Entscheidungsdatum
28.02.2020Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13Spruch
G304 2178015-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Irak, vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.10.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 25.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
In der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.05.2015 gab der BF zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst an, er sei sunnitischer Moslem, im Irak Geheimdienstmitarbeiter gewesen und dazu beauftragt gewesen, iranische Zellen zu bekämpfen. Folglich sei der BF an eine andere Dienststelle versetzt worden und für ihn seitens der mit der iranischen Regierung eng zusammenarbeitenden schiitischen Milizen, von denen der BF bei seiner Dienststelle und bei ihm zuhause gesucht worden sei, eine Gefahr ausgegangen. (Niederschrift über Erstbefragung, S. 5).
Der BF, der bereits vor einigen Jahren seinen Ausreiseentschluss gefasst habe, sei am 05.09.2014 mit dem Flugzeug legal aus dem Irak ausgereist (Niederschrift über Erstbefragung, S. 5)
2. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) am 06.07.2017 gab der BF zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst an, er habe bis 2011 beim Geheimdienst gearbeitet, sei dann, weil seine Zugehörigkeit zu den Sunniten und zur Baath-Partei problematisch dafür gesehen worden sei, an eine andere Dienststelle verlegt worden, und, nachdem im Jahr 2012 versucht worden sei, den BF "zu entführen und festzunehmen", am 25.08.2014 bei seiner Dienststelle und darauf auch bei ihm zuhause gesucht worden. Der BF sei dann ausgereist, vorbereitet habe er seine Ausreise bereits am 01.08.2014. (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 4ff)
3. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 25.05.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.), und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 12.10.2018 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde beantragt, den Bescheid zur Ergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen, in eventu eine mündliche Verhandlung durchzuführen und dem BF Asyl zu gewähren.
5. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt langte am 14.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
6. Am 28.11.2017 wurde die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsakt (im Folgenden: BVwG) vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist irakischer Staatsbürger, stammt aus Bagdad und ist sunnitischer Araber.
1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Der BF brachte vor dem BFA zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst vor, er habe in seinem Herkunftsstaat bis zum Jahr 2011 beim Geheimdienst gearbeitet, sei zuvor im Jahr 2010 mittels Autobombe zu töten versucht worden, danach aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Sunniten und zur Baath-Partei an eine andere Dienststelle verlegt worden, woraufhin schiitische Milizangehörige versucht hätten, den BF im Jahr 2012 zu entführen und festzunehmen, und der BF von ihnen am 25.08.2014 bei seiner Dienststelle und daraufhin auch bei ihm zuhause gesucht worden sei.
Dieses Fluchtvorbringen war, wie aus der Beweiswürdigung ersichtlich, aufgrund unkonkreter, bloß mutmaßender, teilweise widersprüchlicher bzw. gesteigerter und nicht nachvollziehbarer Angaben des BF nicht glaubwürdig.
1.3. Auszug aus der Länderberichtslage zum Irak
1.3.1. Zur Volksgruppe des BF - Sunnitische Araber:
Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen.
1.3.2. Zur Politischen Lage
Im März 2003 kam es zum Einmarsch von Truppen einer Koalition, die von den USA angeführt wurde. Als Grund hierfür wurden Massenvernichtungswaffen angegeben, deren Existenz jedoch nie bestätigt werden konnte. Nach dem im März 2003 erfolgten Sturz von Saddam Hussein, einem Angehörigen der sunnitischen Minderheit, wurden die Regierungen von Vertretern der schiitischen Mehrheitsbevölkerung geführt. Mit 2003 begann der Aufstieg von (vorwiegend) irantreuen bzw. dem Iran nahestehenden schiitischen Parteien/Milizen, denen die amerikanischen Invasoren erlaubten, aus dem iranischen Exil in ihre Heimat zurückzukehren. Es konnte nach der Entmachtung Husseins weder eine umfassende Demokratisierung noch eine Stabilisierung erreicht werden, da die Strukturen des neuen politischen Systems das Land entlang ethnisch-konfessioneller Linien fragmentierten. Die von der US-Besatzung beschlossene Auflösung der irakischen Armee sowie das Verbot der Baath-Partei ließen viele Sunniten, darunter erfahrene Militärs, radikalen islamistischen Gruppen zuströmen. Die sunnitische Minderheit fühlte sich zunehmend diskriminiert und radikale Anführer konnten immer mehr AnhängerInnen gewinnen.
