TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/11 I408 2140695-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.2019
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Entscheidungsdatum

11.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §52
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2140695-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald

NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb: XXXX,

StA. IRAK, vertreten durch: ARGE RECHTSBERATUNG - Diakonie und Flüchtlingsdienst gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.10.2016, Zl. 1091265708-151555577, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.09.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird zu den Spruchpunkten I. und II. als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben und eine Rückkehrentscheidung gegen XXXX auf Dauer für unzulässig erklärt.

XXXX wird der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 14.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, er sei nach der Flucht seiner Familie 2004 nach Damaskus aufgrund des Krieges in Syrien im Frühjahr 2014 in den Irak nach Erbil zurückgeschickt worden. Nach 6 Monaten habe er den Irak wegen kurdischer Übergriffe verlassen und danach 9 Monate in der Türkei gelebt. Von dort sei er dann mit den von den jeweiligen Staaten zur Verfügung gestellten Busse und Züge über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Ungarn nach Österreich gelangt.

2. Am 30.06.2015 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde einvernommen und wiederholte dabei im Wesentlichen seine bei der Ersteinvernahme angeführte Fluchtgeschichte. Er könne wegen der Religion weder nach Syrien, wo seine Familie weiterhin lebe, noch in den Irak zurückkehren. Er habe keine Religion und werde daher in beiden Ländern, in denen die Religion an erster Stelle stehe, mit dem Tod bedroht. Außerdem bekomme er wegen seiner Kleidung und seinen Tattoos in der Gesellschaft (mit den Milizen) Probleme.

3. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 31.10.2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). 4. Gegen diesen dem Beschwerdeführer richtete sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 22.11.2016.

5. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.06.2019 wurde das Verfahren am 01.07.2019 dem erkennenden Richter zugewiesen.

6. Am 09.09.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in der die gegenständliche Entscheidung mündlich verkündet wurde.

7. Am 13.09.2019 stellte die belangte Behörde einen Antrag auf Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Irak und Sunnit, bezeichnet sich aber als Atheist. Er hält sich nach illegaler Einreise seit Oktober 2015 in Österreich auf. Seine Identität steht nicht fest.

Die Kernfamilie des Beschwerdeführers lebt in Syrien, hat mit dem Beschwerdeführer, der damals 8 alt war, den Irak 2004 verlassen und hält sich seither in Damaskus auf. 2013 reiste der Beschwerdeführer alleine in den Irak zurück und versuchte in Erbil Fuß zu fassen. Er war dort in einem Fitnessstudio beschäftigt und verließ 6 Monate später wieder den Irak in Richtung Türkei, wo er sich zumindest 9 Monate aufhielt und von dort im Zuge der Flüchtlingswelle 2015 nach Österreich gelangte. Persönliche oder soziale Bindungen bzw. Anknüpfungspunkte in seinem Herkunftsstaat konnten nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig und in Österreich nicht vorbestraft.

Er bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist derzeit ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er ist alleinstehend und lebt seit Juni 2016 mit 6 anderen Mitbewohnern in einer Wohngemeinschaft, die sich zum Ziel gesetzt haben, einem Flüchtling zu helfen.

