TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/29 W242 2191089-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.11.2019
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Entscheidungsdatum

29.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W242 2191089-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Heumayr als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wien 17., Wattgasse 48/3. Stock, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Pakistans, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Am 21.11.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass seine Schwester fünf Tage nach der Hochzeit von ihrem Mann wieder nach Hause geschickt worden sei. Er habe sich scheiden lassen wollen. Der Beschwerdeführer habe dann mit seinem Schwager geredet, doch hätten sie sich dabei zerstritten. Der Konflikt sei aber immer größer geworden. Zuletzt sei er von seinem Schwager bedroht worden, weshalb er nach anraten der Familie das Land verlassen habe.

Am 14.02.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ( XXXX ) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Urdu niederschriftlich zum Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Der Beschwerdeführer brachte dabei zu seinem Fluchtgrund befragt im Wesentlichen vor, dass es wegen der Parteizugehörigkeit zu einem Streit mit den gegnerischen Leuten gekommen sei. Nachdem die gegnerische Partei im Jahr 2003 die Wahl gewonnen hätte, sei es zu Streitigkeiten zwischen Ihnen gekommen. Es sei, besonders in der Ortschaft des Beschwerdeführers, immer wieder zu Streitigkeit und Kämpfen gekommen. Im Jahr 2016 sei es dadurch zu sehr vielen Morden gekommen. Seine Brüder und er hätten aus Pakistan fliehen müssen. Der Schwager hätte ihnen, nach dem Wahlsieg vorgeworfen, dass sie Arbeiten im Dorf nicht ordentlich gemacht haben würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht glaubhaft hätte machen können. Der Beschwerdeführer sei bei einer Rückkehr nach Pakistan keiner besonderen Gefährdung ausgesetzt. Der Beschwerdeführer sei zudem ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der noch über Angehörige im Heimatland sowie über eine mehrjährige Schulausbildung verfüge.

Der vertretene Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde ein Mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt habe. Es wären aufgrund einer nicht schlüssigen Beweiswürdigung und eines mangelhaften Ermittlungsverfahren Feststellungen getroffen worden, die in weiterer Folge rechtswidrig rechtlich beurteilt worden wären. Hätte die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren geführt, hätte dem Beschwerdeführer Asyl zuerkannt werden müssen. Gleiches gelte für die Frage der Zuerkennung von subsidiären Schutz und die Erlassung der Rückkehrentscheidung.

Am 18.11.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat, seinen Fluchtgründen und seiner Integration in Österreich befragt wurde. Im Zuge der Verhandlung legte der Beschwerdeführer diverse Unterlagen zum Beweis seiner Integration vor und wurde die von ihm beantragte Zeugin einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist pakistanischer Staatsangehöriger, wurde in Sialkot geboren und gehört der Religionsgemeinschaft der sunnitischen Muslime an. Er ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer spricht Punjabi und Urdu auf muttersprachlichem Niveau. Daneben verfügt er über grundsätzliche Kenntnisse der deutschen Sprache. Er hat in Pakistan zwölf Jahre lang die Schule besucht und ist in der Zeit zwischen dem Schulabschluss und seiner Ausreise keiner Arbeit nachgegangen. Sein Lebensunterhalt wurde durch seine Eltern bestritten. Die Familie des Beschwerdeführers verfügt in Pakistan über ein Haus und über Grundbesitz.

Der Beschwerdeführer verfügt in Pakistan auf jeden Fall noch über zwei Schwerstern und eine Mehrzahl von Onkeln und Tanten. Fest steht auch, dass der Vater des Beschwerdeführers nicht im Zuge einer Verfolgung getötet wurde.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohenden Erkrankungen, benötigt keine Medikamente und ist arbeitsfähig.

Zum (Privat-)Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest seit seiner Beantragung von internationalem Schutz am XXXX .2015 durchgehend in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer verfügt über eine Gewerbeberechtigung zum Gütertransport. Er arbeitet in dessen Rahmen seit zumindest dem 15.01.2019 als Zeitungszusteller und verdient damit seinen Lebensunterhalt. Er verfügt über keine Verwandten in Österreich. Er führt eine Beziehung und lebt mit seiner Lebensgefährtin seit zumindest April 2019 in einem gemeinsamen Haushalt. Mit Hilfe seiner Lebensgefährtin lernt er die deutsche Sprache und verfügt somit über grundlegende Deutschkenntnisse.

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch private Personen drohen würde.

Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Fest steht, dass der Beschwerdeführer in Pakistan keiner Verfolgung aus politischen, religiösen, ethnischen oder sonstigen Gründen ausgesetzt war oder im Falle seiner Rückkehr ausgesetzt sein würde.

Fest steht, dass der Beschwerdeführer in Pakistan keiner unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen wäre. Bei einer Rückkehr nach Pakistan kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen und würde daher in keine existenzgefährdende Notsituation geraten. Auch wäre er im Falle seiner Rückkehr als Zivilperson keiner ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt.

