TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/24 G307 2207697-1

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Veröffentlicht am 24.03.2020
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Entscheidungsdatum

24.03.2020

Norm

BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §55 Abs1

Spruch

G307 2207697-1/6E

G307 2207699-1/5E

G307 2207702-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerden der 1. XXXX, geb. am XXXX, der 2. XXXX, geb. am XXXX sowie der 3. XXXX, geb. am XXXX, alle StA.: Kosovo, alle rechtlich vertreten durch RA Dr. Gerhard KOLLER in 1080 Wien, letztere beiden gesetzlich vertreten durch die Mutter, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.09.2018, Zahlen XXXX, XXXX sowie XXXX nach öffentlicher mündlicher Verhandlung, zu Recht erkannt:

A)

I. Den Beschwerden wird s t a t t g e g e b e n und gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gegen die beschwerdeführenden Parteien auf Dauer u n z u l ä s s i g ist.

II. Der erstbeschwerdeführende Partei wird gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus", der zweitdrittbeschwerdeführenden Partei ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" jeweils für die Dauer von zwölf (12) Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erst- Zweit- und Drittbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF auch BF1, BF2 und BF3) stellten beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) ursprünglich am 27.03.2015 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens". Diesen zogen sie im Rahmen der Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) im Rahmen der Erstbefragung am 17.02.2016 wieder zurück.

Am 04.01.2018 stellten alle drei BF erneut einen Antrag gemäß § 55 AsylG.

2. Mit Schreiben vom 30.01.2018, beim BFA eingelangt am 31.01.2018, erstatteten die BF durch den im Spruch angeführten Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) eine Stellungnahme zum gegenständlichen Sachverhalt.

3. Am 15.02.2018 wurde BF1 zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung von einem Organ der belangten Behörde einvernommen.

4. Am 18.04.2018 übermittelte der Rechtsvertreter der BF (im Folgenden: RV) dem Bundesamt eine weitere Stellungnahme und fügte dieser eine Bestätigung über die (vorerst) nicht bestandene "A2"-Deutschprüfung bei.

5. Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des BFA, der RV der BF zugestellt am 11.09.2018, wurden die gegenständlichen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005, abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG gegen die BF gemäß § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Kosovo gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und den BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14tägige Frist für deren freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.

6. Mit Schreiben vom 08.10.2018, beim BFA eingebracht am selben Tag, erhoben die BF durch ihren RV Beschwerde gegen den erwähnten Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde beantragt, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes zu beheben, in eventu die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften zu beheben, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, jedenfalls den Antrag auf Aufenthalt aus Gründen des Art 8 EMRK zu bewilligen.

Die gegenständlichen Beschwerden und die dazugehörigen Verwaltungsakte wurden dem BVwG am 12.10.2018 vom BFA vorgelegt und langten dort am 16.10.2018 ein.

7. Am 03.03.2020 fand vor dem BVwG, Außenstelle Graz, eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher BF1 und deren Rechtsvertreter teilnahmen sowie deren Ehegatte als Zeuge befragt wurde.

8. Am 16.03.2020 (eingelangt am 19.03.2020) übermittelte der RV der BF dem erkennenden Gericht die in der mündlichen Verhandlung angeforderten Unterlagen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF führen die im Spruch angegebenen Identitäten (Namen und Geburtsdatum) und sind kosovarische Staatsbürger. BF1 ist die Mutter von BF2 und BF3 und wohnt mit diesen wie mit ihrem Mann, XXXX, geb. am XXXX, im gemeinsamen Haushalt.

