TE Lvwg Erkenntnis 2020/5/18 LVwG-S-1579/001-2019

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Veröffentlicht am 18.05.2020
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Entscheidungsdatum

18.05.2020

Norm

AWG 2002 §37 Abs1
AWG 2002 §79 Abs1 Z9

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch seinen Vizepräsidenten Dr. Grubner als Einzelrichter über die Beschwerde des A, vertreten durch die C Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 4. Juni 2019, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung durch mündliche Verkündung am 3. März 2020, zu Recht erkannt:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 50 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

2.   Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 1 400 Euro zu leisten.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Zahlungshinweis:

Auf Grund dieser Entscheidung beträgt der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) 9 100 Euro und ist gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) binnen zwei Wochen einzuzahlen. Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

- Verhängte Geldstrafe                                                              7 000 Euro

- Kostenbeitrag zum verwaltungsbehördlichen Verfahren                        700 Euro

- Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren                                          1 400 Euro

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 79 Abs. 1 Z 9 AWG 2002 zur Last gelegt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma B GmbH mit dem Sitz in ***, ***, zu verantworten, dass die Gesellschaft zumindest am 22. Mai 2017 auf den Grundstücken *** bis ***, KG ***, eine geänderte Betriebsanlage betrieben habe, indem die angeführte Gesellschaft für das Jahr 2016 einen Input von ca. 230 000 Tonnen hatte und somit eine Überschreitung des Übernahmekonsenses von ca. 40 000 Tonnen hatte, ohne im Besitz einer gemäß § 37 AWG 2002 erforderlichen Genehmigung gewesen zu sein.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde erhoben und die inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt. Die verhängte Strafe sei nicht tat- und schuldangemessen. Im Wesentlichen hat er dazu vorgebracht, dass der Tatzeitpunkt (22. Mai 2017), der sich aus dem Zeitpunkt der Kontrolle ergebe, im Hinblick auf die zur Last gelegte Tat (Überschreitung des Konsenses im Jahr 2016) denkunmöglich sei, eine Auswechslung durch das Landesverwaltungsgericht sei unzulässig. Unabhängig davon würde die als erwiesen angenommene Tat nicht den Tatbestand der Verwaltungsübertretung gemäß § 79 Abs. 1 Z 9 iVm § 37 Abs. 1 AWG 2002 erfüllen, da keine Änderung der Anlage vorliege. Aber selbst wenn man eine Änderung annehmen würde, weil die bewilligte Jahresanlieferung überschritten worden sei, würde dies keine wesentliche Änderung darstellen. Der bewilligte Konsens sei bloß um rund ein Fünftel überschritten worden. Solch eine Überschreitung könne nicht als wesentlich angesehen werden, insbesondere im Hinblick auf die Regelungen bei IPPC Anlagen. Bei diesen liege eine wesentliche Änderung erst dann vor, wenn die in Anhang 5 zum AWG 2002 angeführten Schwellenwerte um 100% überschritten werden. Auch eine Änderung eines in Anhang 1 zum UVP-G 2000 angeführten Vorhabens liege erst ab einer 25%igen Kapazitätsausweitung vor. Weiters sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Überschreitung des Konsenses für ein Lager für Quecksilberabfälle um 750% bloß als nach § 37 Abs. 4 Z 4 AWG 2002 anzeigepflichtige Änderung einer Abfallbehandlungsanlage zu qualifizieren. Darüber hinaus rügte der Beschwerdeführer, dass der Sachverhalt nicht ordnungsgemäß ermittelt worden sei. Die im angefochtenen Bescheid angenommenen erheblichen nachteiligen Auswirkungen seien völlig aus der Luft gegriffen und ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten. Eine sachverständige Prüfung sei unterblieben.

Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, die ersatzlose Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Herabsetzung der verhängten Strafe.

Mit Schreiben vom 8. Juli 2019 hat die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem Ersuchen um Entscheidung vorgelegt.

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 3. März 2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. In dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde, durch Befragung des Beschwerdeführers sowie durch Erstattung von Befund und Gutachten des Amtssachverständigen für Deponietechnik, D. Ein Vertreter der belangten Behörde hat an der Verhandlung nicht teilgenommen.

