Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. April 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in der Strafsache gegen Tuncel Ü***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 14. Jänner 2020, GZ 42 Hv 130/19i-60, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Tuncel Ü***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 15. September 2019 in B***** Markus P***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zuzufügen versucht, indem er mit einem Messer gegen den Bauch des Genannten stach, wodurch dieser eine oberflächliche Schnittwunde am Unterbauch links erlitt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Das Erstgericht ging davon aus, dass der Angeklagte dem Opfer, als dieses „im Begriff war wegzulaufen“, mit einem Klappmesser von ca 9 cm Klingenlänge „in den Bereich des linken Unterbauchs“ stach. „Aufgrund der Bewegung“, in der sich das Opfer „befand“, habe dieses jedoch „nur eine ca 1 cm lange oberflächliche Stichwunde“ davongetragen (US 4).
Wie diese „Bewegung“ konkret geartet war, ist weder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz noch auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Einfluss. Der (allein) darauf bezogene Einwand von Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) verfehlt daher den – im Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen gelegenen – Bezugspunkt der Anfechtung (RIS-Justiz RS0106268).
Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Schöffengericht die Aussagen mehrerer Zeugen, das Opfer sei (noch) „gestanden“, als es der Angeklagte mit dem Messer attackiert habe, ebenso berücksichtigt wie die Aussage des medizinischen Sachverständigen, die „Stichwucht“ sei „offensichtlich gering“ gewesen (US 8). Soweit die Rüge aus den angesprochenen Verfahrensergebnissen dem Beschwerdestandpunkt günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, erschöpft sie sich in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
Die – eine rechtliche Unterstellung (bloß) nach § 83 Abs 1 StGB anstrebende – Subsumtionsrüge (Z 10) versäumt es (bereits), aus dem Gesetz abgeleitet darzulegen, weshalb (als fehlend reklamierte) Feststellungen, wonach sich das Opfer „bei der Tatausführung nicht in einer Ausweichbewegung befand“ und „keine erhebliche Stichwucht vorlag“, subsumtionsrelevant sein sollten (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E128138European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00030.20S.0427.000Im RIS seit
20.05.2020Zuletzt aktualisiert am
20.05.2020