TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/23 I419 2138914-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.2019
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Entscheidungsdatum

23.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I419 2138914-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. IRAK, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, in einer Asylangelegenheit gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.10.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass der erste Satz des Spruchpunktes III wie folgt lautet:

"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste am 23.04.2015 illegal ein und beantragte am selben Tag internationalen Schutz. Er sei Kind eines Sunniten und einer Schiitin und in Bagdad von schiitischen Milizen, denen er die Zusammenarbeit verweigert hätte, mit dem Tod bedroht worden.

2. Nach 17 Monaten einvernommen erklärte er, verschiedene unbekannte Milizen hätten "den Ort gestürmt" und ihn aufgefordert, für sie zu kämpfen, was er nicht wollen habe, weil er nicht religiös sei. Sie hätten ihm mit einem Stock auf den Fuß geschlagen, worauf er zwei Tage später von Bagdad nach Kirkuk gegangen und sodann über die Türkei nach Österreich geflohen sei.

3. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers betreffend die Status des Asyl- und des subsidiär Schutzberechtigten bezogen auf Irak ab (Spruchpunkte I und II), erteilte keinen Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG", erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass dessen Abschiebung nach Irak zulässig ist (Spruchpunkt III) und die Frist für die freiwillige Ausreise "14 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung" betrage (Spruchpunkt IV).

4. In der Beschwerde, die sich ausdrücklich nur gegen die Spruchpunkte I bis III richtet, wird vorgebracht, die Regierung des Iraks bediene sich der schiitischen Miliz für "Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Untergrundaktivitäten". Da die Polizei "mit der schiitischen Miliz" eine Einheit bilde, seien die Sicherheitsbehörden nicht gewillt und imstande, dem Beschwerdeführer Schutz zu bieten.

Dieser sei Sunnit, weshalb es ihm, auch wenn seine Familie in Bagdad wohne, nicht zumutbar sei, dort auch zu leben, zumal die schiitischen Milizen landesweit und insbesondere in Bagdad präsent seien. Sunniten stünden nämlich unter dem Generalverdacht, der Opposition anzugehören und Terroristen zu unterstützen.

Er habe eine österreichische Lebensgefährtin, die er heiraten wolle, und mit dieser einen gemeinsamen Haushalt.

5. Ergänzend brachte der Beschwerdeführer später vor, er habe wegen seines langen Aufenthalts und des gemeinsamen Freundeskreises mit der Lebensgefährtin eine Vielzahl von Sozialkontakten in Österreich, spreche gut Deutsch und bemühe sich, seine Sprachkenntnisse zu verbessern. Nach den traumatischen Erlebnissen in seiner Heimat und den Strapazen der langen Flucht habe er in Österreich Ruhe gefunden, sei erfolgreich integriert und habe ein schutzwürdiges Familienleben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers ist überwiegend durch die Verfahrensdauer begründet, die deutliche, im Beschwerdeverfahren auch überlange Verzögerungen beinhaltet, die den Behörden zurechenbar sind.

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, Sunnit und Araber. Im Herkunftsstaat hat er acht Jahre lang die Schule besucht sowie als Hilfsarbeiter und selbständig als Taxifahrer gearbeitet. Dabei hat er seine Familie unterstützt und in Investitionen in deren Haus finanziert. Als er, nach eigenen Angaben vier Monate vor der Ausreise, nicht mehr arbeitete, erhielt er Unterstützung von seiner Familie.

Dort leben seine schiitische Mutter, etwa 50, ein Bruder, ca. 18, und bei diesem seine verheiratete Schwester mit ca. 25 Jahren sowie sein Schwager. Sie sind nach dem Tod des sunnitischen Vaters, 2007, zur Familie der Mutter gezogen, nach seinen ersten Angaben in das schiitische Viertel XXXX (XXXX, XXXX), das im Stadtteil Khadhamiyah liegt. In der Verhandlung markierte er im Stadtplan dagegen einen Teil des Stadtteils Rasheed als seinen letzten und den Wohnort seiner Mutter. Im Herkunftsstaat leben auch sowohl sunnitische als auch schiitische Onkel des Beschwerdeführers. Seine Geschwister sind durchwegs Sunniten.

Die Schwester wohnt dort inzwischen mit dem Bruder im Viertel XXXX im Stadtteil Adhamiya und hat drei Kinder. Zu ihr hat er ein- bis zweimal monatlich Kontakt, zur Mutter mehrmals wöchentlich. Ein weiterer, 23-jähriger Bruder lebt in Griechenland, ein Onkel in Großbritannien und ein Cousin in Schweden.

Der Beschwerdeführer hat nach eigenen Angaben Bagdad im März 2015 verlassen und ist über Kirkuk und die Türkei nach Griechenland, wo er am 02.04.2015 registriert wurde, und schließlich Österreich gereist. Er spricht arabisch und hat 2017 Deutschkenntnisse auf Niveau A1 nachgewiesen, 2018 solche auf Niveau A2 mit der Beurteilung "sehr gut".

