TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/28 W207 2197351-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.2019
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Entscheidungsdatum

28.10.2019

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W207 2197351-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.09.2019, Zl. 1101421806-190868606, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm §§ 57 und 58 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und der angefochtene Bescheid in sämtlichen Spruchpunkten ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Hazara schiitischen Glaubens, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA; in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) vom 16.05.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.06.2019, GZ. W136 2197351-1/14E, der damaligen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers zugestellt am 26.06.2019, wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde in diesem Erkenntnis, nachdem im Hinblick auf die Spruchpunkte I. und II. des damals angefochtenen Bescheides die Beschwerde hinsichtlich des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen worden war, anknüpfend an diese Abweisungen Folgendes ausgeführt:

"......

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels) und Spruchpunkt IV. (Erlassung einer Rückkehrentscheidung) des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen ist nicht zu erteilten, da auf den vorliegenden Fall keiner der im § 57 Abs. 1 AsylG genannten Fälle zutrifft.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze [§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG)] erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG i.S.d. Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens i.S.d. Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR sowie des VfGH und VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, 4. der Grad der Integration, 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. auch VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Zwar hat der Beschwerdeführer angegeben seit 27.07.2018 in Lebensgemeinschaft mit Frau W. zu leben, jedoch ist hinsichtlich dieser Beziehung - wie noch näher ausgeführt wird - in keinem Fall von einem schützenswerten Privat- und/oder Familienleben auszugehen.

Da der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich verfügt, ist ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd Art 8 EMRK auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

Im gegenständlichen Fall reiste der Beschwerdeführer illegal in das österreichische Bundesgebiet ein (vgl dazu VwGH 22.01.2009, 2008/21/0654). Er hält sich bislang rund dreieinhalb Jahre lang in Österreich auf, somit nicht so lange, als dass man nach vorhin angeführter Rechtsprechung des VwGH von einem schützenswerten Privatleben in Österreich ausgehen könnte.

Selbst wenn man vom Vorliegen schützenswerten Privatlebens ausginge, wäre der Eingriff in dieses Recht durch Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht unverhältnismäßig:

Dass der Fremde strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112; 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

Die Dauer des Verfahrens überstieg nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthalts im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 4.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z 85 f.).

Der Beschwerdeführer hat zwar im Mai 2018 eine Ausbildung als Bäckerlehrling begonnen, welche er nach Konkurs der Firma unverschuldet wieder beenden musste, und ist auch aktuell in einer Pizzeria beschäftigt, er hat sich aber insgesamt noch keine derartige wirtschaftliche Existenz aufgebaut, deren Aufgabe ihm nun nicht mehr zuzumuten wäre. Ebenso hat er keine hinreichend konkreten und substantiierten Angaben gemacht, welche auf eine besondere soziale Verfestigung im Bundesgebiet, etwa durch intensive Teilnahme am Vereins- oder Gesellschaftsleben oder Mitarbeit bei sonstigen gemeinnützigen Organisationen, schließen lassen würden. Zu den zwischenzeitig erworbenen Deutschkenntnissen (vgl. Verhandlung vom 18.03.2019: "R stellt fest, dass [die] P die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen in Deutsch versteht und auch in gebrochenem Deutsch beantwortet hat.") ist anzumerken, dass auch solche für sich alleine nicht ausreichen, um die fortgeschrittene oder gar vollständige Integration eines Fremden in Österreich annehmen zu können. Allfällige freundschaftliche Beziehungen im Bundesgebiet ist er zu einem Zeitpunkt eingegangen, an dem er sich seiner prekären aufenthaltsrechtlichen Position bewusst sein musste. Auch die erst relativ kurze Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin hat er letztlich erst begonnen bzw. intensiviert, als er sich über die Unsicherheit seines Aufenthalts bereits im Klaren sein musste. Immerhin ist der Beschwerdeführer erst nach der abweisenden Entscheidung der belangten Behörde mit Frau W. zusammengezogen. Dieses Bewusstsein kommt letzten Endes auch aus den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin im Rahmen der mündlichen Verhandlung klar hervor (vgl. Verhandlung vom 18.03.2019:

"Ja, wir möchten heiraten. [...] Ich muss aber die Entscheidung des Asylverfahrens abwarten". Die Lebensgefährtin als Zeugin: "Es ist immer die Angst im Hintergrund, dass mein Lebensgefährte wieder zurückmuss."). Davon abgesehen kommen in diesem Zusammenhang auch keine besonderen wechselseitigen Abhängigkeiten zum Ausdruck. Hinsichtlich dieser Beziehung ist daher in keinem Fall von einem schützenwerten Privat- und/oder Familienleben auszugehen.