1.2. BF1 wuchs im Kosovo auf und besuchte nach der Pflichtschule das Gymnasium, welches sie mit Reifeprüfung abschloss. Danach belegte sie in Peje das Studium der Rechtswissenschaften, welches sie jedoch wegen der Beziehung zu ihrem Mann und dem Verzug nach Österreich abbrach. BF1 reiste am 27.09.2012 nach Österreich ein und hält sich seitdem durchgehend im Bundesgebiet auf. Seitdem begab sie sich auch nicht mehr in den Kosovo. Lediglich zu Ihrer Schwester hält sie regelmäßig über "Viber" Kontakt. Sie stellte erstmalig am 01.02.2013 bei der Abteilung 35 des Magistrats der Stadt XXXX (im Folgenden: MA 35) einen Antrag auf Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot-Karte Plus. Dieser Antrag wurde am 03.04.2013 abgewiesen. Am 01.04.2016 stellte die BF neuerlich den gleichen Antrag bei der MA 35. Die gegen den dahingehend abweisenden Bescheid vom 31.06.2016 an das Landesverwaltungsgericht Wien (im Folgenden: LVwG Wien) erhobene Beschwerde wurde mit dessen Erkenntnis vom 10.11.2017, Zahl VWG-151/068/1315Z/2016-12 abgewiesen und erwuchs in Rechtskraft. Wegen ihrer zwischenzeitlichen Schwangerschaften reiste BF1 nicht zurück in den Herkunftsstaat. Dort leben noch ihre Schwester und deren Mann sowie die Schwiegereltern in einem Haus, wovon nur 2 Räume bewohnbar sind. Weiteren Personen ist es im restlichen Haus aufgrund von Problemen mit der Wasserzufuhr und der Heizung nicht möglich, Unterkunft zu nehmen.

1.3. BF1 und ihr Ehemann lernten einander im Juni 2011 im Kosovo kennen und führen seit diesem Jahr eine Beziehung. Die Ehe zwischen den beiden wurde am XXXX.2012 in XXXX geschlossen.

1.4. BF2 und BF3 wurden in XXXX geboren. BF2 besucht die erste Klasse Volksschule in der XXXX in XXXXWien, BF3 den Kindergarten in der XXXXin XXXXWien.

1.5. BF1 war bis dato in Österreich noch nicht legal beschäftigt. Sie verfügt über einen Dienstvertrag des XXXX in XXXX Wien, wonach sie dort zu einem Bruttomonatslohn von € 1.350,00 als Küchenhilfe im Ausmaß von 38,5 Wochenstunden tätig sein könnte. Bis dato nahmen die BF1 bis BF3 keinerlei (staatliche) Sozialleistungen in Anspruch.

1.6. BF1 erhält monatlich im Schnitt mehrere Hundert Euro (zuletzt durchschnittlich € 1.000,00 pro Monat) von ihrer in XXXX in der Schweiz wohnhaften Tante XXXX überwiesen, die für BF1 am XXXX.2017 ein notariell beglaubigte Haftungserklärung iSd § 2 Abs. 1 Z 15 NAG abgegeben hat. Demnach verpflichtete sich diese, der Familie der BF1 monatlich zumindest € 800,00 zur Verfügung zu stellen.

1.7. BF1 besitzt Deutschkenntnisse des Niveaus "A2", ist strafrechtlich unbescholten, gesund und arbeitsfähig.

1.8. Der Ehegatte der BF1 ist als Angestellter bei XXXX tätig und erhält hiefür ein monatliches Nettogehalt in der Höhe von rund €

1.540,00, dies 14 Mal monatlich. Er ist einer monatlichen Gehaltspfändung zwischen rund € 14,00 und € 91,00 wegen des zu XXXX existenten Exekutionsbeschlusses ausgesetzt.

Die BF wohnen mit dem Ehegatten der BF1 in einer Mietwohnung mit einer Größe von 76,43 m². Hiefür fallen inklusive Betriebskosten rund € 800,00 an Miete an. Insgesamt belaufen sich die monatlichen Lebenserhaltungskosten auf durchschnittlich rund € 2.000,00.

Für seine erwachsene, 21jährige, in Deutschland lebende Tochter aus einer vergangen Beziehung ist der Mann der BF1 nicht (mehr) zur Unterhaltsleistung verpflichtet, gegenüber seinen beiden minderjährigen Söhnen aus der vorangegangenen Ehe müsste er monatlich € 420,00 leisten. Aufgrund der Beschlüsse des BG XXXX vom XXXX.2017, Zahlen XXXX und XXXX wird der Kindesmutter vom OLG XXXX Unterhaltsvorschuss gewährt, weil der Ehegatte der BF derzeit nicht in der Lage ist, seinen Kindern diesen Betrag zur Verfügung zu stellen. Er hat Außenstände in der Höhe von € 148,61. Zum Stichtag 02.03.2020 wies das Girokonto des Ehegatten ein Guthaben von €

3.610,04 auf.

