TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/16 W124 2132743-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.01.2020
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Entscheidungsdatum

16.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W124 2132743-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am XXXX und am XXXX

A)

den Beschluss gefasst:

I. Das Verfahren wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

zu Recht erkannt:

II. Die Beschwerde wird gemäß §§ 8, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 55, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab er an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und gehöre der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensgemeinschaft an. Sein Geburtsdatum sei der XXXX . Er stamme aus der afghanischen Provinz Ghazni, wo er von XXXX bis XXXX die Grundschule besucht habe. Zuletzt sei er in Afghanistan als Bauarbeiter tätig gewesen. Seine Eltern seien bereits verstorben. Vor etwa einem Monat sei er endgültig aus dem Herkunftsstaat ausgereist. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe führte er an, er habe bei seinem Onkel gewohnt. Der BF habe arbeiten müssen und ihm sei alles weggenommen worden. Von seinem Onkel sei er sehr schlecht behandelt worden. In Afghanistan habe er keine Zukunft.

I.2. Am XXXX erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt), im Zuge welcher er angab, er sei gesund, nehme keine Medikamente und könne jederzeit arbeiten. Der BF sei in einem Dorf in der Provinz Ghazni im Distrikt XXXX geboren. Vier Jahre lang habe er die Schule besucht. Im Alter von fünf Jahren habe er seine Mutter verloren. Als er 13 Jahre alt gewesen sei, sei auch sein Vater verstorben. Daraufhin sei er zu seinem Onkel väterlicherseits gekommen, welcher sich um ihn gekümmert habe. Dieser habe ihm nicht erlaubt die Schule zu besuchen. Er sei schlecht behandelt worden und habe als Hirte arbeiten müssen. Er habe gearbeitet und habe auch über erspartes Geld verfügt. Einen Teil der Reise habe sein Onkel mütterlicherseits finanziert. Sein Geburtsdatum sei der XXXX Er sei 18 Jahre alt.

Auf konkrete Nachfrage führte der BF aus, er sei gleich nach dem Tod seines Vaters zu seinem Onkel gekommen. Sein Onkel und seine Eltern seien Nachbarn gewesen. Nachdem sein Vater verstorben sei, sei er noch zwei weitere Jahre zur Schule gegangen.

Im Herkunftsstaat sei er gelegentlich als Bauarbeiter tätig gewesen. Ferner habe er die Tiere seines Onkels gefüttert. Im Herkunftsstaat lebe ein Onkel väterlicherseits. Sein Onkel mütterlicherseits lebe im Iran. Kontakt zu einem Familienmitglied habe er seit seiner Ausreise nicht mehr gehabt. In Österreich habe er keine Angehörigen.

Der BF sei nach Österreich gekommen, um die Schule zu besuchen und sich eine Zukunft aufzubauen. Bei seinem Onkel habe er circa zehn Jahre gelebt. Wenn ein Tier weggelaufen sei, sei er von ihm geschlagen worden und auf die Suche geschickt worden. Anfänglich habe er ihm auch sein Geld weggenommen, wenn er gearbeitet habe. Später habe er dann einen Teil gespart, ein Teil sei ihm weiterhin weggenommen worden.

Als er zehn Jahre alt gewesen sei, habe er angefangen auf Baustellen zu arbeiten. Insgesamt habe er dort vier Jahre gearbeitet. Die Arbeit auf den Baustellen sei nicht fix gewesen, manchmal habe er Tiere gehabt oder habe auf Feldern geholfen. Zuletzt habe er in Afghanistan Ziegel hergestellt. Befragt, ob er im Herkunftsstaat bedroht worden sei, führte er an, sein Onkel habe ihn geschlagen. Er sei schlecht behandelt worden und auch die Sicherheitslage sei schlecht gewesen. Einmal sei er zur Polizei gegangen, diese sei jedoch korrupt und habe ihm - nachdem sie vom Onkel Bestechungsgelder erhalten habe - nicht mehr geholfen.

In einen anderen Landesteil sei er nicht gezogen, da er dort niemanden habe. In Kabul könne er nicht leben, weil es dort keine Arbeitsmöglichkeiten gebe. In Afghanistan, würde ihn niemand unterstützen und er habe Angst, dass ihn sein Onkel finden würde.

Auf seiner Flucht nach Europa habe er sich weniger als eine Woche im Iran aufgehalten. Er habe Kontakt mit seinem Onkel mütterlicherseits gehabt.

I.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie betreffend die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 wurde ihm nicht erteilt. Gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde unter anderem festgehalten, die vom BF ins Treffen geführten Fluchtgründe seien nicht glaubhaft. Es bestünden keine Anhaltspunkte, wonach ihm aufgrund der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat oder aufgrund persönlicher Merkmale, wie beispielsweise seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Religion oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe Verfolgung drohen würde. Ferner gehe aus den Länderinformationen hervor, dass dem BF aufgrund seiner Flucht nach Europa im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Verfolgung und/oder eine besondere Form der Diskriminierung drohen würde.