Sein bisheriges Engagement ist zwar lobenswert und spricht für Integrationsbemühungen, diese genügen insbesondere vor dem Hintergrund seiner erst kurzzeitigen Aufenthaltsdauer in Österreich aber nicht, um eine nachhaltige Integration in Österreich annehmen zu können.

In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der Beschwerdeführer für die Dauer seines Asylverfahrens in Österreich stets nur vorläufig aufenthaltsberechtigt war. Er musste von vornherein damit rechnen, dass es im Falle einer negativen Entscheidung über den Asylantrag zu einer Beendigung des Aufenthalts kommt. Eine Ausweisung - im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung - in derartigen Fällen, in denen sich die betroffene(n) Person(en) der Unsicherheit des Aufenthaltsstatus bewusst sein musste(n), könne nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen (vgl. hierzu zB: EGMR 11. 04. 2006, Useinov v. The Netherlands, Appl. 61.292/00 bzw. EGMR 08. 04. 2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06).

Den schwach ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des VwGH kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (z.B.: VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

Der Beschwerdeführer hat sein gesamtes Leben bis zur Ausreise in Afghanistan verbracht und dort seine Sozialisation erfahren. Er beherrscht Dari, absolvierte im Herkunftsstaat die Schul- und Berufsausbildung und machte dort einen Abschluss in Elektronik. Es ist daher davon auszugehen, dass er sich nach nur wenigen Jahren Abwesenheit vom Herkunftsstaat in die dortige Gesellschaft wieder eingliedern können wird, zumal er mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten vertraut ist und auf den Rückhalt - durch seine dort ansässige - Großfamilie bzw. seinen Freundeskreis bauen kann.

Der Beschwerdeführer benötigt in Österreich auch keine medizinische Behandlung, welche er in seinem Herkunftsland nicht bekommen würde (siehe dazu VwGH 28.04.2015, Ra 2014/180146 bis 0152; VwGH 29.02.2012, 20110/21/0310 bis 0314 und 210/21/0366; VfGH 21.09.2015, E332/2015).

In einer Gesamtbetrachtung iSd. § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Somit begründet die angeordnete Rückkehrentscheidung keine Verletzung des Art. 8 EMRK. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 1 AsylG ist daher ebenfalls nicht geboten.

3.4. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides (Zulässigkeit der Abschiebung):

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg. cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestünde eine innerstaatliche Fluchtalternative.

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Im Fall des Beschwerdeführers liegt weder ein Sachverhalt nach § 50 Abs. 1 FPG noch ein Sachverhalt nach § 50 Abs. 2 FPG vor (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0377).

§ 50 Abs. 3 FPG ist nicht erfüllt, weil eine derartige Empfehlung des EGMR für Afghanistan nicht besteht (vgl. dazu VwGH 13.09.2016, Ra 2016/01/0096, mit zahlreichen Hinweisen auf die seit 2013 bestehende Rechtsprechung des EGMR, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde).

Somit ist die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig.

3.5. Zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides (Ausreisefrist):

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Dass besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.

Die Beschwerde ist daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides abzuweisen."

Der Beschwerdeführer reiste in der Folge allerdings nicht entsprechend der ihn treffenden Ausreiseverpflichtung freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

Laut Inhalt des Verwaltungsaktes der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer ein mit 26.08.2019 datiertes Parteiengehör, mit dem dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, binnen einer Woche zur Nichtbefolgung der Ausreiseverpflichtung Stellung zu nehmen - sofern überhaupt - nicht vor dem 02.09.2019 ausgehändigt.

Am 03.09.2019 wurde der Beschwerdeführer nach Afghanistan abgeschoben; eine zwischenzeitlich erfolgte Wiedereinreise in das österreichische Bundesgebiet ist nicht aktenkundig.

Mit - amtswegig ergangenem - Bescheid belangten Behörde vom 16.09.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Dieser mit 16.09.2019 datierte Bescheid wurde dem Beschwerdeführer entsprechend der im Akt der belangten Behörde aufliegenden Beurkundung vom 19.09.2019 am 19.09.2019 gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Zustellgesetz ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt und damit zugestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Anwaltsschriftsatz vom 15.10.2019, zur Post gegeben am 17.10.2019, fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Diese Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 23.10.2019 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.05.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 09.01.2016 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.06.2019, GZ. W136 2197351-1/14E, wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer daher bereits, rechtlich aufbauend auf den spruchgemäß vorangegangenen rechtskräftigen Abweisungen des Antrages auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.), unter anderem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen. Dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde der damaligen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers am 26.06.2019 zugestellt.

Der Beschwerdeführer reiste in der Folge nicht entsprechend der ihn treffenden Ausweiseverpflichtung freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer am 03.09.2019 - also vor Erlassung des mit 16.09.2019 datierten und nunmehr angefochtenen Bescheides - nach Afghanistan abgeschoben wurde. Festgestellt wird in diesem Zusammenhang, dass sich der Beschwerdeführer aktuell nicht im österreichischen Bundesgebiet aufhält.

