TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/25 I403 2147758-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.09.2019
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Entscheidungsdatum

25.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2147758-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2017, Zl. 1078537008/150879749, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.09.2019, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsbürger, stellte am 17.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am folgenden Tag stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, wegen der Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten um sein Leben gefürchtet zu haben. Er habe Angst, von den Milizen getötet zu werden.

2. Am 12.01.2017 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Er legte eine Kopie seines Reisepasses sowie seinen Personalausweis, ein Schulzeugnis, seine Heiratsurkunde, Kopien der Dokumente seiner Frau und Tochter und die Kopie eines Urteils eines irakischen Gerichtes vom 04.02.2016, mit dem sein Cousin zum Tode verurteilt wurde, vor. Er wiederholte, von den schiitischen Milizen bedroht zu werden; sein Cousin und sein Bruder seien bereits festgenommen worden.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 30.01.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Das Vorbringen des Beschwerdeführers wurde für nicht glaubhaft befunden, unter anderem weil sich Widersprüche zu den Angaben eines gemeinsam mit ihm aus dem Irak ausgereisten Cousins ergeben hätten.

4. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und erklärt, dass dem Beschwerdeführer massive Gewalt und Folter drohe, weil er Sunnit sei und seiner Familie viele Plantagen gehören würden. Er und sein Cousin seien bereits im Herbst 2013 von schiitischen Milizen gefoltert worden.

6. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 16.02.2017 vorgelegt; aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes wurde der Akt der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin am 01.07.2019 zugewiesen.

7. Am 17.09.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle XXXX, eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführt; sein Cousin wurde als Zeuge einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ohne entsprechenden Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist und hält sich seit Juli 2015 in Österreich auf. Seine Identität steht fest. Er ist Staatsangehöriger des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben.

Der Beschwerdeführer ist in seinem Herkunftsland Irak in Bagdad geboren und aufgewachsen und hat neun Jahre lang die Schule und dann drei Jahre lang die Berufsschule besucht. Er ist ausgebildeter Elektriker. Er ist gesund und erwerbsfähig. Seine schiitische Ehefrau und seine 2013 geborene Tochter leben bei den Schwiegereltern; seine Eltern und seine Geschwister wohnen in Bagdad im sunnitisch dominierten Viertel Al Doura (Dora, Al-Dura oder ad-Durah). Er stammt aus einer wohlhabenden Familie, seinen Eltern geht es gut. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt mit seiner Familie.

Der Antrag auf internationalen Schutz des Cousins des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde ebenfalls abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen (IFA: XXXX); die dagegen erhobene Beschwerde ist beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

Der unbescholtene Beschwerdeführer hat die A2-Prüfung abgelegt und betreibt seit März 2019 eine Pizzeria. Abgesehen von seinem Cousin hat er im Bundesgebiet keine Familienangehörigen.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer verließ den Irak im März 2014 und hielt sich dann bis Anfang Juli 2015 in der Türkei auf, ehe er über Griechenland nach Österreich einreiste und hier einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Bruder und der Cousin des Beschwerdeführers wurden nicht festgenommen; ebenso wenig wurden der Beschwerdeführer und sein Cousin durch Milizen entführt und misshandelt. Auch wurden die Plantagen der Familie des Beschwerdeführers nicht gezielt zerstört. Der Beschwerdeführer wird im Irak nicht verfolgt.

Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und erwerbsfähig, hat Berufserfahrung und kommt aus einer wohlhabenden Familie, zu der er in Kontakt steht. Eine Rückkehr nach Bagdad wird ihn nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage bringen.

1.3. Zur Situation im Irak:

1.3.1. Zu den Milizen im Irak:

Als die Gruppe Islamischer Staat (IS) im Juni 2014 die Stadt Mossul einnahm, rief Ayatollah XXXX al-Sistani, der einflussreichste schiitische Kleriker im Land, dazu auf, den Staat bei der Bekämpfung des IS zu unterstützen. Zehntausende Männer folgten dem Aufruf des Klerikers und sammelten sich unter dem losen Dachverband der Volksverteidigungskräfte (Popular Mobilization Forces, PMF). Circa 50 Milizen mit insgesamt 45.000 bis 142.000 Kämpfern sind unter diesem Dachverband gruppiert. Von manchen Quellen wird die arabische Bezeichnung der PMF, Al-Haschd Asch-Schaabi (Al-Hashd Al-Sha'abi), verwendet. Weitere gängige Bezeichnungen sind Popular Mobilization Units (PMU) oder einfach nur "Hashd" (ACCORD, Schiitische Milizen).

Im November 2016 wurde mit Unterstützung des schiitischen Blocks im Parlament ein Gesetz verabschiedet, das die Legalisierung der PMF und deren Einrichtung als separate militärische Einheit vorsieht, die dem Premierminister untersteht. Die PMF-Milizen erhalten ihren Sold aus der Staatskasse. Seit Ende 2017, als die irakische Regierung offiziell den Sieg über den IS verkündete, haben die PMF neben ihren kämpferischen Funktionen ihren Wirkungsbereich ausgeweitet. So verfügen sie über einen eigenen Parteienblock im Parlament und haben insbesondere in den vom IS zurückgewonnenen Gebieten im Zuge des Wiederaufbaus Wirtschaftssektoren übernommen, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen. Nachdem der Parteienblock der PMF, genannt Fatah, bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 die zweitstärkste Kraft wurde, erließ das Parlament im November 2018 ein Gesetz, das den PMF-Kämpfern den gleichen Lohn und manche der Vorzüge von Soldaten der irakischen Armee garantiert. Im Jänner 2019 wurde den PMF laut lokalen Medienberichten die Kontrolle über eine der größten in Staatsbesitz befindlichen Baufirmen übertragen. Die PMF-Kämpfer könnten folglich in Zukunft dafür eingesetzt werden, Straßen zu bauen und Häuser wieder instand zu setzen. Anfang Juli erließ Premierminister Abd Al-Mahdi ein Dekret, in dem er alle PMF-Milizen dazu aufforderte, sich bis zum 31. Juli den regulären Sicherheitskräften anzugliedern oder nur mehr als politische Bewegung zu fungieren. Die Milizenführer der Badr-Organisation, der Asa'ib Ahl al-Haq sowie Milizenführer Muqtada Al-Sadr gaben ihre Zustimmung bekannt. Laut Renad Mansour von der britischen Denkfabrik Chatham House ist das Ziel der PMF-Führung, Teil des Staates zu werden, um so Kontrolle über diesen zu erlangen (ACCORD, Schiitische Milizen).