Der BF könne in Kabul seinen Lebensunterhalt bestreiten, da er jung, gesund und arbeitsfähig sei. Ferner verfüge er über Berufserfahrung und habe bereits bewiesen, dass er in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt aus eigenem zu bestreiten.

Eine besondere Integrationsverfestigung liege im Fall des BF nicht vor, sodass die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen das Interesse des BF am Verbleib in Österreich überwiegen würden.

Mit Verfahrensanordnung vom 04.08.2016 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.4. Mit fristgerechter Beschwerde vom XXXX wurde dieser Bescheid vollinhaltlich wegen unrichtiger Beweiswürdigung, unrichtiger Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensgangs im Wesentlichen ausgeführt, der BF habe wahrheitsgemäße Angaben gemacht. Im Fall der Rückkehr wäre sein Leben in großer Gefahr. In weiterer Folge wurde auf die volatile Sicherheitslage in Afghanistan hingewiesen und unter anderem ausgeführt, dass es in Ghazni regelmäßig zu Entführungen von schiitischen Hazara komme. Daher werde die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, in eventu die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten beantragt.

I.5. Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.6. Am XXXX fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari sowie eines landeskundlichen Sachverständigen statt. Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhanldung wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids vom BF nach entsprechender Aufklärung, dass gegen die Zurückziehung kein Rechtsmittel mehr möglich ist, aus freien Stücken zurückgezogen.

Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

[...]

R: Haben Sie mit der Rechtsberaterin über die Teilnahme an der Verhandlung gesprochen?

BF: Ich bin bereit ohne Rechtsberater zu verhandeln und verzichte auf die Teilnahme eines Rechtsberaters.

[...]

R: Haben Sie gegen die Bestellung des SV Einwände?

BF: Nein, ich habe nichts dagegen, wenn der bestellte SV gegebenenfalls ein Gutachten bzw. eine Expertise erstellt.

R: Was ist Ihre Muttersprache?

BF: Dari.

R an die Dolmetscherin: In welcher Sprache übersetzen Sie für den Beschwerdeführer?

D: Dari.

R befragt den Beschwerdeführer, ob er die Dolmetscherin gut verstehe, dies wird bejaht.

R befragt den Beschwerdeführer, ob dieser geistig und körperlich in der Lage ist der heutigen Verhandlung zu folgen bzw. ob irgendwelche Hindernisgründe vorliegen. Nun wird der Beschwerdeführer befragt, ob er gesund ist oder ob bei ihm (Krankheiten) und /oder Leiden vorliegen. Diese Fragen werden vom Beschwerdeführer dahingehend beantwortet, dass keine Hindernisgründe oder chronische Krankheiten und Leiden vorliegen. Der Beschwerdeführer ist in der Lage der Verhandlung in vollem Umfang zu folgen.

BF: Ja, es geht mir gut.

[...]

R: Haben Sie noch neue Beweismittel, die Sie beim BFA oder bzw. bei der Polizei noch nicht vorgelegt haben?

BF: Ich habe nur zwei Deutschkursbestätigungen, die ich vorlegen kann.

[...]

R: Wie ist Ihr vollständiger Name:

BF: XXXX

R: Wo sind Sie geboren?

BF: In der Provinz Ghazni, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX .

R: Wo haben Sie in Afghanistan gelebt, wenn Sie mir chronologisch angeben, in welchen Städten und Orten Sie gelebt haben.

BF: Ich war die ganze Zeit in XXXX .

R: An der von Ihnen zuerst angegebenen Adresse?

BF: Ja.

R: Wissen Sie, wie die unmittelbar angrenzenden Dörfer Ihres Heimatdorfes geheißen haben?

Der BF zeichnet eine Skizze seines Heimatdorfes und der Nachbardörfer (wird der Verhandlungsschrift beigefügt.)

Nach der Skizze des BF befindet sich "oberhalb" seines Heimatdorfes das Dorf XXXX , "unterhalb" das Dorf XXXX , "links" davon das Dorf XXXX und "rechts" davon das Dorf XXXX .

R: Haben Sie von der von Ihnen angegebenen Adresse alleine gelebt?

BF: Als meine Eltern am Leben waren lebte ich gemeinsam mit ihnen, an dieser Adresse. Nach ihrem Tod lebte ich mit meinem Onkel väterlicherseits.

R: Hat Ihr Onkel an derselben Adresse gelebt?

BF: Ja.

R: Wie heißt Ihr Onkel?

BF: XXXX .

R: Wann sind Ihre Eltern verstorben?

BF: Ich glaube, dass ich ca. sieben Jahre alt war, als meine Mutter an Leukämie verstorben ist und ca. zehn Jahre alt, als mein Vater bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen ist.

R: Haben Sie noch Verwandte in Afghanistan, welche außerhalb Ihres Heimatdorfes leben?

BF: Nein.

R: Hat Ihre Mutter Geschwister gehabt?

BF: Ja, einen Bruder.

R: Und hat Ihr Vater Geschwister gehabt?

BF: Mein Vater hatte zwei Brüder, einer von ihnen ist vor meiner Geburt gestorben, er hat keine Schwestern.

R: Was ist mit dem zweiten Bruder Ihres Vaters?