Der Ehemann der BF1 ist im Besitz des Titels "Daueraufenthalt EU" und hält sich seit November 2004 in Österreich auf.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität (Namen und Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit, Familienstand, Zeitpunkt und Grund der Einreise seitens der BF1 nach Österreich, Geburt der BF2 und BF3 in Österreich, Schul- und Universitätsbildung der BF1, Zeitpunkt der Eheschließung und gemeinsame Haushaltsführung getroffen wurden, ergeben sich diese aus den Angaben der BF1 vor der belangten Behörde, den Stellungnahmen durch ihren RV, dem Beschwerdeinhalt, den schlüssigen Angaben in der mündlichen Verhandlung, der vorgelegten Heiratsurkunde und dem Inhalt des auf die Namen der BF (1 bis 3) lautenden Auszüge aus dem Zentralen Melderegister.

BF1 legte zum Nachweis ihrer Identität einen auf ihren Namen ausgestellten kosovarischen Reisepass vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

BF1 hat in der Verhandlung angegeben, gesund zu sein. Ihre Arbeitsfähigkeit ergibt sich aus dem vorgelegten Dienstvertrag und fanden sich auch sonst keine Hinweise auf den Bestand einer Arbeitsunfähigkeit seitens der BF1.

Zum Nachweis ihrer Deutschkenntnisse auf "A2"-Niveau legte die BF ein ösd-Sprachzertifikat vom 16.06.2018 vor. Die strafrechtliche Unbescholtenheit folgt dem Amtswissen des BVwG durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

BF1 legte einen Dienstvertrag, unterzeichnet von XXXX, vor, woraus sich die Art der Tätigkeit als Küchengehilfin, dem dafür vorgesehenen monatlichen Lohn und die Anstellungsintensität ergeben.

Dass BF1 in Österreich bis dato nicht beschäftigt war, ist dem Inhalt des auf ihren Namen lautenden Sozialversicherungsdatenauszuges entnehmbar. Daraus ergibt sich auch, dass BF1 bisher keine Sozialleistungen in Anspruch genommen hat.

Schul- und Kindergartenbesuch von BF2 und BF3 sind aus der Schulnachricht der Volksschule XXXX (BF2) sowie der Kindergartenbesuchsbestätigung (BF3) ersichtlich. Dass die beiden in Wien geboren wurden, ergibt sich (auch) aus dem ZMR.

Die beim XXXX ausgeübte Beschäftigung des Ehegatten der BF1 ergibt sich aus den vorgelegten Gehaltszetteln sowie dessen Sozialversicherungsdatenauszug. Dem sind auch die Höhe des jeweiligen Gehalts und die jeweiligen Pfandbeträge zu entnehmen. Die Grundlage hiefür findet sich im unter I.1.8. erwähnten Beschluss. Die Auskunft des Kreditschutzverbandes 1870 vom XXXX.2020 ergab für den Ehegatten der BF den unter I.1.8. erwähnten Schuldenstand.

Im Akt findet sich eine notariell beglaubigte Bestätigung des Notariats XXXX vom XXXX.2017, wonach sich die Tante der BF verpflichtet, die BF von nun an mit einem monatlichen Betrag von €

800,00 zu unterstützen. Aus den in der Verhandlung vorgelegten und im Zuge der abschließenden Urkundenvorlage dem BVwG übermittelten Kontoauszügen des Ehegatten der BF1 ergibt sich, dass XXXX immer wieder drei bis vierstellige Beträge auf dessen Konto mit dem Zweck, die BF zu unterstützen, überweist. So finden sich auf den Kontoauszügen des Ehegatten der BF etwa folgende Beträge, die von XXXXüberwiesen wurden oder dem Ehegatten der BF übermittelt wurden und er diese in Form eines Eigenerlages dem Konto zugeführt hat:

-

08.02.2013: € 6.000,00

-

01.06.2015: € 2.200,00

-

05.02.2019: € 1.500,00

-

15.07.2019: € 4.500,00.