Im Inland hält er sich seit der Antragstellung auf. Er weder Kinder noch Sorgepflichten, wurde am 18.05.2016 aus disziplinären Gründen aus der Unterkunft entlassen, verfügte darauf über keine und ab 28.07.2016 über eine Obdachlosenmeldeadresse. Anfang Mai 2016 hatte er eine gut 20 Jahre ältere Österreicherin kennengelernt, zu der er im Juni oder Juli 2016 zog, wobei er sich zunächst nicht anmeldete, um seine Chancen auf eine neue Unterkunft zu wahren.

Infolgedessen hat er im August 2016 auch eine Ladung des BFA zur Einvernahme weder behoben noch befolgt.

Seit 21.09.2016 ist er bei der Genannten gemeldet. Er bezahlt ihr aus Mitteln der Grundversorgung monatlich € 250,-- an Miete samt Betriebskosten für die Mitnutzung der Wohnung und weitere € 50,-- als Anteil für das Essen.

Im Inland hat er außer einem Cousin in Wien keine Angehörigen und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Im Juni 2018 hat er für die Wohngemeinde gegen Remuneration Auftragsarbeiten im Straßenbetrieb erledigt. Er war auch als Schülerlotse tätig und verfügt über eine Einstellungszusage des Kulturveranstalters, bei dem seine Lebensgefährtin arbeitet, als Hilfskraft in der Gastronomie für 20 Wochenstunden. Dort könnte er nach Erwerb eines Staplerscheins auch 30 Stunden und mit einem Führerschein 40 Stunden arbeiten.

Der Beschwerdeführer hat sieben Empfehlungsschreiben von österreichischen Bekannten und Kolleginnen der Lebensgefährtin sowie eines einer Mitarbeiterin des Samariterbunds vorgelegt. In diesen attestiert ihm sein Freundes- und Bekanntenkreis Tierliebe, Hilfsbereitschaft, Fleiß, Motivation, soziale Kompetenz, Humor, Neugier, kulturelles Interesse, Wissbegier, Herzlichkeit, Gastfreundschaft, Offenheit, Fröhlichkeit, Kochkunst, Integrationswillen und eine sympathische Art.

Er verbringt den Alltag mit Haus- und Gartenarbeit sowie der Betreuung der drei zum Haushalt gehörenden Hunde, fährt nach Wien zu seinem Cousin und besichtigt die Stadt und deren Sehenswürdigkeiten oder fährt mit dem Rad in den Prater oder auf die Donauinsel. Der Arbeitsplatz der Lebensgefährtin ermöglicht ihm, dort Konzerte zu besuchen. An den Wochenenden bekommt das Paar Besuch von Freunden, die zum Grillen kommen.

Er spricht Arabisch und Englisch. Von seinen Deutschkenntnissen machte er in der Verhandlung kaum Gebrauch.

Am 18.12.2017 hat die LPD XXXX über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von € 363,-- verhängt, weil dieser am 03.12.2017 dort ein Kraftfahrzeug ohne die erforderliche Berechtigung gelenkt hatte.

1.2 Zum Herkunftsstaat

Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Irak auf Stand 2016 zitiert. Das nunmehr aktuelle wurde zuletzt am 25.07.2019 aktualisiert. Im gegebenen Zusammenhang sind davon speziell die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

Neueste Ereignisse - Bagdad

Laut Joel Wing ist Bagdad ist eine weitgehend vergessene Front des Islamischen Staates (IS). Seit Anfang des Jahres 2019 wurden dort wochenweise überhaupt keine terroristischen Aktivitäten verzeichnet (Joel Wing 3.5.2019). Der IS versucht jedoch wieder in Bagdad Fuß zu fassen (Joel Wing 3.5.2019) und baut seine "Unterstützungszone" im südwestlichen Quadranten der "Bagdad-Belts" wieder auf, um seine Aktivitäten im Gouvernement Anbar mit denen in Bagdad und dem Südirak zu verbinden (ISW 19.4.2019). Alle im Gouvernement Bagdad verzeichneten Angriffe betrafen nur die Vorstädte und Dörfer im Norden, Süden und Westen (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 1.7.2019). Während es sich dabei üblicherweise nur um kleinere Schießereien und Schussattentate handelte, wurden im Juni, bei einem kombinierten Einsatz eines improvisierten Sprengsatzes mit einem Hinterhalt für die den Vorfall untersuchenden, herankommenden irakischen Sicherheitskräfte, sechs Soldaten getötet und 15 weitere verwundet (Joel Wing 1.7.2019).

Im April 2019 wurden zehn sicherheitsrelevante Vorfälle im Gouvernement Bagdad verzeichnet (Joel Wing 3.5.2019). Diese führten zu sieben Toten und einer verwundeten Person (Joel Wing 1.5.2019). Auch im Mai 2019 wurden zehn Vorfälle erfasst, mit 16 Toten und 14 Verwundeten. Ein weiterer mutmaßlicher Vorfall, eine Autobombe in Sadr City betreffend, ist umstritten (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni gab es 13 Vorfälle mit 15 Toten und 19 Verwundeten (Joel Wing 1.7.2019).

