TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/24 W153 2121960-2

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Veröffentlicht am 24.10.2019
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Entscheidungsdatum

24.10.2019

Norm

AsylG 2005 §4a
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs2

Spruch

W153 2121960-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den die Richter Mag. Christoph KOROSEC über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2019, Zl. 1082119009-151063836 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass der Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

"Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 11.08.2015 wird gemäß § 4a Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBI I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, ist gemäß § 9 Absatz 2 und 3 BFA - Verfahrensgesetz, BGBI I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, auf Dauer unzulässig."

B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht

zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF), eine Staatsangehörige Afghanistans, brachte am 11.08.2015 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die BF am 12.11.2013 in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Bei der Erstbefragung am 12.08.2015 gab die BF im Wesentlichen an, dass sie vor ca. drei Jahren mit ihrer Familie vom Iran über die Türkei nach Griechenland gelangt und dann auf legalem Weg von Griechenland nach Deutschland gelangt sei. Von Deutschland sei sie nunmehr mit einem Zug bis nach Österreich gefahren. Die Familie habe 2013 um Asyl angesucht und sie habe bis zur Ausreise bei ihren Eltern gelebt. Sie sei im Iran geboren worden und dort aufgewachsen. Sie habe niemals in Afghanistan gelebt. Ihre Eltern hätten sie unterdrückt. Diese hätten im Asylverfahren gelogen und angegeben, dass die BF 16 Jahre alt sei. Sie hätten ihr nichts erlaubt und ihr auch kein Geld gegeben. Zweimal habe sie sich umzubringen wollen, aber niemand habe ihr Aufmerksamkeit geschenkt. Aus diesem Grund sei sie aus Deutschland geflohen. Ihr Vater habe ihr gedroht sie umzubringen.

Am 20.08.2015 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Konsultationsverfahren mit Deutschland ein und mit Schreiben der deutschen Behörden vom 26.08.2015 stimmte Deutschland einer Übernahme der BF gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III VO) zu.

Bei der Einvernahme durch das BFA am 03.11.2015 gab die BF im Wesentlichen an, dass sie doch in Afghanistan geboren sei und nunmehr lebe sie bei ihrem Lebensgefährten, den sie bereits ein Jahr kenne. Man habe sich durch das Internet kennengelernt und vor rund drei Monaten traditionell geheiratet. Dies bestätigte auch der als Vertrauensperson anwesende Lebensgefährte. Die BF bekräftigte nochmals, dass sie nicht zurück nach Deutschland wolle. Ihr Leben sei in Gefahr. Sie sei von ihrem Vater geschlagen worden und dieser habe sie mit dem Umbringen gedroht. Sie habe die ganze Zeit mit Angst gelebt. Als Kind habe sie sich gegen ihren Vater nicht wehren können. Ihr Vater habe auch Fotos von ihr Freunden weitergegeben. Sie hasse ihre Familie (Eltern). Der einzigen Person, der sie vertraue, sei ihr Lebensgefährte.

Am 10.11.2015 wurde die BF einer XXXX Untersuchung unterzogen. Dem Befund ist zu entnehmen, dass die BF zum Untersuchungszeitpunkt orientiert und bewusstseinsklar gewesen sei. Es seien keine Anhaltspunkte traumatischer Symptome gefunden und keine suizidale Einengung erkannt worden.

Mit dem Bescheid des BFA vom 01.02.2016 wurde I. der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. die Außerlandesbringung der BF gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) 2005 idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der BF nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

Dieser Bescheid legt in seiner Begründung insbesondere auch ausführlich dar, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich sind und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen.

Gegen diesen Bescheid erhob die BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.03.2016 wurde der Beschwerde stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Begründend wurde ausgeführt, dass die Überstellungsfrist von sechs Monaten gemäß Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO abgelaufen sei und die Zuständigkeit zur Führung des Verfahrens auf Österreich übergegangen sei.

