TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/27 I405 2196769-1

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Veröffentlicht am 27.11.2019
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Entscheidungsdatum

27.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §52
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I405 2196769-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Algerien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.04.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.07.2019, zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

XXXX wird gemäß § 55 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte erstmals am 11.06.2012 und in weiterer Folge am 27.04.2013 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, welche jeweils wegen der Zuständigkeit Rumäniens mit Bescheid als unzulässig zurückgewiesen wurden und der BF nach Rumänien ausgewiesen wurde. Beide Bescheide sind in Rechtskraft erwachsen.

2. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX, vom 06.09.2012, rechtskräftig mit 11.09.2012, wurde der BF wegen des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls gem. §§ 15, 127, 130 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

3. Am 27.12.2013 stellte der BF gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Er wurde hierzu am 28.12.2013 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftliche erstbefragt und gab er als Grund für seine neuerliche Antragsstellung an, dass ihm mitgeteilt worden sei, dass nach einem gewissen Zeitraum nicht mehr Rumänien, sondern Österreich verantwortlich sei.

Am 08.04.2014 wurde der BF von einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) in Anwesenheit einer Dolmetscherin für Arabisch niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er Algerien aus mehreren Gründen verlassen habe. So etwa wegen Nachbarschaftsstreitigkeiten, aber auch weil er wegen Diebstählen beschuldigt worden sei.

4. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX, vom 09.03.2015, rechtskräftig mit 13.03.2015, wurde der BF wegen Körperverletzung gem. § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je EUR 4,00 (insgesamt somit EUR 240,00), im Nichteinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen, verurteilt.

5. Mit angefochtenem Bescheid vom 17.04.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 27.12.2013 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde dem BF nicht gewährt (Spruchpunkt VI.), jedoch wurde gegen ihn ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Außerdem wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VIII.).

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht durch seinen Rechtsvertreter erhobene Beschwerde des BF vom 15.05.2018.

7. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungs- und Gerichtsakten wurden von der belangten Behörde am 25.05.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

8. Am 03.07.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht (in Folge auch BVwG, erkennendes Gericht) eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der BF, seine Rechtsvertretung und eine Dolmetscherin für die Sprache Arabisch teilnahmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist kinderlos, Staatsangehöriger von Algerien und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der Amazighi an. Seine Identität steht nicht fest.

Der BF reiste illegal nach Österreich und hält er sich hier seit (mindestens) 11.06.2012 auf, wenn auch nicht durchgehend, sondern mit Unterbrechungen, während derer er sich in Rumänien aufhielt.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er hat in Algerien eine Ausbildung zum Koch und Automechaniker sowie zum Computertechniker gemacht und als solcher in einer Firma gearbeitet. Aufgrund der diversen unterschiedlichen Ausbildungen und seiner Arbeitserfahrung hat der BF eine Chance, auch hinkünftig am algerischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Die Mutter und zwei Brüdern des BF leben in Algerien, seine Schwester wohnt in Dänemark; es besteht nach wie vor Kontakt zu seiner Familie. In Österreich hat der BF keine Verwandten und führt er derzeit auch keine Lebensgemeinschaft. Jedoch hat er einen Freundeskreis aufgebaut und pflegt er mit seinen Freunden einen engen Kontakt.

Der BF ist in Österreich vorbestraft. Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX, vom 06.09.2012, rechtskräftig mit 11.09.2012, wegen des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls gem. §§ 15, 127, 130 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, sowie mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX, vom 09.03.2015, rechtskräftig mit 13.03.2015, wegen des Vergehens der Körperverletzung gem. § 83 Abs 1 StGB (Datum der Tat: 16.07.2014) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je EUR 4,00 (insgesamt somit EUR 240,00), im Nichteinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen, verurteilt. Aufgrund des verstrichenen Zeitraumes seit seiner letzten Verurteilung bzw. der letzten Tathandlung ist jedoch nicht mehr davon auszugehen, dass vom BF nach wie vor eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht.

Der BF verrichtet in Österreich gemeinnützige Tätigkeiten für die Gemeinde, in der er wohnt. Einer regelmäßigen Beschäftigung geht er jedoch nicht nach. Er bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.

Der BF ist kein Mitglied in einem Verein oder Kurs. Er hat jedoch am Werte- und Orientierungskurs teilgenommen und die Deutschprüfung auf Niveau B1 absolviert.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des BF:

Das Vorbringen des BF, wonach er in seiner Heimat von seinem Nachbarn verfolgt worden sei, wogegen er von den Sicherheitsbehörden keinen Schutz erhalten habe, konnte mangels Glaubwürdigkeit nicht festgestellt werden. Es ist dem BF somit nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen.