-

10.01.2020: € 2.000,00

-

31.01.2020: € 2.000,00

-

27.02.2020: € 2.000,00

Dieses Konto weist mit 02.03.2020 ein Guthaben von € 3.610,04 auf.

Der Aufenthalt des Ehegatten der BF1 in Österreich seit 2004 folgt dem Inhalt seines ZMR-Auszuges und ist mit dem Beginn seiner ersten Beschäftigung am 01.06.2004 in Einklang zu bringen.

Die zur Person der BF1 geführten aufenthaltsrechtlichen Verfahren und deren Ausgang sind dem Inhalt des auf sie lautenden Auszuges aus dem Zentralen Fremdenregister (ZFR) sowie dem darin einliegenden oberwähnten Erkenntnis des LVwG Wien zu entnehmen.

Die Größe der Wohnung und die hiefür anfallenden Kosten folgen dem Inhalt des im Akt einliegenden Mietvertrages und den Angaben des Ehegatten der BF1 in der mündlichen Verhandlung.

BF1 und ihr Mann gaben übereinstimmend an, einander im Jahr 2011 kennengelernt zu haben und seit diesem Jahr eine Beziehung zu führen. BF1 nannte als Grund für die Einreise den Wunsch, mit ihrem damaligen Lebensgefährten eine Ehe einzugehen. Dass sie nach den negativen Entscheidungen der MA 35 und des LVwG nicht ausreiste, begründete sie selbst mit den Schwangerschaften zu den beiden Töchtern.

Den regelmäßigen Kontakt zu ihrer Schwester hat BF1 in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, zumal sich schon zuvor im Verfahren hierauf verwiesen hatte. Dass das Haus der Schwiegereltern diesen zu wenig bis keinen Platz bietet, haben BF1 und ihr Mann unabhängig voneinander in der Verhandlung bestätigt und fand dieser Umstand in der Aussage des Ehegatten der BF1 vor dem LVwG Wien seinen Niederschlag.

In der Verhandlung legte der Ehegatte der BF1 eine Kopie seines Aufenthaltstitels vor.

Die Höhe der monatlichen Lebenserhaltungskosten bezifferte BF1 mit €

2.000,00 bis 2.500,00, ihr Mann jedoch mit € 1.600,00. Da dieser jedoch "Herr" über die Familienfinanzen ist und auch das gemeinsame Girokonto führt, ist dieser Divergenz aufgrund des fehlenden Einblicks von BF1 in die finanzielle Gebarung ihres Mannes keine übergewichtige Bedeutung in Richtung Unglaubwürdigkeit beizumessen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu den Spruchpunkten I., II. und III. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1. Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" betitelte § 55 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Der mit "Antragstellung und amtswegiges Verfahren" betitelte § 58 AsylG idgF. lautet:

"§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten."

Der mit "Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen" betitelte § 60 AsylG lautet:

"§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder

2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde."

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Nach § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, und jener Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist, gemäß Abs. 4 Z 10 leg. cit. als Drittstaatsangehöriger.

Die BF sind aufgrund ihrer kosovarischen Staatsbürgerschaft Drittstaatsangehörige gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Staatsangehörige der Republik Kosovo, sind nach Art. 1 Abs. 2 iVm Anlage II der Verordnung (EG) Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, ABl. L 81 vom 21.03.2001, S. 1, und Art 6 der Verordnung (EU) Nr. 2016/399 vom 09.03.2016, ABl. L 77/1 (Schengener Grenzkodex) nicht von der Visumpflicht befreit.

Gemäß Art. 20 Schengener Durchführungsübereinkommen können sich sichtvermerksbefreite Drittausländer in dem Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an, sofern die Einreisevoraussetzungen des Art 6 Abs. 1 lit. a bis e Schengener Grenzkodex vorliegen.

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben oder gemäß Abs. 1 Z 2 leg cit sich auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind.

Gemäß § 58 Abs. Abs. 13 AsylG begründet ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG kein Aufenthalts- und Bleiberecht, steht ein solcher der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen und kann daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.

