TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/28 W242 2180097-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.01.2020
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Entscheidungsdatum

28.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W242 2180110-1/24E

W242 2180097-1/23E

W242 2180102-1/23E

W242 2180090-1/22E

W242 2180115-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerden der 1.) XXXX , geb. XXXX , des 2.) XXXX , geb. XXXX , des 3.) XXXX , geb. XXXX , des 4.) XXXX , geb. XXXX und der 5.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, der mj. Viertbeschwerdeführer und die mj. Fünftbeschwerdeführerin vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, alle vertreten durch XXXX Rechtsanwälte in XXXX gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , 1.) Zl. XXXX , 2.) Zl. XXXX , 3.) Zl. XXXX , 4.) Zl. XXXX und 5.) Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.03.2019 und 29.08.2019, zu Recht:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) und der Zweitbeschwerdeführer (im Folgenden: BF2) sind die Eltern des Drittbeschwerdeführers (im Folgenden: BF3), des Viertbeschwerdeführers (im Folgenden: BF4) und der Fünftbeschwerdeführerin (BF5). Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reisten gemeinsam mit einem weiteren zu diesem Zeitpunkt bereits volljährigen Sohn Anfang 2016 illegal nach Österreich ein und stellten am XXXX .2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am nächsten Tag wurden die BF1, der BF2 und der BF3 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari einer niederschriftlichen Erstbefragung unterzogen.

Zu den Fluchtgründen führte die BF1 aus, sie hätten Afghanistan verlassen, weil ihr Mann von den Taliban bedroht worden sei, die letzten Jahre sei er arbeitslos gewesen. Aus dem Iran seien sie geflohen, weil sie von den Feinden ihres Sohnes verfolgt worden seien. In Afghanistan hätten sie Feinde, weshalb sie nicht zurückkehren könnten.

Der BF2 gab zu seinen Fluchtgründen an, er sei von den Taliban bedroht worden, weil er als Beamter für eine staatliche Stelle tätig gewesen sei. Sie hätten die Zeitung "Payam Afghan" gedruckt. Aus Angst um sein Leben sei er mit seiner Familie in den Iran gezogen. Dort sei der Freund seines Sohnes von den Brüdern dessen Freundin getötet worden. Sein Sohn habe dies bei der Polizei angezeigt, weshalb sie keine ruhige Minute mehr gehabt hätten. Da die Familie sie bedroht habe, sei er mit seiner Familie auch aus dem Iran geflohen.

Der BF3 führte zu den Fluchtgründen an, seine Eltern seien vermutlich vor 20 Jahren vom Krieg aus Afghanistan geflohen. Er wisse, dass sein Bruder XXXX in Afghanistan entführt worden sei. Im Iran hätten die Behörden junge Afghanen für den Syrienkrieg rekrutiert, weshalb er Angst gehabt habe, in die Armee eingezogen zu werden. Außerdem seien sie von den Feinden seines Bruders XXXX verfolgt worden, weshalb sie geflüchtet seien.

Am 23.10.2017 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine niederschriftliche Einvernahme des BF2 und des BF3 statt.

Dabei gab der BF2 zu seinem Fluchtgrund an, er habe in einer Druckerei gearbeitet. Die Taliban hätten von ihm verlangt, mit ihnen zusammenzuarbeiten und ihm dafür Geld geboten, was er abgelehnt habe. Als die Taliban die Regierung gestürzt hätten, sei er richtig unter Druck gesetzt worden und sei täglich jemand zu ihm geschickt worden, um über eine Zusammenarbeit zu sprechen. In der Druckerei habe es fünf Abteilungen gegeben, wobei er die Abteilung geleitet habe, welche die Texte abgetippt habe. Einer seiner Arbeitskollegen namens XXXX und auch der Regierungschef Najbullah seien getötet worden. Nach dessen Hinrichtung sei die Lage sehr gefährlich gewesen und er habe sich entschlossen, mit seiner Frau und seinem Sohn in den Iran zu flüchten. Im Iran sei später ein Freund seines Sohnes XXXX vom Bruder der Freundin dieses Freundes getötet worden, der daraufhin festgenommen worden sei. Als die Familie herausgefunden habe, dass sein Sohn die Polizei verständigt habe, sei dieser von der Familie bedroht worden und habe er ihn daher nach Damawand geschickt. Als er wieder zurückgekommen sei, habe die Familie des Festgenommenen beabsichtigt, seinen Sohn nach Syrien in den Krieg zu schicken. Die Brüder des Mädchens hätten seinen Sohn zwei Nächte in Teheran festgehalten. Durch einen Bekannten sei er wieder freigelassen worden. Er habe ihm dann einen Schlepper organisiert, sodass er das Land schließlich verlassen habe. Danach habe die Familie ihn selbst damit bedroht, dass sie seine anderen Kinder nach Syrien in den Krieg schicke, wenn er nicht sage, wo sich XXXX aufhalte. Sein Sohn XXXX sei auch in der Schule unter Druck gesetzt worden, nach Syrien in den Krieg zu ziehen. Schließlich hätten sie die Brüder des Mädchens auch zu Hause besucht. Aufgrund der zahlreichen Vorfälle habe er dann beschlossen, auch den Iran zu verlassen.