Eine Rückkehrgefährdung im Sinne einer wie auch immer gearteten existentiellen oder gesundheitlichen Bedrohung kann ebenfalls nicht festgestellt werden.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Algerien:

Algerien ist ein sicherer Herkunftsstaat. Algerien ist sowohl fähig als auch willig, seinen Bürgern Schutz zu gewähren. Algerien weist eine funktionierende, unabhängige Justiz sowie einen funktionierenden Sicherheitsapparat auf. Behördliche Korruption steht unter Strafe, mit Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren. Dieses Gesetz wird nicht effektiv durchgesetzt, wenn es auch ein eigenes Zentralbüro zur Bekämpfung der Korruption gibt. Daneben sorgt die Nationale Organisation zur Verhinderung und Bekämpfung von Korruption für eine beratende Funktion. Die Sicherheitslage in Algerien ist, abgesehen von einigen Grenzregionen im Süden und Osten und den Bergregionen im Westen als sicher zu qualifizieren. Algerien ist allen wesentlichen internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Die Menschenrechtssituation in Algerien hat sich seit den 1990-er Jahren sukzessive verbessert. In Algerien besteht ein aufwändiges Sozialsystem. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Die medizinische Versorgung ist allgemein zugänglich und kostenfrei. In jeder größeren Stadt existieren Krankenhäuser. Grundnahrungsmittel, Energie und Wasser werden stark subventioniert. Die Wirtschaft in Algerien ist als Konsumwirtschaft zu bezeichnen, mit wenig produzierenden Unternehmen, sodass die Arbeitsplatzsituation insbesondere für junge Algerier angespannt ist. Illegal Ausreisenden droht im Falle der Rückkehr eine Geldund/oder Freiheitsstrafe, wobei in der Praxis lediglich Bewährungsstrafen verhängt werden. Nach Algerien angeschobene Personen werden 24 Stunden festgehalten und verhört, um den Grund der Ausweisung zu erfahren. Eine behördliche Rückkehrhilfe existiert nicht.

Dem BF droht im Falle seiner Rückkehr keine Gefährdung in seinem Herkunftsstaat. Ihm droht auch keine Strafe nach seiner Rückkehr nach Algerien wegen illegaler Ausreise.

Eine nach Algerien zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 03.07.2019.

2.2. Zur Person des BF:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem allgemeinen Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des BF vor der belangten Behörde und dem BVwG im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 03.07.2019 (Protokolle vom 08.04.2014 und 03.07.2019). Die belangte Behörde hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des BF aufgekommen.

Da der BF den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen über die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF ergeben sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 07.11.2019.

Die Feststellung, dass er Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, am 07.11.2019 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

Aufgrund vorgelegter Fotos und den Angaben des BF vor dem BVwG am 03.07.2019 konnte festgestellt werden, dass der BF in Österreich über Freundschaften verfügt und zumindest eine soziale Integration aufweist.

Die ehrenamtlichen Tätigkeiten des BF ergeben sich aus der Bestätigung der Gemeinde vom 10.01.2019. Seine Teilnahme am Werte- und Orientierungskurs und die Absolvierung der Deutschprüfung auf Niveau B1 konnte aufgrund der Teilnahmebestätigung vom 05.06.2018 und des ÖSD-Zertifikats vom 29.03.2019 festgestellt werden.

2.3. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF gab bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 08.04.2014 an, Algerien unter anderem verlassen zu haben, weil es Streitigkeiten mit seinen Nachbarn gegeben habe und außerdem sei er beschuldigt worden, Diebstähle in Algerien begangen zu haben.