Der Beschwerdeführervertreter bekräftigte in der Verhandlung unter Hinweis auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Tatzeit, so wie sie im angefochtenen Straferkenntnis angegeben worden sei, niemals rechtskonform sein könne, es liege ein Dauerdelikt vor. Eine Auswechslung des Tatzeitraumes sei nicht möglich. Die gegenständliche Anlagengenehmigung sei am 30. Juni 2018 erloschen, sodass unter diesem Gesichtspunkt die einjährige Verfolgungsverjährungsfrist jedenfalls abgelaufen sei.

Der Beschwerdeführer selbst gab in der Verhandlung – zusammengefasst – an, die Bewilligung sei bereits im Genehmigungsbescheid mit 30. Juni 2018 befristet gewesen. Die Anlage sei nicht aufgelassen worden, sondern es sei um eine Verlängerung des Konsenses angesucht worden, nun liege ein neuer Konsens vor. Welche Kapazität im neuen Konsens bewilligt worden sei, könne er auswendig nicht beantworten. Der Konsens im Jahre 2017 sei ausgeschöpft worden. Die Mehrlieferung im Jahr 2016 werde nicht bestritten. Die Lieferung von 230 000 Tonnen werde eingestanden. Zum Vorhalt des Verhandlungsleiters, dass in der Stellungnahme von E vom 1. Dezember 2017 236 000 Tonnen angeführt werden, teilte der Beschwerdeführer mit, dass er dazu nichts sagen könne.

Auf Frage des Amtssachverständigen, wie mit der Mehrmenge im Jahr 2017 umgegangen worden sei, gab der Beschwerdeführer an, dass das angelieferte Material recycelt, sowie nach Aufbereitung wieder auf die LKWs aufgeladen und auf Baustellen verbracht worden sei. Der LKW kippe ab und fahre entweder voll oder leer aus der Anlage hinaus. Auf die Frage des Amtssachverständigen, ob es Konsensinhalt sei, dass die LKWs nicht leer von *** wegfahren, teilte der Beschwerdeführer mit, dass im Konsens nicht vorgesehen sei, dass nur voll beladen aus der Anlage hinausgefahren werden dürfe. Auf die Frage des Amtssachverständigen, ob in Fällen, wenn mehr m³ angeliefert werden, dann letztlich auch mehr Fuhren von *** weg erfolgen müssten, teilte der Beschwerdeführer mit, es seien im laufenden Betrieb etwa 60 000 bis 80 000 Tonnen gelagert. Er nutze die Leerfahrten gleich als Vollfuhren, damit würden sich auch nicht mehr Fahrten entwickeln. Eher selten würden leere LKWs einfahren, um volle Ladungen wegzubringen.

Der Amtssachverständige D erstattete Befund und Gutachten zum Beweisthema, welche Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt die Erhöhung der 190 000 Tonnen auf 230 000 Tonnen haben könne, und führte dazu – zusammengefasst – an, dass unter Bezugnahme darauf, dass die Konsensmenge von 190 000 Tonnen indirekt auch eine festgelegte Anzahl von Zu- und Abfahrten zur Anlage bedinge, eine Konsensüberschreitung von 40 000 Tonnen grundsätzlich eine erhöhte Verkehrsbelastung und damit Lärm- und Staubbelastung darstelle. Bei der Annahme, dass ein LKW im Schnitt 20 Tonnen pro Fuhr befördern könne, sei im gegenständlichen Fall von ca. 2 300 Fuhren über dem bewilligten Konsens auszugehen. Diese Annahme beruhe auf Durchschnittswerten bei der Verfuhr von Baurestmassen. Aus deponietechnischer Sicht würden sich dadurch Auswirkungen für Mensch oder Umwelt ergeben. Die Sickerwassermenge werde nicht erhöht, jedoch die Fracht (Konzentration einzelner Parameter) im Sickerwasser. Eine Beeinträchtigung von Mensch und Umwelt über den Konsens hinaus trete nur dann auf, wenn ein Schadensfall bei der Sickerwasserspeicherung bzw. bei den Lagerflächen bestehe. Diese Faktoren würden letztlich möglicherweise zu einer anderslautenden Bewilligung führen, weil sich auf Grund der Mengenüberschreitung von 40 000 Tonnen wesentliche Veränderungen in der Betriebsführung ergeben würden (staubmindernde Maßnahmen, lärmmindernde Maßnahmen, geänderte Sickerwasserbewirtschaftung). Es ist daher auf Grund der Überschreitung von 21% von einer wesentlichen Änderung zu sprechen.