Am 19.5.2019 ist eine Rakete des Typs Katjuscha in der hoch gesicherten Grünen Zone in der irakischen Hauptstadt Bagdad, Standort der US-Botschaft, sowie einiger Ministerien und des Parlaments, eingeschlagen und explodiert. Verletzte oder Schäden habe es laut dem irakischen Militär nicht gegeben (DS 19.5.2019).

1.2.1 Sicherheitslage

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.2.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).

1.2.2 Sicherheitslage Bagdad

Die Provinz Bagdad ist die kleinste und am dichtesten bevölkerte Provinz des Irak, mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit der Provinz wird sowohl vom "Baghdad Operations Command" kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst zieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

Im Jahr 2016 verzeichnete die Provinz Bagdad noch immer die höchste Zahl an Opfern im gesamten Land. Die Sicherheitslage verbesserte sich jedoch in Bagdad als die Schlacht um Mosul begann. Während Joel Wing im Januar 2016 in Bagdad noch durchschnittlich 11,6 Angriffe pro Tag verzeichnete, sank diese Zahl zwischen April und September 2017 auf durchschnittlich 3 Angriffe pro Tag (OFPRA 10.11.2017; vgl. Joel Wing 8.7.2017, Joel Wing 4.10.2017). Seit 2016 ist das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen. Es gab einen Rückgang an IS- Aktivität, nach den Vorstößen der irakischen Truppen im Nordirak, obwohl der IS weiterhin regelmäßig Angriffe gegen militärische und zivile Ziele durchführt, insbesondere, aber nicht ausschließlich, in schiitischen Stadtvierteln. Darüber hinaus sind sunnitische Bewohner der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen ausgesetzt, einschließlich Entführungen und außergerichtlichen Hinrichtungen (OFPRA 10.11.2017).

Terroristische und politisch motivierte Gewalt setzte sich das ganze Jahr 2017 über fort. Bagdad war besonders betroffen. UNAMI berichtete, dass es von Januar bis Oktober 2017 in Bagdad fast täglich zu Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern kam. Laut UNAMI zielten einige Angriffe auf Regierungsgebäude oder Checkpoints ab, die von Sicherheitskräften besetzt waren, während viele andere Angriffe auf Zivilisten gerichtet waren. Der IS führte Angriffe gegen die Zivilbevölkerung durch, einschließlich Autobomben- und Selbstmordattentate (USDOS 20.4.2018).

Laut Joel Wing kam es im Januar 2018 noch zu durchschnittlich 3,3 sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bagdad pro Tag, eine Zahl die bis Juni 2018 auf durchschnittlich 1,1 Vorfälle pro Tag sank (Joel Wing 3.7.2018). Seit Juni 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Bagdad langsam wieder auf 1,5 Vorfälle pro Tag im Juli, 1,8 Vorfälle pro Tag im August und 2,1 Vorfälle pro Tag im September gestiegen. Diese Angriffe bleiben Routine, wie Schießereien und improvisierte Sprengkörper und konzentrieren sich hauptsächlich auf die äußeren südlichen und nördlichen Gebiete der Provinz (Joel Wing 6.10.2018).

Insgesamt kam es im September 2018 in der Provinz Bagdad zu 65 sicherheitsrelevanten Vorfällen. Damit verzeichnete Bagdad die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im ganzen Land (Joel Wing 6.10.2018). Auch in der ersten und dritten Oktoberwoche 2018 führte Bagdad das Land in Bezug auf die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle an. Wenn man jedoch die Größe der Stadt bedenkt, sind Angriffe immer noch selten (Joel Wing 9.10.2018 und Joel Wing 30.10.2018).

In Bezug auf die Opferzahlen war Bagdad von Januar bis März 2018, im Mai 2018, sowie von Juli bis September 2018 die am schwersten betroffene Provinz im Land (UNAMI 1.2.2018; UNAMI 2.3.2018; UNAMI 4.4.2018; UNAMI 31.5.2018; UNAMI 1.8.2018; UNAMI 3.9.2018; UNAMI 1.10.2018). Im September 2018 verzeichnete UNAMI beispielsweise 101 zivile Opfer in Bagdad (31 Tote, 70 Verletzte) (UNAMI 1.10.2018).

1.2.3 Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.2.2018).

Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017). In der Autonomen Region Kurdistan gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Autonomen Region Kurdistan kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.2.2018).

Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Die Miete für 250m2 in Bagdad liegt bei ca. 320 USD. In den Städten der kurdischen Autonomieregion liegt die Miete bei 300-600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 11 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 7-18 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 22-29 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000 IQD für private oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom (IOM 13.6.2018).

Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser im Land. Jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote (GIZ 11.2018). Wohnen ist zu einem der größten Probleme im Irak geworden, insbesondere nach den Geschehnissen von 2003 (IOM 13.6.2018). Die Immobilienpreise in irakischen Städten sind in den letzten zehn Jahren stark angestiegen (IEC 24.1.2018). Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem IS stellt der Wohnungsbau eine besonders dringende Priorität dar (Reuters 12.2.2018). Im November 2017 bestätigte der irakische Ministerrat ein neues Programm zur Wohnbaupolitik, das mit der Unterstützung von UN-Habitat ausgearbeitet wurde, um angemessenen Wohnraum für irakische Staatsbürger zu gewährleisten (UNHSP 6.11.2017). Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrer nicht (IOM 13.6.2018).

