Entscheidungsdatum
06.04.2020Norm
BFA-VG §18 Abs5Spruch
G314 2229833-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des kosovarischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.02.2020, Zl. XXXX, betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK beschlossen (A) und zu Recht erkannt (B):
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene
Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in seinen Spruchpunkten III. und IV. (die Spruchpunkte I. und II. bleiben unverändert) zu lauten hat:
"III. Es wird gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in den Kosovo zulässig ist.
IV. Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab 01.05.2020."
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) beantragte am XXXX.11.2019 die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 Abs 1 AsylG. Am XXXX.01.2020 wurde er dazu vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vernommen. Am 03.02.2020 langte eine ergänzende Stellungnahme des BF beim BFA ein.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des BF abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gegen ihn gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG zulässig ist, ohne einen Zielstaat der Abschiebung festzulegen (Spruchpunkt III.), und gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.). Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass die Kernfamilie des BF nicht in Österreich lebe und die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels nicht zur Aufrechterhaltung seines Privatlebens geboten sei. Seine privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich seien nicht höher zu bewerten als die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Der BF strebt damit primär die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels an und stellt hilfsweise einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Er begründet die Beschwerde mit der Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit und bringt zusammengefasst vor, dass das BFA die von ihm vorgelegten Urkunden, seine glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben und die Aussage des vernommenen Zeugen nicht entsprechend gewürdigt habe. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids sei unschlüssig. Die Bescheidbegründung sei unzureichend, zumal das BFA die Antragsabweisung nur auf das Fehlen eines Familienlebens gestützt habe. Der BF sei in Österreich außergewöhnlich gut integriert, habe hier einen großen Freundeskreis, spreche gut Deutsch und habe eine Wohnung und einen Arbeitsplatz in Aussicht. Er sei unbescholten; sein weiterer Verbleib stelle keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) und das BFA hätten in vergleichbaren Fällen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK erteilt. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, um eine Abschiebung des BF während des Verfahrens hintanzuhalten.
Das BFA legte die Beschwerde samt den Verwaltungsakten dem BVwG mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.
Feststellungen:
Der BF ist Staatsangehöriger des Kosovo und wurde am XXXX im kosovarischen Ort XXXX geboren. Er ist seit XXXX verheiratet und hat drei Kinder, die XXXX bzw. XXXX zur Welt kamen. Seine Ehefrau und die Kinder leben im Kosovo, wo die Ehefrau in der Landwirtschaft ihrer Eltern arbeitet und die Kinder die Schule besuchen.
Ein Bruder des BF lebt mit seiner Familie in Österreich; ein weiterer Bruder und eine Schwester leben mit ihren Familien in Deutschland.
In den Jahren XXXX bis XXXX hielt sich der BF immer wieder als Saisonarbeiter in Österreich auf. Erstmals war er von September bis Dezember 2010 in XXXX als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter tätig. In den Jahren 2011 bis 2016 war er jeweils von März bis August wieder für denselben Arbeitgeber tätig, 2017 von Ende März bis Mitte September, 2018 von April bis September und 2019 von Februar bis November. Sein monatliches Nettoeinkommen betrug zuletzt ca. EUR
1.700.
Dem BF wurde für diese Tätigkeit jeweils von der Österreichischen Botschaft Skopje ein für sechs Monate (März bis August bzw. April bis September) gültiges Visum D zu Erwerbszwecken bzw. als Saisonier erteilt, zuletzt für den Zeitraum XXXX.02.2019 bis XXXX.08.2019. Danach wurde ihm von der Landespolizeidirektion XXXX noch ein für die Zeit von XXXX.08.2019 bis XXXX.11.2019 gültiges Visum D als Saisonier erteilt. Nach dem Ablauf der Gültigkeitsdauer dieses letzten Visums verblieb er ohne entsprechende Genehmigung in Österreich. Ein Aufenthaltstitel wurde ihm nie erteilt.