Im Norden und Westen des Irak haben Amtspersonen und Bürger über Schikanen durch PMF-Milizen und deren Eingreifen in die Stadtverwaltungen und das alltägliche Leben berichtet. Damit geht der Versuch einher, bisweilen unter Einsatz von Demütigungen und Prügel, Kontrolle über Bürgermeister, Distriktvorsteher und andere Amtsträger auszuüben (Al-Araby Al-Jadeed, 12. Februar 2019[vii]). Seit 2003 ist der Irak von verschiedenen bewaffneten Konflikten geprägt. Der dreijährige Konflikt mit dem Islamische Staat hat einen Aufstieg der verschiedenen bewaffneten Gruppen, die man unter PMU (Popular Mobilization Units) zusammenfasst, ermöglicht. Sie waren maßgeblich an der Vertreibung des IS beteiligt und genießen hohe Anerkennung unter der schiitischen Bevölkerung. In den PMU sind Dutzende bewaffnete Gruppen mit unterschiedlichen Zielen und Programmen zusammengefasst. 2016 wurde die PMF zu einer "independent military formation as part of the Iraqi armed forces and linked to the Commander-in Chief". Im März 2018 wurden Millizangehörige den Angehörigen der Sicherheitskräfte gleichgestellt, auch etwa in Bezug auf den Lohn; dennoch variiert das Ausmaß der Integration in den Staatsapparat und gibt es Teile der Milizen innerhalb und außerhalb der formellen Sicherheitskräfte (UNHCR, Considerations 14). Der faktische Einfluss der Regierung und ihrer Sicherheitsorgane auf die Milizen ist nicht zuverlässig sichergestellt (Auswärtiges Amt 4).

Einige PMF Gruppen sind verantwortlich für Menschenrechtsverletzungen gegenüber IS-Verdächtigen, Kritikern und Personen, die sich nicht strikt an die Vorgaben einer konservativen Islamauslegung halten (UNHCR, Considerations 15). Die im Kampf gegen den IS mobilisierten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Strukturen (Auswärtiges Amt 16). Laut EASO werden die PMF generell auch als Kräfte des Staates angesehen (EASO, Guidance 43)

Die Rekrutierung durch die PMF ist gänzlich freiwillig. Einige treten bei, weil das Gehalt attraktiv ist, zugleich gelten die Milizen als einflussreich und beliebt, weil sie entscheidend zum Sieg über den IS beigetragen haben. Zwangsrekrutierungen finden nicht statt, wenn auch auf einige Personen sozialer Druck ausgeübt worden sein will beizutreten (EASO, Guidance 54).

Milizen in Bagdad

Die Quellen deuten auf mehrere Wirkungsfelder der Milizen in Bagdad hin. Sie konkurrieren mit offiziellen Sicherheitskräften, haben Mitglieder beziehungsweise Verbündete in wichtigen politischen Ämtern und sind teilweise für Übergriffe auf StadtbewohnerInnen verantwortlich:

Laut dem EASO-Bericht zur Sicherheitslage im Irak vom März 2019 befinden sich die Stadt Bagdad und ihre Vororte generell unter staatlicher Kontrolle, in der Praxis teilen sich jedoch die Behörden die Bereiche Verteidigung und Strafverfolgung mit den zumeist schiitischen PMF, was zu unvollständiger oder sich mit den Milizen überschneidender Kontrolle führt (EASO, Security Situation 75).