1.3 Zum Fluchtvorbringen:

Es kann nicht festgestellt werden, aus welchem Grund der Beschwerdeführer den Herkunftsstaat verlassen hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Übergriffe, eine Verfolgung oder eine Verletzung durch schiitische oder andere Milizen erlitten hätte, speziell nicht, um ihn zu rekrutieren oder weil er sich einer Rekrutierung verweigert hätte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer Verfolgung droht, weil ihm Opposition zur Regierung oder Gegnerschaft zu Schiiten unterstellt würde.

Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder einer solchen im Falle einer Rückkehr dorthin ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer wird nach seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein, auch nicht als arabischer Sunnit, die er nicht durch innerstaatliche Ortswahl vermeiden könnte. Dafür kommt insbesondere Bagdad infrage, wo seine Familie wohnt, welches für den Beschwerdeführer wie auch andere arabische Sunniten erreichbar ist.

Er spricht die Landessprache und hat, abgesehen den Verwandten, die Möglichkeit, sich dort nach einer Rückkehr wieder als Arbeiter oder Taxifahrer zu betätigen, ersatzweise auch in anderen Berufen, und berufliche und soziale Kontakte aufzubauen oder solche aus der Zeit im Herkunftsstaat fortzuführen oder zu erneuern.

Aus den Länderinformationen ergibt sich nichts, was eine Rückkehr eines Fremden in der Lage des Beschwerdeführers automatisch im Widerspruch zu Art. 2 oder Art. 3 EMRK erscheinen lässt. Eine in den Irak zurückkehrende Person, bei der keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben im Rahmen der Verhandlung, wo der Beschwerdeführer als Partei und seine Lebensgefährtin als Zeugin befragt wurden, sowie durch die Einsichtnahme in den Akt des BFA unter zentraler Berücksichtigung der An- und Eingaben des Beschwerdeführers, ferner in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden, die aufgetragene Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 26.06.2019 sowie die Empfehlungsschreiben von Jürgen S., Elke R., Angelika K., Doris P., Julia K., Mag.a Judith B., Rubina M., Steven H., die Einstellungszusage der P.-GmbH und die Bestätigung der Stadtgemeinde S. betreffend die Beschäftigung des Beschwerdeführers.

Das BFA hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst.

2.1 Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des BFA und des vorliegenden Gerichtsakts. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen sowie seiner Glaubenszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und die Feststellungen des Bescheids, ebenso jene zur Familie und zur Ausbildung und Tätigkeit des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat.

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen ergaben sich aus dem vorgelegten Zeugnis und der Verhandlung am 13.08.2019, wo der Beschwerdeführer auch die einfache Frage nach dem Verlauf eines typischen Tages in seinem Leben nicht beantworten konnte. Unter Berücksichtigung der Verhandlungssituation geht das Gericht davon aus, dass die zertifizierten Deutschkenntnisse zwar nicht fehlen, aber kaum genutzt wurden.

Die Strafe wegen Fahrens ohne Führerschein ergibt sich aus dem Straferkenntnis der LPD XXXX vom 18.12.2017 und der Aussage des Beschwerdeführers in der Verhandlung. Aus seiner Aussage vom 20.09.2016 und dem ZMR ergibt sich die nicht gemeldete Unterkunftnahme.

2.3 Zum Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Irak samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie z. B. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstands, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer hat 2016 zu den Länderfeststellungen angegeben:

"Ich weiß alles darüber. Das ganze Land wird von Milizen regiert."

(AS 62) In der Verhandlung gab er an, er glaube nicht, dass es so sicher sei, wie es im Länderbericht dargestellt werde, insbesondere nicht in Bagdad oder Kirkuk. In Bagdad sei vor Kurzem ein Bombenanschlag gewesen. Wenn er zurückkehre, werde er bei der Mutter im schiitischen Viertel leben, was an sich schon gefährlich sei. Damit und mit dem Vorbringen der Rechtsvertreterin, es gebe zunehmend Gewalt gegen sunnitische Gläubige, ist er den Länderfeststellungen nicht qualifiziert entgegengetreten, zumal er angab, er werde in dieses Viertel zurückkehren, was bei realer Gefährdung nicht nachvollziehbar wäre, weil er ja angibt, genau deswegen von dort geflohen zu sein, weil man ihn dort gestellt und - seiner Aussage bei der Verhandlung zufolge ein einziges Mal - bedroht habe.

2.4 Zum Fluchtvorbringen

Wie bereits beim BFA vermochte der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung kein plausibles Geschehen darzulegen, das ihn zur Flucht veranlasste.