Der BF3 führte zu seinen Fluchtgründen aus, er habe den Iran verlassen, weil ihn die Basij nach Syrien hätten schicken wollen und die Vorbereitungskurse für den Krieg bereits organisiert hätten. Einmal in der Woche sei ein Mullah in die Schule gekommen und habe gesagt, sie müssten in den Krieg, um die Religion zu retten. Im Falle ihrer Tötung würden sie zu Märtyrern, im Falle der Rückkehr würden sie eine Aufenthaltsberechtigung erhalten. Er habe den Kurs aber weiter besuchen müssen. Auch sein Bruder habe ein Problem gehabt, weil sein Freund vom Bruder dessen Freundin getötet worden sei und sein Bruder dies der Polizei gemeldet und sich als Zeuge angeboten habe. Die Familie des Mädchens habe sie dann besucht und ständig gestört und hätten seinen Bruder XXXX mitnehmen und nach Syrien in den Krieg schicken wollen. Nachdem XXXX ins Ausland geschickt worden sei, habe sie die Familie weiter gestört, wobei insbesondere auch seine Schwester und sein Bruder von ihnen gestört worden seien. Die allgemeine Situation für seine Familie habe sie dann gezwungen, den Iran zu verlassen.

Am 27.10.2017 wurde die BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, die zu ihrem Fluchtgrund ausführte, sie sei nur wegen der Probleme ihres Mannes ausgereist, selbst habe sie keine Asylgründe. Sie sei nie verfolgt worden und habe auch sonst keine Schwierigkeiten gehabt. An sie persönlich sei nie wer herangetreten und habe es auch keine Übergriffe gegen sie gegeben. Lediglich einmal, als die Taliban ihren Mann gesucht hätten, sei sie von ihnen geschubst worden und hätten sie gedroht, sie mitzunehmen.

Mit den angefochtenen Bescheiden wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte den BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen die BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es dem BF2 nicht gelungen sei, eine relevante Verfolgung in Afghanistan glaubhaft zu machen und hätten die BF1, der BF4 und die BF5 keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Die Fluchtgründe des BF3 hätten sich ausschließlich auf den Iran bezogen und seien daher überhaupt nicht asylrelevant. Der BF2 verfüge über Schulbildung sowie Berufserfahrung und befinde sich im Familienverband mit seinen Kindern, sodass auch eine Unterstützung durch diese zu erwarten sei. Auch der BF3 verfüge über Schulbildung sowie Berufserfahrung und seien aufgrund der altersgemäßen Anpassungs- und Lernfähigkeit des BF3, des BF4 und der BF5 unüberwindbare Schwierigkeiten nicht zu erwarten. Da die BF1 gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Söhnen zurückkehre, sei davon auszugehen, dass ihre Familie sich - wie bisher - um ihren Lebensunterhalt kümmere. Eine Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK sei daher im Falle der Rückkehr der BF nicht zu erwarten. Da ein Familienleben in Österreich nicht vorliege und die Integration der BF durch die Unrechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes gemindert sei, sei die Rückkehrentscheidung zulässig.