Der Beschwerdeführer nutzte diese Möglichkeit und lernte in diesem multikulturellen Umfeld sehr gut Deutsch, hat Prüfungen auf Niveau A1 und A2 positiv abgelegt, steht vor dem Abschluss des Kurses auf Niveau B1 und konnte in der mündlichen Verhandlung alle Fragen ohne Dolmetscher verstehen und beantworten. Er bringt sich nicht nur aktiv in die Wohngemeinschaft ein und hilft im Wege der Nachbarschaftshilfe Personen in der unmittelbaren Umgebung, sondern ist in vielen Vereinen und kulturellen Initiativen ehrenamtlich tätig, wie im Verein MARK für kulturelle und soziale Arbeit, im XXXX und in der XXXX Tafel, einem Verein für sozialen Ausgleich. Im letztgenannten Verein bringt er sich seit April 2017 in unterschiedlichen Bereichen ein, beginnend bei der Abholung und Verteilung von Lebensmitteln sowie beim Verkauf im Ausgabelokal XXXX. Besonders hervorgehoben wird sein netter, herzlicher und selbstverständlicher Umgang mit den KlientInnen des Vereines unabhängig von ihrer (sozialen) Schicht, des Geschlechtes, der Herkunft und der Religion. Mit seinen Deutschkenntnissen ist er mit Übersetzungsarbeiten eine Stütze zur Überwindung sprachlicher Barrieren. Zudem versuchte er sich über das Bildungsprogramm "Wegweiser" der Österreichischen Hochschülerschaft der Universität Salzburg (Flüchtlingsinitiative MORE by students - MORE for refugees) über Projekte und mögliche Ausbildungswege für eine künftige Tätigkeit im Pflegebereich zu informieren.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hat den Irak aus anderen Gründen, als auf wohlbegründeter Furcht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen. Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte beschwerdegegenständlich nicht festgestellt werden, ebenso wenig eine Verfolgung aufgrund seines Glaubens, sei es als Sunnit, aber auch als Atheist.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise einer individuellen und aktuellen Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen im Herkunftsstaat ausgesetzt gewesen wäre bzw. im Fall seiner Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein würde.

Im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Irak wird der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt sein. Es liegen auch keine sonstigen Gründe vor, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat Irak entgegenstünden.

Die Sicherheitslage und die wirtschaftliche Lage hat sich im Irak zwischenzeitlich insoweit stabilisiert, dass ein junger und arbeitsfähiger Mann in der Lage ist, dort unbehelligt zu leben und seine existenziellen Bedürfnisse zu bestreiten.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Irak:

Nach den bewaffneten Auseinandersetzungen der letzten Jahre, insbesondere der Kampf gegen den IS, hat sich die Sicherheitslage, vor allen in den Ballungszentren stabilisiert, die staatlichen Organe beginnen zu funktionieren (zB Parlamentswahlen, Eingliederung der bewaffneten Milizen in die Armee, etc.) und der Wiederaufbau des zerstörten Landes (Infrastruktur, Wirtschaft) ist im Gange. Dabei handelt es sich um einen Prozess, der immer wieder mit Rückschlägen behaftet ist (gewalttätige Anschläge, Übergriffe von Milizen und Einzelpersonen, Korruption, tiefes Misstrauen zwischen politischen und religiösen Grupperungen) und man von einem europäischen Niveau in vielen Belangen noch weit entfernt ist. Rückkehrer, die gesund und arbeitsfähig sind und bei denen keine konkreten, auf die Person bezogenen Bedrohungsszenarien gegeben sind keiner unmittelbaren Bedrohung auf Leben und Leben ausgesetzt.

Sunniten:

Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richteten sich 2017 vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.2.2018). Es gab zahlreiche Berichte über Festnahmen und die vorübergehende Internierung von überwiegend sunnitisch-arabischen IDPs durch Regierungskräfte, die PMF und die Peshmerga (USDOS. 20.4.2018)

Eine systematische Verfolgung von Sunniten ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar und auch nicht feststellebar.

Atheisten:

Das irakische Strafgesetzbuch enthält keine Artikel, die eine direkte Bestrafung für Atheismus vorsehen. Es gibt auch keine speziellen Gesetze, die Strafen für Atheisten vorsehen. (Al-Monitor 1.4.2018; vgl. EASO 7.2017, EASO 11.4.2018, Landinfo 29.8.2018). Die irakische Verfassung garantiert Atheisten nicht die freie Glaubensausübung (USDOS 29.5.2018). Im März 2018 wurden in Dhi Qar Haftbefehle gegen vier Iraker aufgrund von Atheismus-Vorwürfen erlassen (Al-Monitor 1.4.2018)

Der Irak ist ein zutiefst religiöses Land, in dem Atheismus selten ist (PRI 17.1.2018; vgl. RDC 31.1.2018). Trotzdem berichten Universitätsstudenten landesweit, dass es noch nie so viele Atheisten im Irak gegeben habe wie heute (WZ 9.10.2018).

Obwohl in der Bevölkerung verschiedene Grade der Religiosität vertreten sind und ein Segment der Iraker eine säkulare Weltanschauung vertritt, ist es dennoch selten, dass sich jemand öffentlich zum Atheismus bekennt. Die meisten Atheisten verstecken ihre Identität. Manchmal sagen sie, dass sie Muslime seien, insgeheim sind sie jedoch Atheisten (EASO 7.2017).