Erstbefragt gab er an, die schiitischen Milizen "bzw. schiitische bewaffnete Gruppierungen" würden von ihm Zusammenarbeit verlangen. Wegen seiner Weigerung hätten sie ihn "beim Leben bedroht". In der Einvernahme 2016 führte er aus: "Verschiedene unbekannte Milizen haben den Ort gestürmt und mich aufgefordert, für sie zu kämpfen. Sie haben mir mit einem Stock auf den Fuß geschlagen. [...] Ich wollte nicht für sie kämpfen, da ich nicht religiös bin."

Auf die Frage, um welche Miliz es sich gehandelt habe, gab er an:

"Es sind mehrere. Diese gehören einer großen Miliz an. Wie diese heißen, weiß ich nicht, da ich mich nicht dafür interessiere."

Einige seiner Freunde seien bereits getötet worden.

In der Verhandlung sprach er dann von vier Personen, die vermummt gewesen seien, ihn gezielt ausgewählt und aufsucht hätten und ihn vor seinem Haus in Anwesenheit anderer Personen geschlagen hätten. Diese hätten alles gesehen, sich aber aus Angst nicht einmischen können. Warum man auf ihn gekommen sei, konnte der Beschuldigte nicht angeben. Er habe keine Zeit gehabt, seine Verletzung ärztlich versorgen zu lassen und noch immer Narben an den Beinen.

Schon die gesteigerte Erzählung erweckt dabei Zweifel am Wahrheitsgehalt des Vorgebrachten. Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, dass kein Asylwerber eine Gelegenheit ungenützt ließe, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer 2016 angab, erst nach zwei Tagen nach Kirkuk gegangen zu sein, sodass er auch einen Arzt aufsuchen hätte können, vor allem aber, dass er am 15.04.2015, also nach seinen Angaben während seiner Reise nach Griechenland, ein an einem türkischen Badestrand aufgenommenes Farbfoto auf Facebook veröffentliche, das ihn in Shorts und eindeutig ohne Verletzung an der in der Verhandlung bezeichneten Stelle zeigt, dafür mit einer Flagge seines Herkunftsstaats.

Wenn er dazu befragt angab, es habe sich um einen früheren Türkei-Urlaub gehandelt, dann spricht gegen diese Verantwortung, dass er zuvor angegeben hatte, sich keine Urlaube leisten haben zu können, sowie ferner, dass das Foto nach der Veröffentlichung in Arabisch mit "Willkommen" und "Willkommen Jungs" kommentiert wurde, und schließlich, dass er auch die weiteren Urlaubsfotos und eines aus einer Bar nicht zu erklären wusste, die mit seiner Aussage in Widerspruch stehen, sich vor der Flucht weder Urlaube noch Lokalbesuche geleistet zu haben.

Aus diesen Gründen entstand der Eindruck, dass die behauptete Nachstellung nicht stattgefunden hat, und die Verletzung bei einer anderen, späteren Gelegenheit geschehen ist. Es ist dem Beschwerdeführer damit nicht gelungen, eine Verfolgung glaubhaft zu machen.

Die Beschwerde bringt zwar vor, die Schiiten seien landesweit und insbesondere in Bagdad präsent, und Sunniten stünden unter dem Generalverdacht, Oppositionelle zu sein oder Terroristen zu unterstützen. In der Verhandlung gab der Beschwerdeführer zudem wie 2016 an, sicher getötet zu werden. Indes ergibt sich aus dem Vorgebrachten nichts, was über die allgemeine, für jede Person bestehende Gefahrenlage hinaus aus den Beschwerdeführer aus in seiner Person gelegenen Gründen drohen würde.

Angesichts des Aufenthalts der Familie des Beschwerdeführers in Bagdad, Mutter, (sunnitischer) Bruder und (sunnitische) Schwester mit Kindern, sowie weiterer (sowohl sunnitischer als auch schiitischer) Verwandter im Herkunftsstaat, erklärt sich nicht, was den Beschwerdeführer im Gegensatz zu seinen Angehörigen hindern sollte, sich auch dort niederzulassen, sei es in Bagdad oder in einer mehrheitlich sunnitischen Umgebung.

Das Gericht hegt keinen Zweifel, dass es dem Beschwerdeführer möglich ist, per Linienflug nach Bagdad zu reisen, wenn er das will. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer nicht auch wieder seine Angehörigen erreichen könnte, weil er das ja selbst in Aussicht stellte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I):

3.1.1 Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.1.2 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass das Geschilderte soweit es das Schicksal des Beschwerdeführers vor der Ausreise und die Fluchtgründe betrifft - wie es bereits das BFA sah - als unglaubwürdig, wenig wahrscheinlich und damit in seiner Gesamtheit als nicht den Tatsachen entsprechend erscheint.

Wie die Feststellungen zeigen, hat der Beschwerdeführer damit also keine Verfolgung oder Bedrohung glaubhaft gemacht, die asylrelevante Intensität erreicht. Da auf eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers auch sonst nichts hinweist, ist davon auszugehen, dass ihm keine Verfolgung aus in den in der GFK genannten Gründen droht.

Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, sind ebenso wie persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung im Sinne der GFK.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.2 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II):

3.2.1 Nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn der Antrag in Bezug auf den Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage wie allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Verdacht auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Um von der realen Gefahr einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nicht, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (26.04.2017, Ra 2017/19/0016 mwH).