Der BF reiste jeweils kurz nach dem Beginn der Gültigkeitsdauer des Visums D in das Bundesgebiet ein und kehrte kurz vor deren Ablauf in den Kosovo zurück, wo er eine Wohnmöglichkeit im Haus seines Onkels hat, wo auch seine Kinder und hin und wieder auch seine Ehefrau leben. Auch während der Gültigkeitsdauer der Visa und der Saisonarbeit verließ er jedes Jahr das Bundesgebiet mehrmals für kurze Besuche bei seiner Familie im Kosovo. In den Jahren 2012 bis 2017 besuchte er jeweils am Jahresende seine in Deutschland lebenden Angehörigen. Dafür wurde ihm von den deutschen Behörden ein Visum C zu Besuchszwecken (ausgenommen Erwerbstätigkeit) erteilt. Am XXXX.12.2018 versagte die Österreichischen Botschaft Skopje ihm ein Visum.
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er war von XXXX.09.2010 bis XXXX.10.2016 durchgehend in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet, obwohl er sich nur während der Saisonarbeit regelmäßig an der angegebenen Adresse aufhielt. Erst seit XXXX.04.2019 besteht wieder eine Hauptwohnsitzmeldung in XXXX. Dazwischen war er im Bundesgebiet auch während seiner Aufenthalte hier nicht mit Wohnsitz gemeldet.
Der BF beantragte die Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Art 8 EMRK, weil er die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach dem NAG nicht erfüllt und die regelmäßige Beantragung einer Beschäftigungsbewilligung für seinen Arbeitgeber zu aufwändig und zu unsicher ist. Wenn ihm die beantragte Aufenthaltsberechtigung erteilt wird, hat er eine Vollzeitbeschäftigung bei seinem bisherigen Arbeitgeber in Aussicht, der ihm auch weiterhin unentgeltlich eine Wohnung zur Verfügung stellen wird.
Der BF hat in Österreich einen Freundes- und Bekanntenkreis und steht in regelmäßigem Kontakt mit seinem hier lebenden Bruder. Die Beziehung zu seiner im Kosovo lebenden Ehefrau ist aufgrund seiner häufigen Abwesenheiten und seiner Liaison mit einer in Österreich lebenden Frau (mit der er aber nicht zusammenlebt) belastet. Im April 2019 absolvierte der BF einen Motorsägekurs (16 Unterrichtseinheiten). Am XXXX.10.2019 bestand er die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz (Niveau A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens) sowie zu Werte- und Orientierungswissen. Er spricht gut Deutsch und hat vor, einen Deutschkurs für das Sprachniveau B1 zu besuchen. Er ist gesund und uneingeschränkt arbeitsfähig.
Zur allgemeinen Lage im Kosovo:
Der Kosovo ist eine Republik mit parlamentarischer Demokratie. Die Verfassung enthält neben den Grundwerten moderner europäischer Verfassungen und dem Prinzip der Gewaltenteilung umfassenden Schutz, zum Teil Privilegien für die anerkannten Minderheiten (Serben, Türken, Goranen, Roma, Ashkali, Ägypter). Eine EU-Rechtsstaatsmission (EULEX) hat den Auftrag, die kosovarischen Behörden beim Aufbau eines multiethnischen Justiz-, Polizei- und Zollwesens zu unterstützen und an rechtsstaatliche EU-Standards heranzuführen. Das Mandat wurde zuletzt bis Juni 2020 verlängert. 111 Staaten (darunter 23 EU-Staaten und die Nachbarstaaten Montenegro, Nordmazedonien und Albanien) haben die Republik Kosovo anerkannt.
Die innerethnischen Spannungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Beziehungen zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit, vor allem im Nordkosovo. Dort hat sich die Sicherheitslage nach gewalttätigen Zusammenstößen im Juli 2011 weitgehend beruhigt, sie bleibt aber angespannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es erneut zu isolierten sicherheitsrelevanten Vorkommnissen kommt. Im restlichen Land ist die Lage grundsätzlich ruhig und stabil.
Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor. Die lokale Rechtsprechung sah sich jedoch Einflüssen von außen ausgesetzt und sorgte nicht immer für faire Prozesse. Ein effizientes Disziplinarverfahren gegen Richter und Staatsanwälte war vorhanden. Gerichtsurteile werden von den Behörden im Allgemeinen respektiert. Von allen Institutionen ist das Justizwesen am schwächsten entwickelt und weist trotz gewisser Fortschritte immer noch erhebliche Mängel auf. Es gibt immer wieder Berichte über Korruption, politische Einflussnahme und mangelnde Effizienz im Gerichtswesen.