1.4. Der BF reiste zusammen mit seiner Ehegattin und den gemeinsamen Kindern zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt Ende August, Anfang September 2014 problemlos legal mit dem Flugzeug aus dem Irak in die Türkei aus, und ist dann von dort schlepperunterstützt bis nach Österreich gelangt. Seine Familie ist in der Türkei verblieben.
1.5. Am 25.05.2015 stellte der BF den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Spruchpunkt I. des im Spruch angeführten Bescheides des BFA vom 12.10.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen.
Mit Spruchpunkt II. des im Spruch angeführten Bescheides wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm - bis 12.10.2018 - eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
1.6. Der BF ging daraufhin ab Februar 2018 im Bundesgebiet - bei diversen Dienstgebern - einigen (geringfügigen) Beschäftigungen nach und stand zuletzt vom 07.01.2020 bis 28.01.2020 in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis.
1.7. Fest steht, dass sich der BF, im Besitz eines vom BFA am 16.11.2017 für alle Staaten der Welt, ausgenommen Irak, ausgestellten Fremdenpasses, am 28.05.2018 einen neuen irakischen Reisepass ausstellen lassen hat, dies laut übermitteltem Aktenvermerk des BFA vom 17.12.2019 den Angaben des BF und dem Stempelabdruck auf dem Pass zufolge beim irakischen Konsulat in Schweden, und sich, wie aus entsprechenden Ein- und Ausreisestempeln auf den vorgelegten Reisepasskopien ersichtlich, von 23.12.2018 bis 08.01.2019 und daraufhin von 18.12.2019 bis 05.01.2020 in der Türkei aufgehalten hat.
1.8. Der BF wird verdächtigt, während seiner Auslandsaufenthalte in der Türkei im Zeitraum von 23.07.2018 bis 11.08.2018 sowie 23.12.2018 bis 08.01.2019 unrechtmäßig Sozialleistungen bezogen zu haben. Im genannten Zeitraum bezog der BF laut einem AJ-Web - Auskunftsverfahrensauszug im Bundesgebiet Arbeitslosengeld. Aufgrund des bestehenden Verdachts wurde von der Polizei mit dem zuständigen Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) Kontakt aufgenommen. Eine dort Bedienstete gab an, dass der BF in der Zeit vom 05.12.2017 bis 25.01.2018 eine vom AMS beauftragte berufliche Aus- und Weiterbildung besucht habe und dafür eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes erhalten habe. Bei diesen Ausbildungen seien Ferien üblich (im Sommer und über Weihnachten). In dieser Zeit sei keine Ausbildung und auch ein Aufenthalt im Ausland erlaubt. Dem AMS sei somit kein Schaden entstanden, habe der BF doch keine Leistungen zu Unrecht bezogen, und sei der Tatbestand des Sozialleistungsbetrags nicht verwirklicht.
Nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen übermittelte die Polizei der Staatsanwaltschaft einen polizeilichen "Abschluss-Bericht" vom 18.02.2020 über den Verdacht eines vom BF zum Nachteil des AMS begangenen Betrugs.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
2.2. Zur Person des BF:
Die Feststellungen zur Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppe bzw. Glaubensrichtung und Muttersprache des BF beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.
2.3. Zur Ausreise aus dem Irak und Reise des BF nach Österreich:
Aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF in der Erstbefragung war feststellbar, dass der BF legal mit dem Flugzeug vom Irak in die Türkei ausgereist ist.
Der genaue Ausreisezeitpunkt war wegen diesbezüglich uneinheitlicher Angaben des BF nicht feststellbar, war doch in der Erstbefragung von einer Ausreise am 05.09.2014 die Rede, gab der BF vor dem BFA jedoch zunächst an, er habe bis 25.08.2014 bzw. bis zu seiner Ausreise gearbeitet, welche Angaben auf eine bereits Ende August 2018 erfolgte Ausreise hindeuten, und führte er später vor dem BFA widersprüchlich zu seinen Angaben in der Erstbefragung an, am 04.09.2014 aus dem Irak ausgereist zu sein.
