TE Lvwg Erkenntnis 2020/5/4 LVwG-2020/22/0550-2

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Veröffentlicht am 04.05.2020
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Entscheidungsdatum

04.05.2020

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §26 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerde des AA, xx.xx.xxxx, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 6.2.2020, *** wegen Abweisung eines Antrages auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen gerichtlicher Verurteilungen betreffend die Ausübung des Gewerbes „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk)“

zu Recht:

1.  Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.  Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 17.1.2020 um Erteilung der Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen gerichtlicher Verurteilungen betreffend die Ausübung des Gewerbes „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk)“ abgewiesen. Die Behörde nahm dabei Bezug auf das Urteil des Landesgerichts Y vom 28.11.2018, ***, wonach der Beschwerdeführer folgende Vergehen begangen habe:

Am 25.2.2018 das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB sowie das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB, am 13.7.2018 das Vergehen der Tierquälerei nach § 222 Abs 3 StGB sowie seit einem unerhobenen Zeitpunkt bis zum 13.7.2018 das Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG.

Er wurde dafür zu einer Geldstrafe von 300 Tagsätzen, bei Uneinbringlichkeit 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

In der gegen diesen Bescheid erhoben Beschwerde brachte Herr AA zusammenfassend vor, die Nachsichtsverfahren aus dem Jahre 2004 und 2008 seien für die vorliegende Beurteilung nicht maßgeblich und verweist er überdies auf das im Gerichtsverfahren eingeholte psychiatrische Sachverständigengutachten.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt sowie in die polizeilichen Anzeigen zum Verfahren vor dem Landesgericht Y ***.

II.      Rechtsgrundlagen

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994, BGBl 194 idF BGBl I 2018/45 lauten wie folgt:

„§ 13.

(1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

         1.       von einem Gericht verurteilt worden sind

         a) wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder

         b) wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

         2. die Verurteilung nicht getilgt ist.

Von der Ausübung eines Gastgewerbes sind natürliche Personen ausgeschlossen, wenn gegen sie eine nicht getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Übertretung der §§ 28 bis 31a des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, in der jeweils geltenden Fassung, vorliegt. Bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, ist die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Bei Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe sind Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zusammenzuzählen. Dabei ist ein Monat dreißig Tagen gleichzuhalten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

(…)

§ 26.

(1) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.

(2) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 3 oder 4 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage des Rechtsträgers erwartet werden kann, daß er den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird.

(3) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 5 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn auf Grund der Umstände, die zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt haben und nach der Persönlichkeit der natürlichen Person erwartet werden kann, daß sie den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird.

(4) Die Nachsicht gemäß Abs. 1, 2 oder 3 ist nicht zu erteilen, wenn andere Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen als jene, für die die Nachsicht erteilt werden soll.“

III.    Rechtliche Erwägungen

Fest steht und wird auch nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer am 25.2.2018 das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB sowie das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB, am 13.7.2018 das Vergehen der Tierquälerei nach § 222 Abs 3 StGB sowie seit einem unerhobenen Zeitpunkt bis zum 13.7.2018 das Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG begangen hat. Er wurde dafür vom Landesgericht Y mi Urteil vom 28.11.2018, ***, zu einer Geldstrafe von 300 Tagsätzen, bei Uneinbringlichkeit 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Aus § 26 Abs 1 GewO 1994 ergibt sich, dass die Behörde im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs 1 oder 2 GewO 1994 die Nachsicht von diesem Ausschluss zu erteilen hat, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.

Die Prognose des § 87 Abs 1 Z 1 GewO 1994 ist mit jener des § 26 Abs 1 legcit inhaltsgleich (VwGH vom 28.09.2011, 2011/04/0148). Der VwGH hat im Zusammenhang mit der Erteilung der Nachsicht gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 ausgesprochen, dass diesbezüglich eine Prognoseentscheidung über das zukünftige Verhalten des Betroffenen zu treffen ist, bei der auch auf seine Persönlichkeit bzw. auf sein Wohlverhalten abzustellen ist.

In § 26 Abs 1 GewO ist als erste Voraussetzung für die Prognoseentscheidung die positive Persönlichkeitswertung als Nachsichtsvoraussetzung vorgesehen. Die zweite – kumulative – Voraussetzung (arg: „und“) ist, dass die Eigenart der strafbaren Handlung die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist. Die zwei genannten Voraussetzungen sind nicht losgelöst voneinander zu prüfen, vielmehr sind sie anhand des konkreten Einzelfalls miteinander in Beziehung zu setzen, um so zu einer Persönlichkeitswertung des jeweiligen Antragstellers zu kommen, anhand derer man abschätzen kann, ob eine objektiv nachvollziehbare Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Verurteilte bzw Bestrafte bei Ausübung des Gewerbes gleiche oder ähnliche Taten begehen wird. Zu berücksichtigen sind alle äußeren Umstände, die auf die Persönlichkeitsentwicklung – sowohl im positiven als auch im negativen Sinn – von Einfluss sein können.

Das Gewerbe „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk)“ ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass mitunter enger persönlicher Kontakt mit dem Auftraggeber bzw. dessen Dienstnehmern gegeben ist und weiters eine besondere Vertrauenswürdigkeit verlangt wird, zumal bei Reinigungstätigkeiten Zugang zu engsten Unternehmensbereichen und mannigfaltigen Daten des Auftragsgebers ermöglicht ist. Der absoluten Verlässlichkeit des Gewerbeinhabers kommt damit besondere Bedeutung zu.

