TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/9 I405 2127198-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.10.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.10.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §52
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I405 2127198-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. LIBERIA, vertreten durch Mag. Wolfgang Auner, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom XXXX, zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II.

des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

XXXX wird gemäß § 55 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 die "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (in Folge auch BF) wurde zur Durchführung des Asylverfahrens am 05.08.2014 auf Grundlage der Dublin-III-Verordnung von Norwegen nach Österreich überstellt und gab sie im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der Landespolizeidirektion an, in Österreich nicht um Asyl ansuchen zu wollen, da sie hier nicht bleiben wolle; sie wolle gerne in ihr Heimatland Liberia zurück. Weiters erging der Mandatsbescheid vom ebenfalls 05.08.2014, womit über die BF zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der Sicherung der Abschiebung eine Unterkunftnahme angeordnet wurde.

2. In weiterer Folge stellte die BF am 12.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie bei ihrer Erstbefragung am selben Tag zusammengefasst damit begründete, dass sie im Alter von 14 Jahren gezwungen worden sei, eine Beschneidung an sich durchführen zu lassen, wovor sich die BF sehr gefürchtet habe, da ihre Schwester daran verstorben sei. Die BF habe jedoch fliehen können und sei sie nach Monrovia, Liberia gegangen, wo sie alleine gelebt und die Schule besucht habe. Im Jahr 2011 sei sie Parteimitglied bei der CDC (Congress for Democratic Chance) geworden und habe sie als Funktionärin Leute mobilisiert, der Partei beizutreten. Am 07.11.2011 habe in Monrovia ein Treffen der CDC stattgefunden, an welchem die BF allerdings nicht anwesend gewesen sei. Bei diesem Treffen sei es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen und seien CDC-Anhänger verprügelt und inhaftiert worden. Noch während die BF von einem Freund gewarnt und zur Flucht aufgefordert worden sei, habe die Polizei sie ergriffen und sie an einen ihr unbekannten Ort verbracht, sie gefesselt und mit dem Messer bedroht. Einer der Männer habe sie im Auto vergewaltigt. Der BF sei die Flucht aus dem Auto gelungen und sei sie zu ihrer Familie nach Nimba geflüchtet. Die BF habe geglaubt, dass ihre Familie ihr verziehen hätte, jedoch habe ihre Familie nach wie vor eine Beschneidung der BF gewollt; andernfalls werde sie geopfert. Dies habe die BF dazu veranlasst, aus ihrer Heimat zu fliehen.

3. Die BF wurde am 27.05.2015 durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen und gab sie, befragt zu den Gründen ihrer Flucht, zusammengefasst erneut Probleme aufgrund einer Genitalverstümmelung an und dass geplant gewesen sei, eine solche an ihr durchzuführen. Wo die BF herkomme, müssen alle Mädchen dieses Ritual durchführen, besonders aus der Gruppe ihres Vaters, der Goi. Die Schwester der BF sei aufgrund der Beschneidung an inneren Blutungen gestorben. Der zweite Grund sei ihre Zugehörigkeit zu einer politischen Partei, der CDC, welcher sie immer noch angehöre. Die Behörden und Polizei sei hinter ihr und den anderen Mitgliedern her gewesen; es habe einen Wahlbetrug gegeben und seien die BF und die anderen Mitglieder dagegen gewesen. Die BF gab erneut an, von einem Polizisten verhaftet und vergewaltigt worden zu sein.

4. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Liberia (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie der BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III., erster Teil), erließ gegen die BF eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III., zweiter Teil) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Liberia zulässig ist (Spruchpunkt III., dritter Teil). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene vollumfängliche Beschwerde vom 24.05.2016 (bei der belangten Behörde eingelangt am 30.05.2016) mit welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens moniert wurde.

6. Mit Schriftsatz vom 30.05.2016, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 25.10.2017, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

7. Das Bundesverwaltungsgericht (in Folge auch BVwG, erkennendes Gericht) führte am 13.11.2018 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher die BF als Partei einvernommen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der BF:

Die volljährige BF ist Staatsangehörige von Liberia, bekennt sich zum christlichen Glauben und gehört der Volksgruppe der Gio an. Ihre Identität steht nicht fest.

Sie ist auf traditionelle Weise verheiratet und hat ein Kind, XXXX.

Die BF ist gesund und arbeitsfähig.

Die BF reiste illegal nach Österreich und hält sich (mindestens) seit ihrer Rücküberstellung aus Norwegen am 05.08.2014 in Österreich auf.

Die Familie der BF besteht aus ihrem Sohn, ihrem Mann, mit dem sie traditionell verheiratet ist sowie ihren Eltern, einer Schwester und zwei Brüdern; bis auf einen ihrer Geschwister leben all in Liberia. In Österreich verfügt die BF über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten oder familiären Beziehungen.

Die BF besuchte 13 Jahre lang die Schule und studierte anschließend von 2006 bis 2011 Soziologie an der Universität von Liberia. Sie arbeitete auch in der Landwirtschaft und wird sie in Hinkunft eine Chance haben, am Arbeitsmarkt in Liberia unterzukommen.