BF: Er ist der älteste der Brüder und lebt in XXXX , ihm folgte mein Vater, der dritte war von meiner Geburt gestorben.

R: Wie geht es Ihren Onkel in XXXX ?

BF: Es geht ihm gut.

R: Haben Sie regelmäßig Kontakt mit Ihrem Onkel in XXXX ?

BF: Nein.

R: Warum wissen Sie, dass es ihm gut geht?

BF: Ich habe nicht gemeint, dass es ihm körperlich gut, Sie haben gefragt, ob er in XXXX ist, ich habe gesagt "ja".

R: Sie sind gefragt, wie es Ihren Onkel in XXXX geht und Sie haben gesagt, dass es ihm gut geht.

BF: Ich habe das überhaupt nicht verstanden.

R: Was haben Sie nicht verstanden, dass ist keine schwere Frage.

BF: Ich weiß nichts von meinem Onkel.

R: Warum sagen Sie zuerst, dass es ihm gut geht?

BF: Ich dachte, die Frage bezieht sich darauf, ob mein Onkel immer noch in XXXX lebt. Ich bin heute um 5.00 Uhr aufgestanden, ich war am falschen Ort und habe hierher ein Taxi genommen, irgendwie bin ich anders.

R: Wie geht es Ihrem Onkel in Ihrem Heimatdorf, wo Sie gelebt haben?

BF: Ich weiß es nicht, ich weiß nichts von meinem Onkel.

R: Wann hatten Sie mit ihm das letzte Mal Kontakt?

BF: Ich habe ihn das letzte Mal vom Iran aus angerufen.

R: Was war der Inhalt dieses Gespräches?

BF: Ich habe ihn nur gesagt, dass ich gegangen bin, sonst nichts.

R: Warum haben Sie ihn angerufen?

BF: Ich habe das ganze Geld mitgenommen, das ich für meine Arbeit bekommen habe, ich habe meinen Onkel angerufen, um ihm zu sagen, dass ich gegangen bin.

R: Warum wollten Sie ihm das sagen?

BF: Einfach so, ohne dass ich etwas Besonderes bezwecken wollte.

R: Was hat er darauf geantwortet?

BF: Er hat nichts Besonderes gesagt.

R: Was heißt "er hat nichts Besonderes gesagt"?

BF: Ich habe ihn angerufen und habe ihm gesagt, dass ich im Iran wäre und vor hätte weiterzureisen. Er sagte mir, wenn ich schon von zu Hause gegangen bin, soll ich weiterreisen. Er hat mich nur gefragt, warum ich zu Hause nichts gesagt habe bzw. ihn nicht um Erlaubnis gebeten habe.

R: Haben Sie Geschwister?

BF: Nein .

R: Haben Sie Cousins/Cousinnen?

BF: Ja.

R: Wo leben die?

BF: Sie leben alle in Afghanistan.

R: Wo genau?

BF: Eine Tochter von ihm ist verheiratet und lebt in Kabul, die anderen in XXXX .

R: Leben Verwandte von Ihnen in Österreich?

BF: Nein .

R: Welche Schul- bzw. Berufsausbildung haben Sie?

BF: Ich bin vier Jahre lang von XXXX - XXXX in die Schule gegangen, nachdem mein Vater verstorben ist, hat mich mein Onkel nicht mehr in die Schule gehen lassen, ich habe dann als Hilfsarbeiter auf Baustellen gearbeitet.

R: Welche Volksgruppe gehört Ihr Onkel an?

BF: Hazara.

R: Leben in dem Dorf bzw. Distrikt, in dem Sie gewohnt haben, mehrheitlich Hazara?

BF: Es ist unterschiedlich, im Distrikt gibt es Hazara und Paschtunen, dort wo ich gelebt habe, lebten Hazara.

R: Seit wann haben Sie bei Ihrem Onkel gelebt?

BF: Meine Familie hat immer gemeinsam mit meinem Onkel väterlicherseits gelebt. Nach dem Tod meiner Eltern bin ich weiterhin bei meinem Onkel geblieben.

R: Seit wann haben Sie mit Ihrem Onkel dort alleine gelebt?

BF: Ich kann mich daran nicht mehr erinnern, aber nach dem Tod meines Vaters war ich alleine bei meinem Onkel väterlicherseits.

R: Wie alt waren Sie, als Ihr Vater verstorben ist?

BF: Ich weiß das nicht so genau.

R: Seit wann wissen Sie das nicht mehr?

BF: Mein Geburtsjahr wurde auf der Rückseite des Korans eingetragen, deshalb weiß ich mein Alter heute. Wie alt ich zu dem Zeitpunkt gewesen bin, als mein Vater verstorben ist, weiß ich nicht mehr, ich war klein.

R: Nach Ihren Aussagen vom XXXX haben Sie beim BFA gesagt, dass Sie 13 Jahre alt gewesen seien, als Ihr Vater verstorben ist. Was sagen Sie dazu? Heute sagen Sie, Sie wissen nicht einmal, wie alt Sie damals waren.

BF: Ich kann mich nicht daran erinnern, ich habe meine Einvernahme nicht einmal gelesen.