Im Juni 2018 berichtet das Long War Journal (LWJ) über Zusammenstöße zwischen Mitgliedern der irakischen Polizei und Kämpfern der irakischen Hisbollah-Brigaden (Kata'ib Hisbollah) in Bagdad. Bei dem Schusswechsel sind laut Angaben einer anonymen Quelle aus Sicherheitskreisen mindestens drei Personen verletzt worden. Im August 2018 räumen Asa'ib Ahl al-Haqq ein, dass rund 50 ihrer Milizkämpfer in Bagdad Verbrechen, darunter Plünderung, Erpressung, Entführungen und Morde verübt haben, um an Geld zu gelangen. Der irakische Innenminister gibt im Oktober 2018 bekannt, seine Mitgliedschaft in der Badr-Organisation auszusetzen. Zuvor hat der schiitische Kleriker Muqtada Al-Sadr verkündet, dass die Ministerien für Inneres und Verteidigung von unabhängigen Personen geleitet werden sollten. Al-Arabiya bezeichnet im Dezember 2018 den gerade vom Provinzrat gewählten Provinzgouverneur von Bagdad als Person mit Naheverhältnis zur Miliz Kata'ib Hisbollah. Im Jänner 2019 wird in Sadr City ein Restaurantbesitzer von einem Angreifer auf einem Motorrad erschossen. Zuvor ist laut Rudaw der Vorwurf an die PMF, für Verbrechen wie Erpressung, Entführung und Tötungen verantwortlich zu sein, nur verhalten vonseiten von Menschenrechtsorganisationen und BewohnerInnen sunnitischer Stadtteile geäußert worden. Dieses Mal hat jedoch ein Medium, das dem schiitischen Parteienblock Al-Hikma nahesteht, berichtet, dass der Täter später gefasst wurde und er Papiere bei sich trug, die dessen Mitgliedschaft bei Asa'ib Ahl al-Haqq bestätigen. Führende Mitglieder von Asa'ib Ahl al-Haqq lehnen diese Berichterstattung scharf ab und sehen sich als Opfer einer Verleumdungskampagne. Im Februar 2019 verweist Middle East Monitor (MEMO)[xviii] unter Berufung auf Informationen der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu auf eine Operation der Sicherheitskräfte in Bagdad, bei der vier Stützpunkte der PMF durchsucht und geschlossen wurden. Im Februar 2019 kommt es innerhalb der PMF-Strukturen in Bagdad zu Auseinandersetzungen, was eine Welle von Festnahmen und Schließungen von PMF-Stützpunkten zufolge hat. Mehrere Stützpunkte der Abu Fadl Al-Abbas-Miliz sind von den Schließungen betroffen, der Aufenthaltsort des Anführers ist unbekannt. Die Durchsuchungen erfolgen, nachdem die Führung der Abu Fadl Al-Abbas-Miliz bestimmte Kräfte für die Ermordung eines Schriftstellers verantwortlich gemacht hat. Im Mai belagern zum Präsidentenregiment gehörende Sicherheitskräfte einen PMF-Stützpunkt in Bagdad im Stadtteil Dschadiriya und fordern die PMF dazu auf, ihren Stützpunkt zu verlassen. Laut einer Meldung auf Sumer News vom Juni 2019 ruft der Provinzrat von Bagdad dazu auf, die PMF zu Hilfe zu nehmen, um den Bagdad-Gürtel zu sichern (ACCORD, Schiitische Milizen).

Quellen:

* UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq, Mai 2019.

* Austrian Centre for Country of origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD), Schiitische Milizen im Irak, 22.07.2019.

* EASO, Country of Origin Information Report: Iraq - Security situation, März 2019.

* EASO, Country Guidance: Iraq (Juni 2019).

1.3.2. Zur Versorgungslage im Irak und zur Rückkehr:

Auf Basis des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zum Irak vom 25.07.2019 wird festgestellt:

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten (AA 12.2.2018). Die Iraker haben eine dramatische Verschlechterung in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Strom, Wasser, Abwasser- und Abfallentsorgung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Verkehr und Sicherheit erlebt. Der Konflikt hat nicht nur in Bezug auf die Armutsraten, sondern auch bei der Erbringung staatlicher Dienste zu stärker ausgeprägten räumlichen Unterschieden geführt. Der Zugang zu diesen Diensten und deren Qualität variiert demnach im gesamten Land erheblich (K4D 18.5.2018).

Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Die genannten Defizite werden durch die grassierende Korruption zusätzlich verstärkt. Nach Angaben des UN-Programms "Habitat" leben 70 Prozent der Iraker in Städten, die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums (AA 12.2.2018).

In vom IS befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wieder hergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 12.2.2018).

Wirtschaftslage

Der Irak erholt sich nur langsam vom Terror des sogenannten Islamischen Staat und seinen Folgen. Nicht nur sind ökonomisch wichtige Städte wie Mosul zerstört worden. Dies trifft das Land, nachdem es seit Jahrzehnten durch Krieg, Bürgerkrieg, Sanktionen zerrüttet wurde. Wiederaufbauprogramme laufen bereits, vorsichtig-positive Wirtschaftsprognosen traf die Weltbank im Oktober 2018 für das Jahr 2019. Ob der Wiederaufbau zu einem nachhaltigen positiven Aufschwung beiträgt, hängt aus Sicht der Weltbank davon ab, ob das Land die Korruption in den Griff bekommt (GIZ 11.2018).

Das Erdöl stellt immer noch die Haupteinnahmequelle des irakischen Staates dar (GIZ 11.2018). Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor (AA 12.2.2018).

Noch im Jahr 2016 wuchs die irakische Wirtschaft laut Economist Intelligence Unit (EIU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um 11 Prozent. Im Folgejahr schrumpfte sie allerdings um 0,8 Prozent. Auch 2018 wird das Wachstum um die 1 Prozent betragen, während für 2019 wieder ein Aufschwung von 5 Prozent zu erwarten ist (WKO 2.10.2018). Laut Weltbank wird erwartet, dass das gesamte BIP-Wachstum bis 2018 wieder auf positive 2,5 Prozent ansteigt. Die Wachstumsaussichten des Irak dürften sich dank der günstigeren Sicherheitslage und der allmählichen Belebung der Investitionen für den Wiederaufbau verbessern (WB 16.4.2018). Die positive Entwicklung des Ölpreises ist dafür auch ausschlaggebend. Somit scheint sich das Land nach langen Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen wieder in Richtung einer gewissen Normalität zu bewegen. Dieser positiven Entwicklung stehen gleichwohl weiterhin Herausforderungen gegenüber (WKO 2.10.2018).