Aufgrund eines aktuell nicht vorhandenen bzw. gültigen Aufenthaltstitels kommt den BF derzeit kein Aufenthaltsrecht nach dem NAG im Bundesgebiet zu. Angesichts der bis dato gescheiterten Anträge nach dem NAG erweist sich der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet spätestens seit der rechtskräftigen Entscheidung des LVwG Wien am 10.11.2017 als durchgehend rechtswidrig.

Die BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

3.1.3. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).

Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen einen Fremden, dessen Aufenthalt lediglich auf Grund der Stellung von einem oder mehreren Asylanträgen oder Anträgen aus humanitären Gründen besteht, und der weder ein niedergelassener Migrant noch sonst zum Aufenthalt im Aufenthaltsstaat berechtigt ist, stellt in Abwägung zum berechtigten öffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben dieses Fremden dar, wenn dessen diesbezüglichen Anträge abgelehnt werden, zumal der Aufenthaltsstatus eines solchen Fremden während der ganzen Zeit des Verfahrens als unsicher gilt (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, Zl. 21878/06).

3.2. Zur Antragslegitimation

3.2.1. In Ermangelung des Besitzes eines Aufenthaltstitels nach dem NAG, der Anhängigkeit eines Verfahrens nach dem NAG sowie eines den BF sonst zukommenden Aufenthaltsrechtes in Österreich erweist sich die Antragstellung der - in Österreich aufhältigen - BF auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels iSd. § 55 AsylG gemäß § 58 Abs. 9 AsylG dem Grunde nach als zulässig.

3.2.2. Das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247).

BF1 verfügt aufgrund ihrer Ehe mit einem begünstigten Drittstaatsangehörigen jedenfalls über ein schützenswertes Familienleben iSd. Art 8 EMRK. Gleiches gilt für die BF2 und BF3 als dessen Kinder (vgl. Chvosta, Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, ÖJZ 2007/74). Zu beachten ist, dass sich BF1 seit mehr als 7 1/2 Jahren im Bundesgebiet aufhält und BF2 wie BF3 hier geboren wurden. Für letztere beiden gab es bis dato gar keinen Anknüpfungspunkt zu ihrem Heimatstaat und besuchen diese die Volksschule (BF2) bzw. den Kindergarten (BF3).

BF1 verfügt über einen (immer noch aufrechten) Dienstvertrag und über Deutschkenntnisse des Niveaus "A2". Die Zueignung weiterer Kenntnisse scheiterte laut deren Angaben bis dato an der Kindererziehung.

Im konkreten Fall war überdies maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt der BF in Österreich bislang keine finanzielle Belastung für eine Gebietskörperschaft dargestellt hat und auch keinerlei Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung in Anspruch genommen wurden. Zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes in Österreich mussten die BF somit zu keinem Zeitpunkt öffentliche Mittel (weder Geld- noch Sachleistungen) heranziehen, sondern haben sie vielmehr ihren Lebensunterhalt durch die Unterstützung der in der Schweiz lebende Tante der BF1 und dem Einkommen ihres Ehegatten bestritten.

Alle BF sind ferner in vollem Umfang krankenversichert.

Das erkennende Gericht konnte auch davon überzeugt werden, dass BF1 angesichts des stetigen "Herauswachens" der beiden Töchter (BF2 und BF3) aus dem Kleinkindalter sie auch tatsächlich die Anstellung (als Küchenhilfe) in der beschriebenen Form wird wahrnehmen können. Diesfalls würde BF1 unter Berücksichtigung des in Aussicht gestellten Brutto-Monatsgehalts von € 1.350,00 den Lebensunterhalt der Familie zusätzlich stützen können, selbst wenn ihr tatsächliches Anstellungsausmaß geringer ausfallen sollte.

Es kann vom erkennenden Gericht mittlerweile wohl als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass in Österreich gerade im Wirtschaftszweig der Gastronomie ein steter Arbeitskräftemangel beklagt wird, weshalb die tatsächliche Möglichkeit einer Beschäftigung der BF1 in dieser Branche - ein entsprechendes Aufenthaltsrecht vorausgesetzt - eben auch als sehr wahrscheinlich anzusehen ist.