Gegen diesen Bescheid erhoben die BF fristgerecht Beschwerde und brachten vor, dass die entscheidungsrelevante Frage des Herkunftsstaates der BF nicht geklärt sei. Die Behörde habe Feststellungen zur Situation von Rückkehrern, die Afghanistan zu Beginn der Talibanherrschaft 1996 verlassen hätten bzw. in einem anderen Land geboren worden seien und keine Anknüpfungspunkte zu Afghanistan hätten, vollständig unterlassen. Schließlich gingen die BF auf die Sicherheitslage in Afghanistan ein und trafen rechtliche Erwägungen.

Am 11.03.2019 übermittelten die BF eine Stellungnahme zu den Länderberichten sowie den aktuellen UNHCR-Richtlinien.

Am 18.03.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi sowie der Rechtsvertretung der BF unter Ausschluss der Öffentlichkeit eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher die BF ausführlich zu ihrem Leben in Afghanistan sowie im Iran und der BF2 zudem zu seinen Fluchtgründen befragt wurden.

Am 25.03.2019 übermittelten die BF zahlreiche Integrationsunterlagen.

Mit Stellungnahme vom 01.04.2019 nahmen die BF insbesondere Bezug auf die schulischen Leistungen der minderjährigen BF, gingen allgemein auf die Schulbildung für Mädchen in Afghanistan ein und brachten vor, dass sich die minderjährigen BF über Jahre hinweg mit dem christlichen Glauben beschäftigt hätten und bestehe sowohl deshalb als auch aufgrund ihrer westlichen Orientierung Furcht vor Verfolgung.

Mit Urkundenvorlage vom 23.08.2019 übermittelten die BF weitere Integrationsunterlagen.

Am 29.08.2019 wurde die am 18.03.2019 begonnene mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi sowie der Rechtsvertretung der BF fortgesetzt und die BF1, der BF3, der BF4 und die BF5 ausführlich zu ihren jeweiligen Fluchtgründen befragt. Zudem wurden alle BF zu ihrer Integration in Österreich einvernommen.

Mit Parteiengehör vom 02.09.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den BF mehrere Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zur Lage der Kinder in Afghanistan und gewährte den BF eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen.

Am 13.09.2019 langten beim Bundesverwaltungsgericht zwei weitere Schriftsätze der BF ein, in welchen sie auf zahlreiche Länderinformationen verwiesen.

Mit Parteiengehör vom 19.11.2019 wurden den BF das Länderinformationsblatt Afghanistan vom 13.11.2019 zur Stellungnahme binnen einer Woche zugestellt und ersuchten die BF mit Schriftsatz vom 25.11.2019 um Fristerstreckung um eine weitere Woche.

Mit Stellungnahme vom 03.12.2019 erstatteten die BF nähere Ausführungen zum übermittelten Länderinformationsblatt und verwies zudem auf die UNHCR-Richtlinien sowie die EASO Country Guidance Notes.

Am 17.01.2020 übermittelte der BF3 einen Nachweis zu seiner bestandenen Integrationsprüfung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person der Beschwerdeführer:

Die BF verwenden die im Spruch genannten Namen und Geburtsdaten. Sie sind afghanische Staatsangehörige und sunnitische Moslems, gehören der Volksgruppe der Tadschiken an und sprechen Dari sowie Farsi.

Die BF1 und der BF2 sind traditionell verheiratet und die Eltern des BF3, des BF4 und der BF5. Zudem haben die BF1 und der BF2 zwei weitere Söhne namens XXXX .

Die BF1 hat in Afghanistan weder eine Schule besucht, noch einen Beruf erlernt und war Hausfrau. Der BF2 hat in Afghanistan 12 Jahre die Schule besucht und war in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus eigenem zu bestreiten. Der älteste Sohn der BF1 und des BF2, XXXX , ist in Afghanistan geboren. Die BF1 und der BF2 lebten gemeinsam mit dem ältesten Sohn in der Provinz Kabul, im Distrikt XXXX im Dorf

XXXX .

1996 verließen die BF1 und der BF2 Afghanistan und zogen gemeinsam mit ihrem Sohn in den Iran, wo ein weiterer bereits volljähriger Sohn namens XXXX , der BF3, der BF4 und die BF5 geboren wurden. Die BF hielten sich zunächst im Distrikt XXXX im Dorf XXXX auf und übersiedelten später nach Teheran. Im Erwachsenenalter übersiedelte der älteste Sohn der BF1 und des BF2 nach Afghanistan und kehrte später wieder in den Iran zurück. Abgesehen davon lebten die BF gemeinsamen mit den beiden älteren Söhnen der BF1 und des BF2 durchgehend im gemeinsamen Haushalt zusammen und unterstützten sich gegenseitig.