Viele Geistliche, die islamischen politischen Parteien nahestehen, haben missverständliche Vorstellungen zu dem Thema und bezeichnen z. B. oft den Säkularismus als Atheismus (Al-Monitor 1.4.2018) Einige Politiker führender konfessioneller Parteien verurteilten Säkularismus und Atheismus und reagierten damit offenbar auf einen Wandel in der öffentlichen Meinung nach dem IS-Konflikt, gegen religiösen Extremismus und den politischen Islam (FH 1.2018).

Berichten zufolge gibt es auch eine wachsende Bewegung von Agnostikern. Dazu kommen viele Menschen, die zwar bestimmte religiöse Erscheinungen oder Überzeugungen kritisieren, den generellen Rahmen der Religiösität jedoch nicht aufgeben (Al-Monitor 6.3.2014). Eine wachsende Gruppe junger Iraker spricht frei über Säkularismus, Atheismus und den Bedarf ihres Landes an nicht-konfessionellen Institutionen. Während ihr Einfluss begrenzt ist, spiegelt ihre Frustration über die konfessionelle Politik einen breiteren Trend im Land wider. Die Welle des "Facebook-Säkularismus" muss die irakische Politik jedoch erst erreichen (Defense One 5.7.2018).

Eine gezielte Bedrohung von Atheisten und Agnostiker kann darin nicht gesehen werden

Tätowierung:

Tätowierungen werden zwar von Teilen der Gesellschaft abgelehnt, doch eine gezielte Verfolgung ist nicht gegeben bzw. erkennbar.

Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch aufgrund seiner persönlichen Eigenheiten bei einer Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt wird.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die Beschwerde und in den angefochtenen Bescheid, in den vorgelegten Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen, in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Irak und durch Befragung des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 09.09.2019.

Zudem wurden ergänzend Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) eingeholt.

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf die Angaben zu seiner Person im Wesentlichen während des gesamten Verfahrens gleichbleibend blieb, offen und unbekümmert über seine persönliche Entwicklung sprach und damit glaubwürdig war. Da der Beschwerdeführer keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat, steht aber seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 09.09.2019. Dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, basiert auf seinen diesbezüglich glaubhaften Aussagen in der mündlichen Verhandlung vom 09.09.2019 und aufgrund des persönlich gewonnenen Eindrucks durch das Bundesverwaltungsgericht im Zuge dieser Verhandlung.

Die Feststellungen zur Familie des Beschwerdeführers basieren auf seinen Angaben im Rahmen der der Erstbefragung am 15.10.2015, vor der belangten Behörde am 12.05.2016 und vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 09.09.2019. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer sich seit seiner Kindheit in Syrien aufhält und erst 2013 wieder versuchte (kurzfristig) im Irak Fuß zu fassen. Auch in der Türkei konnte er nicht Fuß fassen und kam dann im Zuge der Flüchtlingswelle 2015 nach Österreich.

Da die in Syrien aufhältigen Eltern des Beschwerdeführers ihr Haus in Bagdad zwischenzeitlich verkauft haben, bestehen keine wirtschaftlichen und unmittelbaren persönlichen Anknüpfungspunkte mehr im Herkunftsstaat.

Dass er in Österreich über keine Verwandten verfügt und auch nicht in einer Beziehung lebt, geht aus seinen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 09.09.2019 zweifelsfrei hervor. Dabei brachte er auch überzeugend zum Ausdruck, dass er seit 2016 in einer multikulturellen Wohnungsgemeinschaft lebt, die sich zum Ziel gemacht hat, einen Flüchtling zu integrieren, und er diese Chance auch nachhaltig genutzt hat. Er spricht ausgezeichnet deutsch und ist seit Jahren in vielen Bereichen sozial aktiv tätig. Das wird nicht nur über seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 09.09.2019 bestätigt, sondern auch durch Unterstützungsschreiben der Mitbewohner der Wohnungsgemeinschaft, der Vereine MARK für kulturelle und soziale Arbeit, im XXXX und in der XXXX Tafel sowie einer Person, die ihn von sich aus zur mündlichen Verhandlung begleitet hat. Es kommt auch klar zum Ausdruck, dass er im Sozialbereich seine Zukunft sieht.