So haben der Krieg gegen den IS und der langwierige Rückgang der Ölpreise seit 2014 zu einem Rückgang der Nicht-Öl-Wirtschaft um 21,6 Prozent geführt, sowie zu einer starken Verschlechterung der Finanz- und Leistungsbilanz des Landes. Der Krieg und die weit verbreitete Unsicherheit haben auch die Zerstörung von Infrastruktur und Anlageobjekten in den vom IS kontrollierten Gebieten verursacht, Ressourcen von produktiven Investitionen abgezweigt, den privaten Konsum und das Investitionsvertrauen stark beeinträchtigt und Armut, Vulnerabilität und Arbeitslosigkeit erhöht. Dabei stieg die Armutsquote [schon vor dem IS, Anm.] von 18,9 Prozent im Jahr 2012 auf geschätzte 22,5 Prozent im Jahr 2014 (WB 18.4.2018).

Jüngste Arbeitsmarktstatistiken deuten auf eine weitere Verschlechterung der Armutssituation hin. Die Erwerbsquote von Jugendlichen (15-24 Jahre) ist seit Beginn der Krise im Jahr 2014 deutlich gesunken, von 32,5 Prozent auf 27,4 Prozent. Die Arbeitslosigkeit nahm vor allem bei Personen aus den ärmsten Haushalten und Jugendlichen und Personen im erwerbsfähigen Alter (25-49 Jahre) zu. Die Arbeitslosenquote ist in den von IS-bezogener Gewalt und Vertreibung am stärksten betroffenen Provinzen etwa doppelt so hoch wie im übrigen Land (21,1 Prozent gegenüber 11,2 Prozent), insbesondere bei Jugendlichen und Ungebildeten (WB 16.4.2018).

Der Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 12.2.2018). Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor. Jobangebote sind mit dem Schließen mehrerer Unternehmen zurückgegangen. Im öffentlichen Sektor sind ebenfalls viele Stellen gestrichen worden. Gute Berufschancen bietet jedoch derzeit das Militär. Das durchschnittliche monatliche Einkommen im Irak beträgt derzeit 350-1.500 USD, je nach Position und Ausbildung (IOM 13.6.2018).

Das Ministerium für Arbeit und Soziales bietet Unterstützung bei der Arbeitssuche und stellt Arbeitsagenturen in den meisten Städten. Die Regierung hat auch ein Programm gestartet, um irakische Arbeitslose und Arbeiter, die weniger als 1 USD pro Tag verdienen, zu unterstützen. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 119 von 126

Aufgrund der derzeitigen Situation im Land wurde die Hilfe jedoch eingestellt.

Weiterbildungsmöglichkeiten werden durch Berufsschulen, Trainingszentren und Agenturen

angeboten (IOM 13.6.2018).

Stromversorgung

Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 12.2.2018). Sie deckt nur etwa 60 Prozent der Nachfrage ab, wobei etwa 20 Prozent der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Der verfügbare Stromvorrat variiert jedoch je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 22.12.2017). Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten, wenn bei Temperaturen von über 50 Grad flächendeckend Klimaanlagen eingesetzt werden, häufig unterbrochen. Dann versorgt sich die Bevölkerung aus privaten Generatoren, sofern diese vorhanden sind. Die Versorgung mit Mineralöl bleibt unzureichend und belastet die Haushalte wegen der hohen Kraftstoffpreise unverhältnismäßig. In der Autonomen Region Kurdistan erfolgt die Stromversorgung durch Betrieb eigener Kraftwerke, unterliegt jedoch wie in den anderen Regionen Iraks erheblichen Schwankungen und erreicht deutlich weniger als 20 Stunden pro Tag. Kraftwerke leiden unter Mangel an Brennstoff und es gibt erhebliche Leitungsverluste (AA 12.2.2018).

Wasserversorgung

Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen (AA 12.2.2018). Der Irak befindet sich inmitten einer schweren Wasserkrise, die durch akute Knappheit, schwindende Ressourcen und eine stark sinkende Wasserqualität gekennzeichnet ist (Clingendael 10.7.2018). Die Wasserknappheit dürfte sich kurz- bis mittelfristig noch verschärfen. Besonders betroffen sind die südlichen Provinzen, insbesondere Basra. Der Klimawandel ist dabei ein Faktor, aber auch große Staudammprojekte in der Türkei und im Iran, die sich auf den Wasserstand von Euphrat und Tigris auswirken und zur Verknappung des Wassers beitragen. Niedrige Wasserstände führen zu einem Anstieg des Salzgehalts, wodurch das bereits begrenzte Wasser für die landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet wird (UNOCHA 31.8.2018).

Parallel zur Wasserknappheit tragen veraltete Leitungen und eine veraltete Infrastruktur zur Kontaminierung der Wasserversorgung bei (UNOCHA 31.8.2018). Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser (AA 12.2.2018). Im August meldete Iraks südliche Provinz Basra 17.000 Fälle von Infektionen aufgrund der Kontaminierung von Wasser. Der Direktor der Gesundheitsbehörde Basra warnte vor einem Choleraausbruch (Iraqi News 28.8.2018).

Nahrungsversorgung

Laut Welternährungsorganisation sind im Irak zwei Millionen Menschen von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen (FAO 8.2.2018). 22,6 Prozent der Kinder sind unterernährt (AA 12.2.2018). Schätzungen des Welternährungsprogramms zufolge benötigen mindestens 700.000 Iraker Nahrungsmittelhilfe (USAID 23.2.2018).

Die Landwirtschaft ist für die irakische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Schätzungen zufolge hat der Irak in den letzten vier Jahren jedoch 40 Prozent seiner landwirtschaftlichen Produktion verloren. Im Zuge des Krieges gegen den IS waren viele Bauern gezwungen, ihre Betriebe zu verlassen. Ernten wurden zerstört oder beschädigt. Landwirtschaftliche Maschinen, Saatgut, Pflanzen, eingelagerte Ernten und Vieh wurden geplündert. Aufgrund des Konflikts und der Verminung konnten Bauern für die nächste Landwirtschaftssaison nicht pflanzen. Die Nahrungsmittelproduktion und -versorgung wurde unterbrochen, die Nahrungsmittelpreise auf den Märkten stiegen (FAO 8.2.2018). Das Land ist stark von Nahrungsmittelimporten abhängig (AW 11.2.2018; vgl. USAID 1.8.2017).