Zur maßgeblichen Situation in Pakistan:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom BFA herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 16.05.2019, in der Fassung vom 09.08.2019 gekürzt wiedergegeben:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 9.8.2019: Aufhebung Sonderstatus für Jammu und Kaschmir (Betrifft Abschnitte 2. Politische Lage)

Indien hat am 5.8.2019 den in der Verfassung festgelegten Sonderstatus (ZO 6.8.2019) der mehrheitlich muslimischen Region (FAZ 6.8.2019) des indischen Teils von Kaschmir per Dekret beendet (ZO 6.8.2019). Unmittelbar darauf hat das Parlament in Delhi die Aufhebung jenes Artikels 370 der indischen Verfassung beschlossen (FAZ 7.8.2019), welcher Jammu und Kaschmir einen Sonderstatus einräumt und vorgeschlagen, den Staat in zwei Unionsterritorien, nämlich Jammu und Kaschmir sowie Ladakh aufzuteilen (IT 6.8.2019).

Der Artikel 370 gewährt der Region eine gewisse Autonomie, wie eine eigene Verfassung, eine eigene Flagge und die Freiheit, Gesetze (BBC 6.8.2019) mit Ausnahme zu Belangen der Außen- wie auch der Verteidigungspolitik (DS 7.8.2019) zu erlassen. Dies stellte einen Kompromiss zwischen der zu großen Teilen muslimischen Bevölkerung und der hinduistischen Führung in Neu¬Delhi dar (ARTE 7.8.2019).

Neben dem Artikel 370 wurde auch der Artikel 35A aufgehoben, welcher dem lokalen Parlament erlaubte festzulegen, wer Bürger des Teilstaats ist und wer dort Land besitzen und Regierungsämter ausüben kann (NZZ 5.8.2019).

Die auch in Indien umstrittene Aufhebung der Autonomierechte befeuert die Spannungen in der Region. Kritiker befürchten, dass die hindu-nationalistische Ministerpräsident Narendra Modi und seine Regierung eine "Hinduisierung" des Gebiets anstreben (TNYT 6.8.2019).

Damit Unruhen verhindert werden, haben die indischen Behörden sämtliche Kommunikationskanäle unterbrochen, zusätzlich 10.000 Soldaten (SO 4.8.2019) in die hoch militarisierte Region entsendet (ARTE 7.8.2019) und führende Regionalpolitiker wurden unter Hausarrest gestellt (FAZ 7.8.2019), Medienberichten zufolge wurden bei Razzien im Bundesstaat Jammu und Kashmir mittlerweile mehr als 500 Personen festgenommen (HP 8.8.2019).

Pakistan, das ebenfalls Anspruch auf die gesamte Region erhebt (ORF 5.8.2019), verurteilt den Schritt als illegal und richtet durch das pakistanische Militär eine klare Drohung an Indien und kündigt an, den UN-Sicherheitsrat anzurufen (ZO 6.8.2019). Der pakistanische Regierungschef Khan warnt vor den verheerenden Folgen, die eine militärische Auseinandersetzung haben könnte (FAZ 7.8.2019).

Kritik an dem Schritt der indischen Regierung kommt auch aus Peking (FAZ 6.8.2019). Chinas Außenminister Hua Chunying hat den Schritt Indiens zur Abschaffung des Sonderstatus Kaschmirs als "nicht akzeptabel" und "nicht bindend" bezeichnet (SCMP 7.8.2019).

Es gibt vereinzelte Berichte über kleinere Aktionen des Wiederstandes gegen das Vorgehen der Sicherheitskräfte, welche jedoch offiziell nicht bestätigt worden sind (BBC 7.8.2019).

Anmerkung: Zuletzt drohte die Situation im Februar 2019 zu eskalieren, nachdem bei einem Selbstmordanschlag dutzende Polizisten in der Region und Hindu-Nationalisten die Bewohner Kaschmirs für das Attentat verantwortlich gemacht haben (ARTE 7.8.2019).

Die Krise zwischen Indien und Pakistan spitzte sich daraufhin derart zu, dass es zu gegenseitigen Luftschlägen gekommen war.

KI vom 28.5.2019: Nord-Wasiristan: drei Tote bei Zusammenstößen zwischen Militär und PTM

(Betrifft Abschnitte 17.3 . Ethnische Minderheiten/Paschtunen: 13.

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Opposition: 3.3. Sicherheitslage/Khyber Pakhtunkhwa)

Während einer Demonstration der Pashtun Tahafuz Movement (PTM) kam es bei einem Kontrollpunkt in Boya. im Stammesdistrikt (Tribal District) Nord-Wasiristan (Provinz Khyber Pakhtunkhwa) am 26.5.2019 zu einem Schusswechsel (Standard 28.5.2019; vgl. AI 27.5.2019).

Gemäß Angaben des Nachrichtendienstes der pakistanischen Armee (Inter Services Public Relations. ISPR) wurde der Kontrollposten von einer von zwei führenden Mitgliedern der PTM sowie Mitgliedern der Nationalversammlung. Mohsin Dawar und Ali Wazir. angeführten Gruppe angegriffen. Beim darauffolgenden Schusswechsel wurden drei Personen getötet und 15 Personen - darunter fünf Soldaten - verletzt (Dawn 26.5.2019).

PTM-Aktivist Mohsin Dawar bestritt diese Version und beschuldigte die Armee. das Feuer auf die friedliche Kundgebung eröffnet zu haben (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM wurden dabei fünf Aktivisten getötet und 45 weitere verletzt (PT 27.5.2019). Der Abgeordnete zur Nationalversammlung Ali Wazir wurde gemeinsam mit einigen anderen Aktivisten der PTM verhaftet. Mohsin Dawar ist hingegen untergetaucht (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 27.5.2019).