Die zuständige Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine, mit 07.11.2017 datierte, Volksanwaltschaftsanfrage betreffend die Verfahrensdauer eingelangt ist.

In der erneuten Einvernahme vor dem BFA am 23.03.2018 führte die BF aus, dass sie in Afghanistan geboren worden sei und nur 6-7 Monate vor ihrer Ausreise nach Europa im Iran gelebt habe. Ihre Eltern, ihre Schwester und sie selbst hätten Afghanistan verlassen, da ihr Vater Probleme mit den Taliban gehabt habe. Darüber hinaus habe die Familie noch andere Feinde gehabt, die ihre Eltern aufgefordert hätten, ihre Töchter (die BF und ihre Schwester) an diese Leute zu übergeben. Die Eltern seien in Deutschland asylberechtigt. Die BF sei weder in Deutschland asylberechtigt, noch befinde sie sich in einem laufenden Asylverfahren. Die BF habe keine Familienangehörigen in Afghanistan. Zu den Eltern habe sie keinen Kontakt. Sie habe in Österreich traditionell geheiratet und einen Sohn bekommen. Sie sei aus Deutschland geflüchtet, da sie ihr Vater geschlagen und mit dem Tod bedroht habe. Sie lebe derzeit mit ihrem Sohn in einem Frauenhaus, da ihr Mann sie geschlagen habe, wolle jedoch nach einem Monat wieder zu ihm zurückkehren. Sie sei nicht erwerbstätig und lebe von der Grundversorgung. Sie legte die Geburtsurkunde ihres in Österreich geborenen Sohnes sowie die Beurkundung der Anerkennung der Vaterschaft durch ihren Mann vor.

Am 24.09.2018 übermittelte das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Niederschriften der Einvernahmen des Vaters der BF sowie die Bescheide betreffend die BF, deren Vater und deren Schwester. Dem Vater der BF wurde mit Bescheid 05.03.2016 die Flüchtlingseigenschaft in Deutschland zuerkannt. Mit Bescheid vom 29.03.2016 wurde der BF und deren Schwester abgeleitet vom Vater die Flüchtlingseigenschaft in Deutschland zuerkannt.

In der Einvernahme vor dem BFA am 27.11.2018 brachte die BF vor, unter psychischen Problemen zu leiden und Augenprobleme zu haben. Sie lebe wieder im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Mann. Sie habe nicht gewusst, dass sie in Deutschland Flüchtlingsstatus habe. Ihr Mutter habe ihr gesagt, dass alles von ihr in Deutschland gelöscht worden sei. Sie legte eine Ambulanzkarte des psychosozialen Dienstes Wien, Behandlungsbestätigungen, Rezepte sowie einen Befundbericht eines Augenfacharztes vor. Weiters wurde die traditionelle Heiratsurkunde, der Merkzettel des Standesamtes, eine Anmeldebestätigung für den A1 Deutschkurs, ein Obsorgebeschluss betreffend ihren Sohn und der Elternvertrag des Kindergartens vorgelegt.

In ihrer Stellungnahme vom 18.12.2018 führte die BF aus, dass sie westlich orientiert sei und ein selbstbestimmtes Leben führe. Die BF sei bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit hoher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung bzw. einer Verletzung des Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt. Auch liege ein schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 EMRK vor.

Das BFA hat mit Bescheid vom 18.07.2019, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass sich die BF nach Deutschland zurück zu begeben hätte (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 58 Abs. 2 und 3 AsylG iVm § 55 AsylG 2005 wurde der BF eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt.