Insbesondere außerhalb der größeren Städte sind nicht selten Racheakte aus verschiedenen Gründen zu beobachten. Diese werden landläufig als "Blutrache" bezeichnet und ohne Beachtung der einschränkenden Regeln des albanischen Gewohnheitsrechts, des Kanun (der Eröffnung, Ablauf und Beendigung regelt), beharrlich betrieben, zum Teil mit blutigen oder tödlichen Folgen. Beteiligte an solchen Taten werden verfolgt, angeklagt und verurteilt.
Es gibt Polizeistationen im ganzen Land, wo man Anzeigen erstatten kann. Es können auch Anzeigen beim Büro der Staatsanwaltschaften und beim Ombudsmann eingereicht werden. Die Kriminalität, mit Ausnahme der Organisierten Kriminalität und der Korruption, ist rückläufig und niedriger als im gesamteuropäischen Vergleich.
Es sind keine Fälle von Folter durch die lokale Polizei oder andere staatlichen Stallen bekannt geworden. Fälle von unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung sind nicht bekannt.
Analysen und Indikatoren weisen auf ein sehr hohes Korruptionsniveau im Kosovo hin. Zwar existieren weitreichende politische Handlungsinstrumente wie ein Aktionsplan, ein Anti-Korruptionsgesetz sowie eine Anti-Korruptionsbehörde, die Um- und Durchsetzung sind allerdings lückenhaft.
Es gibt keine Hinweise auf staatliche Repressionen oder Menschenrechtsverletzungen. Probleme beim Aufbau eines funktionierenden Justizsystems sowie einer effizienten Verwaltung, aber auch das hohe Maß an Korruption, beeinflussen jedoch den Schutz zentraler Menschenrechte. Das Anti-Diskriminierungsgesetz wird nicht konsequent angewendet. Es kommt immer wieder zu einzelnen Vorwürfen vom Menschenrechtsverletzungen, denen in der Regel durch Nichtregierungsorganisationen, den Ombudsmann, aber auch durch staatliche Stellen nachgegangen wird. Zahlreiche heimische und internationale Menschenrechtsorganisationen konnten ohne Einschränkung seitens der Regierung ihren Aufgaben nachgehen, Menschenrechtsfälle untersuchen und Ergebnisse publizieren.
Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie die Meinungs- und Pressefreiheit sind durch die Verfassung garantiert. Diese Rechte können generell ohne staatliche Einschränkungen wahrgenommen werden; vereinzelt kommt es aber zu Einschüchterungsversuchen, Bedrohung oder versuchter Einflussnahme durch Politik, Wirtschaft und organisierte Kriminalität. Die politische Opposition wird in ihrer Betätigung nicht eingeschränkt.
Die Verhältnisse in den neueren Gefängnissen und Vollzugsanstalten entsprechen im Allgemeinen internationalen Standards, es gibt aber noch sehr viele alte Haftanstalten, die nicht mehr internationalen Standards entsprechen.
Das Verbot der Anwendung der Todesstrafe ist in der Verfassung verankert. Sie ist für alle Straftaten abgeschafft.
Kosovo ist ein säkularer Staat. Einschränkungen der Religionsfreiheit sind nicht bekannt.
Alle Ethnien können sich im Kosovo grundsätzlich frei bewegen. Die Sicherheitskräfte bemühen sich um einen verstärkten Schutz für Minderheitengebiete und Enklaven.
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gesichert. Staatliche Sozialhilfeleistungen werden aus dem Budget des Sozialministeriums finanziert. Wohnraum - wenn auch mitunter auf niedrigem Standard - steht ausreichend zur Verfügung. Kosovo gehört zu den ärmsten Staaten der Region und ist auf die Hilfe der EU und der im Ausland lebenden Kosovo-Albaner angewiesen. Der Anteil der informellen Wirtschaftsleistung ist immens. Die Mehrheit der Beschäftigten zahlt weder Steuern noch Sozialabgaben. Das Sozialsystem ist rudimentär ausgebaut und bietet keine angemessene Versorgung. Das wirtschaftliche Überleben bedürftiger Familien sichern in der Regel der Zusammenhalt der Familien und die im Kosovo noch ausgeprägte gesellschaftliche Solidarität. Eine große Rolle dabei spielen die Schattenwirtschaft, Spenden und die Unterstützung durch die Diaspora.