Dass der BF im Jahr 2014 zusammen mit seiner Ehegattin und den gemeinsamen Kindern in die Türkei ausgereist ist und die Familie des BF folglich in der Türkei geblieben ist, ergab sich daraus, dass der BF in der Erstbefragung, befragt danach, wo sich sein Reisepass befinde, angab, er habe seinen Reisepass bei seiner Familie in der Türkei zurückgelassen (Niederschrift über Erstbefragung, S. 4), und vor dem BFA, befragt danach, wovon seine Frau in der Türkei lebe, unter anderem glaubhaft angab, damals im Jahr 2014 seine Möbel und sein Auto verkauft zu haben (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 3).
2.4. Zu den vorgebrachten Fluchtgründen:
Der BF brachte vor dem BFA zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst vor, er habe in seinem Herkunftsstaat bis zum Jahr 2011 beim Geheimdienst gearbeitet, sei zuvor im Jahr 2010 mittels Autobombe zu töten versucht worden, danach aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Sunniten und zur Baath-Partei an eine andere Dienststelle verlegt worden, woraufhin schiitische Milizangehörige versucht hätten, den BF im Jahr 2012 "zu entführen und festzunehmen", und der BF als nächstes von ihnen am 25.08.2014 bei seiner Dienststelle und auch bei ihm zuhause gesucht worden sei.
Dieses Fluchtvorbringen ist nicht glaubwürdig, dies aus den folgenden Gründen:
In der Beschwerde wurde auszugsweise festgehalten:
"Die Vermutung, wonach die Explosion des Autos, das der BF kurz vor der Explosion verlassen hatte (die ebenfalls dokumentiert wurde), in keinem Zusammenhang mit der Person des BF stehen sollte, sondern sozusagen ein zufälliges Ereignis war, ist offensichtlich verfehlt. Der Umstand, dass der BF nicht bereits im Jahr 2012 geflüchtet ist, erklärt sich durch die Notwendigkeit, für den Lebensunterhalt seiner Familie aufkommen zu müssen."
Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass der BF, wenn er tatsächlich mittels Autobombe zu töten versucht worden wäre, bereits nach diesem Vorfall im Jahr 2010 aus dem Irak ausgereist wäre. Der BF nahm jedoch in seiner Beschwerde, nachdem er das Ereignis mit der Autoexplosion aus 2010 angeführt hatte, übergangslos auf den besagten Vorfall im Jahr 2012 Bezug und gab als Grund dafür, warum er nicht bereits im Jahr 2012 geflüchtet sei, an, es sei notwendig gewesen, für den Lebensunterhalt seiner Familie aufzukommen.
Es ist nicht nachvollziehbar, wieso der BF nicht gleich nach dem behaupteten Vorfall im Jahr 2012, bei welchem versucht worden sei, ihn zu entführen und festzunehmen, geflüchtet sei, sondern noch zwei Jahre lang bis zu einem weiteren Vorfall am 25.08.2014, bei welchem der BF bei seiner Dienststelle und bei ihm zuhause gesucht worden sein soll, in seinem Herkunftsstaat verblieben und erst dann ausgereist ist.
Es ist zudem nicht nachvollziehbar, warum die schiitischen Milizangehörigen, die im Jahr 2012 versucht hätten, den BF zu entführen, wenn sie ein tatsächliches Interesse an der Person des BF gehabt haben, ihn dann nicht tatsächlich entführt haben. Möglichkeit dazu hätten sie auch nach seiner angeblichen Rückkehr aus Jordanien - sprach der BF doch davon, er sei nach diesem Vorfall im Jahr 2012 ca. zwei Wochen lang in Jordanien gewesen und daraufhin im Februar 2012 wieder in den Irak zurückgekehrt - jedenfalls gehabt. Der vom BF angeführte Wohnungswechsel nach seiner Rückkehr wäre aufgrund der großräumigen Vernetzung schiitischer Milizen im Land für sie dabei sicher auch kein Hindernis gewesen.