Der BF2 arbeitete im Iran als Landwirt, Gärtner und Porzellanhändler. Die BF1 war Hausfrau und übernahm gelegentlich Näharbeiten für die Nachbarschaft. Der BF3 und der BF4 besuchten im Iran die Schule und absolvierten anschließend eine Schneiderlehre. Die BF5 besuchte ebenfalls die Schule im Iran.

Die BF haben in Afghanistan entfernte Verwandte, zu denen kein Kontakt besteht.

Die BF1, der BF2, der BF4 und die BF5 sind gesund, der BF3 leidet an Depressionen und nimmt deswegen Medikamente. Die diagnostizierte psychische Erkrankung erreicht aber nicht das Ausmaß einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit.

Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Nachdem der zum damaligen Zeitpunkt volljährige Sohn der BF1 und des BF2, XXXX bereits am XXXX .2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, reisten die BF gemeinsam mit dem damals ebenfalls volljährigen XXXX unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellten am XXXX .2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die BF leben gemeinsam mit XXXX in einer von der XXXX gemieteten und von dieser bezahlten Unterkunft. Im Falle eines positiven Verfahrensausgangs und der Kündigung des Mietvertrags ist die Vermieterin bereit, das Haus direkt an die BF zu vermieten.

Die BF1 und der BF2 besuchten in Österreich mehrere Deutschkurse sowie am 20.07.2016 einen Werte- und Orientierungskurs, nahmen am 26.04.2017 an einer Kompetenzanalyse sowie am 08.11.2017 am Infotag für Asylwerber teil und übernahmen im Rahmen der organisierten Unterkünfte der XXXX mehrmals Hilfstätigkeiten.

Die BF1 absolvierte von 30.04.2019 bis 30.08.2019 einen Basisbildungskurs beim Verein " XXXX ", verrichtete sowohl 2018 als auch 2019 über mehrere Monate gemeinnützige Tätigkeiten bei der Gemeinde XXXX und arbeitet seit 21.03.2019 ehrenamtlich als Reinigungskraft beim Sportverein XXXX , der ihr für den Fall des positiven Verfahrensausgangs eine Einstellungszusage im Ausmaß von 20 Stunden pro Woche erteilte.

Der BF2 verrichtete von 01.04.2018 bis 31.10.2018 gemeinnützige Tätigkeiten bei der Stadtgemeinde XXXX , übernahm im Rahmen der Nachbarschaftshilfe Gartenarbeiten bei XXXX und arbeitet seit 21.03.2019 ehrenamtlich als Platzwart beim Sportverein XXXX , der ihm für den Fall des positiven Verfahrensausgangs eine Einstellungszusage im Ausmaß von 20 Stunden pro Woche erteilte. Zudem verfügt der BF2 über eine Arbeitszusage als Gärtner bei der XXXX .

Der BF3 besuchte im Sommersemester 2015/2016 die Polytechnische Schule XXXX sowie anschließend die Übergangsstufe der HTL XXXX , die er im Sommersemester 2019 positiv abgeschlossen hat. Zudem hat der BF3 am 06.07.2019 die Externistenprüfung an der Neuen Sportmittelschule XXXX im Fach Deutsch sowie am 05.07.2019 in den Fächern Mathematik und Englisch und am 10.12.2019 die Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau B1 bestanden. Der BF3 nahm von 18.07.2016 bis 19.08.2016 und 17.07.2017 bis 18.08.2017 am Projekt "Bleib dran! Ferienlernen" des Jugendrotkreuz XXXX sowie seit 30.07.2018 bis zumindest 11.01.2019 am Qualifizierungsprojekt "VERA" der XXXX teil, war im Frühjahr 2019 für ein halbes Jahr bei der Gemeinde XXXX als Bauhofmitarbeiter beschäftigt, arbeitete im Sommer 2019 ehrenamtlich am Großprojekt " XXXX XXXX " des Vereins " XXXX " mit und trainiert regelmäßig mit dem Fußballteam XXXX . Für den Fall des positiven Verfahrensausgangs hat der BF3 die Zusage für eine Lehrstelle bei der XXXX .

