TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/11 G306 2220475-1

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Veröffentlicht am 11.03.2020
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Entscheidungsdatum

11.03.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G306 2220475-1/9E

Ausfertigung des am 14.01.2020 mündlich verkündeten Erkenntnis

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX,

StA.: Kosovo, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2019,

Zahl XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der, am 14.08.2013 in das Bundesgebiet einreisende Beschwerdeführer (BF), erhielt einen Aufenthaltstitel "Studierender" mit Gültigkeit bis zum 01.08.2015. Ein gestellter Verlängerungsantrag wurde bis zum 02.08.2016 genehmigt.

Der BF ehelichte am XXXX.2015, die freizügigkeitsberechtigte ungarische Staatsangehörige XXXX am Standesamt XXXX. Der BF beantragte daraufhin am 18.01.2016 die Ausstellung einer Aufenthaltskarte für Angehörige einer EWR Bürgerin gemäß § 54 NAG beim Magistrat XXXX. Diese Karte wurde dem BF mit einer Gültigkeit bis zum 18.01.2021 ausgestellt.

Der BF lebte mit der Ex-Gattin von August 2015 bis Juli bzw. Oktober 2016 in einem gemeinsamen Haushalt. Seit Herbst 2016 trennte sich der BF von seiner Ex-Gattin.

Am 30.11.2017 beantragte der BF eine Neuausstellung der Aufenthaltskarte. Grund dafür war, das diese in Verlust geraten war.

Der Magistrat verständigte die Landespolizeidirektion XXXX und wurden in Folge Ermittlungen bezüglich Vorliegens einer Aufenthaltsehe durchgeführt. Der Abschlussbericht erging am XXXX.2017 an die Staatsanwaltschaft XXXX. Diese stellte das Verfahren am XXXX.2018 ein.

Am XXXX.2018 wurde die Ehe des BF am Bezirksgericht XXXX im Einvernehmen geschieden. Am XXXX.2018 langte am Magistrat XXXX das Scheidungsurteil ein.

Am 21.02.2019 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

Am 25.03.2019 langte beim BFA diverse Lichtbilder von der Hochzeit des BF ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der BF gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihr wurde gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Die Ausweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Ehe des BF nach weniger als drei Jahren geschieden worden sei. Die Voraussetzungen für ein Weiterbestehen seines bisherigen Aufenthaltsrechts seien nicht erfüllt. Die Ausweisung greife nicht unverhältnismäßig in sein Privatleben ein; im Inland bestünde kein Familienleben.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und dem BF eine weitere Aufenthaltsberechtigung zu erteilen. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt sowie dass der Durchsetzungsaufschub angemessen erteilt werde. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass der BF beinahe die 3jährige Frist gemäß § 54 Abs. 5 Z 1 NAG erreicht habe; er sehr wohl zumindest von August 2015 bis Mitte November 2015 eine ehelichte Gemeinschaft bestanden habe; die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 117 FPG eingestellt habe; der BF sich im Bundesgebiet vorbildhaft verhalten habe; er stets gearbeitet habe und er keinesfalls die öffentliche Sicherheit in Österreich gefährde.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, den angefochtenen Bescheid zu bestätigen.

Das BVwG führte am 14.01.2020 an der Außenstelle in Graz eine mündliche Verhandlung durch, an der der BF, seine nunmehrige Lebensgefährtin sowie die Rechtsvertretung (RV) teilnahm. Am Schluss der Verhandlung wurde das oben im Spruch angeführte Erkenntnis mündlich verkündet.

Mit Eingabe vom 27.01.2020 beantragte der BF die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnis.

Feststellungen:

Der BF wurde am XXXX im kosovarischen Ort XXXX geboren. Er sprich albanisch, englisch und deutsch. Der BF hält sich seit dem 14.08.2013 im Bundesgebiet auf. Am XXXX.2015 heiratete er in Österreich die im Bundesgebiet lebende ungarischen Staatsangehörige

XXXX.

Am 18.01.2016 wurde ihm antragsgemäß eine bis 18.01.2021 gültige Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers ausgestellt. Zuvor hatte er einen Aufenthaltstitel für Studierende.