Gegen Spruchpunkt I. dieser Entscheidung erhob die BF am 26.08.2019 Beschwerde und führte aus, dass das BFA festgestellt habe, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 9 BFA-VG aufgrund des Privat- und Familienlebens der BF unzulässig sei und habe deswegen einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 2 AsylG erteilt. Dennoch sei gemäß § 4a AsylG ausgesprochen worden, dass sich die BF nach Deutschland zu begeben habe, obwohl ihr eben dieses Verhalten gemäß Art. 8 EMRK nicht zugemutet werden könne. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG habe eine Zurückweisungsentscheidung wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zu unterbleiben, wenn die mit der Zurückweisung des Antrags verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde. § 4a AsylG kenne keine vergleichbare Regelung. Diese ungleiche Behandlung von im Wesentlichen identen Sachverhalten stelle eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Fremden untereinander dar. Die Lücke des § 4a AsylG sei mittels analoger Anwendung des § 5 AsylG zu schließen weshalb aufgrund der Verletzung des Art. 8 EMRK eine inhaltliche Prüfung des Antrages der BF vorzunehmen sei. Der Antrag der BF hätte daher nicht gemäß § 4a AsylG zurückgewiesen werden dürfen, sondern hätte inhaltlich geprüft werden müssen. Die BF habe darüber hinaus in ihrer Abwesenheit aus Deutschland Asyl erhalten; dies sei ohne ihr Wissen und ihren Willen erfolgt, da die BF ihren Lebensmittelpunkt in Österreich habe. Die BF stehe in Kontakt mit der deutschen Asylbehörde.

Am 08.10.2019 legte die BF ein Schreiben des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.08.2019 vor, aus welchen hervorgeht, dass derzeit geprüft wird, ob die Verantwortung mittlerweile auf Österreich übergegangen sei.

Der BF wurde eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 AsylG erteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF, eine Staatsangehörige Afghanistans, stellte nach ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 11.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF wurde in Deutschland mit Bescheid des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29.03.2016 die Flüchtlingseigenschaft im Familienverfahren zuerkannt.

Die BF ist mit dem in Österreich als subsidiär Schutzberechtigten rechtmäßig aufhältigen afghanischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , seit 15.08.2015 traditionell verheiratet und lebt seit 13.08.2015 an der Adresse 1110 Wien, Zippererstraße 14/10/4, mit diesem im gemeinsamen Haushalt. Vom 08.03.2015 bis 21.06.2018 war die BF in einem Frauenhaus in Wien als Nebenwohnsitz gemeldet.

Die BF hat am 03.12.2016 ihren Sohn XXXX in Wien geboren. Das BFA hat diesem den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen beruhen auf der Dokumentation des Verfahrens im vorliegenden Verwaltungsakt sowie einer Abfrage des Zentralen Fremdenregistern, des Zentralen Melderegisters und des Betreuungsinformationssystems Grundversorgung.

Die Feststellung des Bestehens der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland stützt sich auf den diesbezüglich von der deutschen Behörde übermittelten Zuerkennungsbescheid.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

Schutz im EWR-Staat oder in der Schweiz

§ 4a. Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat.

Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

...

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

...

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

...

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes (FPG) 2005 idgF lauten:

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Drittstaatsangehörige

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

...

Anordnung zur Außerlandesbringung

§ 61. (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

....

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Die maßgebliche Bestimmung des BFA-VG lautet:

Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

Der Verwaltungsgerichtshof (Ra 2016/18/0049, 03.05.2016) hat bezüglich des § 4a AsylG 2005 festgehalten, dass nach dem klaren Wortlaut des § 4a AsylG für die Beurteilung der Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß dieser Bestimmung zurückzuweisen ist, darauf abzustellen ist, ob dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Dass der Fremde dort zudem über einen aufrechten Aufenthaltstitel verfügen muss, lässt sich dem § 4a AsylG 2005 nicht entnehmen. Weiters ergibt sich aus dem Wortlaut der soeben zitierten Bestimmung, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 4a AsylG 2005 - im Gegensatz zu jener nach § 4 AsylG 2005 - keine Prognoseentscheidung zu treffen ist. Während nämlich gemäß § 4 AsylG 2005 eine Prognose dahingehend zu treffen ist, ob der Fremde in dem in Frage kommenden Drittstaat Schutz vor Verfolgung finden kann (Hinweis E vom 6. Oktober 2010, 2008/19/0483; vgl. auch ErlRV 952 BlgNR 22. GP 33), stellt § 4a AsylG 2005 unmissverständlich darauf ab, ob dem Fremden von einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde. Ob der Fremde bei Rückkehr in den nach Ansicht Österreichs zuständigen Staat eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung erlangen würde können oder ihm etwa die Aberkennung seines in der Vergangenheit zuerkannten Schutzstatus drohen könne, ist daher gemäß § 4a AsylG 2005 nicht zu prüfen.