Der BF4 besuchte im Schuljahr 2018/2019 die Polytechnische Schule XXXX und absolvierte zwischen 14.05.2018 und 24.05.2019 Schnupperpraktika in sechs verschiedenen Unternehmen und fünf unterschiedlichen Berufssparten. Von 17.07.2017 bis 18.08.2017 nahm der BF4 am Projekt "Bleib dran! Ferienlernen" des Jugendrotkreuz Tirol teil.

Die BF5 besuchte im Sommersemester 2016 die Neue Mittelschule XXXX und wechselte im Wintersemester 2016/2017 an die Neue Mittelschule XXXX , wo sie derzeit die 4. Klasse absolviert. Von 13.01.2017 bis 31.03.2017 nahm die BF5 wöchentlich an einer Gruppenmusiktherapie teil und besuchte von 23.07.2017 bis 18.08.2017 das Sportferiencamp des Sportvereins XXXX . Am 18.06.2019 hat die BF5 beim Redewettbewerb an ihrer Schule in der Kategorie "PowerPoint-Präsentation" den zweiten Platz belegt und im Juni 2019 einen Anfängerschwimmkurs beim Triathlon und Schwimmclub XXXX absolviert.

Die BF konnten in Österreich bereits Kontakte knüpfen und sind strafrechtlich unbescholten.

Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Es wird festgestellt, dass die BF in Afghanistan keiner konkreten und individuellen Gefahr ausgesetzt sind, von den Taliban mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

Ferner wird festgestellt, dass die BF1 und die BF7 keine "westliche" Orientierung angenommen haben und daher in Afghanistan keiner konkreten und individuellen Gefahr ausgesetzt sind, mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

Den BF würde bei einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz der BF1 und des BF2, Kabul in Afghanistan, ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit drohen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif können die BF auf ein in Afghanistan bestehendes Unterstützungsnetzwerk zurückgreifen sowie grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Die Städte Herat und Mazar-e Sharif sind über die dort vorhandenen internationalen Flughäfen sicher erreichbar.

Im Falle einer Verbringung der BF in ihren Herkunftsstaat droht diesen daher kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

(EMRK).

Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019, wiedergegeben:

1. Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.04.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.05.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015), und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.05.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.04.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.05.2019). Die ursprünglich für den 20.04.2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.09.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für fünf Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.04.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.04.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.03.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.01.2017; vgl. USDOS 13.03.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 02.09.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21.10.2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.04.2019; vgl. USDOS 13.03.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28.09.2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14.11.2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden, und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben, und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.03.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 06.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.05.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.05.2019).

Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.05.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.01.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.01.2004, USDOS 29.05.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.01.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 02.09.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.03.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 02.09.2019; vgl. AAN 06.05.2018, DOA 17.03.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 02.09.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert, und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht, und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.03.2019).

Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss, und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.01.2019).

Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.06.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.01.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.06.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.08.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 08.09.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.08.2019; vgl. NZZ 12.08.2019; DZ 08.09.2019).

Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019, MS 28.01.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigte Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.05.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere Warlords, statt (Qantara 12.02.2019; vgl. TN 31.05.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.02.2019; vgl. NYT 07.03.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.03.2019; vgl. WP 18.03.2019).

Vom 29.04.2019 bis 03.05.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 06.05.2019 bis 04.06.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 06.05.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.05.2019).

2. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 03.09.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.04.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.06.2019; vgl. AJ 12.04.2019; NYT 12.04.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.04.2019; vgl. NYT 12.04.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.06.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel, die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.07.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.01.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss, als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 08.09.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.04.2019; vgl. NYT 19.07.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 03.09.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 07.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.08. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.04.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte, die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren, und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran, ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 03.09.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich es keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 03.09.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 07.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 07.12.2018; vgl. ARN 23.06.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan (UNGASC 03.09.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.02.2019).

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Für den Berichtszeitraum 10.05. - 08.08.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevante Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 03.09.2019). Für den Berichtszeitraum 08.02 - 09.05.2019 registrierte die UN insgesamt 5249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.06.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.05 - 08.08.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle, bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 03.09.2019).

Im Gegensatz dazu registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit

29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

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Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.01.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.01.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.04.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.07.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.04.2019; vgl. NYT 19.07.2019).

Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 01.01. - 30.09.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.04.2019) berichtet, bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.02.2019; vgl. SIGAR 30.04.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.02.2019).

