TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/13 G310 2229353-1

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Veröffentlicht am 13.03.2020
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Entscheidungsdatum

13.03.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G310 2229353-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Serbien, vertreten durch Dr. Helmut BLUM, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.01.2020, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid

behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit Schreiben des Magistrats XXXX der Landeshauptstadt XXXX vom XXXX2019 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) darüber unterrichtet, dass die Beschwerdeführerin (BF) anlässlich ihrer Antragstellung auf einen zweckgeänderten Aufenthaltstitel am 14.11.2019 ein Scheidungsurteil aus Serbien vorlegte, wonach die Ehe der BF am XXXX2016 geschieden wurde.

Am 16.01.2020 wurde die BF vor dem BFA zu ihrem Aufenthalt und möglicher aufenthaltsbeendender Maßnahmen niederschriftlich einvernommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die BF gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihr wurde gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Die Ausweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Ehe der BF nach weniger als drei Jahren geschieden worden sei. Die Voraussetzungen für ein Weiterbestehen ihres bisherigen Aufenthaltsrechts seien nicht erfüllt. Die Ausweisung greife nicht unverhältnismäßig in ihr Privatleben ein; im Inland bestünde kein Familienleben.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, der Beschwerde stattzugeben und die Ausweisung zu beheben. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Die BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass sie in Österreich über eine Beschäftigung verfüge. Auch habe sie in Serbien die A2-Prüfung absolviert. Sie sei selbsterhaltungsfähig und habe keine Schulden. Sie sei strafrechtlich unbescholten. Darüber hinaus verfüge sie über einen Freundeskreis. Die Scheidung sei aufgrund von Missbrauch in der Ehe erfolgt.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, den angefochtenen Bescheid zu bestätigen.

Feststellungen:

Die BF ist serbische Staatsbürgerin und spricht Serbisch. Sie ist im Besitz eines serbischen Reisepasses, ausgestellt am 29.01.2015. In Serbien hat sie 14 Jahre lang die Schule besucht und die Ausbildung zur Pädagogin absolviert.

Am XXXX2014 heiratete sie in Serbien einen in Österreich lebenden italienischen Staatsangehörigen.

Seit 13.02.2015 ist sie durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet, davor weist sie von 27.06.2013 bis 04.07.2013, von 25.09.2013 bis 08.10.2013, von 28.04.2014 bis 03.07.2014 und von 10.09.2014 bis 24.09.2014 Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf. Bis 04.03.2016 lag ein gemeinsamer Wohnsitz mit ihrem Ex-Mann vor.

Am 20.02.2015 wurde ihr antragsgemäß eine bis 20.02.2020 gültige Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers ausgestellt. Seit 01.04.2015 ist sie als Arbeiterin bei einem Reinigungsunternehmen in XXXX beschäftigt.

Am XXXX.2018 legte sie in Serbien erfolgreich eine Sprachprüfung für Deutsch auf Niveau A2 ab. Von XXXX.2018 bis XXXX.2018 nahm sie in XXXX am Deutschkurs XXXX auf Niveau A2 teil. Am XXXX.2019 bestand die BF in XXXX die Prüfung für das ÖSD Zertifikat A1. Eine Teilnahme an einem weiteren Deutschkurs im Frühjahr 2020 wird beabsichtigt.

Mit dem Urteil des Grundgerichts in XXXX (Serbien) vom XXXX.2016, XXXX, wurde die Ehe der BF, die kinderlos blieb, geschieden. Die Parteien verzichteten auf ein Rechtsmittel. Grund für die Scheidung waren im Raum stehende Missbrauchsvorwürfe.

Am 14.11.2019 stellte die BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte-plus", über welchen bis dato seitens der zuständigen NAG-Behörde noch nicht entschieden wurde.

Der Vater und die Söhne der BF leben nach wie vor in Serbien; in Österreich hat sie keine Familienangehörigen. Im letzten Jahr hat sie sich dreimal für ungefähr 10 Tage in Serbien aufgehalten. In Österreich verfügt die BF über einen Freundeskreis. Sie ist strafgerichtlich unbescholten, gesund und arbeitsfähig.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere aus den von der BF vorgelegten Urkunden, und der Gerichtsakten. Es liegen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche vor.

Die Feststellungen zu Identität und Staatsangehörigkeit der BF beruhen auf den in Kopie im Verwaltungsakt aufliegenden Reisepass, den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen die Beschwerde nicht entgegentritt. Serbischkenntnisse sind aufgrund der Herkunft der BF plausibel. Die Aufenthaltskarte und der Zweckänderungsantrag sind im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) dokumentiert.

Der Aufenthalt der BF in Österreich ergibt sich aus ihren Wohnsitzmeldungen laut dem Zentralen Melderegister (ZMR).