Die BF ist in Österreich nicht vorbestraft.

Sie verkauft in Österreich Zeitungen, doch ist sie aufgrund des geringen Einkommens nicht selbsterhaltungsfähig, weshalb sie Leistungen von der staatlichen Grundversorgung bezieht. Seit ihrem Aufenthalt in Österreich, 05.08.2014, hat sie einen gemeldeten Wohnsitz in Österreich.

Die BF weist in Österreich folgende Integrationsmerkmale auf:

Sie hat die Deutschprüfung auf Niveau A2 besucht; eine Unterhaltung auf Deutsch ist mit ihr auf diesem Niveau auch gut möglich. Sie verfügt über einen Freundeskreis, mit welchem sie ihre Freizeit gestaltet und ist Mitglied einer christlichen Kirchengemeinschaft und dort auch ehrenamtlich tätig.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der BF:

Es ist der BF nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen.

Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass die BF in Liberia einer asylrelevanten Verfolgung iSd GFK ausgesetzt war oder im Falle einer Rückkehr ausgesetzt sein wird. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in ihrem Herkunftsstaat Liberia eine begründete Furch vor einer asylrelevanten Verfolgung drohte bzw. droht.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Liberia:

Liberia ist eine Präsidialrepublik nach amerikanischem Vorbild. Der Präsident wird für jeweils sechs Jahre und höchstens zwei Amtsperioden direkt vom Volk gewählt. Er ist Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Regierungschef und ernennt das Kabinett mit Zustimmung des Senats. Die Legislative besteht aus dem Senat mit 30 Mitgliedern, die eine Amtsperiode von neun Jahren haben, und aus einem Repräsentantenhaus mit 64 Mitgliedern, die vom Volk für jeweils sechs Jahre gewählt werden. 1984 wurde durch Volksabstimmung eine neue Verfassung in Kraft gesetzt, die sich, wie die vorhergehende, eng an das US-amerikanische Modell anlehnt. Verwaltungsmäßig gliedert sich Liberia in 15 Verwaltungsbezirke ("Counties"), die je nach Größe in unterschiedlich viele Distrikte unterteilt werden. Die liberianische Regierung ernennt die Verwaltungschefs (County Superintendent und District Commissioner) dieser nachgeordneten Einheiten. Städte verfügen über gewählte Bürgermeister und Stadträte. Neben dieser "modernen" politischen Struktur existiert eine traditionelle Führung auf unterschiedlichen Ebenen (Town Chief, Clan Chief und Paramount Chief), die vor allem in ländlichen Gebieten über beträchtlichen Einfluss verfügen. Dieser Dualismus setzt sich auch im Rechtswesen fort, wo öffentliche und traditionelle Gerichtsbarkeit nebeneinander bestehen.

Seit 2006 war Ellen Johnson Sirleaf Präsidentin und Regierungschefin des Landes. Bei den am 10.10.2017 stattfindenden (Parlaments-) und Präsidentschaftswahlen konnte sie nicht mehr kandidieren. Schwerpunkte ihrer Regierungsarbeit waren die Rehabilitierung der Straßen- und Energieinfrastruktur sowie der Wiederaufbau des Bildungs- und Gesundheitssektors. Trotz Fortschritten in der Wirtschaft, dem Erlass fast aller Auslandsschulden im Rahmen der Initiative für hochverschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries - HIPC), der Erhöhung staatlicher Einnahmen, der Verabschiedung wichtiger Gesetze, der Stabilisierung von Institutionen und Erfolgen bei der Verbesserung der Transparenz in der Rohstoffindustrie, steht Liberia weiterhin vor gewaltigen Herausforderungen. Verbreitete Korruption sowie mangelnde Kapazitäten in Verwaltung und Justiz erschweren die Durchführung der Entwicklungspläne.

Bei der Stichwahl am 26. Dezember 2017 erhielt der 51-Jährige George Manneh Weah 61,5 Prozent der Stimmen, während sein Gegner, Vizepräsident Joseph Boakai von der regierenden Einheitspartei (UP), 38,5 Prozent der Stimmen erhielt. Der ehemalige George Manneh Weah Fußballstar wurde somit zum neuen Präsidenten Liberias gewählt. Vizepräsidentin wird damit Jewel Howard Taylor. Am 22. Januar 2018 wurde Weah zum Präsidenten vereidigt. Seine Antrittsrede hielt er im Fußballstadion in Monrovia vor mehr als 35.000 Zuschauern und einem Dutzend Staatsoberhäuptern. Einige Stunden vor der offiziellen Zeremonie ist das Samuel Kanyon Doe Stadion voll.

