TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/10 G310 2217852-1

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Veröffentlicht am 10.02.2020
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Entscheidungsdatum

10.02.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z8

Spruch

G310 2217852-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Serbien, vertreten durch Mag. Stefan ERRATH, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2019, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Einreiseverbotes zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und Spruchpunkt VI. des

angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF), ein serbischer Staatsangehöriger, heiratete am XXXX.01.2017 in Serbien, eine ungarische Staatsbürgerin und zog mit ihr nach XXXX. Sie war von 27.02.2017 bis 04.12.2018 mit Hauptwohnsitz in XXXX gemeldet, davon bis 26.07.2018 mit dem BF an einer gemeinsamen Adresse. Seit 04.12.2018 weist die ungarische Staatsbürgerin keine Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf.

Am 13.04.2017 stellte der BF bei der XXXX einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte. Da die Magistratsabteilung aufgrund der bisherigen erfolglosen Versuche des BF davon ausging, dass es sich um eine Aufenthaltsehe handle, wurde die zuständige Landespolizeidirektion verständigt, welche wiederum das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon mit Schreiben vom 26.07.2017 in Kenntnis setzte.

Mit dem Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 17.09.2018 wurde der BF aufgefordert, sich zur deshalb beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot zu äußern. Der BF erstattete keine Stellungnahme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid sprach das BFA aus, dass dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt I.), und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.), stellte nach § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt III.), gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.), aberkannte gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde (Spruchpunkt V.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG ein dreijähriges Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.).

Gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen und den Bescheid im angefochtenen Umstand zu beheben. Hilfsweise wurde zudem ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Die Beschwerde wird im Wesentlichen damit begründet, dass es sich nicht um eine reine Aufenthaltsehe gehandelt habe. Auch sei die Ehe mittlerweile geschieden worden.

Am XXXX.03.2019 erfolgte die Abschiebung des BF nach Serbien.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 24.04.2019 einlangten.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungserhebliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG. Die Feststellungen zur Wohnsitzmeldung des BF und seiner Ex-Frau basieren auf dem Zentralen Melderegister. Sein Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte ist im Fremdenregister (IZR) dokumentiert.

Rechtliche Beurteilung:

Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien grundsätzlich Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Durch seine Ehe mit einer EWR-Bürgerin, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, erlangte er den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG, unabhängig davon, ob die Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren ist, und zwar jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung iSd § 54 Abs. 7 NAG vorliegt (vgl. VwGH vom 23. März 2017, Ra 2016/21/0349, mwN). Das dies bereits erfolgt ist, lässt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen.

Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt selbst bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft unter den Voraussetzungen des § 54 Abs. 5 NAG erhalten. Im Falle eines nicht nur vorübergehenden Wegzugs des EWR-Bürgers sieht § 54 Abs. 3 NAG einen Weiterbestand des Aufenthaltsrechts lediglich für minderjährige Kinder, die Drittstaatsangehörige sind, und für deren die Obsorge innehabenden Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, in einem bestimmten Rahmen vor.

Bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine Aufenthaltskarte dokumentieren soll, ist nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet. Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll ihm möglich sein, trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005; siehe auch Abermann et al, Kommentar NAG 2016, § 55 Rz 7 ff).

Kommt die Niederlassungsbehörde bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs. 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des BFA und Information des Betroffenen) zu setzen.

Die Frage des Bestehens des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das BFA zu beurteilen (vgl VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Diese Frage ist anhand des § 66 FPG zu prüfen, ohne dass es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG ankommt.

Da die Ehe im konkreten Fall weniger als drei Jahre gedauert hat, kinderlos blieb und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Härtefall iSd § 54 Abs. 5 Z 4 NAG vorliegt, sind die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht infolge der Ehescheidung unter Berücksichtigung von § 54 Abs. 1 und 5 NAG weggefallen.

Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige darf jedoch zur Aufenthaltsbeendigung keine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot nach dem 1. Abschnitt des 8. Hauptstücks des FPG erlassen werden, sondern allenfalls nur eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nach den Bestimmungen des 4. Abschnitts des genannten Hauptstücks (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0115).

Bei Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot einerseits und bei einer Ausweisung bzw. einem Aufenthaltsverbot andererseits handelt es sich um unterschiedliche Maßnahmen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und unterschiedlichem normativen Gehalt, die nicht einfach austauschbar sind (siehe VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151). Es ist dem BVwG verwehrt, gegen den BF anstelle des vom BFA erlassenen Einreisverbots eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot auszusprechen, weil es damit die Sache des Beschwerdeverfahrens überschreiten würde. Sache des Beschwerdeverfahrens ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der Behörde gebildet hat (vgl. VwGH 27.03.2018, Ra 2015/06/0011). Dies ist hier lediglich die Erlassung eines Einreiseverbots. Eine Befugnis des BVwG, stattdessen eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, besteht nicht, sodass nur die ersatzlose Behebung des irrig erlassenen Einreiseverbots möglich ist.

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt somit nicht klärungsbedürftig ist, entfällt die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG.

Die Revision ist nicht zu zulassen, weil sich das BVwG an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte und keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2217852.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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