Im Kosovo gibt es seit Mitte März 2020 Personen, die an COVID-19 (SARS-CoV-2) erkrankt sind. Bis 30.03.2020 gab es 108 bestätigte Krankheitsfälle und einen Todesfall (siehe https://en.wikipedia.org/wiki/2020_coronavirus_pandemic_in_Kosovo;
Zugriff am 31.03.2020). Die Regierungskoalition zerbrach am 25.03.2020 unter anderem an der Frage über den richtigen Umgang mit der Pandemie (siehe
https://www.diepresse.com/5790871/streit-uber-coronavirus-krise-brachte-regierung-im-kosovo-zu-sturz;
Zugriff am 31.03.2020). Als Reaktion auf die Pandemie wurden im Kosovo die Landgrenzen für den privaten Personenverkehr gesperrt, die Einreise wird nur noch kosovarischen Staatsangehörigen und anderen Personen, die nachweislich in Kosovo ihren Wohnsitz haben, gestattet. Der Güterverkehr ist nicht eingeschränkt. Alle regulären Flug- und Busverbindungen von und nach Kosovo sind bis auf weiteres gestrichen. Kosovo gestattet den Fluggesellschaften weiterhin, leere Flugzeuge nach Pristina zu schicken, um ihren Kunden Rückflüge in ihre Heimatländer zu ermöglichen. Kosovarische Staatsangehörige, die aus Ländern mit mittleren oder hohen Risikos kommen, müssen sich in eine 14-tägige Quarantäne begeben. Seit dem 27.03.2020 besteht zwischen 17:00 und 06:00 Uhr eine weitgehende Ausgangssperre. Alle staatlichen und privaten Bildungseinrichtungen in Kosovo sind seit dem 12.03.2020 geschlossen. Seit 23.03.2020 wird in allen Schulen und Universitäten der Unterricht online durchgeführt. Alle Veranstaltungen sind abgesagt, öffentliche Sportveranstaltungen finden nicht statt. Seit 14.03.2020 bleiben alle Restaurants, Bars, Einkaufszentren und sonstigen Geschäfte mit Ausnahme von Lebensmittelläden, Tankstellen und Apotheken geschlossen. Alle Arbeitgeber wurden gebeten, die Arbeitnehmer bei Möglichkeit auf Home-Office zu schicken und Meetings ausschließlich per Videokonferenz zu tätigen. Am 27.03.2020 hat die Regierung ein wirtschaftlich-soziales Notfallpaket in Höhe von 170,6 Mio. Euro vorgeschlagen (siehe
https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-situation-in-kosovo.html, Zugriff am 31.03.2020).
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten.
Die Feststellungen beruhen vorwiegend auf den durch entsprechende Unterlagen untermauerten Angaben des BF in seinem ursprünglichen Antrag, bei der Einvernahme vor dem BFA, der Stellungnahme und der Beschwerde sowie auf ergänzenden Erhebungen und Registerabfragen des BVwG.
Die Feststellungen zu Identität und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf seinen Angaben sowie auf den vorgelegten Reisepässen und der Geburtsurkunde, an deren Echtheit keine Zweifel bestehen. Die Feststellungen zu Ehe und Familie des BF basieren auf seinen konsistenten Angaben dazu.
Die Erwerbstätigkeit des BF in Österreich geht aus dem Versicherungsdatenauszug hervor, sein Einkommen aus den vorgelegten Einkommensnachweisen. Die dem BF erteilten Visa sind in seinen Reisepässen und zum Teil auch im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) dokumentiert. Wenn im IZR angegeben ist, dass dem BF im März 2017 ein Visum zur Abholung eines Aufenthaltstitels erteilt worden sei, liegt offenbar ein Versehen vor, zumal aus seinem Reisepass die Erteilung eines Visums D zu Erwerbszwecken hervorgeht. Andere Anhaltspunkte dafür, dass ihm je ein österreichischer Aufenthaltstitel erteilt worden wäre, lassen sich den Akten nicht entnehmen. Dies wird auch vom BF selbst nicht behauptet.
