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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Robl,
Dr. Rosenmayr, Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des L B in S, geboren am 16. September 1966, vertreten durch Dr. Gerhard Wagner und Mag. Dr. Ernst Reitmayr, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Spittelwiese 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 27. Februar 1995, Zl. St 54/95, betreffend Ausweisung und Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Insoweit sich die Beschwerde gegen die Ausweisung (Spruchpunkt I des Bescheides) richtet, wird sie als unbegründet abgewiesen.
Im übrigen wird der angefochtene Bescheid (hinsichtlich seines Spruchpunktes II) betreffend die Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 27. Februar 1995 wurde unter Spruchpunkt I gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und Z. 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, die Ausweisung verfügt und unter Spruchpunkt II gemäß § 54 Abs. 1 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in der "Bundesrepublik Jugoslawien" gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei; die Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien sei somit zulässig.
Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid damit, daß der Beschwerdeführer am 21. Jänner 1995 illegal unter Umgehung der Grenzkontrolle mit Hilfe eines Schleppers nach Österreich eingereist sei. Er habe weder ein entsprechendes Reisedokument mit sich geführt noch über einen Sichtvermerk verfügt. Sein von ihm am 24. Jänner 1995 gestellter Asylantrag sei im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Februar 1995, erlassen am 16. Februar 1995, abgewiesen worden. Dem Beschwerdeführer sei keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zugekommen, da er illegal über ein Drittland eingereist sei. Der Beschwerdeführer sei ledig. Seine Eltern und zwei Geschwister befänden sich in "Jugoslawien". An Barmitteln besitze der Beschwerdeführer S 922,--.
Bei seiner Einvernahme durch die Asylbehörde habe der Beschwerdeführer angegeben, er habe seinen Grundwehrdienst bereits in den Jahren 1988 und 1989 abgeleistet. Im März 1994 sei er neuerlich einberufen worden. Dieser Einberufung habe er jedoch nicht Folge geleistet. Er habe sich zunächst bei seinem Onkel für die Dauer eines Monates versteckt gehalten, in der Folge sei er wieder in sein Haus zurückgekehrt, wo er sich bis zu seiner Ausreise aufgehalten habe. Er sei seit 1991 Mitglied der Demokratischen Partei des Kosovo. Am 15. September 1994 habe er an einer Versammlung des lokalen Vorstandes dieser Partei teilgenommen und sei nach Auflösung der Versammlung durch behördliche Organe mit weiteren Funktionären dieser Partei festgenommen worden. Er sei "acht Stunden lang" bezüglich dieser Partei und deren Ziele befragt worden. Dabei sei er auch mißhandelt worden. Aufgrund dieses Vorfalles sei er laufend von der Polizei überwacht worden und es sei am 20. Dezember 1994 zu einer Hausdurchsuchung gekommen. Ihm sei vorgeworfen worden, daß er "verbotener Weise" Waffen versteckt halte. Da man jedoch keine Waffen habe finden können, hatte man DM 2.000,-- sichergestellt und mitgenommen. Man habe ihm mitgeteilt, daß er mit einer Maschinenpistole zum Polizeirevier kommen solle, ansonsten würde er neuerlich Probleme bekommen. Im Zuge dieser Hausdurchsuchung seien er und seine Eltern gefesselt sowie mißhandelt worden. Er habe schließlich Angst bekommen und sich wieder zu seinem Onkel begeben. Da die Polizei "wöchentlich nach ihm gefahndet habe", habe er schließlich den Kosovo verlassen.
Gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG könnten Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie unter Mißachtung der Bestimmungen des zweiten Teiles oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist und binnen einem Monat betreten worden seien. Der Beschwerdeführer sei am 22. Jänner 1995 ohne Reisedokument und Sichtvermerk illegal eingereist. Demgemäß sei der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt. Überdies habe der Beschwerdeführer innerhalb eines Monates nach der Einreise den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermocht. Der bloße Verweis auf andere Personen, welche für den nötigen Unterhalt sorgen könnten, genüge in diesem Zusammenhang nicht. Der Beschwerdeführer selbst verfüge lediglich über Barmittel in Höhe von S 922,--. Hinzu komme noch, daß sich der Beschwerdeführer zur Einreise eines Schleppers bedient habe. Gerade der Verhinderung der Schleppertätigkeit komme nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes große Bedeutung zu. Danach stelle die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Demgemäß komme gerade der Bestimmung des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG sehr große Bedeutung zu. Auf § 19 FrG sei im Rahmen einer Ausweisung nach § 17 Abs. 2 leg. cit. nicht Bedacht zu nehmen.