Eines der wichtigsten Themen darin war sein Versprechen, die Korruption nachhaltig zu bekämpfen. Viele arme Menschen in Liberia setzen große Hoffnungen in Weah, der selbst in einem Slum in Monrovia aufgewachsen ist. Für Liberia ist es die erste Amtsübergabe zwischen zwei demokratisch gewählten Regierungschefs seit 1944. Darüber hinaus hat Weah versprochen, die Schaffung von Wohlstand und Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt seiner Präsidentschaft zu stellen.

Auch 14 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs und seit dem Übergang der Sicherheitsverantwortung an die nationalen Behörden im Juli 2016 ist die Sicherheitslage in Liberia zwar unter Kontrolle, aber weiterhin fragil. Die Friedenstruppe UNMIL ist noch bis Ende März 2018 vor Ort, wenn auch ressourcenmäßig weiter reduziert und primär als Unterstützer für einen evtl. Krisenfall). Die Anwesenheit von immer noch fast 12.000 ivorischen Flüchtlingen (laut BMEIA 20.000) in der Grenzregion stellt auch weiterhin eine starke humanitäre Belastung und ein potentielles zusätzliches Sicherheitsrisiko dar.

Die Ebola-Epidemie 2014/2015 stellte eine enorme Herausforderung für die staatlichen Strukturen Liberias dar. Präsidentin Johnson Sirleaf verhängte zeitweilig sogar den Staatsnotstand. Nach drei örtlich und bezüglich der Zahl der Infizierten eng begrenzten Folgeausbrüchen (zuletzt Ende März 2016; alle im Großraum Monrovia) erklärte die WHO Liberia am 9.6.2016 wieder für Ebola-frei.

Unter dem Begriff poro werden eine Vielzahl in ganz Westafrika verbreiteter Geheimbünde zusammengefasst. Die poro-Geheimbünde, denen nur Männer angehören, erfüllen wichtige Aufgaben bei der Initiation von Jungen und allen Aspekten des politischen und religiösen Lebens. Die poro waren vor der Ankunft staatlicher und kirchlicher Bildungsinstitutionen die zentrale Erziehungsinstitution in dieser Region und sorgten für die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung.

Die Zugehörigkeit zu Poro ist nur Männern vorbehalten, der Beitritt zu einem Bund ist freiwillig, erfolgt aber häufig unter sozialem Druck. Auch ist bei den Geheimbünden nicht die Mitgliedschaft ein gehütetes Geheimnis, vielmehr das erworbene Wissen. Der Wissenserwerb ist wiederum nur in zeitlich auseinanderliegenden Phasen möglich, meist sind zu jeder neuen Phase Prüfungen oder Rituale vorgeschrieben. Ein Austritt aus einem Geheimbund ist nicht vorgesehen, um die Kontrolle über das Geheimwissen nicht zu verlieren. Innerhalb der Geheimbünde besteht eine hierarchische Struktur, die nicht deckungsgleich mit der vorgefundenen sozialen und politischen Struktur sein wird.

Die Bünde zeigen sich auch bewusst in der Öffentlichkeit: durch den Auftritt ihrer Masken. Diese zeigen sich z.B. zu sogenannten Initiationsriten (Übergangsrituale vom Kind zum Erwachsenen) oder wenn bedeutende Persönlichkeiten ins Dorf kommen. Diese Auftritte sind immer wieder ein großes Ereignis, wenn die Geheimbünde auf die Bühne treten!

Von den drei Bünden ist Poro der bedeutsamste. Die gesamte einheimische Bevölkerung untersteht seiner Gerichtsbarkeit. Er stellt im Wesentlichen eine Art Freimaurerloge bzw. Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit dar, dessen Hauptaspekte sich auf sowohl im Religiösen (Initiation des Heranwachsenden) als auch auf das zivile Leben erstrecken. Hier werden Gesetze gemacht und über Krieg und Frieden entschieden.

Der Poro verfügt über ein umfangreiches Repertoire an Ritualen, Begriffen, Tätowierungen und Symbolen, deren Details für Außenstehende unbekannt sind, da die beeidete Geheimhaltung unverbrüchlich ist. Man versammelt sich in der Trockenzeit, zwischen Oktober und Mai im Urwald. Ein umzäunter Bereich mit aus Matten errichteten von überhängenden Bäumen bedachten Wohnungen dient als Versammlungsraum.

Die Hierarchie umfasst dabei drei Grade: der Erste für die Häuptlinge und prominenten Männer, der Zweite für die "Fetisch" Priester und der Dritte für die Gemeinde. Die Zeremonien des sierra-leonischen Purrah werden vom Poro-Teufel, einem Mann im Fetischkleid, geleitet der die Gemeinde durch ein langes hölzernes Rohr anspricht.

In Liberia tritt der Poro-Teufel bei Anwesenheit von Frauen, Kindern und Nichtmitgliedern nicht in Erscheinung. Der Gbetoo ist die einzige "Fetisch, der mit einem langen hölzernen Rohr" bekleidet und als solche Hülle sichtbar ist. Dieser Poro-Teufel ist selbst den meisten Mitgliedern unsichtbar.