Dass der Beschwerdeführer überwiegend von der Grundversorgung lebt und damit nicht selbsterhaltungsfähig ist, ergibt sich aus seinen Angaben und dem eingeholten GVS-Speicherauszug vom 09.09.2019. Aufgrund seiner bisherigen Aktivitäten im Bundegebiet erscheint auch sein Bestreben, künftig im Sozial- und Pflegebereich tätig zu sein, glaubhaft. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht vorbestraft ist, beruht auf dem vom Bundesverwaltungsgericht erhobenen Strafregisterauszug.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde in Ihrem Bescheid plausibel und nachvollziehbar dargelegt hat, warum sie im Vorbringen des Beschwerdeführers keine asylrelevanten Fluchtgründe sah bzw. diesen keinen Glauben schenkte.

Auch in der mündlichen Verhandlung am 09.09.2019 brachte er keinen nachvollziehbaren Fluchtgrund vor. Im Wesentlichen gab er ein Statement ab, warum er hier in Österreich bleiben und leben möchte.

Auch vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer neben seiner unkonventionellen Einstellung in Bezug freie Religionsausübung und seines Aussehens, geprägt durch eine eigenwillige Haarpracht, Tatoos und Piercing als konkreten Fluchtgrund eine Auseinandersetzung mit drei Kurden in Erbil, führte aber gleichzeitig an, dass er im Anschluss daran bis Monatsende noch seiner Arbeit nachgegangen wäre und erst nach Auszahlung des Monatslohnes das Land verlassen hätte. Als Grund für die Auseinandersetzung gab er seine Auffälligkeit wegen seiner langen Haare sowie sein Augenpiercing an und erstmals "außerdem haben sie gedacht, dass ich homosexuell wäre".

Auch hier stütze er sich im Wesentlichen auf seine persönlichen Einstellungen und seine Entwicklung in den letzten Jahren. In Bezug auf den fluchtauslösenden Vorfall in Erbil ist auszuführen, dass sich schon aus dem Umstand ergibt, dass er bis zum Monatsende bzw. zur Ausbezahlung seines Monatslohnes dort verblieb, keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben gegeben war und er mit der Steigerung der ihm dabei zugeschriebenen Homosexualität bringt nur zum Ausdruck, dass er mit allen Mitteln bestrebt ist, einen vermeintlichen Asylgrund zu konstruieren.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangte aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Beschwerdeführer und den oben angegebenen Gründen ebenfalls zur Überzeugung, dass keine Gründe gegeben sind, die eine Verfolgung des Beschwerdeführers im Irak von staatlichen und/oder privaten Gruppen aus politischen, rassischen, religiösen Gründen oder aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe glaubhaft erscheinen ließen.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für den Irak (Stand 09.04.2019) samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen und wurde dem Beschwerdeführer bereits mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt. Weiters basieren die Feststellungen auf die im Bescheid der belangten Behörde angeführte Staatendokumentationsabfrage bezüglich Tätowierungen im Hinblick auf Akzeptanz im Islam (Bescheid S 65).

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Auf Basis der vorzitierten, unbestrittenen Quellen und Berichten ergibt sich eine deutliche Entspannung der Sicherheitslage und der allgemeinen Lage im Irak. Es ist von einem Konsolidierungsprozess der Ordnung im Irak nach Ausschaltung des IS und Etablierung erster Schritte einer politisch wie ethnisch ausgewogeneren Regierung im Irak auszugehen, sodass die allgemeine Lage, die Sicherheitslage, aber auch die humanitäre und wirtschaftliche Lage im Irak nicht mehr mit der Situation zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vergleichbar ist. Daher ist davon auszugehen, dass eine in den Irak zurückkehrende Person nicht aufgrund der Lage im Herkunftsstaat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe, der Todesstrafe oder einem bewaffneten innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt ausgesetzt ist. Es waren daher die diesbezüglichen Feststellungen zu treffen.

