TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/19 G310 2228514-1

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Veröffentlicht am 19.02.2020
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Entscheidungsdatum

19.02.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G310 2228514-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Albanien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 05.12.2019, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 19.07.2019 wurde der Beschwerdeführer (BF) darüber informiert, dass aufgrund der beabsichtigten Scheidung und des Wegzugs seiner Ehefrau, eine italienische Staatsangehörige, aus dem österreichischem Bundesgebiet sein Aufenthaltsrecht überprüft werde. Gleichzeitig wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) davon unterrichtet.

Am 13.08.2019 wurde der BF niederschriftlich vom BFA einvernommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der BF gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihm wurde gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Die Ausweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- bzw. Aufhebungsverfahrens keine drei Jahre bestanden habe. Die Voraussetzungen für ein Weiterbestehen seines bisherigen Aufenthaltsrechts seien nicht erfüllt. Die Ausweisung greife nicht unverhältnismäßig in sein Privatleben ein; im Inland bestünde kein Familienleben.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid zu beheben. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass seine Ehefrau zwar am XXXX05.2019 in Albanien die Scheidung eingereicht habe, de facto seien sie aber nach wie vor verheiratet. Er gehe einer Arbeit nach, weswegen es ihm möglich sei, seinen Lebensunterhalt ohne staatliche Unterstützung zu finanzieren. Zwei Cousinen leben in Österreich und bestünde zu diesen eine sehr enge Beziehung. Auch verfüge er über freundschaftliche Anknüpfungspunkte. Eine Anmeldung zur Deutschprüfung für das Niveau A1 sei bereits erfolgt.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Feststellungen:

Der BF heiratete am XXXX.2018 in Albanien eine italienische Staatsangehörige, mit welcher er seit 12.12.2018 bis 29.04.2019 in einem gemeinsamen Haushalt in Österreich lebte. Seine Ehefrau ist im April 2019 nach Italien zurückgekehrt und hat am XXXX.05.2019 in Albanien die Scheidung eingereicht. Am XXXX.07.2019 erfolgte die Einstellung des Scheidungsverfahrens, da die Ehefrau eine Klage mit geändertem Klagsgegenstand (absolute Ungültigkeit der gesetzlichen Ehe) anstrebt.

Dem BF, welcher nach wie vor im Bundesgebiet lebt, wurde am XXXX.02.2019 antragsgemäß eine bis XXXX.02.2024 gültige Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers ausgestellt. Seit 01.03.2019 kann der BF Beschäftigungszeiten als Arbeiter aufweisen. Ein Bezug von Arbeitslosengeld liegt bislang nicht vor.

Deutschkenntnisse konnte sich der BF bereits aneignen und erfolgte auch eine Anmeldung zur Deutschprüfung auf dem Niveau A1 für den 22.02.2020.

Die Herkunftsfamilie des BF lebt nach wie vor in Albanien; in Österreich hat er zwei Cousinen und deren Familien. Ansonsten verfügt der BF im Bundesgebiet noch über freundschaftliche Kontakte. Er ist strafgerichtlich unbescholten, gesund und arbeitsfähig.

Weitere Anhaltspunkte für eine Integration des BF in Österreich bestehen nicht.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens und der Gerichtsakten. Es liegen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche vor.

Die Feststellungen zu Identität und Staatsangehörigkeit des BF erfolgten aufgrund seines im Akt in Kopie aufliegenden Reisepasses. Die Aufenthaltskarte ist im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) dokumentiert.

Der Aufenthalt des BF in Österreich seit Dezember 2018 ergibt sich aus seinen Hauptwohnsitzmeldungen laut dem Zentralen Melderegister (ZMR). Auch die Wohnsitzmeldungen und die Staatsangehörigkeit der Ehefrau des BF werden anhand des ZMR festgestellt.

Nachweise für Eheschließung, die Einreichung der Scheidung sowie die Einstellung des Scheidungsverfahrens liegen vor. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ehe Kinder entstammen.

Die Erwerbstätigkeit des BF ergibt sich aus dem Versicherungsdatenauszug

Die Feststellungen zu Familienangehörigen des BF in Österreich und der Umstand, dass seine nahen Angehörigen in Albanien leben, folgen seinen Angaben anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme.

Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem Strafregister. Es gibt keine Hinweise auf strafgerichtliche Verurteilungen in anderen Staaten.