Poro vermag sein Tabu auf alles oder jedes zu setzen; und da kein Einheimischer riskieren würde, seine Macht anzutasten, führte es zu erheblichen Versorgungsproblemen, als das Getreide mit dem Tabu belegt wurde. 1897 erließen die britische bzw. die lokale Regierung eine Verordnung, die das Auferlegen eines Tabus auf alle einheimischen Nahrungsgüter generell verbot.

In Liberia war der Poro ein Versuch der indigenen Bevölkerung die Kolonisten und deren Staat in die lokalen Beziehungsnetzwerke einzubinden. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass der Poro in Vielem den bei den schwarzen Siedlern, den so genannten Americo-Liberianern, weit verbreiteten Freimaurerlogen und deren Ritualen glich. In den 1950er Jahren unternahm der liberianische Staat Versuche den Poro bei der Ausweitung seiner Herrschaft über die ethnischen Gruppen des Hinterlandes einzusetzen. Diese Bestrebungen gipfelten darin, dass der Präsident Liberias seit den 1950er Jahren auch das Oberhaupt aller Poro-Bünde des Landes ist. Der Poro wandelte sich somit von einer Institution, mit dem die indigene Bevölkerung die Vertreter des Kolonialstaates zu kontrollieren versuchte, zu einem Herrschaftsinstrument mit dem der Staat versuchte seine Herrschaft über die indigene Bevölkerung auszudehnen.

Es gibt keinerlei Hinweise auf Kannibalismus in diesen regulären poro- Geheimbünden. Jedoch gab es seit dem späten 19. Jahrhundert immer wieder Berichte über in noch größerer Verborgenheit operierende Geheimbünde, den so genannten Leopardmenschen oder Alligatormenschen, die angeblich magischen Kannibalismus praktizierten, um ihre mentalen und physischen Kräfte zu mehren. Berichte über die Aktivitäten dieser Geheimbünde sind auch im 20. Jahrhundert immer wieder aufgetaucht, es kam auch zu vereinzelten Prozessen in beiden Ländern. Seit dem 16. Jahrhundert spielte in dieser Region eine weitere Form von Geheimbünden eine wichtige Rolle bei der Kriegsplanung und -führung. Diese exklusiven Bünde, in manchen Gegenden unter dem Namen wunde bekannt, waren nur ausgewählten Mitgliedern der regulären poro-Bünde vorbehalten und praktizierten nach zeitgenössischen Berichten magischen Kannibalismus in ihren Kriegszeremonien.

Das Justizministerium ist für die Umsetzung der Gesetze und die Aufrechterhaltung der Ordnung im Land zuständig, mitunter für die Beaufsichtigung der LNP (Liberia National Police) und weiterer Strafverfolgungsbehörden. Die Streitkräfte von Liberia (Armed Forces Liberia) sind für Landesverteidigung bzw. die äußere Sicherheit zuständig. Sie haben aber auch Aufgaben in Bezug auf die innerstaatliche Sicherheit, insbesondere die Küstenwache. Die United Nations Mission in Liberia (UNMIL) hat bereits offiziell die volle Sicherheitsverantwortung an Liberia zurückgegeben, obwohl eine Resttruppe von 1.240 Soldaten und 606 U.N.-Polizisten übrig ist.

Die zivilen Behörden haben im Allgemeinen wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte beibehalten.

Eine Reihe von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen arbeiteten ohne staatliche Einschränkung und untersuchten und veröffentlichten ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Regierungsbeamte waren im Allgemeinen kooperativ und reagierten auf ihre Ansichten, auch wenn sie manchmal nur langsam auf Ersuchen um Unterstützung bei Ermittlungen im Zusammenhang mit der Verfolgung von Personen reagierten, die während des Bürgerkriegs Gräueltaten begangen hatten.

Die Abteilung des Justizministeriums für den Schutz der Menschenrechte unterhält monatliche Sitzungen und bietet so ein Forum für nationale und internationale Menschenrechts-NGOs, um der Regierung Angelegenheiten (einschließlich Gesetzesvorschläge) vorzustellen. Das UN-Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR) fungiert als unabhängige Kontrollinstanz im Rahmen ihres Auftrags, Menschenrechtsverletzungen im Land zu überwachen.

Die Menschenrechtssituation hat sich im ganzen Land kontinuierlich gebessert. Seit Ende des Krieges hat Liberia Fortschritte bei der Gewährung internationaler Menschenrechte gemacht. Trotzdem gilt es noch, eine Reihe von Herausforderungen zu bewältigen, vor allem in der Rechtsprechung und Rechtsstaatlichkeit, wo es immer noch gravierende Unzulänglichkeiten im Justizsystem gibt. Staatliche Sicherheitskräfte verhafteten manchmal Journalisten, weil sie angeblich kriminell verleumderische Meinungen veröffentlichen und die Regierung kritisieren. Darüber hinaus nehmen Sicherheitskräfte weiterhin willkürliche Verhaftungen vor, angeblich um kriminelle Aktivitäten zu verhindern.