Dazu müssen stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafürsprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dabei ist es grundsätzlich egal, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings ruft laut EGMR nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko im Sinn des Art. 3 EMRK hervor. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137 mwH).

In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (VwGH a. a. O.).

Ein solches Sachverhaltselement vermag das Gericht in den Feststellungen nicht zu erkennen, auch nicht im Bekenntnis des Beschwerdeführers zum sunnitischen Islam, das zwar - zumal der Beschwerdeführer Angehöriger der arabischen Volksgruppe ist - im Rückkehrfall die Situation belasten würde, nicht jedoch überall im Herkunftsstaat gleichermaßen. Wie festgestellt, ist es dem Beschwerdeführer möglich, in Bagdad wie andere Sunniten und wie seine Familie zu leben.

Nach der Judikatur des EGMR obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Fall der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 26.04.2017, Ra 2017/19/0016 mwH).

Der oben zitierten VwGH-Entscheidung Ra 2016/18/0137 ging eine solche dieses Gerichts vom 20.05.2016 voran, welche die allgemeine Sicherheitslage in Bagdad nicht für derart gravierend hielt, dass jeder dorthin Zurückkehrende der realen Gefahr unterläge, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte ausgesetzt zu sein, oder für ihn die ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt anzunehmen wäre. Diese Einschätzung des BVwG deckte sich, wie der VwGH ausführte, insofern mit jener des EGMR in einem am 23.08.2016 ergangenen Urteil (Große Kammer 23/08/2016, 59166/12, J.K. u.a. gegen Schweden).

Den zitierten Passagen des EGMR-Urteils ist zu entnehmen, dass die Schutzfähigkeit der irakischen Sicherheitsbehörden in der damaligen komplexen und volatilen Situation im Irak reduziert war. Sie sei zwar in Bezug auf die irakische Bevölkerung im Allgemeinen in den von den Sicherheitsbehörden kontrollierten Gebieten damals gegeben, jedoch in Bezug auf jene Personen zu verneinen gewesen, die zu näher genannten Risikogruppen gehörten.

Im englischsprachigen Originalwortlaut (a. a. O., Rz 116) werden diese wie folgt benannt:

"persons who collaborated in different ways with the authorities of the occupying powers in Iraq after the war have been and continue to be targeted by al-Qaeda and other groups"

"civilians employed or otherwise affiliated with the Multi-National Force in Iraq",

"persons who were perceived to collaborate or had collaborated with the current Iraqi Government and its institutions, the former US or multinational forces or foreign companies",

"particularly targeted groups, such as interpreters, Iraqi nationals employed by foreign companies, and certain affiliated professionals such as judges, academics, teachers and legal professionals".

Es handelt sich dabei übersetzt und zusammengefasst um Personen, die nach dem Krieg in verschiedener Weise mit den Behörden der Besatzungsmächte im Irak kollaboriert haben, Zivilisten, die bei den Internationalen Streitkräften beschäftigt oder ihnen sonst verbunden waren, Unterstützer und vermeintliche Unterstützer der Regierung / Verwaltung, der früheren US- oder Internationalen Streitkräfte oder ausländischer Unternehmen sowie speziell anvisierte Gruppen wie Dolmetscher, irakische Beschäftigte ausländischer Unternehmen, Richter, Akademiker, Lehrer und Rechtsbeistände.

Obwohl das (zum Zeitpunkt der Entscheidung des EGMR bestehende) Maß an Schutz für die allgemeine Bevölkerung im Irak noch ausreichend sein möge ("may still be sufficient"), sei die Situation für Personen anders, die einer dieser Gruppe angehörten. (a.a.O., Rz 121) "Der kumulative Effekt der individuellen Bedrohung solcher Personen einerseits und der reduzierten Schutzfähigkeit der irakischen Sicherheitskräfte andererseits begründe die Annahme eines realen Risikos, dass Personen mit speziellem Risikoprofil bei Rückkehr in den Irak (insbesondere) entgegen Art. 3 EMRK behandelt würden". (VwGH 26.04.2017, Ra 2017/19/0016 Rz. 27)

Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen könne, so der VwGH weiter, dem BVwG, dessen damalige Entscheidung in zeitlicher Nähe zum zitierten Urteil des EGMR getroffen wurde, nicht entgegengetreten werden, wenn es die allgemeine Sicherheitslage in Bagdad nicht für so beschaffen erachtete, dass jeder dorthin Zurückkehrende der realen Gefahr unterläge, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte ausgesetzt zu sein oder für ihn die ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt anzunehmen wäre.

Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z. 2 Asyl 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und umfasst - wie der EuGH erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer wird, je mehr er zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137 mwH).

Der Beschwerdeführer hat indes über seine Religion hinaus nichts Konkretes vorgebracht, was seine spezifische Betroffenheit in diesem Sinne dartäte, oder im Sinne der zitierten Rechtsprechung des EGMR gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen vermöchte.