Was die negative Entscheidung über den Feststellungsantrag nach § 54 Abs. 1 FrG betreffe, so ergebe sich aus dem Umstand, daß der Asylantrag des Beschwerdeführers vom Bundesminister für Inneres rechtskräftig abgewiesen worden sei, daß stichhaltige Gründe im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG, die eine Abschiebung nach Jugoslawien unzulässig machen würden, nicht bestünden. Der Beschwerdeführer habe weder den Einberufungsbefehl vorgelegt noch in irgendeiner Weise glaubhaft dargestellt, daß man ihn zur Waffenübung einberufen habe. Aber selbst wenn diese Angaben der Richtigkeit entsprächen, vermöge die Behörde keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG erkennen. Der Beschwerdeführer habe zwar angegeben, den Kosovo deshalb verlassen zu haben, weil er nach Fesselung und Mißhandlung durch die Behörden von der Polizei wöchentlich gesucht worden sei, jedoch habe der Beschwerdeführer "keine konkrete Gefährdung in irgendeine Richtung" angeben können. Der Beschwerdeführer habe im fremdenpolizeilichen Verfahren keine neuen Tatsachen behauptet. Die Behörde könne auch keine stichhaltigen Gründe dafür finden, daß der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Jugoslawien der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Eine wegen Nichtbefolgung der Einberufung zum Militärdienst verhängte Strafe könne grundsätzlich nicht als Verfolgung bzw. Gefährdung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG gesehen werden. Es fehlten auch jegliche Anhaltungspunkte dafür, daß Kosovo-Albaner beim jugoslawischen Militär erheblich schlechter behandelt würden als andere Staatsangehörige. Grundsätzlich bestehe nach jugoslawischem Recht die Möglichkeit, anstatt des Wehrdienstes den Zivildienst abzuleisten. Gemäß Art. 137 der Bundesverfassung der Bundesrepublik Jugoslawien sei "die Wehrdienstpflicht allgemein und werde im Rahmen des Bundesgesetzes erfüllt". Bürgern, die infolge religiöser oder anderer Gewissensgründe ihre Wehrdienstpflicht mit den Waffen nicht ableisten wollen, stehe es frei, den Zivildienst abzuleisten. Die vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren beigebrachten Urkunden vermittelten zwar eine "nicht zu befürwortende menschenrechtliche Situation in der Bundesrepublik Jugoslawien", könnten aber keine Rückschlüsse bzw. stichhältige Gründe im Sinne der zitierten Bestimmungen bekräftigen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I:
Insoweit tritt die Beschwerde der Auffassung der belangten Behörde, daß sowohl der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG als auch der des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt sei, nicht entgegen. Der Beschwerdeführer bekämpft diesbezüglich weder die Feststellungen, wonach er unrechtmäßig mit Hilfe eines Schleppers über ein Drittland in das Bundesgebiet gelangt sei, noch die weiteren Ausführungen, daß er über keinen Sichtvermerk und über keine gesicherten Unterhaltsmittel verfüge.
Soweit überhaupt anzunehmen ist, daß sich der Beschwerdeführer inhaltlich auch gegen die verfügte Ausweisung wendet, sieht er offenbar die Rechtswidrigkeit der Ausweisung darin, daß er in seinem Heimatland verfolgt werde und er dort im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG gefährdet sei.
Diesbezüglich ist ihm aber entgegenzuhalten, daß mit der Ausweisung lediglich die Verpflichtung des Fremden begründet wird, das Bundesgebiet zu verlassen (siehe § 22 Abs. 1 FrG), nicht aber (auch) ausgesprochen wird, daß er in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird. Die Frage eines Abschiebungsschutzes in bezug auf die Bundesrepublik Jugoslawien ist im Rahmen des Feststellungsverfahrens gemäß § 54 FrG unter Spruchpunkt II zu behandeln.
Insoweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides richtet, war sie daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II:
Die belangte Behörde hat grundsätzlich zu Recht ausgeführt, daß eine allenfalls drohende Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung in seinem Fall nur dann asylrelevant wäre, wenn der Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe (bzw. seiner politischen Gesinnung) einer strengeren Bestrafung als andere Staatsangehörige ausgesetzt wäre (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A).
Die Beschwerde zeigt aber richtig auf, daß der Beschwerdeführer im Asylverfahren seine Furcht vor Verfolgung primär nicht auf eine allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung gestützt hat, sondern vor allem auf seine Mitgliedschaft zur "Demokratischen Partei des Kosovo" und die damit im Zusammenhang stehende Verhaftung und Hausdurchsuchung sowie die bei diesen Gelegenheiten erlittenen Mißhandlungen und Bedrohungen. Die belangte Behörde hat sich in ihrem Bescheid mit diesem vom Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung durch die Asylbehörde hergestellten Zusammenhang zwischen seiner politischen Tätigkeit und den Vorfällen anläßlich der Hausdurchsuchung nicht auseinandergesetzt.
Die belangte Behörde hat sich in der Begründung ihres Bescheides im wesentlichen nur mit einem Verweis auf die "Ergebnisse des Asylverfahrens", insbesondere auf die Begründung in der Entscheidung des Bundesministers für Inneres vom 14. Februar 1995, mit dem der Asylantrag des Beschwerdeführers im Instanzenzug abgewiesen worden war, begnügt. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß dieser Berufungsbescheid mit hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1996 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde. Auf die diesbezügliche Begründung dieses Erkenntnisses, Zl. 95/01/0075, kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden.
Für die weitere Annahme der belangten Behörde, sie habe auch keine stichhaltigen Gründe dafür finden (können), daß "Sie in ihrem Heimatland Bundesrepublik Jugoslawien der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt wären", finden sich im Bescheid lediglich Ausführungen dazu, daß "nun auch nach Jugoslawischem Recht die Möglichkeit, anstatt des Wehrdienstes den Zivildienst abzuleisten" bestehe.
Die belangte Behörde hat die Angaben des Beschwerdeführers, wonach er und seine Eltern von behördlichen Organen im Zusammenhang mit ihrer oppositionellen politischen Gesinnung mehrfach festgenommen und er in weiterer Folge im Zuge der erwähnten Hausdurchsuchungen mißhandelt worden sei, nicht als unglaubwürdig qualifiziert. Sie hat weiters im Bescheid ausgeführt, daß die vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren beigebrachten Urkunden "eine nicht zu befürwortende menschenrechtliche Situation in der Bundesrepublik Jugoslawien" vermittelten. Bei dieser Sachlage bestanden aber für die belangte Behörde Anhaltspunkte in Richtung einer Gefährdung sowohl im Sinne des § 37 Abs. 1 als auch Abs. 2 FrG, die sie zu weitergehenden Ermittlungen hätten veranlassen müssen. Die Sachverhaltsfeststellungen lassen weder die Art der Mißhandlungen und des Ablaufes der Hausdurchsuchungen noch die Intensität der politischen Tätigkeit des Beschwerdeführers und die konkrete Vorgangsweise der Behörden seines Heimatstaates gegen aktive Mitglieder der "Demokratischen Partei des Kosovo" erkennen. Die allgemein gehaltene Schlußfolgerung der belangten Behörde, sie habe "auch keine stichhaltigen Gründe dafür finden (können), daß Sie (der Beschwerdeführer) in Ihrem (seinem) Heimatland Bundesrepublik Jugoslawien der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung" oder Strafe ausgesetzt wäre(n), ist somit mangels ausreichenden Begründungssubstrates nicht nachvollziehbar (vgl. zu der vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Ebenso wie bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft ist auch bei der Beurteilung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG die konkrete Einzelsituation des Fremden in ihrer Gesamtheit maßgeblich, die gegebenenfalls vor dem Hintergrund allgemeiner Verhältnisse zu betrachten ist. In diesem Zusammenhang ist nicht unmaßgeblich, ob - wie in der Beschwerde behauptet - bislang gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat mit Bezug auf die Bevölkerungsgruppe, der der Beschwerdeführer angehört, bekannt geworden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 95/21/0399).
Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Spruchpunkt II gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Kostenspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995210914.X00Im RIS seit
20.11.2000