Anhaltspunkte für Erkrankungen oder gesundheitliche Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des BF sind nicht zutage getreten. Da er seit Juli 2019 bis dato durchgehend in einem Beschäftigungsverhältnis steht, ist davon auszugehen, dass er arbeitsfähig ist.

Es gibt keine Beweisergebnisse für über die Feststellungen hinausgehende Anbindungen des BF im Inland.

Rechtliche Beurteilung:

Der BF ist als Staatsangehöriger von Albanien grundsätzlich Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Durch seine Ehe mit einer EWR-Bürgerin, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, erlangte er den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG.

Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gemäß § 54 Abs. 5 NAG erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 NAG erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 1); die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 2); ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird (Z 3); es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann (Z 4) oder ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf

(Z 5). Im Falle eines nicht nur vorübergehenden Wegzugs des EWR-Bürgers sieht § 54 Abs. 3 NAG einen Weiterbestand des Aufenthaltsrechts lediglich für minderjährige Kinder, die Drittstaatsangehörige sind, und für deren die Obsorge innehabenden Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, in einem bestimmten Rahmen vor.

§ 55 NAG lautet:

"(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs 3 und 54 Abs 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine Aufenthaltskarte dokumentieren soll, ist nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet. Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll ihm möglich sein, trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005; siehe auch Abermann et al, Kommentar NAG 2016, § 55 Rz 7 ff).

Kommt die Niederlassungsbehörde - wie hier - bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs. 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des BFA und Information des Betroffenen) zu setzen.

Die Frage des Bestehens des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das BFA zu beurteilen (vgl VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Diese Frage ist anhand des § 66 FPG zu prüfen, ohne dass es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger

iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG ankommt.

Dem BF wurde auf Grund seiner Ehe mit einer freizügigkeitsberechtigten italienischen Staatsangehörigen gemäß § 54 Abs. 1 NAG eine Aufenthaltskarte ausgestellt. Da die Ehe weniger als drei Jahre gedauert hat, kinderlos blieb und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Härtefall iSd § 54 Abs. 5 Z 4 NAG vorliegt, sind die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht infolge der Ehescheidung unter Berücksichtigung von § 54 Abs. 1 und 5 NAG weggefallen.

Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Wenn sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben, ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG sind bei einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß § 66 Abs. 3 FPG zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Gemäß § 9 BFA-VG ist ua eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im

Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß

§ 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF, ein gesunder Erwachsener im erwerbsfähigen Alter, hält sich erst seit etwas mehr als einem Jahr rechtmäßig in Österreich auf, was für sich genommen keine maßgebliche Verstärkung seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib bewirkt (vgl VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0191). Im Bundesgebiet besteht nach Wegzug der Ehefrau und der nunmehr ihrerseits beabsichtigten gerichtlichen Feststellung der Ungültigkeit der Ehe kein Familienleben mehr. Im Rahmen des Privatlebens und des Integrationsgrads des BF ist neben seinen Deutschkenntnissen insbesondere zu berücksichtigen, dass er aufgrund seiner Erwerbstätigkeit selbsterhaltungsfähig und sozialversichert ist.

Der BF hat aber auch noch starke Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo er den Großteil seines bisherigen Lebens verbrachte und familiäre Bindungen hat. Er spricht die Landessprache und ist mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut, sodass er nach seiner Rückkehr nach Albanien in der Lage sein wird, auch dort mit Tätigkeiten wie den bisher ausgeübten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften und so für seinen Lebensunterhalt aufzukommen.

Die Ausweisung greift zwar nicht in das Familienleben, wohl aber in das Privatleben des BF ein. Es wird ihm aber möglich sein, die Kontakte zu in Österreich lebenden Freunden und Cousinen über diverse Kommunikationsmittel (etwa Internet oder Telefon) und durch wechselseitige Besuche aufrechtzuerhalten, zumal er auch nach der Rückkehr nach Albanien für touristische Zwecke visumfrei nach Österreich reisen kann.

Die belangte Behörde ist somit im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung daher Art 8 EMRK nicht verletzt, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist ua begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG. Dem angefochtenen Bescheid ging ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren des BFA voran. Das BFA hat die die entscheidungswesentlichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung offengelegt. Das Gericht teilt die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung, zumal keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufgetreten sind. In der Beschwerde wurde kein für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet, der dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegensteht oder darüber hinausgeht.

Die Revision war wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausweisung, Interessenabwägung, öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2228514.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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