Die unabhängige nationale Kommission für Menschenrechte (Independent National Commission on Human Rights - INCHR) ist seit 2009 für die Förderung der nationalen Umsetzung und Einhaltung der von Liberia unterzeichneten internationalen und regionalen Menschenrechtsverträge zuständig, ist aber öffentlich bisher nur punktuell in Erscheinung getreten.

Neben den Organisationen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit sind verschiedene kirchliche und private Hilfswerke in Liberia aktiv. Cap Anamur hat bis Mitte 2010 in Monrovia eine Klinik für psychisch kranke Menschen - oft traumatisierte Bürgerkriegsopfer - unterhalten. Misereor-Partnerorganisationen kümmern sich um kriegsgeschädigte Kinder in Liberia und eröffnen ihnen Perspektiven für ein Leben im Frieden. Außerdem berät Misereor Gesundheitseinrichtungen. Die Diakonie Katastrophenhilfe war bei der Behandlung von Ebolapatienten aktiv tätig und hat zusammen mit Brot für die Welt und dem Deutschen Institut für Ärztliche Mission (Difäm) Menschen vor Ort im Kampf gegen Ebola gestärkt und über die kirchlichen Gesundheitseinrichtungen eine Basisversorgung aufrecht erhalten. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat ein Ebola-Behandlungszentrum betrieben, das aber auf Grund des deutlichen Rückgangs der Ebola-Neuinfektionen in Liberia keine Ebola-Patienten behandelt hat. Stattdessen wurde das Behandlungszentrum für eine temporäre Unterstützung des liberianischen Gesundheitssystems bei der Behandlung von Nicht-Ebola-Infektionskrankheiten eingesetzt und nach einigen Monaten geschlossen. Brot für die Welt und die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) unterstützen liberianische Nichtregierungsorganisationen durch die Entsendung von Entwicklungshelfern und Friedensfachkräften, im Bildungsbereich zum Beispiel das Kofi-Annan-Institut für Konflikttransformation (KAICT) der liberianischen Universität und den Nationalen Verband für Erwachsenenbildung in Liberia (NAEAL).

Die Verfassung sieht Rede- und Pressefreiheit vor und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen, wenn auch mit gewissen Einschränkungen. Die Medien operieren weitgehend ohne Beschränkungen durch die Regierung. Für die meisten Bürger Liberias ist der Rundfunk die wichtigste Informationsquelle. Am 21.7.2012 hat Präsidentin Johnson Sirleaf die Table Mountain Declaration unterzeichnet, ein Schritt hin zur Abschaffung von repressiven Maßnahmen gegenüber afrikanischen Journalistinnen und Journalisten. Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2017 belegt Liberia Platz 94 von 180.

Die Verfassung sieht die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vor, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen. Für öffentliche Versammlungen sind Genehmigungen erforderlich. Oppositionsparteien können frei für ihre Ziele werben. Zivilgesellschaftliche Organisationen, zum Beispiel Straßenhändler, protestierten wiederholt und blockierten Hauptstraßen ohne Belästigung. Bei Eskalationen, übten Exekutivbeamte weiterhin exzessive Gewalt aus.

Die Verfassung gewährleistet Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung. Die Regierung respektierte diese Rechte im Allgemeinen in der Praxis. Jedoch unterzogen Beamte der LNP (Liberia National Police) und des Immigrationsbüros gelegentlich Reisende willkürlichen Durchsuchungen oder erpressten Schmiergelder von ihnen an offiziellen und inoffiziellen Kontrollpunkten.

Während sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert und die Stabilität gestärkt haben, ist der Lebensstandard kaum gestiegen. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung lebt in bitterer Armut. Liberia zählt stets zu den ärmsten Ländern der Welt. Im Human Development Index (HDI) belegte Liberia 2014 Platz 177 von

188. Fast 90 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als USD 3,10 pro Tag. Liberia ist reich an natürlichen Ressourcen. Allein die Eisenerzvorkommen werden auf zwei bis fünf Milliarden Tonnen geschätzt. Vor der Küste wurden Erdölvorkommen entdeckt, deren Förderbarkeit und kommerzieller Wert jedoch noch geprüft werden müssen.

Wichtigste Exportgüter bleiben Rohstoffe, vor allem Eisenerz und Rohkautschuk, aber auch Palmöl und Holz sowie Gold und Diamanten, Kaffee und Ananas (AA 3.2017a; vgl. GIZ 3.2018b). Das liberianische Schifffahrtsregister zählt zu den größten der Welt und sorgt für einen Großteil der Deviseneinkünfte des westafrikanischen Landes. Gleichzeitig müssen Lebensmittel - vor allem Reis - und Treibstoffe teuer importiert werden. Trotz dieses Fortschritts und den enormen Rohstoffvorkommen ist die Handelsbilanz Liberias defizitär.