Auch bei seiner Einvernahme vor dem BVwG am 03.07.2019 brachte der BF private Motive für das Verlassen Algeriens vor. So führte er aus, dass der Grund für seine Flucht bei seiner eigenen Wohnung beginne; der Nachbar habe ihm die Wohnung abnehmen wollen. Der BF habe Sanierungen in der Wohnung durchgeführt und sein Nachbar, der beim Staat arbeite, habe dies als Chance gesehen, eine Klage gegen den BF einzubringen, da dieser die Sanierungen nicht hätte durchführen dürfen. Dieser Nachbar habe auch die anderen Nachbarn gegen den BF aufgehetzt. Der Nachbar sei zur Polizei gegangen und habe er diese angelogen, indem er behauptet habe, der BF habe in der Wohnung eine Disco veranstaltet, Frauen geholt und Alkohol getrunken habe. Da der BF Leute bei der Polizei kenne, haben die Polizisten dem Nachbarn nicht geglaubt, weshalb dieser einen Plan B organisiert und mit Verbrechern ausgemacht habe, dass diese etwas anstellen und dies dem BF anhängen sollen. Auch der Onkel des BF sei auf der Seite des Nachbarn gewesen. Da die Polizei nichts gegen den BF unternommen habe, sei er in weiterer Folge von der Armee bedroht worden. Da jemand aus der Armee bei der Polizei nachgefragt habe, wieso sie nichts gegen den BF unternehmen, habe die Polizei dem BF mitgeteilt, dass sie ihn nicht schützen können und haben sie dem BF geraten, in einen anderen Ort zu gehen, damit sich die Lage wieder beruhige (Protokoll vom 03.07.2019, S. 7).

Zunächst ist dem BFA beizutreten, wenn sie dieses Vorbringen des BF als unglaubwürdig wertet, da der BF dieses Vorbringen in seinen ersten zwei Verfahren mit keinem Wort erwähnte. Wäre der BF tatsächlich aus den später behaupteten Gründen ausgereist, wäre zu erwarten gewesen, dass er sie bereits in seinen ersten zwei Asylverfahren geltend macht. Ein weiteres Indiz, dass es sich bei den behaupteten Streitigkeiten mit dem Nachbarn, welche ihn zur Ausreise gezwungen hätten, um ein Konstrukt handelt, ergibt sich aus seinen Einlassungen bei der Untersuchung zur Gutachterlichen Stellungnahme am 19.07.2012 (AS 55), in denen das nunmehr behauptete Problem mit seinem Nachbarn wiederum keine Erwähnung findet.

Unbeschadet dessen schildert der BF jedoch sein nunmehriges Vorbringen oberflächlich und ohne konkrete Details, wie jemand, der so eine Situation gerade nicht erlebt hat. Erst auf weiteres Nachfragen durch die erkennende Richterin gab der BF an, Messerverletzungen am Körper zu haben, da mehrmals versucht worden sei, ihm Probleme zu bereiten. Der BF war nicht in der Lage, detailgetreue Angaben zum Verletzungshergang zu machen, wie dies nach der allgemeinen Lebenserfahrung eigentlich erwartet werden kann (Protokoll vom 03.07.2019, S. 8):

"RI: Wie sind Ihnen die Verletzungen mit dem Messer zugefügt worden? Wer hat sie Ihnen zugefügt?

BF: Ein Verbrecher hat [sie] mir gegen Bezahlung zugefügt. Der Nachbar hat diese Person zu mir geschickt.

RI: Woher wissen Sie das?

BF: Der Verbrecher sagte zu mir, ich solle von hier weggehen. An einem Tag habe ich den Nachbarn gesehen, wie er mit dem Verbrecher gesprochen hat. Er hat in sein Ohr gesprochen.

RI: Haben Sie diesen Vorfall bei der Polizei angezeigt?

BF: Die Polizei weiß alles.

..."

Wenn der BF in weiterer Folge angibt, dass die Polizei daraufhin nicht gehandelt habe und er nicht wisse, wieso, obwohl diese Verbrecher viele Probleme bereitet haben, aber aufgrund der Stärke der algerischen Armee nie verurteilt worden sei, so wirkt diese auf die erkennende Richterin äußerst unglaubwürdig und ist dies für sie als reine Schutzbehauptung zu qualifizieren.

Auch folgende weitere Aussage des BF gestaltet sich als äußerst lebensfremd und geht das BVwG davon aus, dass es sich beim gesamten Fluchtvorbringen um ein gedankliches Konstrukt des BF handelt (Protokoll vom 03.07.2019, S. 8):

"RI: Was ist aus Ihrer Wohnung geworden, nachdem Sie dort weg sind?

BF: Sie haben die Wohnung genommen.

RI: Warum sind Sie dann noch hinter Ihnen her, wenn sie die Wohnung eh schon haben?

BF: Sie suchen nicht nach mir aber sie möchten wissen, wo ich bin.

RI: Warum möchten sie das wissen?

BF: Das weiß ich nicht. Vielleicht denken sie, dass ich mein Recht durchsetzen könnte und etwas gegen sie machen könnte.