Eine tatsächliche Bedrohungssituation für den BF seitens schiitischer Milizangehöriger kann ausgeschlossen werden, zumal der BF nach dem behaupteten letzten Vorfall am 25.08.2014, bis zu welchem der BF problemlos seiner Arbeit nachgegangen sein will (BF in Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 4), problemlos legal mit dem Flugzeug aus dem Irak ausreisen konnte, was ihm im Falle, dass er als ehemaliger Offizier beim Geheimdienst im Visier schiitischer Milizangehöriger gestanden wäre, sicher nicht möglich gewesen wäre.
Der BF konnte nicht glaubhaft machen, warum er für schiitische Milizangehörige eine besonders wichtige Person bzw. nach Aufgabe seiner Geheimdienststätigkeit nach Verlegung an eine andere Dienststelle im Jahr 2014 noch von Bedeutung gewesen sein sollte, sprach er vor dem BFA doch davon, bei der anderen Dienststelle bis zu seiner Ausreise 2014 "einfacher Angestellter" gewesen zu sein (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 3). Der BF brachte vor dem BFA zudem vor, "noch im Jahr 2014 hat ein Arbeitskollege mich gewarnt, dass solche Offiziere wie wir festgenommen werden, und auch, dass eine Stelle innerhalb des irakischen Geheimdienstes gegründet wurde, um solche Leute wie wir zu verfolgen". (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 7).
Soweit der BF davon sprach, ein Arbeitskollege habe ihn gewarnt, dass solche Offiziere wie sie festgenommen werden würden, ist darauf hinzuweisen, dass der BF im Jahr 2014 gar kein Offizier beim Geheimdienst, sondern einfacher Angestellter bei einer anderen Dienststelle gewesen sein soll.
Dass nach Verlegung von Geheimdienstmitarbeiterin an andere Dienststellen "die Namen dieser Leute vom Geheimdienst geheim an die Medien weitergeleitet" worden seien, "damit sie leichter von den Milizen und den Terroristen getötet werden", wie der BF vor dem BFA mutmaßend angab, konnte er nicht glaubhaft machen bzw. beweisen.
Der BF sprach an dieser Stelle zudem plötzlich nicht bloß von einer Gefahr durch Milizen, sondern auch von einer von Terroristen ausgehenden Gefahr, für welche der BF und weitere Leute vom Geheimdienst nach ihrer Verlegung an andere Dienststellen nach geheimer Weiterleitung ihrer Namen an die Medien vogelfrei gewesen wären. Der BF fügte hinzu, "einige Kollegen von mir wurden getötet und einige leben noch." (Niederschrift über Einvernahme, S. 6).
Der BF gab des Weiteren an, einige Namen derjenigen Personen nennen zu können, die entführt oder ermordet worden seien. Kollegen seien nach Finnland oder Belgien gekommen, einer von ihnen auch nach Österreich. "Auch diese haben fixe Aufenthalte bekommen". (Niederschrift über Einvernahme, S. 7).
Der BF versuchte mit diesem Vorbringen offenbar, eine ihn wie andere Kollegen als ehemalige Geheimdienstmitarbeiter betroffene Bedrohung glaubhaft zu machen, die bei einigen Kollegen mit demselben Bedrohungshintergrund zu einer Entführung oder Ermordung und bei einigen zu einem Aufenthaltstitel - in Finnland, Belgien und Österreich - geführt haben soll.
Der BF sprach vor dem BFA zudem davon, in Bagdad sei ein Arbeitskollege aus Diyala mitgenommen worden. Dieser sei, wie auch der BF selbst, unter Beobachtung gestanden.
Dass der BF bloß unter Beobachtung gestanden sei, widerspricht jedenfalls einer nach angeblicher Beobachtung wirklich eingetretenen Verfolgungs- bzw. Bedrohungssituation.
Um seine Bedrohungssituation im Jahr 2014 zu aktualisieren, brachte er vor dem BFA - plötzlich gesteigert - vor:
"Aber ab 2013 hat sich meine Verfolgung anders entwickelt, und zwar seitdem die Behörden sich geändert haben und sie brauchen Zeit für die Beobachtung. Ich habe gespürt, dass ich von der Behörde verfolgt werde." (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 7).
Bezüglich des Vorbringens des BF, sich ab 2013 beobachtet gefühlt zu haben, handelt es sich jedenfalls um eine bloße Vermutung seitens des BF. Der BF sprach da zudem nicht mehr von einer Verfolgung durch schiitische Milizen, sondern davon, gespürt zu haben, "von der Behörde" verfolgt worden zu sein.