Gemäß Angaben von Dawar wollte das Sicherheitspersonal verhindern. dass die Gruppe an einer Demonstration teilnimmt. die gegen mutmaßliche Übergriffe durch das Militär im Zuge einer Suchoperation gerichtet war (VOA 26.5.2019). Besagtem Protest durch die örtliche Bevölkerung. der am 25.5.2019 in Doga Macha Madakhel (Nord Wasiristan) begann. haben sich später Mitglieder der PTM angeschlossen (Dawn 26.5.2019; vgl. PT 27.5.2019). Im Zuge der Suchoperation wurde eine Frau zusammengeschlagen (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019) sowie einige Personen verhaftet (VOA 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM verlief diese Veranstaltung ruhig. bis Dawar und Wazir in der Gegend ankamen. um ebenfalls am Protest teilzunehmen. Nachdem bei dieser Demonstration Unruhen ausgebrochen waren. wurden mindestens 20 Personen verletzt (Dawn 26.5.2019).

In Folge dieser Zwischenfälle wurde in Nord-Wasiristan eine Ausgangssperre verhängt sowie Telefon- und Internetdienste abgeschalten (Dawn 26.5.2019; vgl. VOA 26.5.2019. PT 27.5.2019). weswegen es schwierig ist. Berichte aus dieser Region zu erhalten (VOA 26.5.2019).

Am 26.5.2019 wurde Ali Wazir einem Anti-Terror-Gericht in Bannu vorgeführt. Vom Gericht wurde eine achttägige Untersuchungshaft angeordnet und Wazir muss am 4.6.2019 wieder vor Gericht erscheinen. Er wurde u.A. wegen Terrorismus und Mordes angezeigt (Dawn 27.5.2019)

Die pakistanischen Behörden haben ihr Vorgehen gegen die PTM intensiviert (AI 27.5.2019). Im April 2019 richtete sich Premierminister Imran Khan an das PTM, wobei er die Anliegen der Paschtunen würdigte, jedoch klarmachte, dass er Eskalationen nicht gutheiße (Dawn 26.5.2019). Ende April 2019 erhob die Armee Vorwürfe, dass die PTM Finanzierung durch afghanische und indische Geheimdienste erhalte (Dawn 26.5.2019; vgl. VOA 26.5.2019, Dawn 30.4.2019) und warnte die PTM, dass "ihre Zeit vorbei" sei, und dass diese die "roten Linien" nicht überschreiten solle (Dawn 26.5.2019; vgl. Dawn 30.4.2019). Es wurde eine mögliche nicht näher spezifizierte Aktion gegen die PTM angekündigt, wobei der Armeesprecher angab, dass diese Ansage keine "Kriegserklärung" sei und weder illegale Aktionen noch Unannehmlichkeiten für normale Paschtunen geplant seien (Dawn 30.4.2019).

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit- Baltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan ca. 207,8 Millionen Einwohner ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit-Baltistan (PBS 2017a), wo zusammengerechnet weitere ca. 5,5 Millionen Menschen leben (AJK PDD 2017 + Khan 2017 S 88-89). Das Land ist der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 5.2.2019).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).

Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).

Unabhängige Beobachter berichten von technischen Verbesserungen beim Wahlablauf (USDOS 13.3.2019), jedoch war die Vorwahlzeit geprägt von Einflussnahmen durch Militär und Nachrichtendienste (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019) insbesondere gegen die bisherige Regierungspartei Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) (FH 1.2019). Die Wahlbeobachtermission der EU schätzte den Wahlverlauf als transparent und gut durchgeführt ein, jedoch erschwerte die Selbstzensur der Berichterstatter das Treffen von qualifizierten Wahlentscheidungen für die Wähler (EUEOM 27.7.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).

Der Fokus der PTI-Koalitionsregierung liegt laut offizieller Darstellung auf dem Kampf gegen Korruption, der Sanierung von Wirtschaft und Finanzen sowie einem besseren Bildungs- und Gesundheitssystem (AA 1.2.2019a). In der Praxis dominiert das Militär wichtige Politikbereiche, insbesondere innere sowie äußere Sicherheit und Beziehungen zu - für Pakistans äußere Sicherheit zentralen - Staaten wie Afghanistan, Indien und USA (AA 21.8.2018; vgl. FH 1.2019). Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert und der Generaldirektor des Inter-Services Intelligence (ISI) gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity.org o.D.).

Sicherheitslage

Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).

Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).

Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt 5] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018) . Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).

Im aktuellen Konflikt zwischen Indien und Pakistan demonstrierten beide Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen, dass sie bereit sind, die Lage weiter eskalieren zu lassen (Dawn 8.4.2019 vgl. BMEIA 27.3.2019). Jedoch wird ein Atomkrieg als äußerst unwahrscheinlich gesehen (DW 28.2.2019).

Im Vorfeld der Parlamentswahlen am 25.7.2018 erlebte Pakistan eine Welle von Gewalt mit größeren Anschlägen in verschiedenen Provinzen, für die militante aufständische Gruppierungen die Verantwortung übernahmen. Der Selbstmordanschlag am 13.7.2018 auf eine politische Versammlung in Mästung, Belutschistan, mit 150 Toten war der Anschlag mit den dritt-meisten Todesopfern, der bis dahin jemals in Pakistan verübt wurde (EASO 10.2018 S 18; vgl. PIPS 7.1.2019 S 43). Am Wahltag waren 370.000 Soldaten und 450.000 Polizisten mit erweiterten Befugnissen im Einsatz, um die Wahllokale zu sichern. Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale und es gab regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-konfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).

Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihre Splittergruppen, insbesondere Jamaatul Ahrar und Hizbul Ahrar, bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Talibanfraktionen, Lashkar-e-Islam und Islamischer Staat führten 2018 171 terroristische Angriffe mit 449 Toten und 769 Verletzten durch. Nationalistische Gruppierungen, vorwiegend belutschische, führten 80 terroristische Angriffe mit 96 Toten und 216 Verletzten durch. Elf terroristische Angriffe mit 50 Toten und 45 Verletzten waren konfessionell motiviert (PIPS 7.1.2019).

Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von

2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).

Im Februar 2019 eskalierten die Spannungen zwischen Indien und Pakistan im langanhaltenden Kaschmir-Konflikt (Time 28.2.2019; vgl. UKFCO 7.3.2019). Der indische Luftangriff vom 26.2., bei dem laut pakistanischen Angaben keine Menschen zu Schaden kamen (Time 28.2.2019) in Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019). Am 27.2. wurde ein indisches Kampfflugzeug in pakistanischem Luftraum abgeschossen (Time 28.2.2019). Es kommt zu wiederholten Grenzverletzungen und Militäraktionen zwischen Pakistan und Indien (BMEIA 27.3.2019). Durch Schusswechsel über die Demarkationslinie hinweg werden auf beiden Seiten immer wieder Soldaten und Zivilisten verletzt oder getötet (Standard 2.4.2019; vgl. Presse 2.3.2019, Reuters 3.3.2019).

Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten. Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 19.9.2018).

Trotz gesetzlicher Regelungen gegen die Finanzierung von Terrorismus, die internationalen Standards entsprechen, werden Gruppen wie Lashkar-e Tayyiba nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen. Auch gibt es Lücken in der Umsetzung der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al-Qaeda und den Islamischen Staat (USDOS 19.9.2018).

Punjab und Islamabad

Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).

Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018).

In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in Lahore am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).

Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 13.3.2019). Die pakistanische Verfassung und die Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 10.2018).

Der Aufbau des Justizsystems ist in der Verfassung geregelt. Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht und kann sich in Fällen von öffentlichem Interesse auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen. Die fünf High Courts (je einer pro Provinz und im Islamabad Capital Territory) fungieren u.a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Ferner bestehen Provinz- und Distriktgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Steuern, Banken und Zoll (ÖB 10.2018).

Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court, der zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen werden und diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in - Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden - Teilen entschärft wurden (ÖB 10.2018).

Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt. Der Supreme Court und die High Courts gelten als chronisch überlastet (ÖB 10.2018).

Die Justiz steht weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 21.8.2018). Gerichte sind überlastet, die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 1.2.2019). Laut NGOs und Rechtsexperten ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt (USDOS 13.3.2019). Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA 21.8.2018).

Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 13.3.2019) Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln oder eine faire und effektive Anhörung (USDOS 13.3.2019).

Zivile Streitigkeiten, insbesondere wegen Eigentum und Geld, sind ein häufiger Grund für Mordfälle in Pakistan. Die oftmals Jahrzehnte dauernden Verzögerungen bei Urteilen durch Zivilgerichte können zu außergerichtlicher Gewaltanwendung zwischen den Streitparteien führen (JPP 4.10.2018). De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für normale Pakistaner kaum eine Rolle (AA 21.8.2018). Vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans bestehen informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen und die oft Menschenrechtsverletzungen zur Folge haben (USDOS 13.3.2019; vgl. ÖB 10.2018).

Die örtliche Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts erstreckte sich gemäß Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas - PATA, und Federally Administered Tribal Areas - FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung). Mit Ende Mai 2018 wurden die Stammesgebiete durch die

31. Verfassungsänderung v.a. in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert, wodurch das gesamte pakistanische Rechts- und Justizsystem nach einer zweijährigen Übergangsfrist auf FATA und PATA ausgeweitet werden soll (ÖB 10.2018; vgl. Dawn 31.5.2018). Außerdem gibt es auch in Azad Jammu und Kaschmir (AJK) sowie in Gilgit- Baltistan eigene Justizsysteme (ÖB 10.2018).

Die Regierung erließ im Jänner 2015 als Reaktion auf den Terrorangriff auf die Militärschule in Peschawar eine Verfassungsänderung, welche den Militärgerichten erlaubt, gegen unter Terrorverdacht stehende Zivilisten zu prozessieren (USDOS 13.3.2019; vgl. News 19.1.2019). Für mehr Informationen zu den Militärgerichten siehe Abschnitt 4.1 Im Zivil-, Kriminal- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann auf öffentliche Kosten ein Anwalt zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 13.3.2019). Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Schiiten, Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 13.3.2019).

Auf dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit 2019 rangiert Pakistan auf Platz 117 von 126; gemäß Bereinigung um die 13 im Vergleich zum Vorjahr hinzugefügten Staaten würde das eine Verschlechterung um einen Rang darstellen (WJP 2019).

