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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §212a Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des K S in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. August 1993, Zl. GA 7 - 1114/4/93, betreffend Aufhebung von Bescheiden im Dienstaufsichtsweg in Angelegenheit einer Aussetzung der Einhebung von Abgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Im Zusammenhang mit seiner Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1980 bis 1982 beantragte der Beschwerdeführer die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212 a BAO. Diesem Antrag wurde mit Bescheid vom 4. August 1988 teilweise und mit Bescheid vom 3. November 1988 zur Gänze stattgegeben.
Am 23. Mai 1989 erging eine Berufungsvorentscheidung betreffend die Berufung gegen die genannten Umsatzsteuerbescheide. Entgegen der Vorschrift des § 212 a Abs. 5 BAO wurde der Ablauf der Aussetzung zunächst nicht verfügt.
Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 31. Mai 1989 die Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz sowie die "neuerliche Aussetzung der Einhebung".
Trotz aufrechter Aussetzung der Einhebung setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 24. August 1989 denselben Abgabenbetrag neuerlich aus, was buchungsmäßig dazu führte, daß die bereits einmal durch Aussetzung gutgeschriebenen Abgabenbeträge zu Unrecht ein weiteres Mal gutgeschrieben wurden.
Mit Bescheid vom 9. Juni 1993 (also mehr als vier Jahre nach Erlassung der Berufungsvorentscheidung) verfügte das Finanzamt den Ablauf der Aussetzung der Einhebung, die mit den Bescheiden vom 4. August und 3. November 1988 verfügt worden war und setzte mit Bescheid gleichen Datums gemäß § 212 a Abs. 9 BAO Aussetzungszinsen in Höhe von S 844.463,-- fest.
Der Beschwerdeführer erhob gegen die beiden letztgenannten Bescheide Berufung und begründete dies damit, daß "die gesetzlichen Voraussetzungen für den Ablauf der Aussetzung ... nicht vorliegen und daher Aussetzungszinsen ... nicht festzusetzen sind". Gleichzeitig stellte er einen weiteren Antrag auf Aussetzung der Einhebung, in den er auch die festgesetzten Aussetzungszinsen miteinbezog.
In der Folge wurden die festgesetzten Aussetzungszinsen vom Finanzamt wiederholt, zuletzt mit Bescheid vom 29. Juli 1993 berichtigt. Im letztgenannten Bescheid wurde die Berichtigung damit begründet, daß anläßlich der Berufungsvorentscheidung vom 23. Mai 1989 "irrtümlich" der Ablauf der Aussetzung der Einhebung nicht verfügt worden sei. Dadurch sei es zur Festsetzung von Aussetzungszinsen auch für den Zeitraum nach Ergehen der Berufungsvorentscheidung gekommen. Da der Zahlungsaufschub jedoch nur "vom 4.8.1988 bis 23.5.1989 ... bestand", seien insgesamt nur Aussetzungszinsen in Höhe von S 55.440,-- zu entrichten. Die diesem letzten Berichtigungsbescheid vorangegangenen Berichtigungsbescheide vom 16. Juni 1993 und vom 1. Juli 1993 sind den Verwaltungsakten nicht angeschlossen und werden weder vom Beschwerdeführer noch von der belangten Behörde in ihrem Inhalt wiedergegeben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde in Ausübung des Aufsichtsrechtes folgende Bescheide gemäß § 299 Abs. 1 lit. b BAO auf:
"Bescheid vom 9. Juni 1993, betreffend Ablauf der Aussetzung der Einhebung,
Bescheid vom 16. Juni 1993, mit dem der Bescheid vom 9. Juni 1993 berichtigt wird,
Bescheid vom 9. Juni 1993, betreffend Festsetzung von Aussetzungszinsen,
Bescheid vom 1. Juli 1993, mit dem der Bescheid vom 9. Juni 1993 berichtigt wird und
Bescheid vom 29. Juli 1993, mit dem der Bescheid vom 1. Juli 1993 berichtigt wird."
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, daß das Berufungsverfahren betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1980 bis 1982 nach wie vor offen sei, sodaß die Voraussetzungen für die Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung und für die Festsetzung von Aussetzungszinsen nicht gegeben seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 212 a Abs. 5 BAO besteht die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf. Der Ablauf der Aussetzung ist unter anderem anläßlich einer über die Berufung ergehenden Berufungsvorentscheidung zu verfügen. Dies schließt eine neuerliche Antragstellung auf Aussetzung der Einhebung im Fall der Einbringung eines Antrages auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz nicht aus.