Im Bewusstsein, dass die Erstbefragung nicht vordergründig der Ermittlung der Fluchtgründe dient, ist darauf hinzuweisen, dass der BF in dieser jedenfalls ausdrücklich nur auf eine Bedrohung durch schiitische Milizangehörige Bezug genommen hat (Niederschrift über Erstbefragung, S. 5). Auch im Zuge seines Beschwerdevorbringens verwies der BF stets nur auf eine Bedrohung bzw. Verfolgung durch schiitische Milizangehörige.
Daraufhin befragt, wie der BF legal aus dem Irak ausreisen können habe, wenn er doch angeblich von den irakischen Behörden verfolgt werde, brachte der BF vor:
"Im Irak konnte wir auch ohne Kontrolle den Flughafen verlassen, wenn wir 5.000 US-Dollar zahlen. Zweitens wurde ich von einem Ort direkt zum Flugzeug gebracht."
Vorhaltend befragt, "auch wenn man von der Behörde verfolgt werde", gab der BF an:
"Ja, auch ein Offizier vom Geheimdienst selber hat dafür gesorgt, dass ich ausreisen kann. Und ich habe gute Beziehungen."
Weiter befragt, wann diese Milizen den BF zuhause gesucht hätten, gab der BF an:
"Auch am 25.08.2014 ca. eine halbe Stunde nachdem sie in der Dienststelle waren. Wo ich in der zweiten Dienststelle war."
Der BF führte diesbezüglich näher an, es sei im Dienstplan gestanden, dass er am 25.08.2014 an der anderen Dienststelle sein solle. Dem BF wurde daraufhin vorgehalten, dass, wenn die Milizen mit den Behörden zusammenarbeiten, diese doch auch den Dienstplan kennen hätten müssen, woraufhin er zunächst angab, dies nicht zu wissen, und dann nach nochmaligem Vorhalt vorbrachte:
"Nein, eigentlich wussten sie es nicht. Es ist so, es kann auch sein, dass ich von einem Arbeitskollegen angerufen werde, ich mache meinen Dienst dort. (...) Diese Leute, die mich haben wollten, haben keine Erfahrung. Wenn ich wäre, hätte ich drei Autos geschickt."
(Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 8)
Befragt, was der BF dazu sage, dass diese Leute seine erste Dienststelle und seine Wohnadresse, nicht jedoch seine zweite Dienststelle kennen sollen, gab er an:
"Vielleicht sind sie schon nachher dort hingekommen. Sobald mein Kollege mich anrief, ging ich weg." (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 9).
Dieses nach jeweiligen Vorhalten stets zurechtgebogene Vorbringen des BF bzw. sein diesbezügliche Aussageverhalten spricht dafür, dass der BF am 25.08.2014 nicht gesucht worden ist.
Der BF gab zunächst an, er habe von einem Freund erfahren, dass sie ihn bei seiner ersten Dienststelle gesucht hätten, woraufhin er bestimmt anführen konnte, dass sie mit ihren Autos zu seinem Arbeitsplatz gekommen seien und ihn festnehmen hätten wollen, und es sich dabei um Autos der Behörden und Personen in Militäruniform gehandelt habe (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 5).
Später gab der BF an, er könne nicht mehr sagen, ob es Milizen waren oder direkte Behörden. Sie waren mit Behördenautos unterwegs und in Uniform. Dieses Vorbringen, nicht mehr sagen können, ob es sich bei seinen Verfolgern um Milizen oder Behörden gehandelt habe, deutet nicht auf eine Wahrnehmung durch den Freund des BF, der den BF angeblich vor ihnen gewarnt haben soll, sondern auf eine eigene Wahrnehmung des BF hin.
Unabhängig davon, ob es sich bei den betreffenden Personen um Behördenmitarbeiter oder Milizangehörige gehandelt habe, hätten der BF, wenn sich der Vorfall am 25.08.2014 tatsächlich, wie vom BF geschildert, ereignet haben sollte, jedenfalls auch bei der zweiten Dienststelle, an welcher er sich laut seinem Dienstplan am Tag des Vorfalls befunden haben soll, oder jedenfalls bei ihm zuhause aufgefunden werden können, zumal Behörden mit schiitischen Milizen eng zusammenarbeiten.