Der Beschwerdeführer merkte zum Gutachten an, dass es im Hinblick auf die Staubbelastung einen Unterschied mache, ob Baurestmassen oder Aushubmaterial angeliefert werde. Der Amtssachverständige gab dazu an, dass er gesagt habe, dass zum Konsensstand auf jeden Fall Mehrfahrten erforderlich wären. Zur Ermittlung der Details wäre ein Lärmgutachten erforderlich. Das wäre alles im Rahmen eines Projekts zu beurteilen.

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung mündlich verkündet. Der Beschwerdeführer beantragte eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

4.   Feststellungen und Beweiswürdigung:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich stellt folgenden Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer war 2016 und 2017 handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit das zur Vertretung nach außen berufene Organ der B GmbH. Die B GmbH ist bzw. war gewerbstätig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 7. Juli 2009, ***, wurde der B GmbH die abfallrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Behandlungsanlage für nicht gefährliche Abfälle (Sortier- und Recyclinganlage samt Zwischenlagerflächen und Nebenanlagen) auf den Grundstücken Nr. *** bis ***, KG ***, erteilt. Die maximale Jahresanlieferung wurde mit 190 000 Tonnen beschränkt. In den Jahren 2016 und 2017 hat die B GmbH diese Sortier- und Recyclinganlage betrieben. Im Zuge einer Überprüfung am 22. Mai 2017 wurde festgestellt, dass im Jahr 2016 ein Input von 230 000 Tonnen erfolgte. Der Übernahmekonsens wurde somit um etwa 40 000 Tonnen überschritten. 2017 wurde der Anlagenkonsens ausgeschöpft.

Die Konsensmenge von 190 000 Tonnen bedingt eine festgelegte Anzahl von Zu- und Abfahrten zur Anlage, eine Konsensüberschreitung von 40 000 Tonnen (respektive 46 000 Tonnen) führt zu einer erhöhten Verkehrsbelastung (etwa 2 300 Mehrfuhren) und damit zu einer erhöhten Lärm- und Staubbelastung. In Bezug auf das Sickerwasser wird festgestellt, dass sich die Sickerwassermenge nicht erhöht, jedoch die Fracht (Konzentration einzelner Parameter) im Sickerwasser. Eine Beeinträchtigung von Mensch und Umwelt über den Konsens hinaus tritt diesbezüglich nur auf, wenn ein Schadensfall bei der Sickerwasserspeicherung bzw. bei den Lagerflächen besteht. Auf Grund der Mengenüberschreitung von 40 000 Tonnen ergeben sich daher wesentliche Veränderungen in der Betriebsführung, insbesondere staubmindernde und lärmmindernde Maßnahmen oder geänderte Sickerwasserbewirtschaftung. Eine Genehmigung gemäß § 37 AWG 2002 für die Behandlung der weiteren, über den Konsens von 190 000 Tonnen im Jahr 2016 angelieferten 40 000 Tonnen liegt nicht vor, dies wurde nicht bestritten.

Das Landesverwaltungsgericht gelangt zu diesen Feststellungen auf Grund der Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, der den Genehmigungsbescheid des Landeshauptmannes vom 7. Juli 2009, ***, und die Verhandlungsschrift der Überprüfung am 22. Mai 2017 und auf Grund des in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht erstatteten schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens des Amtssachverständigen. Diesem wurde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Weiters ergeben sich die Feststellungen – etwa zur Ausschöpfung des Konsenses im Jahr 2017 – aus den Aussagen des Beschwerdeführers.