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High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 01.06.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 01.12.2018 und 15.05.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).

Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten

Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.02.2019).

Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurden, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.02.2019).

Angriffe im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im Oktober 2018

Die afghanische Regierung bemühte sich, Wahllokale zu sichern, was mehr als 4 Millionen afghanischen Bürgern ermöglichte zu wählen (UNAMA 11.2018). Und auch die Vorkehrungen der ANDSF zur Sicherung der Wahllokale ermöglichten eine Wahl, die weniger gewalttätig war als jede andere Wahl der letzten zehn Jahre (USDOS 12.2018). Die Taliban hatten im Vorfeld öffentlich verkündet, die für Oktober 2018 geplanten Parlamentswahlen stören zu wollen. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 warnten sie Bürger davor, sich für die Wahl zu registrieren, verhängten "Geldbußen" und/oder beschlagnahmten Tazkiras und bedrohten Personen, die an der Durchführung der Wahl beteiligt waren (UNAMA 11.2018; vgl. USDOS 13.03.2019). Von Beginn der Wählerregistrierung (14.04.2018) bis Ende des Jahres 2018 wurden 1.007 Opfer (226 Tote, 781 Verletzte) sowie 310 Entführungen aufgrund der Wahl verzeichnet (UNAMA 24.02.2019). Am Wahltag (20.10.2018) verifizierte UNAMA 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) durch Wahl bedingte Gewalt. Die höchste Anzahl an zivilen Opfern an einem Wahltag seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNAMA im Jahr 2009 (UNAMA 11.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vgl. CRS 12.02.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019):

Taliban

Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.08.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.07.2019). Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel. Das wird als Versuch gewertet, in den Friedensverhandlungen ein Druckmittel zu haben (USDOD 6.2019).

Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.08.2019; vgl. FA 03.01.2018) - Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub - Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar - und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.05.2016) - Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.01.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 04.07.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 06.12.2018).

Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.06.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.08.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.01.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.08.2017; vgl. AAN 03.01.2017; AAN 17.03.2017).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll zwölf Ableger in acht Provinzen betreiben (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig, und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.08.2019).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.08.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.08.2017).

Haqqani-Netzwerk

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (CRS 12.02.2019). Benannt nach dessen Begründer, Jalaluddin Haqqani (AAN 01.07.2010; vgl. USDOS 19.09.2018; vgl. CRS 12.02.2019), einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad (1979-1989) und einer wichtigen Taliban-Figur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Der derzeitige Leiter ist dessen Sohn Serajuddin Haqqani, der seit 2015 als stellvertretender Leiter galt (CTC 1.2018).

Als gefährlichster Arm der Taliban hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt (NYT 20.08.2019) und wird für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich gemacht (CRS 12.02.2019).

Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)

Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 05.03.2015). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 01.08.2017; vgl. LW 04.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000 (USDOS 18.09.2018), bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.06.2019). Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (BAMF 03.06.2019; vgl. VOA 21.05.2019).

Berichten zufolge besteht der ISKP in Pakistan hauptsächlich aus ehemaligen Teherik-e Taliban Mitgliedern, die vor der pakistanischen Armee und ihrer militärischen Operationen in der FATA geflohen sind (CRS 12.02.2019; vgl. CTC 12.2018). Dem Islamischen Staat ist es gelungen, seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan dadurch zu stärken, dass er Partnerschaften mit regionalen militanten Gruppen einging. Seit 2014 haben sich dem Islamischen Staat mehrere Gruppen in Afghanistan angeschlossen, z.B. Teherik-e Taliban Pakistan (TTP)-Fraktionen oder das Islamic Movement of Uzbekistan (IMU), während andere ohne formelle Zugehörigkeitserklärung mit IS-Gruppierungen zusammengearbeitet haben, z.B. die Jundullah-Fraktion von TTP oder Lashkar-e Islam (CTC 12.2018).