Unbestritten ist, daß das Finanzamt anläßlich der Erlassung der Berufungsvorentscheidung vom 23. Mai 1989 den Ablauf der zum damaligen Zeitpunkt bewilligten Aussetzung der Einhebung zu verfügen gehabt hätte. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde erlosch diese Verpflichtung weder durch Zeitablauf noch dadurch, daß der Beschwerdeführer einen Antrag auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz stellte, sodaß das Berufungsverfahren betreffend die strittigen Abgaben (Umsatzsteuer für die Jahre 1980 bis 1982) nach wie vor aufrecht war. Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer der oben wiedergegebenen Gesetzesanordnung entsprechend, einen neuerlichen Antrag auf Aussetzung der Einhebung eingebracht hat und dieser vom Finanzamt bewilligt wurde, stand der vom Gesetz geforderten Bescheiderlassung betreffend die Verfügung des Ablaufes der ursprünglich bewilligten Aussetzung der Einhebung nicht entgegen. Die belangte Behörde vermengt in unzulässsiger Weise die ursprüngliche Bewilligung der Aussetzung der Einhebung mit der neuerlichen diesbezüglichen Bewilligung auf Grund des Antrages vom 31. Mai 1989. Sie vertritt die Auffassung, daß eine neuerliche Bewilligung nur rechtmäßig gewesen wäre, wenn das Finanzamt vorher (anläßlich des Ergehens der Berufungsvorentscheidung) den Ablauf der ursprünglichen Bewilligung verfügt hätte. Da dies aber nicht geschehen sei, sei die nach wie vor aufrechte ursprüngliche Bewilligung einer neuerlichen Bewilligung entgegengestanden.
Diese Rechtsansicht ist verfehlt. Wie bereits gesagt, erlischt der Gesetzesauftrag, anläßlich der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung den Ablauf einer bewilligten Aussetzung der Einhebung zu verfügen, nicht dadurch, daß das Finanzamt dieser Anordnung im zeitlichen Nahebereich der Erlassung der Berufungsvorentscheidung nicht nachkommt. Dem Gesetz ist auch eindeutig zu entnehmen, daß eine bereits bewilligte Aussetzung der Einhebung nicht weiter gelten soll, wenn nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung ein Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt wird. Vielmehr sieht der Gesetzgeber in solchen Fällen ausdrücklich die Stellung eines neuerlichen Aussetzungsantrages und dessen allfällige neuerliche Bewilligung vor. Dem Einwand der belangten Behörde, einem neuerlichen Antrag stehe die nach wie vor aufrechte Bewilligung der Aussetzung der Einhebung entgegen, weil deren Ablauf gesetzwidrigerweise nicht verfügt worden sei, kommt somit keine Berechtigung zu. Er beruht auf der unrichtigen Rechtsansicht, daß durch das gesetzwidrige Untätigbleiben des Finanzamtes ein einheitlicher ununterbrochener Aussetzungszeitraum entsteht, sofern ein rechtzeitiger Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt wird.
Die belangte Behörde weist ferner darauf hin, daß der Beschwerdeführer ursprünglich in seiner Berufung gegen die Bescheide betreffend Verfügung des Ablaufes der Aussetzung und Festsetzung der Aussetzungszinsen die Gesetzwidrigkeit dieser Bescheide selbst behauptet habe; er könne daher durch deren Aufhebung mit dem angefochtenen Bescheid nicht beschwert sein.
Dem ist entgegenzuhalten, daß ein Abgabepflichtiger nicht daran gehindert ist, die Unrichtigkeit einer ursprünglich geäußerten Rechtsansicht zu erkennen und sie daher nicht mehr aufrechtzuerhalten. Ein mangelndes Rechtsschutzbedürfnis kann jedenfalls aus einer unrichtigen Rechtsansicht nicht abgeleitet werden.
Schließlich trifft es auch nicht zu, daß der Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde meint - durch den angefochtenen Bescheid, der zur Folge hat, daß die ursprüngliche Bewilligung der Aussetzung der Einhebung "fortbesteht", in keinem Recht verletzt sein kann. Zutreffend weist der Beschwerdeführer darauf hin, daß der vom Gesetzgeber vorgesehene Ablauf der Bewilligung anläßlich des Ergehens einer Berufungsvorentscheidung und deren nachfolgende allfällige Neubewilligung Auswirkungen auf die Vorschreibung von Aussetzungszinsen gemäß § 212 a Abs. 9 BAO haben kann. Derartige Zinsen sind nämlich (nach der im Beschwerdefall geltenden Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 818/1993) nur für den Zeitraum des durch eine Aussetzung der Einhebung bewirkten Zahlungsaufschubes festzusetzen. Da der Zahlungsaufschub mit der Verfügung des Ablaufes der Aussetzung endet und erst mit der neuerlichen Bewilligung beginnt, besteht für einen allenfalls dazwischen liegenden Zeitraum keine Verpflichtung zur Entrichtung von Aussetzungszinsen.
Im Beschwerdefall läßt sich nicht überprüfen, ob durch den - nach dem vorher Gesagten jedenfalls rechtswidrigen - angefochtenen Bescheid insofern subjektive Rechte des Beschwerdeführers verletzt wurden, als die Aufhebung des Bescheides betreffend den Ablauf der Aussetzung auch die Aufhebung der den Verwaltungsakten zum Teil nicht angeschlossenen Bescheide betreffend die Aussetzungszinsen zur Folge hatte. Daß auch die Beschwerde diesbezüglich kein konkretes Vorbringen enthält, ist unmaßgeblich, weil es für deren Erfolg bereits genügt, daß der angefochtene Aufhebungsbescheid auf einer unrichtigen Rechtsansicht der belangten Behörde beruht und der Beschwerdeführer Umstände aufgezeigt hat, die geeignet sind, sein rechtliches Interesse am Fortbestand der aufgehobenen Bescheide darzutun.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 49 Abs. 1 VwGG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 88/1997.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1993130225.X00Im RIS seit
20.11.2000