Darüber hinaus sind seit 2015 - insbesondere in Folge der Ebola-Epidemie deutliche Wachstumseinbußen zu verzeichnen. Viele ausländische Unternehmen reduzierten ihr internationales Personal oder zogen es ganz ab. Liberia hatte sich in den letzten zehn Jahren wirtschaftlich positiv entwickelt. Seine Wirtschaft ist in diesem Zeitraum durchschnittlich um mehr als sechs Prozent pro Jahr gewachsen.

Es gibt gute Voraussetzungen für nachhaltige Landwirtschaft, die derzeit noch mehr als 60 Prozent des BIP erbringt. Die wichtigsten makroökonomischen Kennzahlen waren in den Jahren vor Ausbruch der Ebola-Epidemie gut. Liberia hatte hohe Wachstumsraten bei nur moderater Staatsverschuldung - nach Erlass von rund 4,6 Milliarden US-Dollar Auslandsschulden.

Liberia ist eines der am stärksten urbanisierten Länder der Region, etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt in städtischen Gebieten, etwa ein Drittel in der Hauptstadt. Dies ist zum Teil das Vermächtnis des Bürgerkriegs, als die Städte vergleichsweise sicher waren und Binnenflüchtlinge anzogen. Der Industriesektor ist klein, und die Chancen in der städtischen Wirtschaft sind gering. Private Unternehmen dominieren die Wirtschaft und gelten als Motoren der Entwicklung.

Die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit, bleibt weiterhin sehr hoch. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung dürften unterbeschäftigt bzw. im informellen Sektor tätig sein, bestätigte Zahlen dazu gibt es jedoch nicht. Die Inflation lag 2016 bei etwa 8,7 Prozent, ausgelöst durch den weltweiten Anstieg der Nahrungsmittelpreise und den fallenden Kurs des liberianischen Dollars.

Vor allem in ländlichen Gebieten ist der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen aufgrund der schlechten Transportinfrastruktur weiterhin sehr schwierig. Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen und vielfach technisch, apparativ und/ oder hygienisch problematisch. Die ärztliche Versorgung auch in Monrovia ist aufgrund des Mangels an Fachärzten begrenzt.

Zurzeit werden noch drei Viertel aller medizinischen Einrichtungen von - zumeist ausländischen - Nichtregierungsorganisationen betrieben, aber dieser Anteil wird in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach deutlich sinken. Die liberianische Regierung ist daher bemüht, mehr Fachkräfte für den Gesundheitssektor auszubilden. Das hat noch einmal an Bedeutung gewonnen, nachdem sich während des Ebolaausbruchs 2014/15 mehr als 200 Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger mit dem Ebola-Virus infiziert haben und ca. 100 davon gestorben sind. Selbst vor dieser Krise gab es in Liberia nur einen Arzt für 10 000 Menschen.

Die Regierung arbeitete mit dem Büro des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) und weiteren humanitären Organisationen und Geberländern zusammen, um Binnenvertriebenen, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen, Asylwerbern, Staatenlosen und anderen betroffenen Personen Schutz und Hilfe zu bieten (USDOS 3.3.2017). UNHCR arbeitet mit der Regierung von Liberia und der Liberia Refugee Repatriation and Resettlement Commission (LRRRC) zusammen und stellt NGOs finanzielle Mittel zur Verfügung, um Flüchtlingen und Asylsuchenden Schutz und Hilfe bereitzustellen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 13.11.2018.

2.2. Zur Person der BF:

Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihrem allgemeinen Gesundheitszustand, ihrer Herkunft, Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben der BF im Rahmen ihrer Ersteinvernahme sowie vor der belangten Behörde und dem BVwG im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13.11.2018. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person der BF aufgekommen.

Dass die BF arbeitsfähig ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass sie durch den Zeitungsverkauf bereits - wenn auch nur in untergeordnetem Ausmaß - einer Arbeit nachgeht; ihre Arbeitswilligkeit konnte aufgrund des persönlich gewonnenen Eindruckes der erkennenden Richterin festgestellt werden.

Da die BF den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht ihre Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 18.09.2019.

Dass die BF ein nur geringes Einkommen durch den Verkauf von Zeitungen erzielt und sie deshalb auch noch Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich einerseits aus dem, dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, am 18.09.2019 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem sowie aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben der BF vor dem BVwG am 13.11.2018. Aus dem ZMR-Auszug vom 18.09.2019 geht hervor, dass die BF seit ihrer Rücküberstellung aus Norwegen am 05.08.2014 über einen aufrecht gemeldeten Wohnsitz in Österreich verfügt.

Das vorgelegte Konvolut an Empfehlungsschreiben zeigt auch auf, dass die BF in Österreich über Freundschaften verfügt und zumindest eine soziale Integration aufweist. Die Feststellung bezüglich den Sprachkenntnissen der BF beruht auf dem ÖIF-Zeugnis vom 15.09.2018 sowie dem persönlich gewonnenen Eindruck der erkennenden Richterin in der Verhandlung am 13.11.2018.