Aus den dargelegten Umständen ergibt sich unzweifelhaft, dass BF1 zahlreiche der oben angeführten Kriterien, die bei der Abwägung der betroffenen Interessen nach Art. 8 EMRK maßgeblich zu berücksichtigen sind, erfüllt und diese besonders intensiven familiären Interessen (auch in Bezug auf BF2 und BF3) auch das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts in Österreich überwiegen.

Es wird zwar nicht verkannt, dass dem Verhalten der BF1 ein gewisser Grad an Naivität, was die Übersiedlung nach Österreich betrifft, vorzuwerfen ist und dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften im Rahmen einer Güterabwägung grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt. Im gegenständlichen Fall ist aber aus den eben dargelegten Gründen in einer Gesamtschau und Abwägung aller Umstände das Interesse an der - nicht nur vorübergehenden - Fortführung des Familien- (und auch Privat)lebens der BF in Österreich dennoch höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Dies insbesondere, weil es den beiden minderjährigen, unmündigen BF2 und BF3 nicht zugemutet werden kann, sich im Kosovo, der für sie völlig fremd ist und wo sie - wie auch die BF1 - de facto keine Unterkunftmöglichkeit haben, niederzulassen.

Des Weiteren ist festzuhalten, dass das BFA als belangte Behörde auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verzichtet und auch sonst im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Umstände vorgebracht hat, die allenfalls eine andere rechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes zum Entscheidungszeitpunkt bedeutet hätten.

Abschließend ist festzuhalten, dass BF1 strafgerichtlich unbescholten ist, weshalb im Fall des Verbleibens im Bundesgebiet auch keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu erkennen ist.

Da im Hinblick auf die oben dargelegten Abwägungen zum Entscheidungszeitpunkt das Interesse der BF an der Aufrechterhaltung des Familienlebens in Österreich im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen überwiegt und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen nicht nur vorübergehenden Eingriff in das Recht auf Privatleben darstellte, war der Beschwerde stattzugeben und gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ("Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK") von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Auch das BVwG darf - in jeder Verfahrenskonstellation - über einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 absprechen. Die Frage der Erteilung des Aufenthaltstitels ist vom Prüfungsgegenstand einer angefochtenen Rückkehrentscheidung mitumfasst, weshalb in einem zu entscheiden ist (siehe ErläutRV 582 BlgNR 25. GP).

Gemäß § 9 Abs. 4 IntG ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

§ 81 Abs. 37 NAG lautet:

(37) Bei Drittstaatsangehörigen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 zur Erfüllung von Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 verpflichtet sind, dieses aber noch nicht erfüllt haben, richten sich die Bedingungen für die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung bis 36 Monate nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 nach diesem Bundesgesetz in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017. Erfüllt ein Drittstaatsangehöriger, für den Satz 1 gilt, Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Abs. 4 IntG, gilt dies als Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017. Die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung nach dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt richtet sich nach den Bestimmungen des IntG.

BF1 verfügt über Deutschkenntnisse zumindest auf Niveau "A2" und hat einen Nachweis über den erfolgreichen Abschluss des ÖSD-Zertifikats A2 vorgelegt. Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, das Familienleben in Österreich aufrechtzuerhalten, der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel und des Bestehens der Sprachprüfung "A2" (BF1) war den BF unter Einbeziehung des für sie (noch) in Frage kommenden § 81 Abs. 37 NAG ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" (BF2 und BF3 wegen fehlender Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 nur eine Aufenthaltsberechtigung) gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 zu erteilen.

Gemäß § 54 Abs. 1 AsylG werden Drittstaatsangehörigen folgende Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt:

1. "Aufenthaltsberechtigung plus", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt;

2. "Aufenthaltsberechtigung", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt;

3. "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind diese Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.

Die Ausstellung des Aufenthaltstitels auf Grund dieser Entscheidung ist vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vorzunehmen, den BF auszufolgen und - nach der zuletzt zitierten Bestimmung - vorerst für 12 Monate zu befristen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus, Deutschkenntnisse, Integration,
Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G307.2207697.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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