Er wollte im Bundesgebiet Informatik studieren, fing jedoch zu Arbeiten an und brach daher das Studium ab. Er war in der Zeit von 01.12.2013 - 01.07.2014, 11.09.2014 - 10.03.2015 geringfügig beschäftigt und von 23.05.2016 - 05.08.2016, 08.08.2016 - 02.09.2016, 15.09.2016-31.10.2016, 01.11.2016 - 13.01.2017, 15.01.2017 - 15.04.2018, 24.04.2018 - 29.06.2018 sowie 03.09.2018 - 13.12.2018 im Bundesgebiet als Arbeiter beschäftigt.

Die am XXXX.2015 geschlossene Ehe wurde am XXXX.2018 am Bezirksgericht XXXX einvernehmlich geschieden. Er lebte mit seiner damaligen Gattin in der Zeit von August 2015 bis ca. Oktober 2016 in einem gemeinsamen Haushalt und trennten sich die Eheleute anschließend. Ein Familienleben hat daher in einer Zeit von ca. 15 Monaten stattgefunden.

Die Herkunftsfamilie des BF lebt nach wie vor im Kosovo; in Österreich wohnt ein Onkel des BF zu dem er wöchentlich telefonischen Kontakt pflegt. Eie ist strafgerichtlich unbescholten, gesund und arbeitsfähig. Er hat seit ca. 2 Jahren eine österreichische Freundin mit derer er zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ca. 2 Wochen zusammenlebte, jedoch keine gemeinsame Wohnsitzmeldung vorlag.

Weitere Anhaltspunkte für eine Integration der BF in Österreich bestehen nicht.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere aus den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung und der Gerichtsakten.

Die Feststellungen zu Identität und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen er in der mündlichen Verhandlung nicht entgegentrat. Sein Geburtsort geht aus der vorgelegten Heiratsurkunde und ZMR Auszug hervor. Die Sprachkenntnisse ergeben sich aus seinen eigenen Angaben im Verfahren. Die Aufenthaltskarten sind im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) dokumentiert.

Der Aufenthalt des BF in Österreich seit August 2013 ergibt sich aus ihrer Hauptwohnsitzmeldung laut dem Zentralen Melderegister (ZMR). Auch die Wohnsitzmeldungen und die Staatsangehörigkeit der Ex-Gattin des BF werden anhand des ZMR festgestellt. Das der BF bereits seit dem Oktober 2016 getrennt von seiner Ex-Gattin lebte ergibt sich aus seinen eigenen Angaben im gesamten Verfahren sowie ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung.

Die Heiratsurkunde des BF und das Scheidungsurteil samt Rechtskraftbestätigung liegen vor. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ehe Kinder entstammen. Die Erwerbstätigkeiten des BF ergeben sich aus dem Versicherungsdatenauszug. Die Feststellungen zum Fehlen von familiären Beziehungen des BF in Österreich und der Umstand, dass seine nahen Angehörigen im Kosovo leben, folgen seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung wo er angab, im Bundesgebiet nur über einen Onkel zu verfügen zu dem er wöchentlich telefonisch Kontakt habe sowie dass die Kernfamilie nach wie vor im Kosovo lebt. Er mit seiner österreichischen Freundin erst seit ca. 2 Wochen zusammenlebt jedoch keinen gemeinsamen Wohnsitz aufweisen.

Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem Strafregister. Es gibt keine Hinweise auf strafgerichtliche Verurteilungen in anderen Staaten.

Anhaltspunkte für Erkrankungen oder gesundheitliche Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des BF sind nicht zutage getreten. Da der BF bis zu Letzt als Arbeiter beschäftigt war, ist von einer Arbeitsfähigkeit seitens des BF auszugehen. Es gibt keine Beweisergebnisse für über die Feststellungen hinausgehende Anbindungen bzw. privater- und familiärer Verhältnisse des BF im Inland.

Rechtliche Beurteilung:

Die BF ist als Staatsangehörige der Republik Kosovo grundsätzlich Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Durch ihre Ehe mit einer EWR-Bürgerin, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, erlangte er den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG.

Gemäß § 54 Abs 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs 1 Z 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gemäß § 54 Abs 5 NAG erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs 1 Z 1 und 2 NAG erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 1); die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 2); ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird (Z 3); es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann (Z 4) oder ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf ( Z 5).

§ 55 NAG lautet:

"(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs 3 und 54 Abs 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine Aufenthaltskarte dokumentieren soll, ist nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet. Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll ihm möglich sein, trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005; siehe auch Abermann et al, Kommentar NAG 2016, § 55 Rz 7 ff).