Militärgerichte

Als Reaktion auf das Schulmassaker der Taliban in Peschawar 2014 genehmigte das Parlament im Jänner 2015 die Strafverfolgung von Zivilisten vor Militärgerichten bei Anklagen wie Terrorismus und religiös-konfessioneller Gewalt (USDOS 13.3.2019). Der Fortbestand der Militärgerichte wurde im März 2017 (ÖB 10.2018; vgl. AI 21.2.2018) und im Jänner 2019 für jeweils weitere zwei Jahre - vorerst bis 2021 - von der Regierung beschlossen (News 19.1.2019), jedoch bis Mai 2019 von der Nationalversammlung noch nicht ratifiziert, da der Regierung die Unterstützung von Oppositionsparteien für die notwendige Zweidrittelmehrheit fehlt. Die Zuständigkeit der Militärgerichte zur Verhandlung gegen Zivilisten unter Terrorismusanklage ist somit im März 2019 ausgelaufen. Falls es zu keiner Erneuerung der Zuständigkeit der Militärgerichte kommt, will das Militär noch nicht abgeschlossene Verfahren an zivile Gerichte zur weiteren Bearbeitung übergeben (Dawn 2.5.2019).

Die Prozesse vor Militärgerichten werden rechtsstaatlichen Vorgaben an ein faires Verfahren nicht gerecht (ÖB 10.2018; vgl. AA 21.8.2018). So ist nicht klar, unter welchen Voraussetzungen und nach welchem Verfahren bestimmte Fälle an ein Militärgericht verwiesen werden; die verfahrensleitenden Militärs müssen nicht über eine juristische Ausbildung verfügen (ÖB 10.2018); die Verfahren müssen nicht öffentlich sein (ÖB 10.2018; vgl. AA 21.8.2018, PIPS 7.1.2019) und es ist keine Kaution vorgesehen (USDOS 13.3.2019). Augenzeugenberichte werden nicht berücksichtigt und bei berechtigtem Zweifel wird nicht zugunsten der Beschuldigten entschieden (HRCP 3.2019).

Über den Ablauf der Verfahren vor diesen Gerichten dringt so gut wie nichts an die Öffentlichkeit, Einzelheiten über Militärgerichtsverfahren gegen zivile Terrorverdächtige werden nicht bekannt. Einzige Informationsquelle über die Verfahren sowie über die Vollstreckung von Urteilen ist der Informationsdienst des Militärs (AA 21.8.2018).

Im Falle der Aburteilung ziviler Terrorverdächtiger hat sich der Oberste Gerichtshof mit seiner Entscheidung vom 05.08.2015 das Recht vorbehalten, Urteile der Militärgerichte nach bestimmten Kriterien zu überprüfen. Bislang ist nicht bekannt, dass eine solche Überprüfung zur Aufhebung des Urteils eines Militärgerichtes geführt hätte (AA 21.8.2018). Die Familien von 16 von Militärgerichten Verurteilten wandten sich an den Supreme Court; dieser sprach allerdings im August 2016 aus, dass die Beschwerdeführer die Verletzung ihres Grundrechts auf ein faires Verfahren nicht beweisen konnten (ÖB 10.2018).

Gemäß einer Aussendung des militärischen Pressedienstes Inter-Services Public Relations (ISPR) von Mitte Dezember 2018 wurden seit Bestehen 717 Fälle an Militärgerichte verwiesen. Von 546 abgeschlossenen Fällen erhielten 310 Personen die Todesstrafe, die in 56 Fällen bereits exekutiert wurde. Weitere 234 Personen erhielten Haftstrafen zwischen fünf Jahren und lebenslänglich. Nur zwei Angeklagte wurden bisher freigesprochen (PIPS 7.1.2019).

Informelle Rechtsprechungssysteme

Neben dem in den vorigen Abschnitten dargestellten staatlichen Justizwesen bestehen vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen. So spielt in von Paschtunen bewohnten Teilen des Landes, vor allem in den ehem. semi-autonomen Federally Administered Tribal Areas (FATA), der für diese Volksgruppe maßgebliche Rechts- und Ehrenkodex Paschtunwali, der in Unrechtsfällen vom Vergeltungsgedanken sowie vom zentralen Wert der Ehre bestimmt wird, nach wie vor eine bedeutende Rolle. Streitigkeiten werden dort auf Basis des Paschtunwali von Stammesräten bzw. - gerichten (Jirgas) entschieden, wobei vor allem Frauen menschenunwürdige Bestrafungen drohen. Diese neben dem formellen Rechtssystem bestehenden ad hoc-Gerichte führen unter anderem zu einem Rechtspluralismus, der Opfer von Verfolgung, insbesondere Frauen, stark benachteiligt (ÖB 10.2018; vgl. AA 21.8.2018). Besonders in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa ist es trotz gesetzlichen Verbots verbreitet, zur Beendigung von Blutfehden eine junge Frau (oft Mädchen unter 18 Jahren) als Blutzoll an eine verfeindete Familie zu übergeben (ÖB 10.2018).

Jirgas sind in Pakistan generell auch außerhalb paschtunischer Gebiete nach wie vor weit verbreitet (neben den ehem. FATA auch in Belutschistan, im inneren Sindh, in ländlichen Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa sowie im südlichen Punjab) und wenden neben Stammesauch Schariarecht an. Ähnliche Systeme existieren auch unter Hindus (Panchayat); daneben üben in Sindh und Punjab manche Feudalherren zum Teil richterliche Funktionen aus (ÖB 10.2017; vgl. USDOS 13.3.2019). Diese informellen Rechtssysteme bieten keinen institutionalisierten Rechtsschutz und haben häufig Menschenrechtsverletzungen zur Folge (USDOS 13.3.2019).