Die Ein- und Ausreisen des BF nach Kroatien und in den Schengenraum können anhand der Grenzkontrollstempel in seinem Reisepass nachvollzogen werden. Daraus ergibt sich, dass er nicht nur am Beginn der Gültigkeitsdauer der Visa und seiner Erwerbstätigkeit ein- und kurz vor deren Ende wieder ausreiste, sondern jedes Jahr mehrfach auch während der sechsmonatigen Saisonarbeit aus- und einreiste. Es ist davon auszugehen, dass er dabei jeweils seine Familie im Kosovo besuchte. Seiner Aussage vor dem BFA, er sei während der sechsmonatigen Aufenthalte in Österreich nur in Notfällen, z.B. bei ersthaften Erkrankungen eines Kindes, kurzfristig in den Kosovo gefahren, nicht gefolgt werden kann. Es ist nicht glaubhaft, dass jedes Jahr zwischen März und August oder September mehrmals solche Notfälle eintraten. Es ist aber durchaus plausibel, dass er während der Arbeit als Saisonier immer wieder für kurze Besuche bei seinen Angehörigen in den Kosovo zurückkehrte. Der BF schilderte die Unterkunft im Haus seines Onkels, wo sich auch seine Kinder und fallweise seine Ehefrau aufhalten, gegenüber dem BFA. Dies korrespondiert mit der im vorgelegten Arbeitsvorvertrag hervorgehobenen Tätigkeit in der eigenen Landwirtschaft im Kosovo.
Die vom BF geschilderten Besuche bei seinen Angehörigen in Deutschland werden durch entsprechende Grenzkontrollstempel und die von deutschen Behörden erteilten Besuchervisa, die den Reisepässen des BF zu entnehmen sind, untermauert. Die Versagung eines Visums im Dezember 2018 geht aus dem IZR hervor.
Die Unbescholtenheit des BF wird anhand des Strafregisters festgestellt. Die Wohnsitzmeldungen gehen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) hervor. Aus der jährlichen saisonalen Anwesenheit des BF im Bundesgebiet ergibt sich, dass die Wohnsitzmeldungen nicht mit seinen tatsächlichen Aufenthalten in Österreich korrespondieren, zumal die Eintragung einer Anschrift als Hauptwohnsitz im ZMR nach der Rechtsprechung des VwGH nur Indizwirkung hat (vgl. z.B. VwGH 13.10.2016, Ra 2015/08/0213).
Der BF schilderte die Gründe für die Beantragung der Aufenthaltsberechtigung und die Unmöglichkeit der Erlangung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG gegenüber dem BFA schlüssig und plausibel. Die Unsicherheit der künftigen Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung wird durch das vorgelegte Schreiben der Landwirtschaftskammer XXXX vom XXXX.07.2019 untermauert. Die Einstellungszusage und der Arbeitsvorvertrag des bisherigen Arbeitgebers des BF sowie eine Bestätigung über das unentgeltliche Zur-Verfügung-Stellen einer Wohnung wurden vorgelegt.
Aufgrund der regelmäßigen Anwesenheit des BF im Inland ist plausibel, dass er in Österreich Freunde und Bekannte hat und eine außereheliche Beziehung (ohne gemeinsamen Haushalt) führt. Ersteres wird auch durch die vorgelegten Unterstützungserklärungen belegt. Zeugnisse über den Motorsägekurs und die Integrationsprüfung wurden vorgelegt, ebenso die Bestätigung der Anmeldung zu einem weiteren Deutschkurs ab März 2020. Gute Deutschkenntnisse des BF können auch deshalb festgestellt werden, weil bei seiner Einvernahme vor dem BF kein Dolmetsch beigezogen werden musste.
Das Verfahren hat keine Hinweise für gesundheitliche Probleme des BF ergeben. Seine Arbeitsfähigkeit folgt daraus, seinem erwerbsfähigen Alter und der von ihm angestrebten Vollzeitbeschäftigung.
Es sind keine Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich aktenkundig.