Wie bereits oben ausgeführt, war zwar feststellbar, dass der BF legal aus dem Irak ausgereist ist, konnte aufgrund diesbezüglich uneinheitlicher Angaben jedoch nicht festgestellt werden, wann genau die Ausreise stattgefunden hat.
Dass der BF mithilfe eines bekannten Offiziers vom Geheimdienstes bzw. guter Beziehungen ausreisen können habe (BF in Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 8), konnte er jedenfalls nicht glaubhaft machen, wäre doch, hätten schiitische Milizen oder Behörden tatsächlich Interesse an der Person des BF gehabt, mit keiner Hilfe von außen eine Ausreise über den Flughafen Bagdad auf legalem Weg möglich gewesen.
Grund für die Ausreise des BF war jedenfalls kein konkreter den BF betroffener Vorfall, sondern die allgemeine (Sicherheits-) Lage vor Ort, die ihn bereits viel früher mit den Ausreisevorbereitungen beginnen lassen hat. Dies geht bereits daraus hervor, dass der BF trotz seiner Ausreise erst nach dem Vorfall am 25.08.2014, bei dem der BF festgenommen werden hätte sollen, mit seinen Ausreisevorbereitungen bereits davor - am 01.08.2014 - begonnen haben will. Mit diesen Ausreisevorbereitungen soll der BF außerdem noch bevor ein Kollege des BF, der Abteilungsleiter gewesen sei, festgenommen worden sein soll, begonnen haben, sprach der BF vor dem BFA doch davon, (nicht ungefähr, sondern bestimmt) "20 Tage vor" diesem Datum (25.08.2014) sei dieser Kollege festgenommen worden (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 7). Was den BF konkret veranlasst haben soll, bereits am 01.08.2014 mit seinen Ausreisevorbereitungen zu starten, konnte er nicht angeben. Sein nachfolgendes Vorbringen, "noch im Jahr 2014 hat ein Arbeitskollege mich gewarnt, dass solche Offiziere wie wir festgenommen werden und auch, dass eine Stelle innerhalb des irakischen Geheimdienstes gegründet wurde, um solche Leute wie wir zu verfolgen", war unbestimmt und wies nicht auf eine konkrete Gefährdung des BF, der im Jahr 2014 bei der anderen Dienststelle gar kein Offizier, sondern "einfacher Angestellter" gewesen sein soll, hin.
Laut seinen Angaben in der Erstbefragung will der BF seinen Ausreiseentschluss noch früher als laut seinen Angaben vor dem BFA gefasst haben, sprach er doch in seiner Erstbefragung am 27.05.2015 davon, er habe bereits "vor einigen Jahren" den Entschluss zur Ausreise aus dem Irak gefasst (Niederschrift über Erstbefragung, S. 3).
Da der letzte Vorfall im Irak am 25.08.2014 nicht einmal ein Jahr vor seiner Erstbefragung am 27.05.2015 stattgefunden haben soll, steht jedenfalls fest, dass der BF nicht aufgrund eines konkreten fluchtauslösenden Ereignisses aus dem Irak ausgereist ist, sondern sich bereits viel früher aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort zur Ausreise entschlossen hat.
Für eine Ausreise aufgrund der allgemeinen Lage spricht auch sein Vorbringen vor dem BFA, befragt danach, was er im Falle einer Rückkehr in den Irak befürchte:
"Dass mich jemand tötet oder dass ich festgenommen werde."
(Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 9).
Auffällig war auch das Vorbringen des BF vor dem BFA, befragt danach, ob er noch etwas angeben wolle, was ihm besonders wichtig erscheine:
"Ich wollte nicht Opfer werden wie meine Brüder. Ich wünsche mir, dass meine Familie nachkommt. Meine Tochter ist krank. Sie braucht medizinische Versorgung." (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 10).