Festgestellt wird, das der Beschwerdeführer keinen Antrag auf eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" iSd § 57 AsylG 2005 gestellt hat.

Mit dem nunmehr angefochtenen, von Amts wegen ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 16.09.2019, dem Beschwerdeführer zugestellt gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Zustellgesetz am 19.09.2019, wurde dem Beschwerdeführer (abermals) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer schließlich ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf den Akteninhalt und werden auch im Wesentlichen in der Beschwerde nicht bestritten; sie sind daher in den wesentlichen Punkten unstrittig. Dies gilt insbesondere auch für die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer am 03.09.2019 nach Afghanistan abgeschoben wurde, sich aktuell nicht im österreichischen Bundesgebiet aufhält und keinen Antrag auf eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" iSd § 57 AsylG 2005 gestellt hat; ein solcher Antrag ist nicht aktenkundig, zudem wird in der Beschwerde vorgebracht, ein solcher Antrag sei nicht gestellt worden.

Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

Das AsylG 2005 regelt in seinem 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz"

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde kein Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, der die belangte Behörde zu einer Entscheidung über die Erteilung einer solchen "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" berechtigt oder verpflichtet hätte, zu Grunde liegt. Es stellt sich daher die Frage, ob die belangte Behörde in der gegenständlichen Fallkonstellation berechtigt war, eine solche Entscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 amtswegig zu treffen.

Die belangte Behörde hat ihre amtswegig getroffene Entscheidung zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, soweit dessen Begründung zu entnehmen ist, auf § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 57 AsylG 2005 gestützt. Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 hat das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Die diesbezügliche von der belangten Behörde herangezogene Bestimmung stellt daher nach ihrem klaren Wortlaut auf das aktuelle Vorliegen eines (unrechtmäßigen) Aufenthaltes des Fremden im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 ab. Der Beschwerdeführer ist aber unbestritten seit 03.09.2019 nicht mehr im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Auch wurde der angefochtene Bescheid unbestritten nicht etwa noch vor Beendigung des Aufenthaltes durch die am 03.09.2019 erfolgte Abschiebung im Bundesgebiet erlassen, die Erlassung des gegenständlich angefochtenen, mit 16.09.2019 datierten Bescheides erfolgte laut im Akt der belangten Behörde aufliegender Beurkundung erst am 19.09.2019, also erst nach Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet.

Auch sonst ist keine Bestimmung ersichtlich, die in der gegenständlichen Fallkonstellation eine Rechtsgrundlage für eine isolierte - also eine nicht "unter einem" erlassene, im bescheidmäßigen Zusammenhang mit einer unmittelbaren zuvor getroffenen und mit dieser zusammenhängenden Entscheidung über den Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten stehende - neuerliche amtswegige Prüfung der Voraussetzungen der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 bieten würde.

Der belangten Behörde kam daher in der gegenständlichen Fallkonstellation keine Zuständigkeit zu einer amtswegig durchgeführten neuerlichen Prüfung der Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 zu. Daher war Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.

Da die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides in untrennbarem Zusammenhang mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides stehen und von dessen rechtlichen Schicksal abhängen, da sämtliche Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides in einer nacheinander abgestuften Abfolge aufeinander aufbauen, fällt nach ersatzloser Behebung des Spruchpunktes I. die Rechtsgrundlage für die nachfolgenden, daran anknüpfenden Spruchpunkte II. bis VI. weg, weshalb auch diese als Folge der Behebung des Spruchpunktes I. zu beheben sind, zumal abgesehen davon auch die unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides auf Rechtsgrundlage des § 10 Abs. 2 AsylG ("Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.") und § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassene Rückkehrentscheidung einen (nicht rechtmäßigen) Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben und der angefochtene Bescheid zur Gänze aufzuheben.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 des VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;

3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, vom 2. September 2015, Ra 2014/19/0127, vom 15. März 2016, Ra 2015/19/0180, vom 18. Mai 2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20. Juni 2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht in inhaltlicher Hinsicht keine neuen Beweismittel beigeschafft und sich für seine Feststellungen in inhaltlicher Hinsicht auf jene, die denen im angefochtenen Bescheid entsprechen, gestützt. Die Beschwerde ist der Richtigkeit dieser Feststellungen und der zutreffenden Beweiswürdigung der Behörde nicht substanziiert entgegengetreten (VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/01/0102) und hat keine neuen bzw. abweichenden Tatsachen vorgebracht.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Abgesehen davon steht iSd § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG bereits auf Grund der Aktenlage fest, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, weshalb auch gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Verhandlung entfallen kann.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel, Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen,
Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W207.2197351.2.00

Zuletzt aktualisiert am

25.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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