, dass er anlässlich seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl von diesen Gründen nicht gesprochen habe; ihm sei die Kultur fremd gewesen, er habe keine Familie gehabt, sich nur um einen Deutschkurs gekümmert und diese Geschichte nicht vorgebracht. Die Geschichte mit den Taliban habe er erzählt und sei dann so schockiert gewesen, dass er über die andere Geschichte nicht mehr gesprochen habe.

Auf den daraufhin getätigten Vorhalt, dass der Beschwerdeführer vor seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Brief geschrieben und seine Geschichte handschriftlich dargelegt habe (AS 75ff) und dieses Schreiben offensichtlich in einer ruhigen Atmosphäre geschrieben worden sei, der Beschwerdeführer in diesem aber nicht sein gesamtes, nunmehr in der Verhandlung erstattetes Vorbringen geschildert habe, erwiderte der Beschwerdeführer zunächst lediglich, dass er nicht gewollt habe, dass dieser Brief der Behörde vorgelegt werde. Widersprüchlich dazu führte der Beschwerdeführer gleich darauf aus, dass er mit diesem Schreiben einen schnelleren Einvernahmetermin erwirken habe wollen. Ebenso widersprüchlich sagte der Beschwerdeführer zunächst aus, das Schreiben unmittelbar nach seiner Ankunft im Sommer 2013 zu verfasst haben, erklärte jedoch auf Vorhalt, dass das Schreiben mit Datum 10.06.2014 signiert sei, dass er das Schreiben am 10.06.2014 verfasst habe. Die schließlich vom Beschwerdeführer erstattete Erklärung, er habe nur einen Teil seiner Geschichte aufgeschrieben, weil das Schreiben sonst sehr lang geworden wäre, ist - auch unter Berücksichtigung obiger Widersprüche in Bezug auf die Verfassung des Schreibens - für den erkennenden Richter nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer konnte nicht plausibel dartun, weshalb ihm bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht klar gewesen sein sollte, dass er sein gesamtes Fluchtvorbringen vorbringen müsste; die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gestaltete sich sehr ausführlich und wurde der Beschwerdeführer ausdrücklich gefragt, ob er alle seine Fluchtgründe geschildert habe (AS 99).

Schließlich war auch das in der Verhandlung erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers, er hätte den Taliban seine Tazkira bringen wollen und ihnen für den Fall, dass er auf der Liste der Taliban stünde, gesagt, nicht mehr für die Polizei arbeiten zu wollen, angesichts der vom Beschwerdeführer geschilderten lebensgefährlichen Bedrohung keineswegs nachvollziehbar. Die Erklärung des auf diesen Umstand hingewiesenen Beschwerdeführers, er sei "auch nicht ganz sicher" gewesen, "dorthin zu gehen", war ebenso nicht überzeugend.

Aufgrund obiger Erwägungen zum teils widersprüchlichen, gesteigerten und nicht plausiblen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wird dieses als unglaubhaft erkannt und ist in einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgung ausgesetzt ist.

Der Beschwerdeführer zeigte auch keine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion auf (dazu auch unten) und legte in der mündlichen Verhandlung in diesem Zusammenhang keine konkreten Rückkehrbefürchtungen dar, sondern berief sich insbesondere darauf, sich nicht vorstellen zu können, den Kontakt zu seiner in Österreich lebenden Familie, die wie seine eigene geworden sei, abzubrechen. In Zusammenschau mit den Länderberichten zum Fehlen entsprechend massiver religiöser und volksgruppenbezogener Diskriminierung ergibt sich im gegenständlichen Fall die Schlussfolgerung, dass der Beschwerdeführer selbst keiner individuell und konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit in Afghanistan ausgesetzt ist.

Die Feststellung, wonach das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit (bezogen auf den Herkunftsstaat Afghanistan) nicht konkret vorgebracht wurde und Hinweise für eine solche Verfolgung auch amtswegig nicht hervorgekommen sind, ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere aus der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der durchgeführten mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keine substantiierten Hinweise auf das Vorliegen einer solchen konkret gegen ihn gerichteten oder ihn individuell betreffenden Verfolgung vorgebracht hat bzw. nicht einmal ein Hinweis auf eine solche amtswegig zu ersehen war.

2.3. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Afghanistan und einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Bamyan ergeben sich aus den oben angeführten Länderberichten in Verbindung mit den persönlichen Lebensumständen des Beschwerdeführers. Aus den Länderberichten geht hervor, dass Bamyan als eine relativ friedliche Provinz gilt, die über einen nationalen Flughafen verfügt.