Der High Court of Sindh erklärte die Abhaltung von Jirgas in der Provinz in einem Urteil im Jahr 2004 ausdrücklich für verfassungswidrig; nichtsdestotrotz finden sie auch in Sindh regelmäßig statt. Der Supreme Court sprach sich bisher mehrmals gegen von Jirgas verhängte Strafen wie die Hergabe von Töchtern als Kompensation für begangenes Unrecht sowie gegen andere verfassungswidrige Praktiken der Stammesräte aus, was deren Fortbestand allerdings bisher nicht verhindern konnte (ÖB 10.2018).

Darüber hinaus ist selbst in städtischen Gebieten eine zunehmende Ausbreitung von "Sharia Courts" zu beobachten; so wurde etwa im April 2016 ein Verfahren gegen Jamaat ud-Dawa (JuD), eine der größten Hilfsorganisationen Pakistans mit Verbindungen zur Terrororganisation Lashkar- e-Taiba (LeT), wegen Betreibens eines solchen Tribunals vor dem Lahore High Court eingeleitet (ÖB 10.2018).

Als weitere Besonderheiten sind die Praktiken Diyat (Blutgeld) und Qisas (Vergeltung) zu nennen, die sich beide als Strafen für Delikte gegen die körperliche Integrität im Pakistan Penal Code (Act XLV of 1860) finden, sowie in FATA und PATA bis zur Zusammenlegung mit den entsprechenden Provinzen Ende Mai 2018 auf Basis der Frontier Crimes Regulation (FCR) angewandt wurden (ÖB 10.2018).

Im Oktober 2016 wurde die Anti-Honour Killings Bill zur Eindämmung von Ehrenmorden erlassen, die Implementierung geht aber vor allem im ländlichen Bereich nur schleppend voran. Eine wesentliche Neuerung der Anti-Honour Killings Bill ist die Abschaffung des Konzepts der Vergebung (diyat) bei Ehrenmorden, sodass eine Straffreiheit des Täters bei Vergebung durch die Familie der Ermordeten nicht mehr zulässig ist (ÖB 10.2018) [siehe auch Abschnitt 18.2].

Justizwesen in den ehemaligen FATA

Die Zuständigkeit des Supreme Court und der High Courts erstreckte sich gem. Art. 247 Abs. 7 der Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas, PATA, und Federally Administered Tribal Areas, FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung). Am 24. bzw. 25. Mai 2018 verabschiedeten das Unter- und Oberhaus des Parlaments (National Assembly und Senate) das lang erwartete 31. Verfassungsänderungsgesetz (31st Constitutional Amendment Bill bzw. "KP-FATA merger bill"), das die Zusammenlegung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) sowie der Stammesgebiete unter Provinzverwaltung (Provincially Administered Tribal Areas/PATA) mit den entsprechenden Provinzen (KP, Belutschistan und Punjab) vorsieht. Dadurch soll das gesamte pakistanische Rechts- und Justizsystem auf FATA und PATA ausgeweitet werden. Die am 28. Mai 2018 abgesegnete FATA Interim Governance Regulation 2018 sieht eine (bis zu) zweijährige Übergangsphase für die endgültige Zusammenlegung von FATA mit KP vor (ÖB 10.2018). Nach Abschluss der Übergangsfrist wird sich die Jurisdiktion des Peschawar High Court und Supreme Court auf die ehem. Stammesgebiete erstrecken (USDOS 13.3.2019)

Nach dem Aufheben der Frontier Crimes Regulation (FCR) trat die FATA Interim Governance Regulation 2018 (FIGR) für die Tribal Districts der Provinz Khyber Pakhtunkhwa [bis Mai 2018: Agencies] in Kraft (FRC 15.1.2019; vgl. Dawn 31.10.2018). Die FIGR werden über ernannte Deputy Commissioners (bis Mai 2018 als Political Agents bezeichnet) durchgesetzt, die dem Gouverneur der Provinz Khyber Pakhtunkhwa unterstehen. Unter FIGR bestehen weiterhin Jirgas (Versammlungen von Ältestenräten oder Gemeindevorständen), die Urteile durch Konsens sprechen und Bewohner haben kein Recht auf Rechtsvertretung. Beobachter kritisieren FIGR ebenso wie zuvor die FCR wegen der harten Bestrafungen (USDOS 13.3.2019).

Die Übergangsverordnung sollte in Kraft bleiben bis Institutionen der Jurisdiktion und Exekutive in der Region aufgebaut sind. Jedoch wurde die Übergangsverordnung vom Peschawar High Court im Oktober 2018 als verfassungswidrig erklärt (FRC 15.1.2019; vgl. Dawn 31.10.2018), da Jurisdiktion und Exekutive nicht getrennt waren (Dawn 31.10.2018). Im Berufungsverfahren beim Supreme Court beantragte die Provinzregierung von Khyber Pakhtunkhwa Vorkehrungen zum Füllen des daraus entstandenen juristischen Vakuums und erhielt eine Übergangsfrist von sechs Monaten, um ein ordentliches Rechtssystem für die Stammesdistrikte einzuführen (BR 9.1.2019).