5.   Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des AWG 2002 lauten:

„Ziele und Grundsätze§ 1

[…]

(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,

3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6. Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7. das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9. Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.

[…]

Begriffsbestimmungen§ 2

(1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

[…]

(8) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist oder sind

[…]

3.

„wesentliche Änderung“ eine Änderung einer Behandlungsanlage, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder auf die Umwelt haben kann; als wesentliche Änderung gilt auch eine Änderung einer Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlage für nicht gefährliche Abfälle, welche die Verbrennung gefährlicher Abfälle mit sich bringt; als wesentliche Änderung einer IPPC-Behandlungsanlage gilt auch eine Änderung mit einer Kapazitätsausweitung von mindestens 100 Prozent des im Anhang 5 festgelegten Schwellenwertes; als wesentliche Änderung einer Behandlungsanlage gilt auch eine Änderung oder Erweiterung, durch die die Kapazitätsschwellenwerte in Anhang 5 erreicht werden;

[…]

6. Abschnitt
BehandlungsanlagenGenehmigungs- und Anzeigepflicht für ortsfeste Behandlungsanlagen
§ 37.

(1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde. Die Genehmigungspflicht gilt auch für ein Sanierungskonzept gemäß § 57 Abs. 4.

[…]

10. AbschnittSchlussbestimmungen

Strafhöhe§ 79

(1) Wer

[…]

9. eine Behandlungsanlage errichtet, betreibt oder ändert, ohne im Besitz der nach § 37 erforderlichen Genehmigung zu sein,

[…]

begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 850 € bis 41 200 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 4 200 € bedroht.

[…]“

6.   Erwägungen:

Wer eine Behandlungsanlage errichtet, betreibt oder ändert, ohne im Besitz der nach § 37 AWG 2002 erforderlichen Genehmigung zu sein, begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – gemäß § 79 Abs. 1 Z 9 AWG 2002 eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 850 Euro bis 41 200 Euro zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 4 200 Euro bedroht.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 22. Mai 2017 eine geänderte Betriebsanlage betrieben. Auch nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich hat der Beschwerdeführer (zumindest) bis zum 22. Mai 2017 eine geänderte Betriebsanlage betrieben, da im Jahr 2016 mehr als vom Konsens gedeckt in die Anlage eingebracht worden ist und auch 2017 der Konsens ausgeschöpft worden ist. Der Konsens wurde somit überschritten. Die Genehmigungspflicht der Änderung der Abfallbehandlungsanlage besteht schon im Falle der bloßen Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung auf Menschen oder Umwelt (vgl. NÖ LVwG 16. November 2016, LVwG-AV-547/001-2016, mit Hinweis auf VwGH 24. April 1990, 89/04/0194). Auf Grund der Überschreitung des Konsenses von 21% mit den vom Amtssachverständigen aufgezeigten Folgen liegt eine wesentliche Änderung der Behandlungsanlage vor, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder auf die Umwelt haben kann. Diese bedarf einer Genehmigung nach § 37 AWG 2002, welche nicht vorliegt.

Im Ergebnis sind daher die Beschwerdeausführungen nicht begründet, der objektive Tatbestand von § 79 Abs. 1 Z 9 AWG 2002 ist erfüllt.

Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich erfolgt die Übertretung in Form eines fortgesetzten Begehungsdelikts, da das Betreiben ohne die fortgesetzte Genehmigung pönalisiert wird (vgl. Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002 [2015] § 79 Rz 24). Dem Vorbringen, es liege ein Dauerdelikt, und dem Verjährungseinwand des Beschwerdeführers kommen daher keine Berechtigung zu.

Das in Rede stehende Delikt ist ein Ungehorsamsdelikt nach § 5 VStG. Bei solchen Delikten ist Fahrlässigkeit anzunehmen, es sei denn, der Beschuldigte macht glaubhaft, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Eine Entlastung ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen. Der Beschwerdeführer hat zumindest fahrlässig gehandelt.

Die Verwaltungsübertretung ist dem Beschwerdeführer daher in subjektiver Hinsicht anzulasten (§ 9 VStG).