Der islamische Staat hat eine Präsenz im Osten des Landes, insbesondere in der Provinz Nangarhar, die an Pakistan angrenzt (CRS 12.02.2019 ;vgl. CTC 12.2018). In dieser sind vor allem bestimmte südliche Distrikte von Nangarhar betroffen (AAN 27.09.2016; vgl. REU 23.11.2017; AAN 23.09.2017; AAN 19.02.2019), wo sie mit den Taliban um die Kontrolle kämpfen (RFE/RL 30.10.2017; vgl. AAN 19.02.2019). Im Jahr 2018 erlitt der ISKP militärische Rückschläge sowie Gebietsverluste und einen weiteren Abgang von Führungspersönlichkeiten. Einerseits konnten die Regierungskräfte die Kontrolle über ehemalige IS-Gebiete erlangen, andererseits schwächten auch die Taliban die Kontrolle des ISKP in Gebieten in Nangarhar (UNSC 13.06.2019; vgl. CSR 12.02.2019). Aufgrund der militärischen Niederlagen war der ISKP dazu gezwungen, die Anzahl seiner Angriffe zu reduzieren. Die Gruppierung versuchte, die Provinzen Paktia und Logar im Südosten einzunehmen, war aber schlussendlich erfolglos (UNSC 31.07.2019). Im Norden Afghanistans versuchten sie ebenfalls Fuß zu fassen. Im August 2018 erfuhr diese Gruppierung Niederlagen, wenngleich sie dennoch als Bedrohung in dieser Region wahrgenommen wird (CSR 12.02.2019). Berichte über die Präsenz des ISKP könnten jedoch übertrieben sein, da Warnungen vor dem Islamischen Staat laut einem Afghanistan-Experten "ein nützliches Fundraising-Tool" sind: so kann die afghanische Regierung dafür sorgen, dass Afghanistan im Bewusstsein des Westens bleibt und die Auslandshilfe nicht völlig versiegt (NAT 12.01.2017). Die Präsenz des ISKP konzentrierte sich auf die Provinzen Kunar und Nangarhar. Außerhalb von Ostafghanistan ist es dem ISKP nicht möglich, eine organisierte oder offene Präsenz aufrechtzuerhalten (UNSC 13.06.2019).

Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit (CSR 12.02.2019; vgl. UNAMA 24.02.2019; AAN 24.02.2019; CTC 12.2018; UNGASC 07.12.2018; UNAMA 10.2018). Im Jahr 2018 war der ISKP für ein Fünftel aller zivilen Opfer verantwortlich, obwohl er über eine kleinere Kampftruppe als die Taliban verfügt (AAN 24.02.2019). Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt (UNAMA 24.02.2019), nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab (UNAMA 30.07.2019).

Der ISKP verurteilt die Taliban als "Abtrünnige", die nur ethnische und/oder nationale Interessen verfolgen (CSR 12.02.2019). Die Taliban und der Islamische Staat sind verfeindet. In Afghanistan kämpfen die Taliban seit Jahren gegen den IS, dessen Ideologien und Taktiken weitaus extremer sind als jene der Taliban (WP 19.08.2019; vgl. AP 19.08.2019). Während die Taliban ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte beschränken (AP 19.08.2019), zielt der ISKP darauf ab, konfessionelle Gewalt in Afghanistan zu fördern, indem sich Angriffe gegen Schiiten richten (WP 19.08.2019).

Al-Qaida und ihr verbundene Gruppierungen

Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Beide Gruppierungen haben immer wieder öffentlich die Bedeutung ihres Bündnisses betont (UNSC 15.01.2019). Unter der Schirmherrschaft der Taliban ist al-Qaida in den letzten Jahren stärker geworden; dabei wird die Zahl der Mitglieder auf 240 geschätzt, wobei sich die meisten in den Provinzen Badakhshan, Kunar und Zabul befinden. Mentoren und al-Qaida-Kadettenführer sind oftmals in den Provinzen Helmand und Kandahar aktiv (UNSC 13.06.2019).

Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen. Des Weiteren fungieren al-Qaida-Mitglieder als Ausbilder und Religionslehrer der Taliban und ihrer Familienmitglieder (UNSC 13.06.2019).

Im Rahmen der Friedensgespräche mit US-Vertretern haben die Taliban angeblich im Jänner 2019 zugestimmt, internationale Terrorgruppen wie Al-Qaida aus Afghanistan zu verbannen (TEL 24.01.2019).

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2.1. Kabul

Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans (PAJ o.D.) und grenzt an Parwan und Kapisa im Norden, Laghman im Osten, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden sowie Wardak im Westen. Provinzhauptstadt ist Kabul-Stadt (NPS o.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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