R: Wie alt waren Sie, als Ihre Mutter verstorben ist?

BF: Ich kann mich an nichts erinnern, ich glaube, dass ich sieben oder acht Jahre alt war, als mein Vater oder meiner Mutter gestorben ist.

R: Warum haben Sie dann beim BFA am XXXX gesagt, dass Sie fünf Jahre gewesen wären, als Ihre Mutter verstorben ist?

BF: In Afghanistan werden keine Geburtsdaten aufgeschrieben, daher kennt man oft das eigene Alter nicht, ich weiß es jetzt, weil mein Geburtsjahr festgehalten worden ist.

R: Fragewiederholung.

BF: Ich kann mich daran nicht erinnern.

R: Wann ist Ihr Vater verstorben?

BF: Ich kann mich nicht daran erinnern.

R: Beim BFA haben Sie gesagt, dass Ihr Vater im Jahr XXXX verstoben wäre, was sagen Sie dazu?

BF: Ich weiß es nicht, ich kann mich an nichts erinnern. Nach dem Tod meiner Eltern, stand ich unter Druck seitens meines Onkels väterlicherseits, ich kann mich an nichts erinnern.

R: Was würden Sie befürchten, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Mein Onkel väterlicherseits lässt mich dort nicht leben. Ich habe zwar ein Grundstück, aber das gibt mir mein Onkel nicht, es ist dort sehr unsicher, vor allem außerhalb des Distriktes XXXX . Wie soll in den Distrikt gelangen?

SV an BF: Wie lautet das Zentrum des Distriktes?

BF: XXXX .

SV: Waren Sie jemals in XXXX und wie gelangt man von Ihrem Heimatdorf dorthin?

BF: Ja, ich war in XXXX . Aus meinem Heimatdorf fährt man über XXXX und XXXX bzw. XXXX nach XXXX . XXXX ist der Name des Dorfes und XXXX ist ein Bazar in diesem Dorf.

SV: Was meinten Sie mit dem XXXX ?

BF: Das habe ich deshalb gesagt, weil Sie möglicher Weise XXXX auf der Karte nicht finden werden, sondern nur XXXX .

R: Sie haben zuerst erklärt, Sie haben noch nie eine Landkarte von Afghanistan gesehen, wie können Sie jetzt sagen, dass man das nicht auf der Landkarte finden kann?

BF: Das ist offensichtlich, wenn hier ein Camp wäre, das würde man auch nicht auf der Karte finden. Dort sind ein paar Geschäfte, die einen Bazar bilden und hier war man das nicht auf der Karte finden.

R: Haben Sie ein Handy?

BF: Finden Sie Ihren Heimatort auf Google-Map?

BF: Vielleicht ja.

SV: Können Sie bitte einige Kommandanten aus Ihrem Dorf bis zum Zentrum des Distrikts nennen?

BF: Ich kenne nicht so viele Namen, es gibt einen Kommandanten XXXX . Der Distriktleiter heißt XXXX . Ich kannte noch einen Namen eines Kommandanten, der fällt mir jetzt aber nicht ein. Damals als ich dort war, waren diese Leute Distriktleiter und Kommandant.

SV: Was für ein Kommandant ist XXXX ?

BF: Das weiß ich nicht.

SV: Hat er einen Titel?

BF: Nein, das weiß ich nicht.

[...]

R: Was sagt Ihnen der Name eines Herrn XXXX ?

BF: Ich habe diesen Namen gehört, er war entweder Kommandant oder Distriktleiter in XXXX .

R: War er dies noch, als Sie in Afghanistan waren?

BF: Ja, damals als ich in Afghanistan war, ich glaube, das war vor langer Zeit, ich weiß nicht viel über ihm.

R: Hat er einer Partei zugehört?

BF: Das weiß ich nicht, ich weiß es nicht.

R: Waren in Ihrem Gebiet politische Parteien aktiv, wenn "ja", welche?

BF: Nein.

R: War Ihr Onkel in einer Partei aktiv?

BF: Nein .

R: Welcher Partei hat der Kommandant XXXX angehört?

BF: Das weiß ich nicht, ich weiß nur, dass er Kommandant gewesen ist, zurzeit als ich in Afghanistan war.

R: Wie viele Onkel haben Sie?

BF: Ich habe einen Onkel mütterlicherseits und einen Onkel väterlicherseits, ein anderer Onkel väterlicherseits ist vor meiner Geburt gestorben.

R: Leben die beiden in Afghanistan?

BF: Mein Onkel väterlicherseits lebt in Afghanistan und mein Onkel mütterlicherseits im Iran.

R: Wo im Iran?

BF: In Teheran.

R: Waren Sie jemals in Kabul?

BF: Nein.

R: Könnten Sie sich vorstellen in Kabul zu leben?

BF: In Kabul gibt es keine Sicherheit. Sie wissen, dass Ashraf GHANI selber zu Daesh (IS) gehört und die Taliban und Daesh unterstützt, er möchte alle Hazara "vernichten", wie soll ich dort leben.