Diese Feststellungen wurden dem Beschwerdeführer und seiner Rechtsvertretung in der mündlichen Verhandlung zusammengefasst zur Kenntnis gebracht und mit ihnen erörtert und blieben im Ergebnis unwidersprochen. Im Einwand der Rechtsvertretung, dass das Leben für Atheisten und Andersdenkende im Irak sehr problematisch ist, kann kein Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen gesehen werden, insbesondere kann, wie die angeführten Quellen zeigen, daraus keine asylrelevante Verfolgung abgleitet werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A I.) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch. A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie in der Beweiswürdigung unter Pkt. 2.3. dargelegt ist vom Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung oder Verfolgungsgefahr glaubhaft gemacht worden, sodass die Beschwerde zu diesem Spruchpunkt abzuweisen war.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102; 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mwH). Im Sinne einer mit der Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) konformen Auslegung des § 8 Abs 1 AsylG ist subsidiärer Schutz nur zu gewähren, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art 15 der Statusrichtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens (Todesstrafe oder Hinrichtung [lit. a], Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat [lit b] und ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts [lit c]) zu erleiden (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mit Verweis auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH).

Die Voraussetzungen nach Art 15 lit. c der Statusrichtlinie sind gegeben, wenn es sich erstens um eine Schadensgefahr allgemeinerer Art handelt - der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad der Gewalt hat ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder Region Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn 35). Zweitens muss diese Situation ausnahmsweise als ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit der subsidiären Schutz beantragenden Person anzusehen sein (vgl EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn 37 und 39 ua).

Die Voraussetzungen nach Art 15 lit. b Statusrichtlinie für einen ernsthaften Schaden in Form von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat erfordern dessen Verursachung durch das Verhalten Dritter (Akteure). Sind solche Schäden Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsstaat, ist dagegen subsidiärer Schutz nicht zu erteilen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 unter Berufung auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH). Der Umstand, dass der Beschwerdeführer aus Gründen des Art 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, bedeutet hingegen nicht, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mHa EuGH 18.12.2014, C-542/13, M'Bodj).

Dem Beschwerdeführer droht im Irak keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung. Es droht ihm auch keine reale Gefahr, im Falle seiner Rückkehr entgegen Art 3 EMRK behandelt zu werden. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzungen des Art 3 EMRK - was im Irak aufgrund der Sicherheitslage grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann - ist hingegen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend. Diese Lebensumstände betreffen sämtliche Personen, die im Irak leben und können daher nicht als Grund für die Zuerkennung eines Status eines subsidiär Schutzberechtigten herangezogen werden. So liegt hinsichtlich des Beschwerdeführers kein stichhaltiger Grund dafür dar, anzunehmen, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat tatsächlich in Gefahr liefe, die Todesstrafe oder Hinrichtung, die Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung des Beschwerdeführers im Irak und auch nicht eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak erleiden würde. Er hat dazu auch nichts Substantiierte angeführt. Nachdem der Beschwerdeführer selbst angibt, nie ernstliche Probleme mit den Behörden des Irak gehabt zu haben und auch keine Gründe ersichtlich sind, die auf den Vorwurf einer Straftat, welcher zu der Verhängung der Todesstrafe, der Folter oder Bestrafung des Antragstellers im Herkunftsstaat hindeuten könnten, ist ein "ernsthafter Schaden" im Sinne des Art 15 der Statusrichtlinie auszuschließen. Ein bewaffneter Konflikt besteht im Irak ebenfalls nicht. Zwar ist es so, dass im Irak die Sicherheitslage nicht mit der österreichischen vergleichbar ist, jedoch erreichen die nach dem Länderinformationsblatt für den Irak vorgekommenen Bombenanschläge und Attentate nicht ein so hohes Niveau, dass stichhaltige Gründe dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak alleine durch seine Anwesenheit im Gebiet des Irak tatsächlich in Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation im Irak und den hiermit verbundenen Umständen spezifisch von willkürlicher Gewalt im Irak betroffen wäre. Der Beschwerdeführer hat auch dazu nichts vorgebracht. Daher ist auch diese Voraussetzung für die Gewährung subsidiären Schutzes nicht erfüllt. Eine Gefahr eines ernsthaften Schadens durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Beschwerdeführers im Irak liegt ebenfalls nicht vor. Der Beschwerdeführer gehört weder einer Bevölkerungsgruppe an, die im Irak allgemein einer besonderen Gefahr ausgesetzt worden wäre, noch liegen individuelle Bedrohungen, die dazu führen könnten, dass der Beschwerdeführer bei Rückkehr in den Irak einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt worden wäre. Es wird dabei nicht außer Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer eine der europäischen Kultur entsprechenden Persönlichkeit entwickelt hat, es ist ihm aber auch zuzutrauen und zumutbar, sich bei einer Rückkehr den dortigen Gepflogenheiten anzupassen, ohne dass damit seine unmittelbaren Persönlichkeitsrechte beeinträchtigt oder gefährdet wären.