Die Feststellungen zu der möglichen und zumutbaren Rückkehr des Beschwerdeführers in die Stadt Mazar-e Sharif ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - insbesondere aus den oben angeführten Länderberichten zu Mazar-e Sharif in Zusammenschau mit den Angaben des Beschwerdeführers (siehe dazu überdies unten). Die Sicherheitslage in Mazar-e Sharif ist entsprechend dem aktuellen Länderinformationsblatt als ausreichend stabil einzustufen; die direkte und sichere Erreichbarkeit von Mazar-e Sharif über einen Flughafen ergibt sich ebenfalls aus dem aktuellen Länderinformationsblatt.

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht (wesentlich) geändert haben.

Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit zur Einsicht in die Länderberichte sowie zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt, welche von der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers im Wege einer schriftlichen Stellungnahme wahrgenommen wurde. Zu den Ausführungen in dieser Stellungnahme ist, soweit diese gegenständlich maßgeblich sind, Folgendes festzuhalten:

Zunächst wird in der Stellungnahme unter Heranziehung zusätzlicher Länderinformationen ausgeführt, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen schiitischen Hazara handle und bereits aus den vom Bundesverwaltungsgericht eingebrachten Länderberichten hervorgehe, dass diese Bevölkerungsgruppe im Verlauf des Jahres 2018 von gezielten Anschlägen betroffen gewesen sei. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass sich die in der Stellungnahme aufgelisteten Vorfälle alle auf Kabul beziehen, wohin eine Rückkehr gegenständlich nicht geprüft wird. Aus den Richtlinien von UNHCR zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (welchen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ist, siehe VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, mit Verweis auf VwGH 22.11.2016, Ra 2016/20/0259, mwN) ergibt sich, dass einige Quellen angeben, dass die offene Diskriminierung der Schiiten durch die Sunniten abgenommen habe, andere jedoch berichten, dass eine derartige Diskriminierung an bestimmten Orten weitergehe. Berichtet werde weiters, dass die gewalttätigen Angriffe regierungsfeindlicher Kräfte gegen die schiitische Bevölkerung seit 2016 beträchtlich zugenommen hätten (Seiten 69f deutsche Fassung der UNHCR-Richtlinien). Daraus ergibt sich, dass es zwar zu Diskriminierungen von schiitischen Hazara durch die sunnitische Mehrheit kommen kann. Dass jeder schiitische Hazara generell in besonderer Form von Gewalt und Bedrohungen betroffen wäre, geht den Länderberichten jedoch nicht hervor und legte der Beschwerdeführer auch nicht dar, weshalb er sich im Fall einer Rückkehr in einer besonders exponierten Stellung befinden würde (zur nicht bestehenden Gruppenverfolgung schiitischer Hazara siehe auch noch unten). Der Beschwerdeführer liefe auch nicht Gefahr, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Opfer der oben erwähnten zugenommenen gewalttätigen Angriffe regierungsfeindlicher Kräfte zu werden:

Bamyan zählt zu den relativ friedlichen Provinzen, der Großteil der Bevölkerung besteht aus Hazara. Im Zeitraum 01.01.2017 bis 30.04.2018 wurden in der Provinz zehn sicherheitsrelevante Vorfälle registriert; im gesamten Jahr 2017 wurden vier zivile Opfer registriert. Hinsichtlich Mazar-e Sharif als Ort einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist festzuhalten, dass sich aus den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrundeliegenden Länderfeststellungen ergibt, dass auch Balkh eine der stabilsten Provinzen Afghanistans ist und zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt; Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Dass der Beschwerdeführer als schiitischer Hazara im Fall einer Rückkehr nach Bamyan oder Mazar-e Sharif mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Ziel eines Angriffes regierungsfeindlicher Kräfte würde, ist daraus nicht zu schließen und wurde auch sonst nicht substantiiert vorgebracht. Bezüglich der vorgelegten Stellungnahme "On the Return of Hazaras to Afghanistan" des australischen Universitätsprofessors William Maley vom 13.11.2018 ist Folgendes anzumerken: Maley, ein Professor am Asia Pacific College of Diplomacy der Australian National University, dessen Fachbereiche die australische Regierung und Politik, internationale Beziehungen, Migration und Politische Theorie sowie politische Philosophie sind, bietet eine Zusammenfassung von Ereignissen in Afghanistan. Diese Ereignisse finden jedoch - sofern sie sich für die aktuelle Situation als maßgeblich darstellen - ohnehin Berücksichtigung in den den getroffenen Feststellungen zu Grunde liegenden Länderinformationen (insbesondere zur Sicherheitslage und zur Volksgruppe der Hazara). Die Darlegung dieser Ereignisse macht es im gegenständlichen Fall in Zusammenschau mit den Länderberichten somit nicht erforderlich, zusätzliche oder anderslautende Fest

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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