Das Sozialsystem wird vom sogenannten "Public Distribution System" (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen. Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme, obwohl es von schweren Ineffizienzen gekennzeichnet ist (K4D 18.5.2018). Es sind zwar alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des PDS zu erhalten. Das Programm wird von den Behörden jedoch sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Außerdem hat der niedrige Ölpreis die Mittel für das PDS weiter eingeschränkt (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

-AW - The Arab Weekly (11.2.2018): Can Iraq's ailing economy liberate itself in 2018?,

https://thearabweekly.com/can-iraqs-ailing-economy-liberate-itself-2018, Zugriff 15.10.2018

-Clingendael - Netherlands Institute of International Relations (10.7.2018): More than infrastructures: water challenges in Iraq, https://www.clingendael.org/sites/default/files/2018-07/PB_PSI_water_challenges_Iraq.pdf, Zugriff 15.10.2018

-Fanack (22.12.2017): Energy file: Iraq, https://fanack.com/fanack-energy/iraq/, Zugriff 15.10.2018

-FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (8.2.2018): Iraq: Recovery and Resilience Programme 2018-2019, http://www.fao.org/3/I8658EN/i8658en.pdf, Zugriff 15.10.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak: Die wirtschaftliche Lage im Überblick, https://www.liportal.de/irak/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 20.11.2018

-Iraqi News (28.8.2018): Iraq's Basra declares 17000 infection cases from water pollution,

https://www.iraqinews.com/features/iraqs-basra-declares-17000-infection-cases-from-water-pollution/, Zugriff 15.10.2018

-IOM - International Organization for Migration (13.6.2018):

Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak-dl_de.pdf;jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1_cid294?__blob=publicationFile, Zugriff 16.10.2018

-K4D - Knowledge for Development Program (18.5.2018): Iraqi state capabilities,

https://assets.publishing.service.gov.uk/media/5b18e952e5274a18eb1ee3aa/Iraqi_state_capabilities.pdf, Zugriff 15.10.2018

-UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.8.2018): Iraq: Humanitarian Bulletin, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/OCHA%20Iraq%20Humanitarian%20Bulletin%20-%20August%202018.pdf, Zugriff 15.10.2018

-USAID - Unites States Agency for International Development (1.8.2017): Iraq: Agriculture

https://www.usaid.gov/iraq/agriculture, Zugriff 16.10.2018

-

USAID - Unites States Agency for International Development (23.2.2018): Food Assistance

Fact Sheet: Iraq,

https://www.usaid.gov/sites/default/files/documents/1866/Iraq_-

_Country_Fact_Sheet.pdf, Zugriff 15.10.2018

-

USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights

Practices 2017 - Iraq,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 4.10.2018

-

WB - The World Bank (16.4.2018): Iraq's Economic Outlook - April 2018,

https://www.worldbank.org/en/country/iraq/publication/economic-outlook-april-2018, Zugriff

16.10.2018

-

WB - The World Bank (18.4.2018): Iraq: Overview,

http://www.worldbank.org/en/country/iraq/overview, Zugriff 15.10.2018

-

WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2.10.2018): Die irakische Wirtschaft,

https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-irakische-wirtschaft.html, Zugriff 15.10.2018

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt (AA 12.2.2018). Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 13.6.2018).

Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018).

Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen.

Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt

werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr,

jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder

Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).

In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.2.2018). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich. Hinzu kommt, dass durch die Kampfhandlungen nicht nur eine Grundversorgung sichergestellt werden muss, sondern auch schwierige Schusswunden und Kriegsverletzungen behandelt werden müssen (AA 12.2.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag,

https://www.liportal.de/irak/alltag/#c37767, Zugriff 20.11.2018

-IOM - International Organization for Migration (13.6.2018):

Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak-dl_de.pdf;jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1_cid294?__blob=publicationFile, Zugriff 16.10.2018

-WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff 16.10.2018

Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.2.2018).

Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017). In der Autonomen Region Kurdistan gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Autonomen Region Kurdistan kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.2.2018).

Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Die Miete für 250m² in Bagdad liegt bei ca. 320 USD. In den Städten der kurdischen Autonomieregion liegt die Miete bei 300-600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 11 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 7-18 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 22-29 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000 IQD für private oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom (IOM 13.6.2018).

Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser im Land. Jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote (GIZ 11.2018). Wohnen ist zu einem der größten Probleme im Irak geworden, insbesondere nach den Geschehnissen von 2003 (IOM 13.6.2018). Die Immobilienpreise in irakischen Städten sind in den letzten zehn Jahren stark angestiegen (IEC 24.1.2018). Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem IS stellt der Wohnungsbau eine besonders dringende Priorität dar (Reuters 12.2.2018). Im November 2017 bestätigte der irakische Ministerrat ein neues Programm zur Wohnbaupolitik, das mit der Unterstützung von UN-Habitat ausgearbeitet wurde, um angemessenen Wohnraum für irakische Staatsbürger zu gewährleisten (UNHSP 6.11.2017). Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrer nicht (IOM 13.6.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag,

https://www.liportal.de/irak/alltag/#c28570, Zugriff 20.11.2018

1.3.3. Zur Sicherheitslage im Irak:

Im Dezember 2017 wurde, nach einem dreijährigen Kampf, von der irakischen Regierung der Sieg über den Islamischen Staat (IS) erklärt. Seither gibt es keine großflächigen Militäraktionen mehr und wurden die Attacken des IS im Laufe des Jahres 2018 weniger. Trotzdem bleibt der IS als terroristische Organisation eine Gefahr und in der Lage, landesweit Anschläge zu verüben. Insbesondere in den zwischen der Zentralregierung in Bagdad und der Regierung der Autonomen Region Kurdistan umstrittenen Gebiete ist ein Sicherheitsvakuum entstanden und der IS wieder vermehrt aktiv (Auswärtiges Amt 4).