Die Feststellungen zur allgemeinen Situation im Kosovo basieren auf den in den Bescheid aufgenommenen Länderinformationen, die auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation beruhen. Die konkreten Erkenntnisquellen wurden jeweils im Bescheid angeführt. Dabei wurden Berichte verschiedener seriöser und anerkannter Institutionen berücksichtigt, die aus unterschiedlichen, voneinander unabhängigen Quellen stammen und ein ausgewogenes, schlüssiges Gesamtbild ergeben. Es wurden im Verfahren keine Gründe dargelegt, die Zweifel an der Aktualität oder Richtigkeit dieser Informationen Bedenken aufkommen ließen. Der BF trat den Länderinformationen, die nur auszugsweise in die Feststellungen übernommen werden, nicht konkret entgegen. Die Verlängerung des EULEX-Mandats über Juni 2018 hinaus bis Juni 2020 ist auf der Homepage der EULEX-Mission ersichtlich (siehe https://www.eulex-kosovo.eu/?page=2,16; Zugriff am 31.03.2020).
Die Feststellungen zur Situation im Kosovo im Zusammenhang mit der aktuellen Corona-Pandemie und zu den Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung basieren auf übereinstimmenden Medienberichten und auf den angegebenen Websites verlässlicher Stellen.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG haben Bescheidbeschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Da diese hier nicht ausgeschlossen wurde, kann sie der Beschwerde auch nicht zuerkannt werden. Der darauf gerichtete Antrag des BF ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheids:
Der BF ist als Staatsangehöriger des Kosovo Drittstaatsangehöriger iSd
Gemäß § 55 Abs 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist.
§ 58 AsylG regelt das Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß §§ 55 ff AsylG. Gemäß § 58 Abs 8 AsylG hat das BFA im verfahrensabschließenden Bescheid über die Zurück- oder Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß
§ 55 AsylG abzusprechen. Gemäß § 58 Abs 13 AsylG begründet ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht und steht der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Er kann daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (§§ 46 - 81 FPG) keine aufschiebende Wirkung entfalten. Gemäß § 16 Abs 5 BFA-VG begründet eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem
7. Hauptstück des AsylG (§§ 54 - 62 AsylG) kein Aufenthalts- oder Bleiberecht.
Gemäß § 10 Abs 3 AsylG und § 52 Abs 3 FPG ist die Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG grundsätzlich mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das BFA gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, durch die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration
(Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen. Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der BF geboten ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Eine Ausweisung darf dann nicht erlassen werden, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Dabei muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG normierten Kriterien ein Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden werden. In die gebotene Gesamtbeurteilung sind alle gemäß Art 8 EMRK relevanten Umstände seit der Einreise des Fremden einzubeziehen.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Der BF hielt sich seit 2010 jeweils ungefähr während der Hälfte jedes Jahres rechtmäßig als Saisonier im Bundesgebiet auf. Seit Mitte Februar 2019 hält er sich im Wesentlichen (abgesehen von kurzen Abwesenheiten) kontinuierlich im Inland auf, wobei der Aufenthalt nach dem Ablauf der Gültigkeitsdauer seines letzten Visums Mitte November 2019 nicht mehr rechtmäßig gemäß § 31 Abs 1a FPG ist, zumal keine der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 FPG für einen rechtmäßigen Aufenthalt vorliegt, ihm nie ein Aufenthaltstitel erteilt wurde und weder der Antrag vom XXXX.11.2019 noch die Beschwerde ein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründet.
Im Inland besteht kein Familienleben des BF, zumal seine Kernfamilie (Ehefrau und Kinder) im Kosovo lebt. Seine Liebesbeziehung zu einer in Österreich lebenden Frau ist mangels eines gemeinsamen Haushalts nicht so intensiv, dass diesbezüglich ein Eingriff in das Familienleben vorliegen könnte, sondern allenfalls ein Eingriff in sein Privatleben. Dazu kommt, dass seine Ehe nach wie vor aufrecht ist und die EMRK vom Grundsatz einer monogamen ehelichen Gemeinschaft ausgeht (siehe EGMR 29.06.1992, 19628/92 Bibi vs. The United Kingdom).