Kommt die Niederlassungsbehörde - wie hier - bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des BFA und Information des Betroffenen) zu setzen.

Die Frage des Bestehens des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das BFA zu beurteilen (vgl VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Diese Frage ist anhand des § 66 FPG zu prüfen, ohne dass es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG ankommt. Die Erteilung des vom BF angestrebten Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" setzt voraus, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Verfahren vor dem BFA unterbleibt.

Dies ist hier aber nicht der Fall. Der BF wurde auf Grund seiner Ehe mit einer freizügigkeitsberechtigten ungarischen Staatsangehörigen gemäß § 54 Abs 1 NAG eine Aufenthaltskarte ausgestellt. Da die Ehe weniger als drei Jahre gedauert hat, kinderlos blieb und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Härtefall iSd § 54 Abs 5 Z 4 NAG vorliegt, sind die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht infolge der Ehescheidung unter Berücksichtigung von § 54 Abs 1 und 5 NAG weggefallen.

Gemäß § 66 Abs 1 FPG können begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Wenn sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben, ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Gemäß § 66 Abs 2 FPG sind bei einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß § 66 Abs 3 FPG zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Gemäß § 9 BFA-VG ist ua eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF, ist ein gesunder Erwachsener im erwerbsfähigen Alter, er hält sich seit ca. 6 1/2 Jahren rechtmäßig in Österreich auf, was für sich genommen schon eine maßgebliche Verstärkung seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib bewirken kann. Diese mögliche Verstärkung wird jedoch dadurch abgeschwächt, da dem BF schon zum Zeitpunkt seiner Trennung von seiner Ex-Gattin im Herbst 2016 klar sein musste, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet ein unsicherer sein wird, da er sein Aufenthaltsrecht von seiner Gattin ableitete. Der BF wäre auch bereits zu diesem Zeitpunkt (Herbst 2016) verpflichtet gewesen, der Behörde mitzuteilen, dass kein Familienleben mehr zwischen ihm und seiner damaligen Gattin stattfand. Dies hat der BF jedoch nicht getan. Im Bundesgebiet bestand daher bereits ab Herbst 2016 kein tatsächliches Bestehen eines Familienlebens vorlag. Das der BF mit seiner österreichischen Freundin ein Familienleben führt, konnte auch in der mündlichen Verhandlung nicht festgestellt werden. Im Rahmen des Privatlebens und des Integrationsgrads des BF ist neben seinen Deutschkenntnissen insbesondere zu berücksichtigen, dass er aufgrund seiner Erwerbstätigkeit selbsterhaltungsfähig und sozialversichert war.

Der BF hat aber auch noch starke Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo er den Großteil seines bisherigen Lebens verbrachte und die gesamten Kernfamilie aufhältig ist. Der BF hat mit ihnen wöchentlich telefonischen Kontakt und war auch im Jahr 2017 für einen Monat bei ihnen aufhältig. Er spricht die Landessprache und ist mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut, sodass er nach seiner Rückkehr in den Kosovo in der Lage sein wird, auch dort mit Tätigkeiten wie den bisher ausgeübten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften und so für seinen Lebensunterhalt aufzukommen.

Die Ausweisung greift zwar nicht in das Familienleben - BF hat im Bundesgebiet nur einen auf haltigen Onkel zu dem er telefonischen Kontakt pflegt, ein Abhängigkeitsverhältnis wurden nicht behauptet, er hat zwar eine österreichische Freundin, mit der er jedoch erst vor kurzem (2 Wochen) "angeblich" zusammenlebt, diese jedoch keinen gemeinsamen Wohnsitz aufweisen. Darüber war es dem BF zu diesem Zeitpunkt sehr wohl bewusst, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet ein ungewisser ist -, wohl aber in das Privatleben des BF ein. Es wird ihm aber möglich sein, die Kontakte zu in Österreich lebenden Freunden/in und Bekannten über diverse Kommunikationsmittel (etwa Internet oder Telefon) und durch wechselseitige Besuche aufrechtzuerhalten, zumal er auch nach der Rückkehr in den Kosovo für touristische Zwecke visumfrei nach Österreich reisen kann.

Die belangte Behörde ist somit im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes das persönliche Interesse der BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung daher Art 8 EMRK nicht verletzt, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist ua begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Ausweisung, Interessenabwägung, öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2220475.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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