In Bagdad hat sich die Sicherheitssituation im Wesentlichen stabilisiert. 2018 blieb der IS noch in den kleinen Dörfern rund um Bagdad aktiv und hat gelegentlich zivile Ziele angegriffen; seine entsprechende Kapazität, um größere Anschläge zu verüben, hat sich aber stark reduziert (UNHCR, Considerations 19). Die Anzahl der Entführungen hat in den letzten Jahren in Bagdad massiv abgenommen, allerdings gibt es noch immer gezielte Tötungen von exponierten Personen (UNHCR, Considerations 19). Bagdad ist eine der wenigen Regionen des Irak, in der es noch eine gemischte Bevölkerung aus Sunniten, Schiiten und Christen gibt, wenn auch seit 2006 eine zunehmende Aufteilung der Stadtviertel anhand religiöser Grenzen erfolgt ist (EASO, Key socio-economic Factors 29).

Diese Feststellungen basieren auf den folgenden Quellen:

* Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, 12.01.2019.

* EASO, Country of Origin Information Report: Iraq - Key socio-economic indicators, Februar 2019.

* EASO, Country of Origin Information Report: Iraq - Security situation (supplement) - Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017-2018, Februar 2019.

* UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq, Mai 2019.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellungen des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Irak. Überdies wurde am 17.09.2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle XXXX, eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers und einer Vertreterin der belangten Behörde durchgeführt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen hinsichtlich der Familienverhältnisse im Irak, der Glaubens- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner schulischen und beruflichen Ausbildung und seines gesundheitlichen Zustandes gründen sich auf dessen diesbezüglich glaubhafte Angaben in der Erstbefragung, vor der belangten Behörde sowie dem Bundesverwaltungsgericht.

Der Beschwerdeführer gab in allen Befragungen an, aus dem Viertel Al-Doura in Bagdad zu stammen. Er sei dann mit seiner schiitischen Ehefrau in ein schiitisches Viertel gezogen, nach einem Monat aufgrund von Schikanen aber wieder zurück nach Al-Doura gezogen. Während er allerdings vor dem BFA erklärte, er sei wieder in sein Haus zurück nach Al Bouitha gezogen, einem Teil Al-Douras, in dem seine Familie mehrere Häuser besitzen würde, meinte er gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht, er sei in einen anderen Teil Al-Douras gezogen.

Dem BFA erklärte er, dass sich seine Eltern und Geschwister noch immer in Al-Doura befinden würden und dass seine Frau und Tochter teils bei seiner Familie, teils bei seinen Schwiegereltern leben würden. In der mündlichen Verhandlung sagte der Beschwerdeführer, dass seine Frau und Tochter bei den Schwiegereltern leben würden. Fest steht aufgrund seiner verschiedenen, diesbezüglich gleichbleibenden Aussagen, dass seine Herkunftsfamilie in Al-Doura beheimatet ist und dort über Häuser und Grundstücke verfügt. Er gab in der Verhandlung weiters an, dass es seinen Eltern gut gehen würde.

In der Einvernahme durch das BFA am 12.01.2017 erklärte der Beschwerdeführer, aus einer vermögenden Familie zu stammen. Seiner Familie gehöre ein Autohaus, in dem auch sein Vater arbeiten würde.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der Vorlage seines Reisepasses, seines Personalausweises und eines Führerscheins fest. In der Erstbefragung am 18.07.2015 gab der Beschwerdeführer an, seinen Reisepass in der Türkei verloren zu haben. In der Einvernahme durch das BFA am 12.01.2017 erklärte er, den Reisepass bei seiner Ankunft in Griechenland im Meer verloren zu haben. In einem Schreiben vom 11.09.2018 wurde dann plötzlich mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer wieder in den Besitz seines Reisepasses gekommen sei. Dies erklärte er in der mündlichen Verhandlung damit, dass sein Pass in einem Hotel in Izmir gefunden und ihm über einen Freund nachgeschickt worden sei. Dies ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht mit seiner früheren Erklärung, dass er den Pass im Meer verloren habe, vereinbar. Es kann daher angenommen werden, dass er den Reisepass zunächst bewusst nicht vorlegte.

Die Feststellungen zum Cousin des Beschwerdeführers und seinem Antrag auf internationalen Schutz ergeben sich durch Einsichtnahme in die Protokolle seiner Erstbefragung und seiner Einvernahme durch das BFA am 12.01.2017 bzw. durch Einsichtnahme in den Gerichtsakt (L519 2147762-1) sowie aufgrund seiner Aussagen als Zeuge in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung betreffend der durch den Beschwerdeführer abgelegten Deutschprüfung ergibt sich aus dem vorgelegten ÖIF-Zeugnis vom 23.06.2017. Vorgelegt wurden auch verschiedene Empfehlungsschreiben, u.a. des Bürgermeisters seiner Wohngemeinde vom 09.01.2017. Dass der Beschwerdeführer eine Pizzeria betreibt, ergibt sich u.a. durch ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX zur Standortverlegung vom 28.03.2019.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Dass der Beschwerdeführer den Irak am 10.03.2014 Richtung Istanbul verließ, ergibt sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung und in der mündlichen Verhandlung. Am 09.07.2015 war er laut EURODAC in Griechenland (Mytilini), von wo aus er nach Österreich weiterreiste.