Das Scheidungsurteil liegt vor. Den Angaben der BF anlässlich der niederschriftlichen Befragung ist zu entnehmen, dass der Ehe keine Kinder entstammen.

Die Erwerbstätigkeit der BF ergibt sich aus dem Versicherungsdatenauszug und dem vorgelegten Einkommensnachweis. Das Zeugnis über die erfolgten Sprachprüfungen und Kursteilnahmen sowie eine Bestätigung für die beabsichtigte Anmeldung für den Deutschkurs ab April 2020 wurden ebenfalls vorgelegt.

Die Feststellungen zum Fehlen von Familienangehörigen der BF in Österreich und der Umstand, dass ihre nahen Angehörigen in Serbien leben, folgen ihren Angaben vor dem BFA.

Die Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus dem Strafregister. Es gibt keine Hinweise auf strafgerichtliche Verurteilungen in anderen Staaten.

Anhaltspunkte für Erkrankungen oder gesundheitliche Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit der BF sind nicht zutage getreten. Da sie seit 2015 durchgehend in einem Beschäftigungsverhältnis steht, ist davon auszugehen, dass sie arbeitsfähig ist.

Es gibt keine Beweisergebnisse für über die Feststellungen hinausgehende Anbindungen der BF im Inland.

Rechtliche Beurteilung:

Die BF ist als Staatsangehörige von Serbien grundsätzlich Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Durch ihre Ehe mit einem EWR-Bürger, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, erlangte sie den Status einer begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG.

Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs .1 Z 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gemäß § 54 Abs. 5 NAG erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 NAG erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 1); die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 2); ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird (Z 3); es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann (Z 4) oder ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf ( Z 5).

§ 55 NAG lautet:

"(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs 3 und 54 Abs 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine Aufenthaltskarte dokumentieren soll, ist nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet. Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll ihm möglich sein, trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005; siehe auch Abermann et al, Kommentar NAG 2016, § 55 Rz 7 ff).

Kommt die Niederlassungsbehörde - wie hier - bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs. 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des BFA und Information des Betroffenen) zu setzen.

Die Frage des Bestehens des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das BFA zu beurteilen (vgl VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Diese Frage ist anhand des § 66 FPG zu prüfen, ohne dass es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger

iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ankommt. Die Erteilung des von der BF angestrebten Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" setzt voraus, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Verfahren vor dem BFA unterbleibt.

Dies ist hier aber nicht der Fall. Der BF wurde auf Grund ihrer Ehe mit einem freizügigkeitsberechtigten italienischen Staatsangehörigen gemäß § 54 Abs. 1 NAG eine Aufenthaltskarte ausgestellt. Da die Ehe weniger als drei Jahre gedauert hat, kinderlos blieb und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Härtefall iSd § 54 Abs. 5 Z 4 NAG vorliegt, sind die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht infolge der Ehescheidung unter Berücksichtigung von § 54 Abs. 1 und 5 NAG weggefallen.

Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Wenn sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben, ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG sind bei einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß § 66 Abs. 3 FPG zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Gemäß § 9 BFA-VG ist ua eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im

Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß

§ 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Die BF, eine gesunde Erwachsene im erwerbsfähigen Alter, hält sich seit 2013 mit Unterbrechungen und seit 2015, somit seit 5 Jahren, durchgehend in Österreich auf und ist unbescholten. Im Bundesgebiet besteht nach der Ehescheidung kein Familienleben mehr. Im Rahmen des Privatlebens und des Integrationsgrads der BF ist neben ihren Deutschkenntnissen insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, dass sie aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit seit April 2015 selbsterhaltungsfähig und sozialversichert ist. Die BF zeigt sich zudem bemüht, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Sie hat zwar noch Bindungen an Serbien, doch hält sie sich dort nur zu Besuchszwecken auf. Im Rahmen ihres Privatlebens ist auch ihr Freundeskreis im Inland zu berücksichtigen.

Insofern kann nicht gesagt werden, dass sie die Zeit ihres Aufenthaltes in Österreich gar nicht zur sozialen und beruflichen Integration genutzt hätte. Nach einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG überwiegen die privaten Interessen der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet jene an ihrer Ausweisung. Deren Ausspruch bedeutete daher eine Verletzung der Rechte der BF nach Art. 8 EMRK.

Die Ausweisung erfolgte daher nicht zu Recht. Dies bedingt auch die Gegenstandslosigkeit des der BF gewährten Durchsetzungsaufschubs. In Stattgebung der Beschwerde war der angefochtene Bescheid daher ersatzlos aufzuheben.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der in der Beschwerde aufgestellten Behauptungen der BF ausgegangen wird.

Die Revision war wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2229353.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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