Der BF sprach vor dem BFA zuvor davon, ein Bruder des BF sei bereits im Jahr 1986 bei einem Autounfall gestorben, ein anderer Bruder, ehemaliger "Offizier für die Sicherheitskräfte", sei im Dezember 2004 von Schiiten entführt und getötet worden, und ein weiterer Bruder sei infolge einer Schießerei auf der Straße im März 2006 zufälliges Todesopfer geworden (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 9).
Mit dem Vorbringen des BF, er wollte nicht Opfer werden wie seine laut seinen Angaben 1987, 2004 und 2006 getöteten Brüder, und seiner Angabe, er fürchte sich im Falle einer Rückkehr von (irgend-) jemandem getötet oder festgenommen zu werden, gab der BF indirekt zu, nicht aufgrund eines konkreten Vorfalls, sondern aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage ausgereist zu sein.
Der BF brachte vor dem BFA vor, nach dem Vorfall im Jahr 2012, bei welchem ihm die Flucht gelungen sei, sei er für ca. zwei Wochen nach Jordanien gereist und nach seiner Rückkehr im Februar 2012 in eine neue Wohnung gewechselt. Befragt, ob er keine Angst gehabt habe, dass ihm bei einer Rückkehr von Jordanien in den Irak etwas passieren könne, gab der BF an:
"Wie gesagt, ich habe meine Wohnung gewechselt und habe weiterarbeiten müssen, um eine Familie zu ernähren." (Niederschrift über Einvernahme, S. 7)
Aus diesen Angaben und dem Beschwerdevorbringen, "der Umstand, dass der BF nicht bereits im Jahr 2012 geflüchtet ist, erklärt sich durch die Notwendigkeit, für den Lebensunterhalt seiner Familie aufkommen zu müssen" (Beschwerdeschreiben, S. 3), geht hervor, dass der BF bereits im Jahr 2012 aufgrund der allgemeinen Lage eine Ausreise aus dem Irak in Erwägung gezogen hat, jedoch weiterhin bei seiner Familie im Irak geblieben ist, um für den Familienunterhalt zu sorgen.
Tatsächlich ausgereist ist der BF dann später, Ende August, Anfang September 2014, dies nicht, wie von ihm angegeben, nach einem bestimmten Vorfall (am 25.08.2014), sondern aufgrund der allgemeinen Lage, nach offenbar problemloser Ausreisevorbereitung problemlos auf legalem Weg mit dem Flugzeug von Bagdad in die Türkei.
Das Fluchtvorbringen des BF rund um eine Bedrohung durch schiitische Milizangehörige bzw. eine Behörde war aufgrund seiner unkonkreten, bloß mutmaßenden, teilweise widersprüchlichen bzw. gesteigerten und nicht nachvollziehbaren Angaben jedenfalls nicht glaubwürdig.
Aus seinem unglaubwürdigen Fluchtvorbringen im gegenständlichen Asylverfahren bzw. seinem Vorbringen vor dem BFA, sich zu wünschen, dass seine Familie (aus der Türkei) nachkommt, sei doch seine Tochter krank und benötige diese medizinische Versorgung (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 10), geht hervor, dass der BF zunächst über dieses Asylverfahren für sich und in weiterer Folge auch für seine mit ihm in die Türkei ausgereisten Familienangehörigen beabsichtigt, ein Bleiberecht in Österreich mit besseren Lebensbedingungen als in seinem Herkunftsstaat zu erlangen.
2.4.1. Die Feststellungen zum am 28.05.2018 ausgestellten, bis 27.05.2026 gültigen, mit Ein- und Ausreisestempeln für die Türkei versehenen irakischen Reisepass des BF und zu seinen Reisen in die Türkei vom 23.12.2018 bis 08.01.2019 und vom 18.12.2019 bis 05.01.2020 ergaben sich aus den am 19.12.2019 und 15.01.2020 beim BVwG eingelangten diesbezüglichen Mitteilungen des BFA mitsamt dies bescheinigenden Unterlagen bzw. Reisepasskopien.