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, dass seine Familie Zielscheibe schiitischer Milizen sei, welche ihn und seinen Cousin bereits entführt und gefoltert hätten; zudem seien sein Bruder und der Bruder seines Cousins grundlos inhaftiert worden.

Dieses Vorbringen ist allerdings aus den folgenden Gründen nicht glaubhaft:

In der Erstbefragung am 18.07.2015 meinte der Beschwerdeführer, dass er bereits 2010 den Entschluss zur Ausreise gefasst habe. Von der erkennenden Richterin darauf hingewiesen, dass die angeblich fluchtauslösenden Probleme mit den Milizen bzw. der Polizei erst ab dem Herbst 2013 begonnen hätten, meinte der Beschwerdeführer, dass nach 2010 die Lage im Irak gefährlich wurde. Zudem hatte der Beschwerdeführer sich in der Erstbefragung auch nur allgemein auf die schlechte Sicherheitslage im Irak und die Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten bezogen. Er habe sein Viertel aus Angst vor Bombenanschlägen verlassen. Eine konkrete Verfolgung seiner Person erwähnte er bei der Erstbefragung nicht. Nun dient die Erstbefragung nicht der näheren Erörterung der Fluchtgründe, dennoch erscheint es ungewöhnlich, dass man bei der Frage nach den Fluchtgründen nur auf die allgemeine Situation und nicht auf die konkrete Verfolgung der eigenen Person verweist. Wie im Folgenden gezeigt wird, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer den Irak tatsächlich aufgrund der allgemeinen Gegebenheiten und nicht aufgrund einer konkreten Verfolgung seiner Person verlassen hatte.

In der Einvernahme durch das BFA am 12.01.2017 gab der Beschwerdeführer dann an, dass Anfang 2014 viele Sunniten festgenommen worden seien. Der Beschwerdeführer sei, wie viele seiner Cousins, innerhalb des Viertels Al-Doura umgezogen und habe das Haus nicht mehr verlassen, um sich vor den schiitischen Milizen zu verstecken. Sein Cousin XXXX und sein Bruder XXXX seien auch festgenommen worden, daher gehe der Beschwerdeführer davon aus, dass er auch auf einer Fahndungsliste stehe. Anfang 2014 habe man bei seinen Eltern nach ihm gefragt; man wollte den Beschwerdeführer mitnehmen und Geld für ihn erpressen. Der Beschwerdeführer sei dann am 08.03.2014 geflüchtet, am folgenden Tag würden sich die Milizen bei seiner Frau nach ihm erkundigt haben. Im Oktober 2015 hätten die Milizen zudem die Plantagen seiner Eltern zerstört.

Wenn man zunächst das Vorbringen rund um die Verhaftung seiner Verwandten, das laut seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung zentral für seine Ausreise war, betrachtet, ergeben sich bereits hier Widersprüche und Unstimmigkeiten. So meinte er in der mündlichen Verhandlung zunächst, dass der Umstand, dass sein Bruder und sein Cousin den Beschwerdeführer gegenüber den irakischen Behörden genannt hätten und daher nach ihm gesucht worden sei, habe ihn zur Flucht veranlasst, während er später meinte, seine Mutter habe erst vor drei Monaten seinen Bruder besucht und dies erfahren (womit die Erwähnung seines Namens gegenüber den Behörden nicht fluchtauslösend gewesen sein könnte).

Der Beschwerdeführer legte dem BFA am 12.01.2017 die Kopie eines Gerichtsurteiles vom 04.02.2016 (in der Beschwerde fälschlich als 04.02.2014 bezeichnet) vor; diesem ist zu entnehmen, dass der Cousin des Beschwerdeführers, XXXX, zum Tode verurteilt wurde. Schlichtweg unmöglich erscheint es, wenn der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angibt, das der belangten Behörde in Kopie vorgelegte Todesurteil im "fünften oder sechsten Monat" des Jahres 2015 erhalten habe, da das Urteil mit dem 04.02.2016 datiert ist. Dann meinte er wiederum, er habe es fünf bzw. sechs Monate nach seiner Ankunft in Österreich erhalten, was sich eher mit dem Datum des Urteils vereinbaren lässt. Allerdings ist auf diesem Urteil die Rede davon, dass der Angeklagte seit 15.11.2015 inhaftiert sei, was sich mit der angeblichen Festnahme am 05.03.2014 nicht vereinbaren lässt.

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung nämlich an, dass sein Bruder XXXX und sein Cousin XXXX am 05.03.2014 festgenommen und zu falschen Geständnissen gezwungen worden seien. Bei ihren Festnahmen hätten sich beide gerade in ihren jeweiligen Häusern befunden.

Diesbezüglich muss aber angemerkt werden, dass der Cousin des Beschwerdeführers dem BFA gegenüber am 12.01.2017 erwähnte, dass ein weiterer Bruder von ihm, XXXX, sich auch im Gefängnis befinden würde; XXXX bzw. dessen Inhaftierung wurden sowohl vom Beschwerdeführer wie von seinem Cousin (im Gegensatz zu den beiden anderen, angeblich inhaftierten Verwandten) ansonsten immer nur auf konkrete Rückfrage hin genannt. Der Beschwerdeführer meinte dazu in der mündlichen Verhandlung zunächst, dass das Problem gewesen sei, dass sein Bruder XXXX und sein Cousin XXXX festgenommen worden seien. Auf die Frage der erkennenden Richterin, warum es bei seinem Cousin XXXX kein Problem sei, meinte der Beschwerdeführer, dass er die Verhaftung XXXXs vor dem BFA erwähnt hatte. Dies findet sich aber nicht im Protokoll. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung dann noch an, dass XXXX ein oder zwei Tage vor den anderen verhaftet worden sei.