Ganz allgemein besteht im Irak derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 oder Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine diesbezüglichen Umstände bekannt geworden. Es ergeben sich auch aus dem Länderinformationsblatt für den Irak keine Gründe, die es naheliegen würde, dass bezogen auf den Beschwerdeführer, ein reales Risiko gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder Strafe bzw der Todesstrafe besteht.

Damit erweist sich die Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet, als unbegründet, weshalb die Beschwerde diesbezüglich abzuweisen war.

Zu A II.) Stattgebung der Beschwerde

3.3. Zur Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr iSd § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs 1 Z 3 AsylG.

Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus nachstehenden Gründen gegeben:

Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EuGRZ 2006, 554, Sisojeva ua. gegen Lettland). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessensabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt.

Bei dieser Interessensabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007 sowie VwGH vom 03.04.2009, Zl. 2008/22/0592; vom 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216; vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479 und vom 26.01.2006, Zl. 2002/20/0423).

Auch wenn sich der Beschwerdeführer nur aufgrund eines letztendlich unbegründeten Asylantrages seit Oktober 2015, und damit erst 4 Jahre, in Österreich aufhält, hat er ab 2016, sei er in einer Wohngemeinschaft untergekommen ist, die Zeit in vollem Umfang genutzt, um in Österreich Fuß zu fassen und sich als Person zu integrieren. Er beherrscht die Deutsche Sprache bereits auf einem beachtlichen Niveau und stellt diese erworbenen Sprachkenntnisse auch sozialen Vereinen, bei denen er sich einbringt zur Verfügung. Er ist von seinem multikulturellen Umfeld in Österreich nicht nur stark geprägt, sondern darin auch aktiv tätig und geht mit allen Herausforderungen offen und unbekümmert um. Er wird aufgrund seines zuvorkommenden Charakters geschätzt und versucht im Rahmen seiner Möglichkeit sein Leben selbstbestimmt zu gestalten. Es wird dabei nicht verkannt, dass er all diese Aktivitäten im Bewusstsein seines vorläufigen und unsicheren Aufenthaltes setzte, aber seine konsequente und nachhaltige Art, mit der er sein Leben in dieser Zeit weiterentwickelte und die Vielfältigkeit seiner Bemühungen, in der österreichischen Gesellschaft Fuß zu fassen und anzukommen, fordert Respekt ein und ist über die vorliegenden Unterstützungsschreiben eindrucksvoll dokumentiert. Davon konnte sich nicht nur der erkennende Richter, sondern auch der in der Verhandlung anwesende Vertreter der belangten Behörde überzeugen.

Auch die von ihm gesetzten Schritte in Bezug auf eine Ausbildung im Pflege- oder Sozialbereich sind stimmig und nachvollziehbar in Bezug auf sein bisheriges Auftreten in Österreich und begründen eine erfolgversprechende Zukunftsprognose.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung der genannten besonderen Umstände dieses Beschwerdefalles zum Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es war daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen den BF auf Dauer unzulässig ist.

Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 1 AsylG im Fall des Beschwerdeführers gegeben sind, war der Beschwerde stattzugeben und dem BF eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Sie erfolgte aufgrund der außergewöhnlichen und besonderen Umstände dieses Falles. Damit weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, Asylverfahren,
Aufenthaltsberechtigung plus, Aufenthaltstitel, befristete
Aufenthaltsberechtigung, begründete Furcht vor Verfolgung,
Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit, Integration, Interessenabwägung,
mündliche Verhandlung, öffentliche Interessen, Privat- und
Familienleben, private Interessen, real risk, reale Gefahr,
Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig, subsidiärer Schutz,
Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I408.2140695.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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