Zwar hat der BF ein schutzwürdiges Privatleben in Österreich und ist gut integriert, wie seine Deutschkenntnisse, die Erwerbstätigkeit, die Einstellungszusage und die Wohnmöglichkeit zeigen, ebenso wie die Kontakte zu diversen in Österreich lebenden Bezugspersonen. Das Privatleben entstand jedoch zu einem Zeitpunkt, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, zumal Saisonarbeitskräfte grundsätzlich nach dem Ende ihrer Beschäftigung wieder in ihr Heimatland zurückkehren müssen. Der BF kann die Kontakte zu seinen in Österreich lebenden Verwandten und Freunden, mit denen er nicht im gemeinsamen Haushalt lebt und zu denen auch kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht, im Rahmen von wechselseitigen Besuchen und Telefonaten aufrecht halten.
Der BF hat nach wie vor starke Bindungen zu seinem Herkunftsstaat, wo er den Großteil seines Lebens verbracht hat, sprachkundig ist und eine Wohnmöglichkeit sowie ein familiäres Netzwerk hat. Er hielt sich bis vor kurzem regelmäßig für mehrere Monate im Jahr im Kosovo auf, wo er auch die im Interesse des Wohl seiner Kinder gebotenen regelmäßigen persönlichen Kontakte zu ihnen optimal pflegen kann.
Dass der BF strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253). Abgesehen von seinem unrechtmäßigen Aufenthalt nach dem Ablauf der Gültigkeitsdauer des letzten Visums und der Missachtung melderechtlicher Vorschriften liegen keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung vor. Den Behörden zuzurechnende überlange Verfahrensverzögerungen liegen nicht vor.
Aus den Inlandsaufenthalten des BF als befristet beschäftigte Saisonarbeitskraft kann weder ein Recht auf Familiennachzug noch eine Aufenthaltsverfestigung abgeleitet werden; er kann nicht als im Bundesgebiet niedergelassen angesehen werden. Die Tätigkeit als Saisonier ermöglicht im Allgemeinen keine dauerhafte und nachhaltige Zuwanderung. Dazu kommt, dass die gesicherte Absicht, Österreich vor dem Ablauf der Gültigkeitsdauer wieder zu verlassen, Voraussetzung für die Erteilung der Visa an den BF war.
Die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG ist daher im Ergebnis nicht zur Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens geboten. Für den vom BF angestrebten nicht bloß vorübergehenden Aufenthalt zu Erwerbszwecken wäre vielmehr ein Aufenthaltstitel nach dem NAG zu beantragen.
Zwar ist nach der Rechtsprechung des VwGH bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen (siehe zuletzt etwa VwGH 28.11.2019, Ra 2018/19/0479). Aber auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte ist dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken oder die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren (VwGH 23.01.2020, Ra 2019/21/0378). Solche Umstände liegen hier vor, weil sich der BF zwar schon fast zehn Jahre lang regelmäßig als Saisonarbeiter im Bundesgebiet aufhielt, aber nicht kontinuierlich, sondern jeweils nur ungefähr während der Hälfte des Jahres, und ihm sein unsicherer Aufenthaltsstatus als Saisonier und die Pflicht, noch vor dem Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums wieder auszureisen, stets bekannt sein musste. Die Möglichkeit, nach mehreren Aufenthalten als Saisonarbeitskraft eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG zu erhalten, würde die zeitliche Befristung von Saisonarbeit unterlaufen.
Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung kommt ein hoher Stellenwert zu. Das BFA ist in Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und der öffentlichen und privaten Interessen im Ergebnis zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen schwerer wiegt als die privaten Interessen des BF an seinem Verbleib in Österreich. Die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels ist trotz der aufgezeigten Integrationsmomente nicht zur Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens geboten.
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des
Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG liegen somit nicht vor, sodass gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm
§ 52 Abs 3 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist. Die Gründe, warum die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig ist, decken sich mit den Überlegungen zur Abweisung des Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids ist daher unbegründet.
Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:
Für die gemäß § 52 Abs 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).