..."

Hieraus ist klar zu erkennen, dass der BF keiner konkreten Gefährdungssituation ausgesetzt war, da er gar nicht weiß, was seine angeblichen Verfolger von ihm wollen. Hinzu kommt, dass sich der BF in Widersprüche verstrickt, wenn er einerseits angibt, dass nicht nach ihm gesucht werde, seine Verfolger jedoch wissen möchten, wo er sich aufhält und andererseits behauptet, dass er bei seiner Rückkehr nach Algerien entweder getötet oder entführt werden würde (Protokoll vom 03.07.2019, S. 9).

Wenn der BF in seiner Vernehmung vor dem BVwG angibt, Österreich als Zielland gewählt zu haben, weil er seine damalige Freundin Österreicherin gewesen sei, so erweckt er damit vor dem erkennenden Gericht den Eindruck, dass ein Zusammenleben mit seiner damaligen Lebensgefährtin der einzige Grund für seine Ausreise aus Algerien war.

All dies und auch der persönliche Eindruck, den der BF während seiner Vernehmung macht, spricht für die erkennende Richterin eindeutig dafür, dass der BF nicht verfolgt wird bzw. die von ihm behauptete Verfolgung nicht glaubwürdig ist.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Algerien samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Algerien ergeben sich aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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AA - Auswärtiges Amt (10.2017): Algerien - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/-/222160, Zugriff 15.02.2018 - BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Algeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Algeria.pdf, Zugriff 15.02.2018 - ÖB - Österreichische Botschaft Algier (3.2015):

Asylländerbericht Algerien - SO - Spiegel Online (21.2.2017):

Staatschef Bouteflika - Der kranke Mann von Algier, http://www.spiegel.de/politik/ausland/abdelaziz-bouteflika-ist-schwerkrank-wer-regiert-algerien-a-1135607.html, Zugriff 12.03.2018 - AA - Auswärtiges Amt (16.2.2018): Algerien:

Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AlgerienSicherheit_node.html, Zugriff 16.2.2018 - BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (16.2.2018): Reiseinformationen Algerien, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/algerien-de.html, Zugriff 16.2.2018 - FD - France Diplomatie (16.2.2018): Conseils aux Voyageurs - Algérie - Sécurité, http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/algerie/, Zugriff 16.2.2018 - AA - Auswärtiges Amt (23.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien - BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Algeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Algeria.pdf, Zugriff 15.2.2018 - GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 19.2.2018

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395180.html, Zugriff 19.2.2018 - TI - Transparency International (2016): Table of Results: Corruption Perceptions Index 2017,

http://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016, Zugriff 19.2.2018 - Algeria,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1395180.html, Zugriff 19.2.2018 - CIA - Central Intelligence Agency (22.2.2018): The World Factbook - Algeria

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ag.html, Zugriff 1.3.2018

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UKBA - UK Home Office Border Agency (17.1.2013): Country of Origin Information Report - Algeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1359360623_report-17jan13.pdf, Zugriff 19.2.2018; Originalquelle: Jane's Sentinel Country Risk Assessments: Algeria - Armed Forces, 1.6.2012 - SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (24.2.2010): Algerien: Desertion aus der Garde Communale, Auskunft der SFH-Länderanalyse, https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/afrika/algerien/algerien-desertion-aus-der-garde-communale.pdf, Zugriff 14.2.2017 - HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Algeria,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1422113.html, Zugriff 20.2.2018 - AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425000.html, Zugriff 28.2.2018 - USDOS - U.S. Department of State (15.8.2017): 2016 Report on international Religious Freedom, https://www.ecoi.net/de/dokument/1406681.html, Zugriff 1.3.2018 - SOS - SOS-Kinderdorf (o.D.): Algerien, http://www.sos-kinderdorf.at/sos-kinderdorf-erleben/wo-wir-arbeiten/international/wo-wir-helfen/afrika/algerien - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016c): Algerien - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/algerien/gesellschaft/, Zugriff 2.3.2018 - SGG Algérie - Secrétariat Général du Gouvernement (o.D.): Code Pénal, http://www.joradp.dz/TRV/FPenal.pdf, Zugriff 2.3.2018

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der BF trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Im gegenständlichen Fall ist es dem BF nicht gelungen, die von ihm behaupteten Fluchtgründe glaubhaft zu machen und sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK nicht gegeben. Eine sonstige aktuelle zu berücksichtigende Verfolgungsgefahr wird vom BF nicht dargelegt und ergibt sich auch nicht aus Umständen, die von Amts wegen zu berücksichtigen wären.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102; 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mwH). Im Sinne einer mit der Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) konformen Auslegung des § 8 Abs 1 AsylG ist subsidiärer Schutz nur zu gewähren, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art 15 der Statusrichtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens (Todesstrafe oder Hinrichtung [lit. a], Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung des BF im Herkunftsstaat [lit b] und ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts [lit c]) zu erleiden (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mit Verweis auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH).