R: Ihr Onkel ist auch Hazara und lebt noch in Afghanistan.

BF: Ja, das ist richtig, in XXXX leben viele, aber es gibt keine Sicherheit, auf dem Weg werden sie mitgenommen und getötet.

R: Wie ist es Ihnen dann gelungen, Afghanistan zu verlassen?

BF: Es ist nicht so, dass der Weg den ganzen Tag lang gesperrt ist, aber, jeder der das Haus verlässt, fürchtet sich davor von den Taliban bzw. von Daesh mitgenommen zu werden. Die Wege sind sehr unsicher, insbesondere jene, die nach XXXX führen.

R: Sind Sie in Österreich gerichtlich vorbestraft?

BF: Nein.

[...]

R: Der SV wird zur Erstellung eines SV-Gutachtens beauftragt und gibt hinsichtlich der Frage der Authenzität des Beschwerdeführers und der aktuellen Sicherheitslage zu Ghazni Folgendes an:

SV: Die Angaben des BF, dass er ein Hazara ist und aus XXXX stammen würde, entsprechen teilweise den Tatsachen in Afghanistan. Der BF spricht Hazaragi-Dari. Nach seiner Ausdrucksweise ist er nach meiner Sachkenntnis ein Hazara aus Afghanistan. Er muss aus dem Raum Ghazni stammen, weil sein Hazaragi-Dialekt in Ghazni gesprochen wird. Ob er tatsächlich aus dem Distrikt XXXX stammt, kann ich nicht bestätigen. Jaghuri gilt als ein sehr bekannter Ort von berühmten Hazaras und von berühmten Kommandanten. XXXX ist entgegen der Angaben des BF kein Kommandant. Er ist aus dem Ausland nach Afghanistan zurückgekehrt und zum Distriktschef bestellt worden.

XXXX ist schon seit Jahrzenten der Oberkommandierende der Hezb-e Wahdat, Partei der Hazaras.

Ad Sicherheitslage in der Provinz Ghazni:

Die Provinz Ghazni gehört zu den unsichersten Provinzen des Landes. Die meisten von den Paschtunen bewohnten Distrikte dieser Provinz sind unter der Kontrolle der Taliban. Aber Distrikte, wie XXXX , in denen hauptsächlich Hazaras wohnen, werden von den Hazaras selbst als Teil des Staates kontrolliert (siehe Beilage 1).

Die Hazaras im afghanischen Staat sind seit dem Sturz des Taliban Regimes überproportional vertreten. Die Distriktleitung von XXXX steht unter der Führung der Hezb-e Wahdat. Die Hezb-e Wahdat stellt den Stellvertretenden-Staatspräsidenten und vier Minister im Kabinett des Landes. Die Hazaras sind in der Exekutivgewalt wesentlich beteiligt und können jeden Angriff der Taliban auf ihren Herrschaftsgebieten rasch abwehren. Allerdings sind die Herrschaftsgebiete der Hazaras in Ghazni teilweise von Gebieten umgeben, die von den Taliban beherrscht werden. Deshalb kommt es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen den in der Region stationierten staatlichen Sicherheitsorganen und den Taliban.

http://www.refworld.org/pdfid/4b6fe11c0.pdf

http://www.afghan-bios.info/index.php?option=com_afghanbios&id=456&task=view&total=3300&start=804&Itemid=2

http://foreignpolicy.com/2016/03/14/chief-of-police-in-ghazni-province-warns-of-taliban-takeovers-rain-causes-deaths-of-42-people-across-pakistan-hindu-nationalist-group-changes-its-uniform/

[...]

Die Dolmetscherin übersetzt das SV-Gutachten von Dr. RASULY.

BF: Zu XXXX möchte ich anmerken, dass ich ihn als Distriktleiter und nicht als Kommandanten genannt habe.

Zu meiner Herkunft gebe ich an, dass ich tatsächlich aus XXXX stamme, in diesem Zusammenhang belüge ich Sie nicht, ich kann Ihnen die Schule bzw. die Moschee dort nennen.

[...]

I.7. Mit Schriftsatz vom XXXX brachte der BF im Wege seiner Vertretung ein mehrere Bestätigungen über die Teilnahme an Deutschkursen vor. Ferner wurde ein Schreiben übermittelt, aus welchem hervorgeht, dass der BF aktives Mitglied in einem näher bezeichneten Fußballverein ist.

I.8. Mit Ladung vom XXXX wurden dem BF verschiedene Länderberichte zur aktuellen Situation in Afghanistan zur Stellungnahme binnen 10 Tagen übermittelt.

I.9. Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine weitere mündliche Beschwerdeverhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt.

Im Zuge der Verhandlung wurden folgende Unterlagen (in Kopie) in Vorlage gebracht:

-

Kursbestätigung BFI (Beilage ./A);

-

Zertifikat A1 (Beilage ./B);

-

Teilnahmebestätigung Deutsch als Fremdsprache A1 (Beilage ./C);

-

Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs (Beilage ./D);

-

Kursteilnahmebestätigung Deutschkurs für Asylwerber/innen (Beilage ./E);

-

Spieler-Bestätigung (Beilage ./F);

-

schriftliche Stellungnahme (Beilage ./G).