Herausforderungen bei der Ausdehnung des Rechtssystems auf die Tribal Districts sind ein starker Widerstand von Stammeseliten sowie der Bau von Infrastruktur für Gerichte und andere Behörden. Stammesleute haben ihre Angelegenheiten seit Jahrhunderten nach ihren Bräuchen und Traditionen geregelt und sind noch nicht vollständig an das pakistanische Recht gewöhnt. Bevor das rechtliche und juristische System Pakistans in den Tribal Districts umgesetzt werden kann, ist es notwendig, die Stammesleute entsprechend auszubilden (FRC 15.1.2019).

Politischer und rechtlicher Aufbau Gilgit-Baltistan und Azad-Jammu Kaschmir

Pakistan kontrolliert die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Jammu & Kaschmir"). dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind zum Teil autonom (AA 1.2.2019). Die Volkszählung 2017 wurde auch in AJK und Gilgit Baltistan durchgeführt. die Ergebnisse aufgrund des besonderen Status der beiden Gebiete innerhalb Pakistans jedoch nicht veröffentlicht (ET 25.8.2017; vgl. PBS 2017a; Bevölkerungszahlen der Gebiete s. Abschnitt 3.6).

Jedes der Gebiete hat ein gewähltes Parlament und eine Regierung mit eingeschränkter Autonomie. aber sie verfügen nicht über die gleichen Rechte wie die pakistanischen Provinzen (FH 1.2018b; vgl. Khan 2017, PILDAT 9.2011). Sie entsenden keine Abgeordneten in Senat und Nationalversammlung und keine politischen Vertreter in wichtige Bundesbehörden (Khan 2017; vgl. PILDAT 9.2011). Bundesbehörden haben einen starken Einfluss auf die Sicherheit. Gerichtsbarkeit und die Politik der beiden Gebiete. Die Politik in den beiden Gebieten wird in Hinblick auf einen möglichen Beitritt Kaschmirs zum Staat Pakistan von Islamabad aus gestaltet (FH 1.2018b). Ein pakistanischer Parlamentsausschuss begutachtete im März 2017 den verfassungsmäßigen Status von Gilgit Baltistan und empfahl eine stärkere Integration. jedoch keinen Provinzstatus (FH 1.2018b). Der Provinzstatus wird von einem großen Teil der Bevölkerung Gilgit-Baltistans befürwortet (Khan 2017).

Im Juni 2018 wurde mit der "Government of Gilgit-Baltistan Order. 2018" die Autonomie für Giligt- Baltistan erweitert. die jedoch von mehreren Seiten kritisiert wird. Der Premierminister Pakistans erhielt gesetzgebende Kraft in Gilgit-Baltistan (PT 27.3.2019; vgl. Dawn 17.5.2018). Im Jänner 2019 entschied der Supreme Court. dass die Region kein verfassungsmäßiger Teil Pakistans werden kann. bevor nicht der Kaschmir-Konflikt gelöst sei. Das Höchstgericht entschied. dass die Bürger Gilgit-Baltistans dieselben Rechte haben wie die Bewohner anderer Provinzen und ordnete dem Staat an. der Region Gilgit-Baltistan so viele Rechte wie möglich zu geben. Weiters entschied der Supreme Court. dass der Wirkungsbereich des Obersten Gerichtes sich auch auf Gilgit- Balitistan erstreckt. Die Gerichte von Gilgit-Baltistan haben das Recht. Gesetze. die vom Gilgit-Baltistan Council erlassen wurden. zu prüfen. Da diese Gerichte jedoch keine verfassungsmäßigen Rechte in Pakistan haben, können die Entscheidungen dieser Gerichte beim pakistanischen Supreme Court angefochten werden (Dawn 17.1.2019).

Beide Gebiete haben nominell unabhängige Justizsysteme, aber die Bundesregierung spielt bei Richterbesetzungen eine gewichtige Rolle. Bei politisch heiklen Fällen dürfen die Gerichte von Gilgit-Baltistan und AJK nicht unabhängig von der pakistanischen Exekutive agieren. Gilgit- Baltistan und AJK haben beide ein Oberstes Berufungsgericht und einen Obersten Gerichtshof. Der Höchstrichter und die Richter des Berufungsgerichts werden durch den Premierminister Pakistans auf Empfehlung des Gouverneurs ernannt (FH 1.2018b).

Das Justizsystem in beiden Territorien umfasst grundlegende Rechte und Garantien, darunter Strafverteidiger und Berufung. Die Bundesregierung, die Armee und die Geheimdienste üben eine beträchtliche Präsenz in Azad Jammu und Kaschmir und Gilgit-Baltistan aus. Überwachung von politischen Aktivitäten ist die Norm. Es gibt Berichte zu willkürlichen Verhaftungen, Folter und Todesfällen in Gewahrsam durch die Sicherheitskräfte, insbesondere gegen Unabhängigkeitsbefürworter und Aktivisten (FH 1.2018b).

Sicherheitsbehörden

Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht (AA 21.8.2018), dem Heer, das dem Verteidigungsministerium untersteht (MoD o.D.), militärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen (EASO 10.2018) sowie den Geheimdiensten (AA 21.8.2018).

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt (AA 21.8.2018). Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol und verfügt über eine Abteilung zur Terrorismusbekämpfung (Counter Terrorism Wing - CTWI) (AA 21.8.2018).