Eine Zurückweisung des Antrages nach § 4a AsylG 2005 kommt selbst nach Zulassung des Verfahrens in Betracht (vgl. VwGH 04.03.2019, Ra 2019/14/0023 mit Hinweis auf VwGH 24.1.2018, Ra 2016/01/0127).

Bei einer Zurückweisung nach § 4a AsylG 2005 handelt es sich um eine Entscheidung außerhalb des Anwendungsbereichs der Dublin III-VO (VwGH Ra 2016/19/0072, 30.06.2016 mit Hinweis auf Ra 2016/18/0049, 03.05.2016).

Die BF brachte in ihrer Beschwerde vom 26.08.2019 vor, dass - in analoger Anwendung des § 5 AsylG - eine inhaltliche Prüfung ihres Antrages vorzunehmen gewesen wäre. Hierzu ist auszuführen, dass § 4a AsylG 2005 unmissverständlich darauf abstellt, ob dem Fremden von einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde (VwGH 03.05.2016, Ra 2016/18/0049). Ist einer dieser Tatbestände erfüllt, hat die Behörde den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen. Liegen daher die Voraussetzungen des § 4a AsylG 2005 vor, begründen sie nach dessen klaren Wortlaut ein Prozesshindernis für eine inhaltliche Behandlung des Antrages (vgl. VwGH 19.06.2019, Ra 2018/20/0373 mit Hinweis auf VwGH 04.03.2019, Ra 2019/14/0023).

Der BF wurde in Deutschland die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Da die Voraussetzungen des § 4a AsylG vorliegen, war nach der Rechtsprechung des VwGH von einer inhaltlichen Behandlung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz abzusehen. Das BFA ist aufgrund des geführten Ermittlungsverfahrens zurecht zum Ergebnis gelangt, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz aufgrund des bereits bestehenden Schutzstatus, welcher durch einen anderen EWR-Staat gewährt wurde, gemäß § 4a AsylG 2005 zwingend zurückzuweisen ist.

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG sowie gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 von Amts wegen nicht zu erteilen ist.

Mit Bescheid des BFA vom 18.07.2019 wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt II). Gemäß § 58 Abs. 2 und 3 AsylG iVm § 55 AsylG wurde der BF eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.), da zu ihrem in Österreich lebenden Sohn ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des Art. 8 EMRK bestehe, welches das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen übersteige. Gegen diese Spruchpunkte wurde keine Beschwerde erhoben und sind diese in Rechtskraft erwachsen.

Der Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG von Amts wegen oder auf begründeten Antrag zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Dies ist bei der BF der Fall. Die Behörde stellte fest, dass sie über ein schützenswertes Familienleben ist Österreich verfügt und erteilte daher einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Im vorliegenden Fall hätte die Behörde die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig erklären müssen. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides hat daher zu lauten: "Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 11.08.2015 wird gemäß § 4a Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBI I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, ist gemäß § 9 Absatz 2 und 3 BFA - Verfahrensgesetz, BGBI I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, auf Dauer unzulässig."

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben (vgl. VwGH 14.12.2018, Ra 2017/01/0169).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, sondern stellt die Entscheidungsfindung ausschließlich das Resultat einer eingehenden Glaubwürdigkeitsprüfung, basierend auf den konkret im Verfahren präsentierten Angaben des Beschwerdeführers dar. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel, Interessenabwägung, Privat- und Familienleben,
Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W153.2121960.2.00

Zuletzt aktualisiert am

25.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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