Allerdings widersprach ihm sein in der mündlichen Verhandlung als Zeuge befragter Cousin: Dieser sagte, dass zunächst sein Bruder XXXX festgenommen wurde und dann sein Bruder XXXX gemeinsam mit XXXX, dem Bruder des Beschwerdeführers, verhaftet wurden. Damit schildert er eine vollkommen andere Abfolge der Geschehnisse als der Beschwerdeführer. Zudem meinte er auf weitere Fragen, dass die Verhaftungen erst erfolgt seien, als sich der Beschwerdeführer und er schon nicht mehr im Irak befanden, während der Beschwerdeführer dies immer als fluchtauslösend beschrieben hatte.

Zudem ist auch darauf zu verweisen, dass der Reisepass des Beschwerdeführers im Februar 2014 ausgestellt wurde und auch dies zu Zweifeln führt, ob der Ausreisentschluss tatsächlich erst, wie vom Beschwerdeführer behauptet, am 08.03.2014, nach der Verhaftung seiner Verwandten, gefasst worden ist.

Zusammengefasst kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass die Ereignisse rund um die angebliche Festnahme der Verwandten des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sind.

Zur Zerstörung der Plantagen muss ebenfalls dem BFA dahingehend gefolgt werden, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft ist. In der Beschwerde wurde wiederholt, dass die Familie des Beschwerdeführers "aufgrund der Tatsache, dass sie Sunniten sind und aufgrund der Tatsache, dass ihnen viele Plantagen gehören, massive Gewalt und Folter erfahren". Dem BFA zeigte der Beschwerdeführer ein Video, auf dem umgeschnittene Dattelbäume und Rauch zu sehen waren. Aus diesem Video ergibt sich aber weder, wem die Plantagen gehören noch wodurch sie zerstört wurden. Die belangte Behörde stellte diesbezüglich im angefochtenen Bescheid fest, dass der Cousin des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme am 12.01.2017 erklärt hatte, dass sein Vater die Plantagen problemlos weiterbetreiben könne. In der Beschwerde wurde dazu ausgeführt, dass die Plantagen der beiden Familien aneinandergrenzen würden, dass aber nur die Plantagen der Familie des Beschwerdeführers zerstört worden seien. Die erkennende Richterin muss diesbezüglich aber der belangten Behörde dahingehend zustimmen, dass es schwer vorstellbar ist, dass der Cousin des Beschwerdeführers das Wort "problemlos" verwenden würde, wenn die angrenzenden Plantagen seines Onkels zerstört und das Eigentum der Familie des Beschwerdeführers bestritten worden wären. Zudem sagte der Beschwerdeführer gegenüber der belangten Behörde, dass im Oktober 2015 die Plantagen zerstört worden seien, während er vor dem Bundesverwaltungsgericht davon sprach, dass die Polizei ihn im Oktober 2015 bei seiner Familie gesucht habe. Zusammengefasst ist das Vorbringen rund um die gezielte Zerstörung der Landwirtschaft der Familie durch den Sicherheitsapparat bzw. ihnen nahestehende Milizen nicht glaubhaft.

In der Beschwerde wurde das Vorbringen dann dahingehend erweitert und gesteigert, dass der Beschwerdeführer und sein Cousin im Oktober oder November 2013 von schiitischen Milizen schwer gefoltert worden seien. Alleine, dass die angebliche Entführung und Folterung bis zur Beschwerdeerhebung niemals erwähnt wurde, lässt sie unglaubhaft erscheinen. Der Cousin des Beschwerdeführers stellte zeitgleich mit dem Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz und hatte auch am selben Tag seine Erstbefragung. Er gab als Fluchtgrund nur die allgemeine schlechte Lage im Irak an und gab dann in der Befragung durch die belangte Behörde am 12.01.2017 explizit an, nie persönlich von einem Vorfall betroffen gewesen zu sein. Der Beschwerdeführer begründete ebenso wie sein Cousin das späte Vorbringen damit, dass sie während des Verwaltungsverfahrens keinen Beweis dafür gehabt hätten. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist dies keine glaubhafte Erklärung. Der Beschwerdeführer zeigte in der mündlichen Verhandlung ein Video auf seinem Mobiltelefon, auf dem verschiedene Personen, zumeist in Rückenansicht, zu sehen sind; auf ihren Rücken sind verschiedene Flecken und Rötungen zu sehen. Der Beschwerdeführer selbst ist nur von hinten zu sehen und daher nicht eindeutig zu identifizieren. Zudem kann auf Basis der Aufnahme nicht festgestellt werden, ob es sich um Verletzungen handelt und wie diese entstanden sind. Das Video kann daher nicht bescheinigen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Opfer von Gewalt und Misshandlung war. Bleibende Schäden verneinte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung.

Abgesehen davon widersprachen sich der Beschwerdeführer und sein Cousin im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17.09.2019 in Bezug auf den angeblich gemeinsam durchlittenen Vorfall in einem bemerkenswerten Ausmaß: Der Beschwerdeführer selbst erklärte, im November 2013 gemeinsam mit seinem Onkel, dem in Österreich aufhältigen Cousin H. und dessen Bruder von sechs bis sieben Personen in Militäruniformen entführt worden zu sein. Im weiteren Verlauf der Verhandlung erwähnte er dann noch einen weiteren Cousin, der ebenfall

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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