Insofern ist die vorliegende Rechtsache der oben angesprochenen ähnlich, in welcher der VwGH abschließend ausführte: "Allein der Umstand, dass der Revisionswerber in einen Stadtteil Bagdads zurückkehren würde, für den die Möglichkeit besteht, dass an einem öffentlichen Platz - wie beschrieben - ein Bombenanschlag terroristischer Gruppierungen erfolgen könnte, begründet somit bei der derzeitigen Gefahrenlage noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bzw. liegt deshalb noch keine ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes im Sinne des § 8 Abs. 1 Z. 2 Asyl 2005 vor." (VwGH a.a.O.)

Das Gericht geht nach dem Vergleich der Länderinformationen davon aus, dass sich die Situation seit dem Ergehen der bekämpften Entscheidung speziell für Menschen in der Lage des Beschwerdeführers - alleinstehend, Ende 20 und arbeitsfähig - im Herkunftsstaat und konkret in Bagdad sowohl auf dem Gebiet der Versorgung als auch auf jenem der Sicherheit verbessert hat, ebenso im Vergleich zur Lage zur Zeit des EGMR-Urteils "J.K. u.a. gegen Schweden", sodass mangels "stichhaltiger Gründe" nicht von einem reales Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte einerseits oder von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts andererseits auszugehen ist.

Offene Kampfhandlungen finden in Bagdad nicht statt. Risikoerhöhende Umstände, die in der Person des Beschwerdeführers liegen, konnten nicht festgestellt werden, zumal dieser keiner besonders gefährdeten Berufsgruppe angehört und selbst kein substantiiertes Vorbringen dazu erstattet hat. Auch kann aus den Feststellungen zur Lage im Irak nicht abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführer schon aufgrund seiner bloßen Präsenz als sunnitischer Araber in der Millionenstadt Bagdad mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer individuellen Gefährdung durch Anschlagskriminalität oder bürgerkriegsähnliche Zustände ausgesetzt wäre.

Die Rückkehr des Beschwerdeführers in den Irak ist daher nicht grundsätzlich ausgeschlossen und aufgrund der individuellen Situation des Beschwerdeführers insgesamt auch zumutbar. Allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer etwa in einen Stadtteil Bagdads zurückkehren oder dort arbeiten würde, für den die Möglichkeit besteht, dass es zu einem Konflikt etwa zwischen Sunniten und Schiiten kommen oder an einem öffentlichen Platz ein Anschlag terroristischer Gruppierungen erfolgen könnte, begründet bei der derzeitigen Gefahrenlage weder ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Art. 2 und 3 EMRK garantierten Rechte noch eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes im Sinne des § 8 Abs. 1 Z. 2 Asyl 2005.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 21.08.2001, 2000/01/0443 mwH). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten wird.

Das gilt insbesondere, obzwar nach den Länderfeststellungen eine beträchtliche Arbeitslosigkeit vorherrscht, weil er im Herkunftsstaat die Schule besucht und dessen Sprache erlernt hat, dort aufgewachsen, arbeitsfähig und gesund ist, Familie, soziale Kontakte und nur für sich selbst zu sorgen hat, und auch bereits dort berufstätig war. Er kann somit zumindest leichter als andere am Arbeitsmarkt fündig werden, die nicht all diese Eigenschaften aufweisen.

Damit war die Beschwerde auch betreffend den Spruchpunkt II abzuweisen.

3.3 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung, und Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III):

3.3.1 Nichterteilung eines Aufenthaltstitels

Im ersten Satz des Spruchpunkts III im angefochtenen Bescheid sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt werde. Damit war nach der Bescheidbegründung (S. 33, AS 101) das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemeint. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Von den alternativen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 liegt hier keine vor und wurde vom Beschwerdeführer auch keine behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

3.3.2 Rückkehrentscheidung

Nach § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz sowohl bezüglich des Status des Asylberechtigten als auch jenes des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Somit ist auch im vorliegenden Fall die Rückkehrentscheidung vorgesehen.

Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.

Die individuelle Abwägung der berührten Interessen ergibt, dass ein Eingriff in das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.

Der Beschwerdeführer hat den Großteil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht, knapp 24 von 28,5 Jahren, wo er geboren und aufgewachsen ist. Er hat dort die Schule besucht und gearbeitet, bis er nach Europa reiste, wo er sich nun seit 4,5 Jahren in Österreich aufhält.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nehmen die persönlichen Interessen des Fremden an seinem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer seines Aufenthalts zu. Dem Beschwerdeführer kommt auch zugute, dass sein Aufenthalt legal und die Ursache seiner Dauer die Verzögerung des Verfahrens ist, die ihm nicht vorgeworfen werden kann. Die bloße Aufenthaltsdauer ist jedoch nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).

Der VwGH (zum Folgenden: 17.10.2016, Ro 2016/22/0005 mwH) hat unter anderem folgende Umstände - meist in Verbindung mit anderen Aspekten - als Anhaltspunkte dafür anerkannt, dass ein Fremder die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren: Die Erwerbstätigkeit des Fremden, das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung, eine Einstellungszusage, das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse, familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen, ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben, eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben, freiwillige Hilfstätigkeiten, ein Schulabschluss bzw. eine gute schulische Integration in Österreich oder der Erwerb des Führerscheins.