Im Wesentlichen ist die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung Aufgabe der Provinzen, die über eigene Polizeieinheiten verfügen (Noureen/Sarfraz 2016; vgl. AA 21.8.2018). Gegenüber den Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 21.8.2018). Die lokalen Einheiten der Provinzpolizei unterstehen dem District Nazim [~Bezirkshauptmann] (Noureen/Sarfraz 2016)

Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst (Directorate for Inter-Service Intelligence, ISI), einen Inlandsnachrichtendienst (Intelligence Bureau, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI). Das IB untersteht dem Innenministerium und ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig. Der ISI wird vom Militär dominiert. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste gibt es nicht (AA 21.8.2018). Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert und der Generaldirektor des ISI gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity.org o.D.).

Frontier Corps (FC) und Rangers sind militärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und der Grenzsicherung. Der Ausschuss der Vereinten Nationen gegen die Folter (UNCAT) ist der Ansicht, dass die FC an außergerichtlichen Tötungen und dem Verschwinden von Menschen beteiligt ist. Im April 2018 hat die Regierung in Sindh beschlossen, "die besonderen Befugnisse zur Polizeiarbeit" für die Rangers in Sindh auszuweiten und ihren Einsatz und ihr Mandat zur Durchführung von "Operationen gegen militante Flügel, Erpresser, Auftragsmörder und aufständische Kämpfer" in Karatschi zu verlängern (EASO 10.2018).

In Khyber Pakhtunkwa und den [ehem.] FATA setzen die pakistanische Armee und die Polizei mitunter illegale Milizen, sogenannte "Lashkars", zur informellen Strafverfolgung ein. Berichten zufolge wenden sie willkürlich Gewalt an, zerstören Häuser, die mutmaßlichen Taliban und ihren Familien gehören, nehmen willkürliche Verhaftungen vor und führen rechtswidrige Tötungen durch. Die Regierung der Provinz Khyber Pakhtunkhwa hat beschlossen, ihre Finanzierung einzustellen. Dem NAP zufolge werden die Lashkars aufgelöst (EASO 10.2018). Nach der Integration der FATA in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Mai 2018 wurde die Provinzpolizei auch in den ehem. FATA tätig, jedoch muss erst neues Personal aufgenommen und ausgebildet werden, um die ehem. FATA komplett abzudecken (USDOS 13.3.2019).

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 13.3.2019). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen. Zum geringen Ansehen der Polizei tragen die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die festgehaltene Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen, oder um ein Geständnis zu erpressen. Die Polizeikräfte sind oft in lokale Machtstrukturen eingebunden und dann nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden Strafanzeigen häufig gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 21.8.2018).

Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten - wie beispielsweise Ahmadis, Christen, Schiiten und Hindus - Schutz vor Übergriffen zu bieten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei. Einzelne lokale Behörden demonstrierten die Fähigkeit und den Willen, unter großer eigener Gefährdung Minderheiten vor Diskriminierung und Mob-Gewalt zu schützen (USDOS 13.3.2019).

Es gibt weiterhin Berichte, dass Sicherheitskräfte in Menschenrechtsverletzungen involviert sind, darunter Folter und andere Misshandlungen, willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Exekutionen und Verschwindenlassen. Diese bleiben aufgrund des Fehlens unabhängiger und unparteiischer Mechanismen, um gegen die Täter zu ermitteln und sie vor Gericht zu stellen, straflos (AI 21.2.2018). Berichten zufolge werden von einigen Einheiten der Sicherheitskräfte Gefangene in Isolationshaft festgehalten und die Aufenthaltsorte dieser Gefangenen nicht offen gelegt. Menschenrechtsorganisationen berichteten darüber, dass viele paschtunische Aktivisten sowie Nationalisten der Provinzen Sindh und Belutschistan verschwanden oder grundlos verhaftet wurden (USDOS 13.3.2019).

Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den District Nazims, Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine kriminalstrafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 13.3.2019).

Im November 2018 wurde mit Unterstützung der USA ein modernes Trainingszentrum der Polizei eröffnet, um die Ausbildung von Führungskräften zu verbessern (USEC 27.11.2018). Im Jahr 2018 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge im Bereich Menschenrechte und Flüchtlingsrechte für ca. 200 Polizeibeamte in verschiedenen Städten von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid) durchgeführt (SHARP 29.12.2018).

Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl die Verfassung Folter und andere grausame und unmenschliche oder degradierende Behandlungen verbietet. beinhaltet das Strafgesetzbuch keine Bestimmungen. die Folter ausdrücklich verbieten (USDOS 13.3.2019; vgl. FT 22.2.2019). Ein Gesetz. mit dem Folter erstmals zum Straftatbestand gemacht würde. ist im Parlament seit einigen Jahren anhängig (AA 21.8.2018; vgl. FT 22.2.2019). Die Gerichtsbarkeit unternimmt erst seit 2006 größere Anstrengungen. um Fälle von Folter aufzuklären und gegen die Verantwortlichen Strafverfahren einzuleiten (AA 21.8.2018).

Folter im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und in Gefängnissen ist verbreitet. Gefoltert wird u. a.. um bei polizeilichen Ermittlungen Geständnisse oder Kooperation zu erzwingen (AA 21.8.2018; vgl. Dawn 21.2.2019. USDOS 13.3.2019). Die Polizei verfügt über keine Kenntnisse gewaltfr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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