7.   Zur Strafbemessung:

Gemäß § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, nämlich der Schutz der Umwelt, ist als sehr hoch und die Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes als nicht unerheblich einzustufen. Der Beschwerdeführer hat zumindest fahrlässig gehandelt. Das Verschulden des Beschwerdeführers ist nicht gering.

Der Beschwerdeführer ist nicht unbescholten. Der Milderungsgrund der Unbescholtenheit liegt daher nicht vor. Allerdings wirkt die lange Verfahrensdauer mildernd. Es liegen jedoch einschlägige Vorstrafen vor, die erschwerend wirken. Weitere Milderungs- oder Erschwerungsgründe sind nicht hervorgekommen und wurden auch nicht behauptet.

Ausgehend von den Strafzumessungskriterien des § 19 VStG sowie auf Basis der von der belangten Behörde angenommenen persönlichen Verhältnisse, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist (Einkommen von etwa 4 000 Euro, keine Sorgepflichten) kommt eine Milderung der Strafe nicht in Betracht. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erachtet die von der Verwaltungsbehörde festgesetzte Geldstrafe samt der dazu als adäquat zu sehenden Ersatzfreiheitsstrafe als tat-, täter- und schuldangemessen. Die verhängte Geldstrafe ist auch aus spezial- und generalpräventiven Gründen erforderlich, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer gleicher oder ähnlicher Straftaten abzuhalten und der Allgemeinheit die Verwerflichkeit der Tat zu verdeutlichen.

Gründe für eine außerordentliche Strafmilderung gemäß § 20 VStG und eine damit einhergehende Unterschreitung der Mindeststrafe sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es nicht bloß auf das Vorliegen von Milderungsgründen an, vielmehr allein darauf, dass solche Gründe die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen, und zwar nicht der Zahl, sondern dem Gewicht nach. Es kommt sohin nicht auf die Zahl der gegebenen Milderungs- und Erschwerungsgründe, sondern ausschließlich auf deren Bedeutung im Rahmen des konkret gegebenen Sachverhaltes an (vgl. etwa VwGH 11. Mai 2004, 2004/02/0005, mwH). Im vorliegenden Fall konnte zwar der Milderungsgrund der langen Verfahrensdauer festgestellt werden, ein erhebliches Überwiegen vermag dies aber nicht zu begründen. Aus § 20 VStG (außerordentliche Strafmilderung) war daher im vorliegenden Fall für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Falle der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten. Stellt die Behörde eine Übertretung fest und sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering, so hat ihn die Behörde gemäß § 33a Abs. 1 VStG, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, mit dem Ziel einer möglichst wirksamen Beendigung des strafbaren Verhaltens oder der strafbaren Tätigkeiten zu beraten und ihn schriftlich unter Angabe der festgestellten Sachverhalte aufzufordern, innerhalb einer angemessenen Frist den den Verwaltungsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen. Die Anwendung dieser Bestimmungen bzw. die Erteilung einer Ermahnung kam im gegenständlichen Fall jedoch nicht in Betracht, da weder die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes noch die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat des Beschwerdeführers gering waren.

8.   Zu den Kosten:

Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen. Da der Beschwerde keine Folge zu geben war, gelangen die im Spruch angeführten Kosten zusätzlich zur Vorschreibung.

Gemäß § 54b Abs. 1 VStG hat der Beschwerdeführer den Strafbetrag sowie die Kostenbeiträge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens jeweils binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses zu bezahlen.

9.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. VwGH 18. November 2010, 2007/07/0035). Beweiswürdigungsfragen waren zu beantworten. Im Übrigen waren nur Fragen der Beweiswürdigung betroffen, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (zB VwGH 26. Mai 2015, Ra 2014/01/0175, mit Hinweis auf VwGH 24. März 2014, Ro 2014/01/0011).

Schlagworte

Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Verwaltungsstrafe; Behandlungsanlage; Änderung; Begehungsdelikt;

Anmerkung

VwGH 22.03.2021, Ra 2020/05/0137-4, Aufhebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.S.1579.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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