Die Beschwerdeverhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

[...]

R: (Frage auf Deutsch) Sprechen und verstehen Sie Deutsch?

BF: (Antwort auf Deutsch) "Ich verstehe schon, aber ich spreche ein bisschen."

R: (Frage auf Deutsch) Haben Sie in Österreich schon einen Deutschkurs besucht?

BF: (Antwort auf Deutsch): Ja.

R (Frage auf Deutsch): Wie hat das Institut geheißen, wo Sie den Kurs besucht haben?

BF (Antwort auf Dari): Ich habe Sie nicht verstanden.

R wiederholt die Frage (auf Dari)

BF (Antwort auf Dari): Einmal beim BFI und in einer anderen Stelle in XXXX . Das war ein Caritas Kurs.

R (Frage auf Deutsch): Wie oft in der Woche haben Sie diesen Deutschkurs besucht?

BF (Antwort auf Deutsch): Ich verstehe nicht.

Fragewiederholung auf Dari.

BF (Antwort auf Dari): Die ganze Woche.

R (Frage auf Deutsch): Wie viele Stunden pro Tag haben Sie diesen Kurs besucht.

BF (Antwort auf Deutsch): 3 Stunden, 2 Stunden.

R (Frage auf Deutsch): Wie lange haben Sie gebraucht, bis Sie zu Ihrem Deutschkurs gefahren sind? Womit sind Sie gefahren?

BF (Antwort auf Deutsch): Mit dem Bus.

R (Frage auf Deutsch): Wie lange?

BF (Antwort auf Deutsch): 1 Stunde.

R (Frage auf Deutsch): Beschreiben Sie mir einen typischen Alltag vom Aufstehen in der Früh bis zum Bettgehen am Abend.

BF (Antwort auf Deutsch): "Ich bin 17 Uhr aufstehen und ich gehe duschen, putze Zähne. Ich esse Frühstück und helfen mein Freund und ich fahre mit Rad und ich gehe Fußball spiele und einmal in der Woche mit meinem Freund. Termin machen mit meinem Freund. Vormittag essen und Abend Deutsch lernen und schreiben."

R (Frage auf Deutsch): Sind Sie verheiratet?

BF (Antwort auf Deutsch): Nein.

R (Frage auf Deutsch): Haben Sie Kinder?

BF (Antwort auf Deutsch): Nein.

R (Frage auf Deutsch): Leben Sie in Österreich in einer Lebensgemeinschaft oder haben Sie eine Freundin?

BF (Antwort auf Deutsch): Ja.

Wiederholung der Frage auf Dari: Haben Sie eine Lebensgefährtin?

BF (Antwort auf Dari): Nein, ich habe nur eine normale Freundin.

R (Frage auf Deutsch): Verfügen Sie in Österreich über einen Freundeskreis.

BF (Antwort auf Deutsch): Ja.

R (Frage auf Deutsch): Gehören diesem Freundeskreis auch Österreicher und Österreicherinnen an?

BF (Antwort auf Deutsch): Ja.

R (Frage auf Deutsch): Wie heißt Ihr bester Freund mit Vor- und Familiennamen?

BF (Antwort auf Deutsch): Günther, keine Ahnung Familiennamen, Manfred.

R (Frage auf Deutsch): Können Sie mir die genaue Adresse von Günther sagen?

BF (Antwort auf Deutsch): Ja, XXXX Nummer weiß ich nicht. Ich gehe mit dem Auto. Günther kommt in mein Haus und fahre mit Auto in sein Haus. Wir gehen ein Restaurant mit Günther Treffen machen.

R (Frage auf Deutsch): Was machen Sie bei diesem Treffen?

BF (Antwort auf Deutsch): Wir sprechen und essen und ja.

R (Frage auf Deutsch): Über was wird da gesprochen?

BF (Antwort auf Deutsch): Z.B. er hat gesagt, was machst du, wie kann ich helfen bei dir, ich gehe Fußball spiele.

R (Frage auf Deutsch): Wann haben Sie die A2 Prüfung?

BF (Antwort auf Deutsch): Nein.

R (Frage auf Deutsch): Was heißt A2 Prüfung nein?

BF (Antwort auf Deutsch): Ich mochte Prüfung machen, aber anmelden beim Caritas, aber ich habe kein Geld. 115-120 EUR.

R (Frage auf Deutsch): Lernen Sie darüber hinaus Deutsch?

BF (Antwort auf Deutsch): Ja.

R (Frage auf Deutsch): Wie?

BF (Antwort auf Deutsch): Noch einmal bitte.

R wiederholt Frage auf Dari.

BF (Antwort auf Dari): Ich setze mich zuhause hin, schreibe, lese und lerne über YouTube Deutsch.

R (Frage auf Deutsch): Was machen Sie konkret in Ihrer Freizeit?

BF (Antwort auf Deutsch): In Freizeit, ich verstehe nicht.

Fragewiederholung auf Dari.

BF (Antwort auf Dari): Ich gehe Laufen, fahre mit dem Fahrrad, treffe meine Freunde und wir tratschen.