Die Voraussetzungen nach Art 15 lit. c der Statusrichtlinie sind gegeben, wenn es sich erstens um eine Schadensgefahr allgemeinerer Art handelt - der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad der Gewalt hat ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder Region Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn 35). Zweitens muss diese Situation ausnahmsweise als ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit der subsidiären Schutz beantragenden Person anzusehen sein (vgl EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn 37 und 39 ua).

Die Voraussetzungen nach Art 15 lit. b Statusrichtlinie für einen ernsthaften Schaden in Form von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung des BF im Herkunftsstaat erfordern dessen Verursachung durch das Verhalten Dritter (Akteure). Sind solche Schäden Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsstaat, ist dagegen subsidiärer Schutz nicht zu erteilen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 unter Berufung auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH). Der Umstand, dass der BF aus Gründen des Art 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, bedeutet hingegen nicht, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mHa EuGH 18.12.2014, C-542/13, M'Bodj).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Dem BF droht in Algerien keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung. Es droht ihm auch keine reale Gefahr, im Falle seiner Rückkehr entgegen Art 3 EMRK behandelt zu werden. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzungen des Art 3 EMRK - was in Algerien aufgrund der Sicherheitslage grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann - ist hingegen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend. Diese Lebensumstände betreffen sämtliche Personen, die in Algerien leben und können daher nicht als Grund für die Zuerkennung eines Status eines subsidiär Schutzberechtigten herangezogen werden. So liegt hinsichtlich des BF kein stichhaltiger Grund dafür dar anzunehmen, dass der BF bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat tatsächlich in Gefahr liefe, die Todesstrafe oder Hinrichtung, die Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung in Algerien zu erleiden oder einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des BF in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in Algerien ausgesetzt zu sein. Nachdem der BF selbst angibt, nie ernstliche Probleme mit den Behörden von Algerien gehabt zu haben und auch keine Gründe ersichtlich sind, die auf den Vorwurf einer Straftat, welcher zu der Verhängung der Todesstrafe, der Folter oder Bestrafung des Antragstellers im Herkunftsstaat hindeuten könnten, ist ein "ernsthafter Schaden" im Sinne des Art 15 der Statusrichtlinie auszuschließen. Ein bewaffneter Konflikt besteht in Algerien ebenfalls nicht. Zwar ist es so, dass in Algerien die Sicherheitslage nicht mit der österreichischen vergleichbar ist, jedoch erreichen die nach dem Länderinformationsblatt für Algerien möglichen Gewaltakte nicht ein so hohes Niveau, dass stichhaltige Gründe dafür bestehen, dass der BF bei einer Rückkehr nach Algerien alleine durch seine Anwesenheit im Gebiet von Algerien tatsächlich in Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation in Algerien und den hiermit verbundenen Umständen spezifisch von willkürlicher Gewalt in Algerien betroffen wäre. Daher ist auch diese Voraussetzung für die Gewährung subsidiären Schutzes nicht erfüllt. Eine Gefahr eines ernsthaften Schadens durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des BF in Algerien liegt ebenfalls nicht vor. Der BF gehört weder einer Bevölkerungsgruppe an, die in Algerien allgemein einer besonderen Gefahr ausgesetzt worden wäre, noch liegen individuelle Bedrohungen, die dazu führen könnten, dass der BF bei Rückkehr nach Algerien einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt worden wäre.

Ganz allgemein besteht in Algerien derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 oder Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine diesbezüglichen Umstände bekannt geworden. Es ergeben sich auch aus dem Länderinformationsblatt für Algerien keine Gründe, die es naheliegen würde, dass bezogen auf den BF, ein reales Risiko gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder Strafe bzw der Todesstrafe besteht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG abzuweisen war.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

3.3.1. Rechtslage

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des BF, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Indizien dafür, dass der BF einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des BF seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der BF Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 57 AsylG, abzuweisen war.

3.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

3.3.1. Rechtslage

§ 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

"§ 52 (1) ...