Das Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers, das aufgrund der hier vorliegenden Verurteilungen gewonnen wird, ist als nicht positiv im Hinblick auf die Ausübung des hier maßgeblichen Gewerbes zu sehen. Vielmehr muss, auch in Anbetracht der von ihm selbst geschildert Vita (siehe seine Angaben vor dem psychiatrischen Sachverständigen – Gutachten BB vom 18.2018 Seite ***) befürchtet werden, dass der Beschwerdeführer bei der Ausübung des Gewerbes wiederum unkontrolliert und aggressiv Gewalt gegen andere ausüben wird. Gerade mit seinem Vorleben wäre von ihm z.B. zu erwarten gewesen, dass er sich keinesfalls mit einem Klappmesser bewaffnet, müsste er doch wissen, welche Gefahren gerade mit dem Einsatz eines Messers verbunden sind. Ebenfalls negativ erscheint sein offenkundig unkritischer Umgang mit Alkohol. Er leidet nach seinen eigenen Angaben (siehe etwa seine polizeilichen Einvernahmen vom 26.2.2018 und 13.7.2018 und wiederum vor dem oben zitierten psychiatrischen Sachverständigen) an Leberzirrhose, er „vertrage daher keinen Tropfen Alkohol“ (13.7.2018) und würde daher Alkohol meiden. Ungeachtet dessen betrinkt er sich am 26.2.2018 derart, dass der Alkoholgehalt der Atemluft einen Wert von 0,81 mg/l (!) aufweist (er selbst spricht davon, „stark alkoholisiert“ gewesen zu sein – 26.2.2018). Dieser außerordentlich hohe Wert ist im Übrigen mit seiner Trinkverantwortung (2 Liter Bier bzw. zwei große und drei kleine Bier) nicht in Einklang zu bringen. Sein Verweis auf das oben zitierte psychiatrische Gutachten geht völlig ins Leere, wurde darin doch lediglich attestiert, dass er zum Tatzeitpunkt 25.2.2018 im Sinne des § 11 StGB zurechnungsfähig war.

Die negative Persönlichkeitsprognose wird aber durch die nachfolgende Tat der Tierquälerei und des Verstoßes gegen ein Waffenverbot noch weiter bestärkt. Der Beschwerdeführer ist seinen Angaben nach Jäger (!), quält Tiere und verstößt gegen ein verhängtes Waffenverbot – eine Tat mit besonders hohem Unrechtsgehalt. Seine diesbezüglichen Beschwichtigungsversuche sind geradezu grotesk, wenn er dazu auf die Probleme mit der „Taubenplage“ verweist. Hier liegt es ja geradezu auf der Hand, dass die besondere Gefahr besteht, dass er aufgrund seines gezeigten Rechtsbewusstseins im Rahmen des gegenständlichen „Reinigungsgewerbes“ wiederum gleichartige Delikte begeht.

Aber auch die vorliegenden Verwaltungsstrafvormerkungen (7 (!) Übertretungen wegen Nichterteilung der Lenkerauskunft nach § 103 Abs 2 KFG) zeugen davon, dass der Beschwerdeführer offenkundig Schwierigkeiten hat, sich im Alltagsleben rechtskonform zu verhalten, indem er laufend entsprechende behördlichen Aufforderungen zur Lenkereigenschaft ignoriert. Die Bestimmung des § 103 Abs 2 KFG dient der raschen und komplikationslosen Klärung der Täterschaften von Übertretungen im Straßenverkehr. Der Unrechtsgehalt dieser Verwaltungsübertretungen ist daher als erheblich zu bezeichnen und bestätigen die Annahme mangelnder Verlässlichkeit.

Auch sein Vorbringen, es sei über ihn lediglich eine „unerhebliche“ Geldstrafe verhängt worden, geht völlig ins Leere, kommt es doch bei der Beurteilung der Schwere der Verurteilung allein Anzahl an Tagsätzen (hier 300!) an.

Insgesamt kommt das erkennende Gericht zu dem Ergebnis, dass sowohl nach der Persönlichkeit des Beschwerdeführers als auch nach der Eigenart der strafbaren Handlungen die Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei Ausübung des gegenständlichen Gewerbes weiterhin zu befürchten ist. Seit der letzten Tat ist auch zu wenig Zeit vergangen, um von einem Wohlverhalten des Beschwerdeführers ausgehen zu können.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer ordentlichen bzw außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist - sofern die ordnungsgemäße Zustellung dieser Entscheidung bis zum 30.  April 2020 erfolgt - gemäß § 1 Abs 1 in Verbindung mit § 6 Abs 2 Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz (COVID-19-VwBG), BGBl I Nr 16/2020 idF BGBl I Nr 24/2020, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnt mit 1. Mai 2020 neu zu laufen.

Der Bundeskanzler ist allerdings ermächtigt, durch Verordnung die angeordnete allgemeine Unterbrechung von Fristen zu verlängern oder zu verkürzen, soweit dies zur Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Triendl

(Richter)

Schlagworte

Nachsicht Gewerbeausschluss;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.22.0550.2

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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