TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/30 97/16/0004

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Veröffentlicht am 30.03.1998
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Index

E3L E09303000;
E6J;
yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnen
sind;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art4 Abs2 litb;
61988CJ0038 Waldrich Siegen VORAB;
BAO §93;
KVG 1934 §2 Z2;
KVG 1934 §2 Z3;
KVG 1934 §2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDDr. Jahn, über die Beschwerde der B-Gesellschaft mbH in B, vertreten Dr. Hubert F. Kinz, Rechtsanwalt in Bregenz, Kirchstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 6. Dezember 1996, Zl. 569-5/96, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin (die seinerzeit die Firma "Brandner Seilbahnen- und Schiliftgesellschaft mbH" führte) schloß am 11. Jänner 1962 mit der Pfänderbahn AG einen Gewinn- und Verlustausschließungsvertrag, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:

"§ 1

Von den Geschäftsanteilen der "Brandner Seilbahnen- und Schilifte Gesellschaft mit beschränkter Haftung" in Brand mit einem Nominale von S 2,2 Millionen stehen Geschäftsanteile in der Höhe von S 2,080.000,--, sohin 94,5 % im Eigentum der Pfänderbahn A.G.

Die Brandner Seilbahnen- und Schilifte Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist in das Unternehmen der Pfänderbahnen A.G. finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich eingegliedert. Sie hat bei ihrer Geschäfts- und Betriebsführung ausschließlich nach den Weisungen der Pfänderbahn A.G. vorzugehen.

§ 2

Die "Brandner Seilbahnen- und Schilifte Gesellschaft mit beschränkter Haftung" führt ihren Betrieb im Innenverhältnis für Rechnung des "Pfänderbahn Aktiengesellschaft". Sie ist daher verpflichtet, ihre Gewinne zur Gänze an die Pfänderbahn Aktiengesellschaft abzuführen; diese hingegen ist verpflichtet der Brandner Seilbahnen- und Schilifte Gesellschaft mit beschränkter Haftung deren allfällige Verluste zu ersetzen."

Mit Eingabe vom 2. Juli 1996 wurde dem Finanzamt Feldkirch (im folgenden kurz: Finanzamt) der Gesellschaft der Beschluß vom 21. Jänner/11. Februar 1991 betreffend die Genehmigung des Jahresabschlusses 1989/90 übermittelt. In der Bilanz der Beschwerdeführerin zum 30. September 1990 ist ein Reinverlust von S 11,416.824,64 ausgewiesen, wozu sich die Anmerkung findet: "Übernahme durch Obergesellschaft Pfänderbahn AG Bregenz".

Das Finanzamt setzte daraufhin mit Bescheid vom 5. Juli 1996 Gesellschaftsteuer fest, ohne dabei eine Subsumtion unter einem der einzelnen Fälle des § 2 KVG vorzunehmen.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin u.a. mit dem Argument, die Vorschreibung von Gesellschaftsteuer sei mit Rücksicht auf das Urteil des EuGH vom 28. März 1990 in der Rechtssache C-38/88, Waldrich Siegen Werkzeugmaschinen GmbH gegen Finanzamt Hagen (Slg. 1990 I-1447 ff), unzulässig.

Gegen die daraufhin ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und brachte zum Ausdruck, den Gesellschaftsteuertatbestand gemäß § 2 Z. 2 KVG für erfüllt zu erachten. Das durch die oben zitierte Rechtsprechung des EuGH geprägte Gemeinschaftsrecht sei auf den vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden, weil die Steuerschuld schon vor dem Beitritt Österreichs entstanden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, daß keine Gesellschaftsteuer erhoben wird.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß nach der hg. Judikatur wegen der Zeitbezogenheit des Abgabenrechtes das Gemeinschaftsrecht auf abgabenrechtlich relevante Sachverhalte, die sich vor dem Beitritt Österreichs verwirklicht haben, nicht anzuwenden ist (vgl. dazu z.B. die hg. Erkenntnisse vom 25. Mai 1997, Zl. 96/17/0459, vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/15/0023; und vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/14/0017).

Gemäß § 2 Z. 2 KVG unterliegen der Gesellschaftsteuer Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden (Beispiele: weitere Einzahlungen, Nachschüsse). Der Leistung eines Gesellschafters steht es gleich, wenn die Gesellschaft mit eigenen Mitteln die Verpflichtung des Gesellschaftes abdeckt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertrat zur Rechtslage vor dem Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß Verlustübernahmen im Rahmen eines Ergebnisabführungsvertrages auf einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung beruhen (vgl. z. B. die hg. Erkenntnisse vom 19. August 1997, Zl. 96/16/0151; 17. Februar 1994, Zl. 92/16/0089, Slg.NF 6864/F und 12. April 1984, Zl. 83/15/0138 Slg.NF 5885/F) und stellte dazu klar, daß nur die Zufuhr von Mitteln an die Gesellschaft, die die Gesellschaft vorher nicht hat, eine Leistung iS des § 2 Z. 2 KVG darstellt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 19. August 1997, Zl. 95/16/0186 und die dort angeführt Vorjudikatur).