Warum sich der BF im gegenständlichen Fall, im Besitz eines vom BFA am 16.11.2017 für alle Staaten der Welt, ausgenommen Irak, ausgestellten Fremdenpasses, ohne vorherige Rücksprache mit dem BFA (beim irakischen Konsul in Schweden) einen irakischen Reisepass ausstellen lassen hat, ist vor dem Hintergrund der vom BF im Asylverfahren angeführten Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtungen jedenfalls nicht nachvollziehbar, ist doch davon auszugehen, dass, wenn jemand tatsächlich aus Angst um sein Leben aus dem Herkunftsstaat ausgereist ist und in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union um Asyl angesucht hat, nicht innerhalb und schon gar nicht außerhalb der Europäischen Union herumreist bzw., wie der BF, in einem anderen Mitgliedstaat einen neuen Reisepass für seinen Herkunftsstaat besorgt, obwohl er bereits mit dem Fremdenpass zur Reise in alle Staaten, ausgenommen den Herkunftsstaat, berechtigt wäre, sondern in Hoffnung eines positiven Verfahrensausgangs die rechtskräftige Entscheidung im Staat der Asylantragstellung abwartet.
Mit der Besorgung eines neuen irakischen Reisepasses beabsichtigte der BF offenbar nicht (nur), wie er der Behörde gegenüber angab, eine erleichterte Einreise in die Türkei, um seine dort aufhältigen Familienangehörigen besuchen zu können, sondern auch eine Reise in den Irak - zu dort verbliebenen Familienangehörigen bzw. Bezugspersonen.
Das im übermittelten Aktenvermerk des BFA vom 17.12.2019 festgehaltene Vorbringen des BF, befragt danach, weshalb er sich trotz Besitzes eines Fremdenpasses einen Reisepass seines angeblichen Verfolgerstaates ausstellen lassen hat, "die Einreisebestimmungen in die Türkei wären mit dem irakischen Reisepass einfacher", spricht zudem dafür, dass für den BF eine erleichterte Reisemöglichkeit und ein Bleiberecht für sich (und seine Familie) in einem Staat mit besseren Lebensbedingungen als in seinem Herkunftsstaat und nicht Schutz vor einer ihm in seinem Herkunftsstaat tatsächlich drohenden Gefahr von Interesse ist.
2.5. Die Länderfeststellungen zur Lage im Irak stellen einen Auszug aus den bereits dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderberichten dar, wobei diese die für die Volksgruppe der sunnitischen Araber relevante und die politische Entwicklung im Land ab 2003, auch rund um das eingeführte Verbot der Baath-Partei, welcher der BF anzugehören behauptet hat, mit welcher Partei in Zusammenhang er jedoch keine ihm vor seiner Ausreise gedrohte Gefahr glaubhaft machen konnte, veranschaulichen soll.
2.6. Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF im Bundesgebiet konnte nach Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich getroffen werden.
Die Feststellung zum der Staatsanwaltschaft übermittelten polizeilichen "Abschluss-Bericht" vom 18.02.2020 betreffend den Verdacht, der BF habe zum Nachteil des AMS einen Betrug begangen, beruht auf dem diesbezüglichen Polizeibericht, der der Staatsanwaltschaft übermittelt wurde und am 19.02.2020 beim BVwG eingelangt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Zu Spruchteil A):
3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;
09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;
19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;
25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
3.2.2. Das Fluchtvorbringen des BF, in seinem Herkunftsstaat als ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter in Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu den Sunniten und zur Baath-Partei von schiitischen Milizangehörigen bedroht worden zu sein, war, wie oberhalb in der Beweiswürdigung näher ausgeführt, nicht glaubwürdig.
Dem BF ist es somit nicht gelungen, eine ihm in seinem Herkunftsstaat drohende asylrelevante Verfolgungsgefahr aus politischen bzw. religiösen Gründen glaubhaft zu machen.
Eine systematische, gezielte Gruppenverfolgung von Angehörigen der Volksgruppe der sunnitischen Araber geht aus den amtsbekannten aktuellen Länderberichten außerdem auch nicht hervor, und hat der BF im Verfahren auch nie, auch nicht in seiner Beschwerde, auf eine solche systematische alle sunnitischen Araber betroffene Verfolgung im Irak hingewiesen.
Mangels erkennbarer asylrelevanter Verfolgungsgefahr war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch angeführten Bescheides somit als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Im gegenständlichen Fall konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde eindeutig geklärt erscheint.
Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. s1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
individuelle Verhältnisse, mangelnde Asylrelevanz, VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2178015.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.05.2020