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

...

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

..."

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 55 AsylG 2005 lautet:

" (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen. "

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre. "

Im Hinblick auf § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG (früher: § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 38/2011) ist festzuhalten, dass bei jeder Rückkehrentscheidung auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Asylwerbers nach Art. 8 Abs. 1 EMRK Bedacht zu nehmen ist, wobei in diesem Zusammenhang Art. 8 Abs. 2 EMRK eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs erfordert und somit eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen verlangt (vgl. VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (vgl. EGMR Kroon sowie VfGH vom 28.06.2003, G 78/00). Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (vgl. EGMR Marckx, EGMR vom 23.04.1997, X u.a.).

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EuGRZ 2006, 554, Sisojeva ua. gegen Lettland). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessensabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt.

Bei dieser Interessensabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007 sowie VwGH vom 03.04.2009, Zl. 2008/22/0592; vom 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216; vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479 und vom 26.01.2006, Zl. 2002/20/0423).

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen sowie der in § 9 Abs. 2 BFA-VG normierten Integrationstatbestände, die bei der Beurteilung eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sind, ist im gegenständlichen Fall der Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF nicht durch die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen gerechtfertigt. Dies aus folgenden Gründen:

Zunächst ist hinsichtlich allfälliger familiärer Bindungen in Österreich auszuführen, dass sich aus dem Vorbringen des BF ergibt, dass er keine Familienangehörigen im Bundesgebiet hat und auch mit keiner Person in einer familienähnlichen Gemeinschaft lebt, sodass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er im Bundesgebiet ein Familienleben führt.

Im Hinblick auf sein Privatleben im Bundesgebiet ist auszuführen, dass der BF seit mehr als sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufhältig ist. Er hat auch lediglich einen inhaltlichen Asylantrag gestellt und ist zu Gunsten des BF festzustellen, dass ihn an der langen Verfahrensdauer des gegenständlichen kein Verschulden trifft. Im Hinblick auf die strafgerichtlichen Verurteilungen ist anzumerken, dass die letzte Tat vor mehr als fünf Jahren gesetzt wurde und die letzte Verurteilung viereinhalb Jahre zurückliegt sowie und er sich seither wohl und rechtskonform verhalten hat, weshalb auch aufgrund des persönlichen Eindrucks der erkennenden Richterin nicht mehr davon auszugehen ist, dass vom BF eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht.

Wie oben unter den Feststellungen angeführt wurde, hat der BF seinen mehrjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet für seine Integration in sprachlicher und sozialer Hinsicht genutzt. So hat er mehrere Sprachkurse besucht und hat eine Sprachprüfung auf dem Niveau A2 abgelegt. Aktuell besucht er einen B1 Kurs, um seine sprachliche Integration zu vertiefen. Des Weiteren er auch am Werte- und Orientierungskurs teilgenommen. Er hat sich auch gesellschaftlich engagiert, in dem er ehrenamtliche Tätigkeiten für seine Wohngemeinde verrichtet hat. Dadurch hat er auch glaubwürdig darlegen können, dass er arbeitswillig und arbeitsfähig ist und bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen für seinen Lebensunterhalt sorgen können wird. Nicht zuletzt verfügt der BF aufgrund seines jahrelangen Aufenthaltes im Bundesgebiet auch über einen entsprechenden Freundes- und Bekanntenkreis, wie dies aus den vorgelegten Beweismitteln und glaubwürdigen Angaben des BF hervorgeht.

Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes im vorliegenden Fall die privaten Interessen des BF angesichts der Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens. Eine Rückkehrentscheidung gegen den BF würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erweisen.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung der genannten besonderen Umstände dieses Beschwerdefalles zum Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den BF unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es war daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen den BF auf Dauer unzulässig ist.

Da der BF das Modul 1 der Integrationsvereinbarung mit der Teilnahme am Werte- und Orientierungskurs und der Ablegung der Sprachprüfung auf Niveau A2 erfüllt hat, sind die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG gegeben und war der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids daher stattzugeben und dem BF eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, Asylverfahren,
Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz,
Aufenthaltstitel, befristete Aufenthaltsberechtigung, begründete
Furcht vor Verfolgung, berücksichtigungswürdige Gründe,
Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit, Integration, Interessenabwägung,
mündliche Verhandlung, öffentliche Interessen, Privat- und
Familienleben, private Interessen, real risk, reale Gefahr,
Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig, subsidiärer Schutz,
Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I405.2196769.1.00
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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