Es ist nicht zu verkennen, dass fallbezogen eine Reihe dieser Faktoren vorliegen. Zugunsten des Beschwerdeführers kann man davon ausgehen, dass er die sich ihm bietenden Möglichkeiten genutzt und das Sprachniveau A2 nachgewiesen hat, ebenso die Tatsache, dass er die Einbindung in den Freundes- und Bekanntenkreis seiner Lebensgefährtin erreicht und einen Cousin in Wien hat, und sich, auch wenn die letzte bezahlte Beschäftigung bei der Wohngemeinde 2018 stattfand, nicht mit der Grundversorgung zufriedengab, ohne zumindest zeitweise zu arbeiten.

Auch als Schülerlotse machte er sich nützlich. Darüber hinaus liegen Empfehlungsschreiben sowie eine Einstellungszusage vor. Der Beschwerdeführer führt seit rund drei Jahren eine Beziehung führt mit einer Österreicherin und teilt mit ihr den Haushalt.

Andere Integrationsschritte, etwa den Erwerb eines Führerscheins, obwohl er im Herkunftsstaat bereits Taxi fuhr, oder eines weitergehenden Sprachzertifikats, blieben ihm indes versagt. Mit den Missachtungen des MeldeG und des FSG hat er auch gegen zentrale Vorschriften des besonderen Verwaltungsrechts verstoßen.

Die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin betreffend, reduziert ihre Gewichtung zunächst die kurze Dauer von etwa drei Jahren, wobei die ursprünglich vorgebrachte Heiratsabsicht bisher zu keiner Trauung führte, und darüber hinaus, dass sie während des Asylverfahrens, auf dem der Aufenthalt beruhte, begonnen wurde, während sich der Beschwerdeführer den Behörden durch Nichtanmeldung entzog, und die überwiegende Zeit trotz des kurz darauf ergangenen abweisenden Bescheids, also während eines unsicheren Aufenthaltsstatus fortgeführt wurde.

In der dazu im ergänzenden Schriftsatz vom 20.01.2017 zitierten Entscheidung des VwGH (2007/01/0425) wird zum dortigen Sachverhalt festgehalten, dass dort die Ehegattin des Beschwerdeführers laut ihrem Bescheid aus dem Asylverfahren nicht in den (gemeinsamen) Herkunftsstaat abgeschoben werden dürfe. Ein derartiges Reisehindernis liegt im gegebenen Zusammenhang nicht vor. Die Übersiedlung beider in den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist aber auch nicht die einzige Möglichkeit, die Beziehung fortzuführen. Die Lebensgefährtin hat als Zeugin selbst die Option angesprochen, den Beschwerdeführer zunächst zu heiraten und ihn dann "zurückholen" zu können. Darüber hinaus kann der Kontakt bis dahin oder auf Dauer durch gegenseitige Besuche, elektronische Medien und Treffen in Drittländern aufrecht bleiben.

Das Asylverfahren dient dagegen nicht der Verschaffung des Aufenthaltsrechts für Ausbildungs-, Arbeits- oder familiäre Zwecke. Dem Beschwerdeführer steht es auch weiterhin frei, der österreichischen Vertretungsbehörde seine Identität nachzuweisen, eine Aufenthaltsbewilligung zu beantragen und die dafür vorgesehenen Voraussetzungen zu belegen.

Nach der etwa 4 1/2 Jahre umfassenden Anwesenheitsdauer kann auch nicht von einer Aufenthaltsverfestigung ausgegangen werden. Zudem beruhte der Aufenthalt auf einem unbegründeten Antrag, der im Anschluss an eine illegale Einreise gestellt worden war, weshalb sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthalts bewusst sein musste.

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf das Erkenntnis des VwGH vom 23.02.2017, Ra 2017/21/0009, wonach bei einem Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von 4 1/2 Jahren auf Basis eines unberechtigten Antrags auf internationalen Schutz auch dann nicht von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem weiteren Verbleib ausgegangen werden muss, wenn "außerordentliche Integrationsbemühungen" vorliegen, wie Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 sowie kirchliches, soziales und berufliches Engagement. Die damalige Beschwerdeführerin hatte eine rund ein Jahr längere Lebensgemeinschaft mit einem Österreicher als im vorliegenden Fall, wenn auch mit getrennten Wohnsitzen.

Der Beschwerdeführer hat demgegenüber keine religiöse oder soziale Betätigung angegeben, seine letzte berufliche Aktivität liegt mehr als ein Jahr zurück, und er verfügt über nachgewiesene Deutschkenntnisse lediglich auf Niveau A2.

Es liegen auch keine anderen Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen solchen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde.

Es würde eine Benachteiligung jener Fremden gleichkommen, die die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in Österreich beachten, wenn sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privatleben berufen könnte, obwohl er seinen Aufenthalt lediglich durch seine faktische Einreise und einen unbegründeten Asylantrag erzwungen hat. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

3.3.3 Zulässigkeit der Abschiebung

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, die Festlegung eines solchen Staates wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.

§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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