Da keine dieser Voraussetzungen hier zutrifft, ist die Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat zulässig. Kosovo gilt als sicherer Herkunftsstaat gemäß § 19 Abs 5 Z 2 BFA-VG iVm § 1 Z 2 HStV, was für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der dortigen Behörden spricht, zumal bei der Festlegung sicherer Herkunftsstaaten insbesondere auf das Bestehen oder Fehlen von staatlicher Verfolgung, Schutz vor privater Verfolgung und Rechtsschutz gegen erlittene Menschenrechtsverletzungen Bedacht zu nehmen ist (siehe VwGH 10.08.2017, Ra 2017/20/0153). In Anbetracht der vorrangigen Funktion der Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG, (lediglich) den Zielstaat der Abschiebung festzulegen, ist es nicht Aufgabe des BFA bzw. des BVwG, im Verfahren zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme letztlich ein Verfahren durchzuführen, das der Sache nach einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz gleichkommt (VwGH 07.03.2019, Ra 2019/21/0044).
Unter Berücksichtigung der stabilen Situation im Kosovo und der Lebensumstände des gesunden und arbeitsfähigen BF liegen keine Gründe vor, die eine Abschiebung unzulässig machen würden. Auch aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie ergibt sich nicht, dass der BF, der keiner bekannten Risikogruppe angehört, bei seiner Rückkehr in den Kosovo dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Gefahr iSd Art 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre, zumal von den kosovarischen Behörden Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Pandemie getroffen wurden, die mit denen in anderen europäischen Staaten vergleichbar sind. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist daher lediglich insoweit zu korrigieren, als der vom BFA offenbar versehentlich nicht in den Spruch aufgenommene Zielstaat der Abschiebung (als der hier nur der Kosovo als Herkunftsstaat des BF in Betracht kommt) zu ergänzen ist.
Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:
Gemäß § 55 Abs 1 FPG wird zugleich mit einer Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Diese beträgt gemäß § 55 Abs 2 FPG grundsätzlich 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Bei Überwiegen besonderer Umstände, die der BF nachzuweisen und gleichzeitig einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben hat, kann die Frist gemäß § 55 Abs 3 FPG einmalig mit einem längeren Zeitraum festgesetzt werden.
Aufgrund der vorläufigen Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie (Schließung der EU-Außengrenzen, Ein- und Ausreiseverbote, Grenzkontrollen und Gesundheitschecks an den Grenzübergängen zu Österreichs Nachbarländern, teilweise Schließung von Grenzübergängen, Aussetzung von Einzelrückführungen, Einschränkungen des internationalen Flug-, Bahn- und Busverkehrs; siehe z.B. https://www.oeamtc.at/thema/reiseplanung/coronavirus-uebersicht-36904404, Zugriff am 31.03.2020) sowie aufgrund der in Art. 16 § 1 (1) 2. COVID-19-Gesetz, BGBl I 16/2020, normierten Grundsätze wird die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab 1.5.2020 festgesetzt.
Zum Entfall einer Beschwerdeverhandlung:
§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechender Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).
Da hier der Sachverhalt anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine andere Entscheidung möglich wäre, kann die beantragte Verhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der Behauptungen des BF, insbesondere über sein Privat- und Familienleben sowie seine Integrationsbemühungen, ausgegangen wird.
Zu Spruchteil C):
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zuzulassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Drittstaatsangehörigen, der sich in den letzten zehn Jahren als Saisonarbeitskraft regelmäßig vorübergehend in Österreich aufgehalten hat, ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG zu erteilen ist, fehlt. Der VwGH hat zwar ausgesprochen, dass die Grundsätze, wonach bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist und nur dann, wenn er die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen wurden, auch für Fälle eines einmalig für wenige Monate unterbrochenen Inlandsaufenthaltes gelten (vgl. zuletzt VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0185). Die hier relevante Frage, ob dies auch für Fälle eines regelmäßig für mehrere Monate unterbrochenen Aufenthalts als Saisonier gilt, war bislang - soweit überblickbar - noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Beurteilung.
Außerdem fehlt Rechtsprechung des VwGH zur Frage der Auswirkungen der aktuellen Corona-Pandemie und der aktuell getroffenen Maßnahmen zur Verhinderung von deren weiterer Ausbreitung auf die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG.
Schlagworte
Abschiebung, aufschiebende Wirkung - Entfall, freiwillige Ausreise,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2229833.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.05.2020