Dass die BF Mitglied einer christlichen Kirchengemeinschaft ist und dort auch ehrenamtliche Tätigkeiten verrichtet, konnte aufgrund der vorgelegten Bestätigung der Kirche vom 11.11.2018 festgestellt werden.

2.3. Zu den Fluchtgründen der BF:

Wie im Folgenden näher ausgeführt wird, ist es der BF nicht gelungen, asylrelevante Fluchtgründe glaubhaft zu machen:

Zunächst ist anzuführen, dass sich die BF in zahlreiche Widersprüche verstrickt. So gab sie etwa im Zuge ihrer Erstbefragung am 12.08.2014 an, Angst vor einer Beschneidung gehabt zu haben, da ihre ältere Schwester an den Folgen einer solchen verstorben sei (Protokoll vom 12.08.2014, S. 5); dies wiederholte sie auch vor der belangten Behörde (Protokoll vom 27.05.2015, S. 7). Vor dem BVwG gibt die BF dann an, vom Tod ihrer Schwester aufgrund der Beschneidung im Jahr 2016 - als sie bereits seit zwei Jahren in Österreich aufhältig war - erfahren zu haben (Protokoll vom 13.11.2019, S. 12). Dies steht jedoch in eklatantem Widerspruch zu ihren vorherigen Angaben, wonach sie vor der Beschneidung, die an ihr hätte vorgenommen werden sollen, vor allem wegen dem Tod ihrer Schwester Angst gehabt habe.

Die Widersprüchlichkeiten in den Aussagen der BF zu ihrer Fluchtgeschichte ziehen sich weiter: So etwa, wenn die BF bei ihrer Ersteinvernahme angibt, von einem Freund gewarnt worden zu sein, weil die Polizei gegen CDC-Mitglieder vorgehe, woraufhin sie sich versteckt habe, jedoch trotzdem von der Polizei ergriffen worden sei (Protokoll vom 12.08.2014, S. 5); vor dem BVwG gibt sie hingegen an, während dem Verteilen von Flyern auf einem öffentlichen Platz verhaftet worden zu sein. Die BF vermag diese Unstimmigkeit auch nicht plausibel aufzuklären: "Ja, ich habe es so gesagt. Es hat mich zuvor jemand angerufen, der gesagt hat, wie die Situation war und dann bin ich aus dem Versteck herausgekommen und hatte die Flyer in der Hand, dann bin ich von der Polizei festgenommen worden. Als ich den Anruf bekommen habe, habe ich mich versteckt, danach bin ich wieder herausgekommen." (Protokoll vom 13.11.2018, s. 11).

Im Zusammenhang mit ihrer Festnahme gab die BF sowohl vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen ihrer Erstbefragung als auch vor der belangten Behörde an, von einem der Polizisten vergewaltigt worden zu sein (Protokoll vom 12.08.2014, S. 5 und vom 27.05.2015, S. 8); diesen doch wesentlichen Umstand brachte sie vor dem BVwG jedoch nicht mehr zur Sprache. Abgesehen davon, sind ihre Schilderungen bezüglich der Vergewaltigung auch nicht nachvollziehbar; so gab sie an, festgenommen und an einen ihr unbekannten Ort gebracht und dann im Auto vergewaltigt worden zu sein, von wo aus sie flüchten habe können (Protokoll vom 12.08.2014, S. 5). Die Reihung dieser Abläufe lässt sich nicht miteinander in Einklang bringen, wäre doch davon auszugehen, dass sie mit dem Auto an den unbekannten Ort verbracht wurde und erst von dort flüchten konnte.

Es ist der BF weiters nicht gelungen, eine konkrete Bedrohungssituation glaubhaft zu machen; dies weder im Zusammenhang mit einer geplanten Beschneidung noch aufgrund ihrer politischen Tätigkeit. So erzählte sie ihre Festnahme wegen der Teilnahme an einer Wahlkampagne äußerst detailarm und konnte sie nicht plausible darlegen, wieso unter all den Parteimitgliedern nur sie festgenommen wurde (Protokoll vom 13.11.2018, S. 10):

"RI: Sie haben davor gesagt, wir und dann nur ich. Was meinen Sie mit "wir"? Wer sind "wir"? Sind nur Sie festgenommen worden?

BF: Nur ich bin festgenommen worden, die anderen sind weggelaufen.

RI: Wie viele waren die anderen?

BF: Sehr viele, man hat sie nach Sakepie geschickt, um die Kampagne zu führen.

RI: Wo genau in Sakepie waren Sie? Was haben Sie in dem Moment konkret gemacht?

BF: Ich war im Freien in Sakepie, auf einem Platz und hatte Flyer in meiner Hand mit der CDC-Wahlwerbung und sie haben es gesehen und haben mich verhaftet. Es waren auch andere von der CDC dort, es waren vielleicht 15 oder 20 Leute, wir waren eine Gruppe.

RI: Hatten Sie eine besondere Position?

BF: Nein, ich hatte dieselbe wie alle anderen.

RI: Warum wurden gerade Sie festgenommen?