Gegenüber dieser allein durch den Wortlaut des § 2 Z. 2 KVG geprägten Rechtslage vor dem Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften trat mit dem Beitritt zufolge der Bestimmung des Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, 69/335/EWG, ABl. L 249, S 25 und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) eine wesentliche Änderung ein.

Die zitierte Bestimmung der Richtlinie lautet:

"(2) Soweit sie am 1. Juli 1984 der Steuer zum Satz von 1 v.H. unterlagen, können die folgenden Vorgänge auch weiterhin der Gesellschaftsteuer unterworfen werden:

...

b) die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Leistungen eines Gesellschafters, die keine Erhöhung des Kapitals mit sich bringen, sondern ihren Gegenwert in einer Änderung der Gesellschaftsrechte finden oder geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen; ..."

Dazu führte der EuGH mit dem bereits oben zitierten Urteil u. a. folgendes aus:

"Das Gesellschaftsvermögen umfaßt alle Wirtschaftsgüter, die die Gesellschafter zu einem gemeinsamen Ganzen vereinigt haben, einschließlich ihres Zuwachses. Erzielt eine Gesellschaft Gewinne und stellt sie diese in ihre Rücklagen ein, so erhöht sie dadurch ihr Gesellschaftsvermögen. Dagegen vermindert sich das Gesellschaftsvermögen einer Gesellschaft, wenn sie mit Verlust abschließt.

Wenn also eine Gesellschaft mit Verlust abgeschlossen hat und einer ihrer Gesellschafter sich zur Übernahme dieses Verlustes bereiterklärt, so erbringt er dadurch eine Leistung, durch die das Gesellschaftsvermögen erhöht wird. Er bringt dieses nämlich wieder auf einen Stand, den es vor dem Eintritt des Verlustes erreicht hatte. Anders verhält es sich, wenn der Gesellschafter Verluste aufgrund einer Verpflichtung übernimmt, die er schon vor deren Eintritt eingegangen war. Eine solche Verpflichtung bedeutet, daß sich künftige Verluste der Gesellschaft nicht auf den Umfang ihres Gesellschaftsvermögens auswirken werden."

Davon ausgehend beantwortete der EuGH die an ihn gerichtete Frage dahin, daß die Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter im Rahmen eines Ergebnisabführungsvertrages, der vor Feststellung dieser Verluste geschlossen worden ist, das Gesellschaftsvermögen dieser Gesellschaft nicht im Sinne von Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 69/335/EWG betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital erhöht.

Damit ist für jenen zeitlichen Bereich, auf den das Gemeinschaftsrecht in Österreich anzuwenden ist, klargestellt, daß es für die Frage der Gesellschaftsteuerpflicht gemäß § 2 Z. 2 KVG u.a. darauf ankommt, ob sich zufolge eines vor der Feststellung des Verlustes abgeschlossenen Ergebnisabführungsvertrages der Verlust auf den Umfang des Gesellschaftsvermögens gar nicht auswirkt oder ob der Gesellschafter die Verpflichtung zur Verlustabdeckung erst nach dem Zeitpunkt übernimmt, in dem die Gesellschaft ein Geschäftsjahr mit Verlust abgeschlossen hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 97/16/0213).

Für Sachverhalte hingegen, die sich vor dem Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften verwirklicht haben, besteht angesichts der Rechtslage gemäß § 2 Z. 2 KVG, wonach nicht auf die immer erst durch den Jahresabschluß erfaßte Entwicklung des Gesellschaftsvermögens abgestellt wird, kein Anlaß, von der oben wiedergegebenen Rechtsprechung abzugehen. Die belangte Behörde hat im Einklang mit dieser Rechtsprechung die Erfüllung des Tatbestandes gemäß § 2 Z. 2 KVG angenommen, was sohin nicht als inhaltlich rechtswidrig erkannt werden kann.

Zur Verfahrensrüge der Beschwerde, die sich darauf stützt, daß die erstinstanzliche Finanzbehörde keine eindeutige Zuordnung zu einem steuerrechtlichen Tatbestand vorgenommen hat, ist darauf zu verweisen, daß nach herrschender Ansicht die Unterlassung der Anführung von (maßgeblichen) Gesetzesstellen im Spruch eines Abgabenbescheides keinen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt, soferne mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit es Gegenstandes keine Zweifel darüber bestehen, welche gesetzlichen Vorschriften angewendet wurden (vgl. dazu Ritz, BAO-Kommentar, Rz 9 zu § 93 BAO und die dort angeführte hg. Judikatur). Mit Rücksicht darauf, daß die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, § 2 Z. 2 KVG anzuwenden, erweist sich daher der angefochtene Bescheid auch als frei von dem behaupteten Verfahrensfehler.

Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen (§ 42 Abs. 1 VwGG).

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

Gerichtsentscheidung

EuGH 688J0038 Waldrich Siegen VORAB

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997160004.X00

Im RIS seit

19.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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