R (Frage auf Deutsch): Von was leben Sie in Österreich?

BF (Antwort auf Dari): Vom Staat.

R (Frage auf Deutsch): Gehen Sie arbeiten?

BF (Antwort auf Deutsch): "Ja, aber ich helfe mit meinen Freund. Ich brauche nicht Geld, ein Geschenk ja..."

Fragewiederholung auf Dari.

BF (Antwort auf Dari): "Ich arbeite nicht, ich helfe lediglich nur meinen Freunden manchmal und sie machen mir dann manchmal ein Geschenk, aber bezahlen tun sie nicht."

R (Frage auf Deutsch): Welche Tätigkeiten verrichten Sie dabei?

BF (Antwort auf Dari): Gartenarbeiten, Rasen mähen und Reinigungsarbeiten.

R (Frage auf Deutsch): Wo sind Sie untergebracht? Ist das ein Heim oder eine private Unterkunft?

BF (Antwort auf Deutsch): Privat.

R (Frage auf Deutsch): Wohnen Sie dort alleine?

BF (Antwort auf Deutsch): " XXXX ".

Fragewiederholung auf Dari.

BF (Antwort auf Dari): Ich war nicht allein, mein Mitbewohner ist nach Wien gezogen. Der Vermieter sucht jetzt einen anderen Mitbewohner für mich.

R (Frage auf Deutsch): Haben Sie Verwandte in Österreich bzw. in der Europäischen Union?

BF (Antwort auf Deutsch): Ich verstehe nicht.

Fragewiederholung auf Dari.

BF (Antwort auf Dari): Nein.

R (Frage auf Deutsch): Leiden Sie an irgendwelchen schweren Krankheiten? Nehmen Sie irgendwelche Medikamente ein?

BF (Antwort auf Deutsch): Nein.

R (Frage auf Deutsch): Sind Sie in einer Kirche, Organisation, Verein oder dergleichen tätig?

BF (Antwort auf Deutsch): Nein.

R (Frage auf Dari): BF wird auf sein Entschlagungsrecht hingewiesen. Sind Sie in Österreich gerichtlich vorbestraft bzw. läuft gegen Sie ein Strafverfahren oder ein Verwaltungsstrafverfahren?

BF (Antwort auf Dari): Ich bin nicht von einem Strafgericht verurteilt worden. Ich habe eine Verwaltungsstrafe bekommen, weil ich für eine Zugfahrt zu wenig Geld hatte und musste eine Geldstrafe bezahlen.

RB (Frage auf Deutsch): Spielen Sie Fußball in einem Verein?

BF (Antwort auf Deutsch): Ich spiele Fußball mit meinem Freund einmal in der Woche, Freitag und einmal Samstag und Sonntag in XXXX

.

R (Frage auf Deutsch): Sind das dieselben Freunde mit denen Sie da Fußball spielen?

BF (Antwort auf Deutsch): Ich verstehe nicht.

Fragewiederholung auf Dari.

BF (Antwort auf Dari): In Wien spiele ich mit Günther und seinen Freunden Fußball, in XXXX mit meinen afghanischen Freunden.

RB: Keine weiteren Fragen.

[...]

R: Wollen Sie sonst noch etwas zu Ihrem Fluchtvorbringen sagen?

BF: Ich habe nichts Besonders zu sagen.

[...]

I.10. Mit Stellungnahme vom XXXX wurde erneut vorgebracht, dass Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans zählt. Im ersten Halbjahr 2018 seien von UNAMA in Afghanistan die höchste Anzahl an zivilen Todesopfern seit Beginn der Aufzeichnungen 2009 verzeichnet worden. Dies betreffe unter anderem auch die vermeitnlich sichere Provinz Balkh. Im Zuge der Parlamentswahlen seien große politische Gräben innerhalb Afghanistans sichtbar geworden, die jederzeit kaum vorhersehbar Einfluss auf die Stabilität Afghanistns nehmen könnten. Es sei daher anzunehmen, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan allgmein und damit natürlich auch in den Städten im Zuge der kommenden Präsidentschaftswahlen weiter verschärfen werde, was bei der Prognose über die Sicherheits- und Versorgungslage zu beachten sei. Aus der Aktualisierung der UNHCR-Richtlinien gehe ebenso eine Verschlechterung der allgemeinen Lag eher vor. Unter Punkt III.C. werde verstärkt auf die (Un-) Möglichkeit des Lebens in den Städten, insbesondere in Kabul eingegangen. Dabei betone UNHCR, dass AGEs, wie die Taliban oder der IS, geradezu bestrebt seien, mit Anschlägen Zivilisten zu treffen. Kabul scheide grundsätzlich als innerstaatliche Fluchtalternative aus.

Gleichzeitig sei die Versorgungslage in afghanischen Städten katastrophal. In den nördlichen und westlichen Teilen herrsche die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten, die meisten Stadtbewohner würden in Slums leben und die Armut steige rapide. Auch die Provinzen Herat und Balkh seien von der Dürre betroffen. Die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung sei auch in diesen Proivnzen häufig nur eingeschränkt möglich. Diesbezüglich werde auf die Anfragebeantwortung von ACCORD vom 12.10.2018 verwiesen. Für Vertriebene gebe es darüber hinaus nur äußerst begrenzte Beschäftigungsmöglichkeiten und unzureichende Unterbringung. Vertriebene und Rückkehrer würden in informellen Siedlungen leben, wo sie versuchen würden, als Tagelöhner Arbeit zu finden. Die Hygienestandards seien extrem niedrig. Ferner bestehe nur begrenzter Zugang zu Wasser. Der Bedarf an Wohnungen könne nicht gedeckt werden. Auch die Arbeitsmöglichkeiten seien nur äußerst begrenzt. Der BF sei ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne, jedoch sei zu berücksichtigen, dass er aus einer unsicheren Provinz stamme und außerhalb seiner Herkunftsprovinz über keine Ortskenntnisse verfüge. Er verfüge nur über geringe Schulbildung und es liege keine verwertbare Berufserfahrung vor, die ihm bei einem Neueinstieg in den afghanischen Arbeitsmarkt zugutekommen würde. Daher sei ihm internationaler Schutz zu gewähren.

I.11. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurden dem BF das Länderinformationsblatt Afghanistan vom 13.11.2019, die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2019 sowie die EASO Country Guidance von Juni 2019 zur Stellungnahme binnen 10 Tagen übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF

II.1.1.1. Der volljährige BF ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Die Identität des BF steht nicht fest.

Am XXXX stellte er nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag des BF sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt III.). Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde hinsichtlich Spruchpunkt I. zurückgezogen.

II.1.1.2. Der BF stammt aus der afghanischen Provinz Ghazni. Er hat mindestens vier Jahre die Grundschule besucht. In weiterer Folge hat er seinem Onkel väterlicherseits in dessen Landwirtschaft geholfen. Ferner hat er auf verschiedenen Baustellen gearbeitet und Ziegel hergestellt.

Seine Eltern sind bereits verstorben. Sein Onkel väterlicherseits lebt nach wie vor in Ghazni. Zwischen dem BF und seinem Onkel väterlicherseits sowie dessen Kindern besteht kein Kontakt. Der BF verfügt sohin im Herkunftsstaat über keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte.

Seine endgültige Ausreise aus dem Herkunftsstaat hat der BF einerseits mit seinem ersparten Geld finanziert, andererseits hat er finanzielle Unterstützung von seinem Onkel mütterlicherseits erhalten, welcher in Iran wohnhaft ist.

Bei einer Rückkehr in die Provinz Ghazni kann eine Verletzung seiner körperlichen Unversehrtheit aufgrund der instabilen Sicherheitslage nicht ausgeschlossen werden.

Eine Ansiedlung in der Stadt Herat oder in Mazar-e Sharif ist dem BF zumutbar und sind auch beide Städte sicher mit dem Flugzeug erreichbar. Eine Verletzung in seinen nach Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention garantierten Rechten hat der BF im Fall einer Ansiedlung in den Städten Kabul oder Mazar-e-Sharif nicht zu gewärtigen.

Es steht nicht fest, dass der BF im Fall seiner Ansiedlung in einer der beiden genannten Städte von seinem Onkel väterlicherseits, welcher in Ghazni lebt, verfolgt oder gefährdet wird.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er hat den überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht, ist im afghanischen Familienverband aufgewachsen und spricht die in Afghanistan verbreitete Sprache Dari als Erstsprache. Ferner verfügt er über eine zumindest vierjährige Schulbildung sowie über Arbeitserfahrung, die er überwiegend auf Baustellen gesammelt hat. Es ist daher anzunehmen, dass der BF im Herkunftsstaat auch ohne familiäre Anknüpfungspunkte in der Lage sein wird, sich - allenfalls mit Hilfstätigkeiten - ein ausreichendes Einkommen zu sichern. Es ist sohin nicht anzunehmen, dass er bei seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine hoffnungslose Lage geraten würde.

II.1.1.3. Der BF ist ledig, hat keine Kinder und lebt in Österreich in keiner Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Gemeinschaft. Der BF hat sich in Österreich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut. Bindungen besonderer Intensität zu einzelnen Personen im Bundesgebiet konnten hingegen nicht festgestellt werden. Er ist aktives Mitglied in einem Fußballverein. In einem sonstigen Verein oder einer Organisation ist er nicht tätig. Er verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Sprachniveau A1 und hat einen Werte- und Orientierungskurs absolviert. Ferner hat er an einem Kurs zur Basisbildung teilgenommen. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er aus den Mitteln der Grundversorgung. In Österreich ist der BF unbescholten.

II.1.2. Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Afghanistan wird Folgendes festgestellt:

II.1.2.1. Auszüge aus dem Länderinformationsblatt Afghanistan vom 13.11.2019:

1.2.1.1. Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.04.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.05.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015), und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.05.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.04.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.05.2019). Die ursprünglich für den 20.04.2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.09.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für fünf Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.04.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.04.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.03.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.01.2017; vgl. USDOS 13.03.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle ein

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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