BF: Weil ich Flyer in der Hand gehabt habe und sie gewusst haben, dass ich zur CDC gehöre, die anderen sind weggelaufen. Ich konnte nicht weglaufen, ich habe es zu spät gemerkt. Es waren drei Polizisten die mich festgenommen haben, wie viele es insgesamt waren, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass drei dort waren als sie mich festgenommen haben, vielleicht waren auch mehrere.

..."

Die BF konnte für die erkennende Richterin nicht nachvollziehbar erklären, wieso sie die einzige Person gewesen sein soll, die es nicht geschafft hat, wegzulaufen.

Im Zusammenhang mit ihrem weiteren Fluchtgrund, nämlich der Beschneidung, ist anzuführen, dass die BF auch diesbezüglich nur sehr vage Äußerungen tätigte; auf den Widerspruch bezüglich ihrer verstorbenen Schwester wurde bereits eingegangen. Hinzu kommt, dass es nicht plausibel ist, wenn die BF angibt, nach ihrer Verhaftung Flucht bei ihrer Großmutter gesucht zu haben, obwohl diese eine Beschneidung befürwortet habe und die BF deshalb Jahre zuvor aus diesem Ort geflüchtet sei (Protokoll vom 13.11.2018, S. 7).

Zusammengefasst ist der BF aufgrund ihrer widersprüchlichen, oberflächlichen und vagen Ausführungen insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen und konnte sie daher keine asylrelevanten Fluchtgründe glaubhaft machen. Auch die Tatsache, dass die BF nach ihrer Rücküberstellung aus Norwegen nicht gleich einen Asylantrag in Österreich stellen wollte, sondern angab, in ihr Heimatland zurückkehren zu wollen, lässt darauf schließen, dass sie in Liberia keine lebensbedrohlichen Zustände befürchtete.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Liberia ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

-

AA - Auswärtiges Amt: (20.3.2018): Reise- und Sicherheitshinweise

-

Liberia,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/liberia-node/liberiasicherheit/222378, Zugriff 20.3.2018

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Liberia - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/liberia-node/-/222404, Zugriff 20.3.2018

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (8.1.2018): Briefing Notes,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1423373/5734_1517489986_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-08-01-2018-englisch.pdf, Zugriff 26.3.2018

-

DS - der Standard (22.1.2018): International, Afrika, Liberia, George Weah als Liberias Präsident vereidigt, https://derstandard.at/2000072773862/George-Weah-als-Liberias-Praesident-vereidigt, Zugriff 10.4.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018a): Geschichte & Staat - Liberia, http://liportal.giz.de/liberia/geschichte-staat/, Zugriff 26.3.2018

-

JA - Jeune Afrique (22.1.2018): Politique, Libéria, George Weah investi président du Liberia devant des dizaines de milliers de personnes,

http://www.jeuneafrique.com/518474/politique/liberia-george-weah-investi-president-ce-lundi/, Zugriff 10.4.2018

-

AI - Amnesty International (22.1.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1425482.html, Zugriff 26.3.2018

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Liberia,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Liberia.pdf, Zugriff 23.3.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018a): Geschichte & Staat - Liberia, https://www.liportal.de/liberia/geschichte-staat/, Zugriff 28.3.2018

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 26.3.2018

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 23.3.2018

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017b): Liberia - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/liberia-node/-/222362, Zugriff 23.3.2018

-

AA - Auswärtiges Amt (23.2018): Liberia - Reise und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/liberia-node/-/222362, Zugriff 23.3.2018

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Liberia,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Liberia.pdf, Zugriff 26.3.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018b): Wirtschaft & Entwicklung - Liberia, https://www.liportal.de/liberia/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 23.3.2018

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äusseres (20.3.2018): Reiseinformationen - Liberia, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/ reiseinformation/a-z-laender/liberia-de.html, Zugriff 20.3.2018

-

AI - Amnesty International (22.1.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1425482.html, Zugriff 20.3.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018c): Gesellschaft - Liberia, https://www.liportal.de/liberia/gesellschaft/, Zugriff 26.3.2018

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 20.3.2018

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017b): Liberia - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/liberia-node/-/222362, Zugriff 23.3.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018b): Wirtschaft & Entwicklung - Liberia, https://www.liportal.de/liberia/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 23.3.2018

-

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (10.2017): Liberia; Fact Sheet,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1419367/1930_1512565337_60915.pdf, Zugriff 30.3.2018

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 26.3.2018

-

Auszug aus Wikipedia zum Geheimbund Poro, Zugriff 22.01.2019, https://de.wikipedia.org/wiki/Poro_(Geheimbund)

-

Accord - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung zu Liberia Informationen zur Poro-Gesellschaft vom 22.09.2017, https://ecoi.net/de/Dokument/1410296.html

-

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 20.09.2016 zu Liberia; Informationen zum Geheimbund Sande Society

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die BF trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

Trotz der verstrichenen Zeit zwischen der mündlichen Verhandlung und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu getroffenen Länderfeststellungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten