TE Bvwg Beschluss 2019/10/16 W237 2107198-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.10.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.10.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W237 2107198-4/6E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2019 erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. XXXX , beschließt das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Martin WERNER:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 28.08.2019 den gegenständlichen (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag wurde er in Haft genommen und mit ihm eine niederschriftliche Erstbefragung durchgeführt.

2. Mit Schriftsatz vom 05.09.2019 wurden dem Beschwerdeführer allgemeine Informationen zu seinem Herkunftsstaat übermittelt.

3. Am 10.10.2019 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine niederschriftliche Einvernahme mit dem Beschwerdeführer zu seinen familiären Beziehungen, seinem Leben im Bundesgebiet sowie den Gründen für seine neuerliche Asylantragstellung statt.

Mit dem im Anschluss an die Befragung mündlich verkündeten Bescheid hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 den faktischen Abschiebeschutz auf. Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs und Feststellung der strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer keine neuen Fluchtgründe vorgebracht habe. Es liege ein Folgeantrag vor, die asylrechtlichen Vorverfahren seien in Rechtskraft erwachsen. Die gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Rückkehrentscheidung sei aufrecht. Er verfüge über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet und sein Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, weil er kein neues Vorbringen erstattet habe. Auch die allgemeine Lage in der Russischen Föderation habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Bereits im Vorverfahren sei festgestellt worden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat keine Verletzung seiner körperlichen Integrität drohe. Weder hätten sich nunmehr die allgemeine Lage, noch sein körperlicher Zustand entscheidungswesentlich geändert. Dies treffe auch auf seine persönlichen Verhältnisse zu, weshalb keine Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2, 3 oder 8 EMRK zu erkennen seien. Es lägen somit sämtliche Voraussetzungen für eine Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vor.

4. Das Bundesamt legte die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vor. Die Akten langten am 15.10.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den bisherigen Verfahren und den Straftaten des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 02.01.2004 im Bundesgebiet einen Asylantrag. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass er und weitere Mitglieder seiner Familie sich am ersten Tschetschenienkrieg beteiligt hätten. Wiederholt sei er von Angehörigen des FSB und weiterer Sicherheitsbehörden aufgesucht und zusammengeschlagen worden. Weshalb genau diese Übergriffe erfolgt seien, wisse der Beschwerdeführer nicht. Im Jänner 1995 habe er im Zuge der Kampfhandlungen um Grosny einen Kopfschuss erlitten, sei danach im Koma gelegen und erst im August 1996 wieder erwacht. Nach wie vor befänden sich Knochensplitter in seinem Kopf, weshalb er einer Operation bedürfe. Im Juli 2003 sei der Beschwerdeführer in eine Abteilung des FSB gebracht und sehr stark geschlagen worden; danach habe er zwei Monate im Spital zubringen müssen. Mit Bescheid des Bundesasylamts vom 12.05.2004 wurde dem Beschwerdeführer Asyl zuerkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

1.1.2. In den Jahren von 2005 bis 2013 wurde der Beschwerdeführer in Österreich insgesamt sieben Mal vor allem wegen Vermögens- und Suchtmitteldelikten strafgerichtlich verurteilt.

1.1.3. Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 15.04.2015 wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme; unter einem wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt; Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Dem Beschwerdeführer gegenüber wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei; die Frist für seine freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Unter einem wurde ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 12.06.2015 ab; mit Erkenntnis vom 24.06.2015 setzte es die Dauer des Einreiseverbots auf sechs Jahre herab.

Am 16.03.2017 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass er nicht nach Russland zurückkehren könne, weil man ihn dort töten würde. Er habe von Dezember 1994 bis Jänner 1995 für einen Monat gekämpft und sei dabei an Schulter und Kopf verletzt worden; wegen Epilepsie stehe er in ärztlicher Behandlung. Der Antrag des Beschwerdeführers wurde mit im Instanzenzug ergangenem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2017 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Russland festgestellt.

Der Beschwerdeführer stellte am 23.01.2019 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz und brachte vor, nicht in die Russische Föderation zurückkehren zu können, weil er dort als Kriegsverbrecher gelte. Bei einer Rückkehr drohe ihm zumindest eine Haftstrafe; außerdem sei sein Bruder in Tschetschenien umgebracht worden. Im Jahr 2018 hätten Sicherheitskräfte nach dem Beschwerdeführer bei seiner Mutter gesucht. All diese Probleme bestünden deshalb, weil er im ersten Tschetschenienkrieg gekämpft habe. Auch dieser Antrag des Beschwerdeführers wurde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 12.03.2019 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen; unter einem wurde dem Beschwerdeführer von Amts wegen kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Innerhalb der Rechtsmittelfrist erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel.

Danach reiste der Beschwerdeführer in die Niederlande aus, wo er am 02.05.2019 ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Von dort wurde er am 28.08.2019 im Rahmen eines Verfahrens nach der Dublin III-Verordnung nach Österreich rücküberstellt und stellte am selben Tag den gegenständlichen (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz. Der diesen Antrag betreffende Verfahrensgang im Detail wird wie unter Pkt. I. dargelegt festgestellt.

Aufgrund dreier im Dezember 2015 sowie im Juli und Oktober 2018 verübter Strafhandlungen verurteilte das XXXX den Beschwerdeführer am XXXX wegen der Vergehen des Diebstahls und der versuchten Entwendung gemäß § 127 und § 15 iVm § 141 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten; dieses Urteil erwuchs vier Tage später in Rechtskraft. Derzeit verbüßt der Beschwerdeführer die Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Wiener Neustadt.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.2.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe.

Infolge einer Schussverletzung aus dem Jahr XXXX weist er im knöchernen intakten Schädel eine schollige Verkalkung mit einem Durchmesser von 1,5 cm auf. Als Folge dieser Verletzung leidet der Beschwerdeführer seit XXXX an Epilepsie. Zudem weist er eine Schussverletzung an der Schulter mit Fremdenkörpern im Körper auf, die ebenso aus der Zeit des ersten Tschetschenienkriegs stammt.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner akut lebensbedrohlichen Erkrankung. Er steht wegen seiner Schussverletzung und deren Folgen nicht in ärztlicher Behandlung und konsumierte bis in die jüngere Vergangenheit Marihuana.

1.2.2. Der Beschwerdeführer weist keine fortgeschrittenen Deutschkenntnisse auf. Er brachte seine Zeit im Bundesgebiet wiederholt in Untersuchungs- und Strafhaften zu und lebte ansonsten in Grundversorgungsquartieren oder im Haushalt seiner asylberechtigten Schwägerin (der Gattin seines verstorbenen Bruders) und deren Kindern. Im Bundesgebiet leben weiters ein (volljähriger) Bruder des Beschwerdeführers mit seinen Kindern und seiner Ehegattin; zu seinem Bruder hat der Beschwerdeführer Kontakt. Er hat in Österreich mehrere Freunde und arbeitete einmal als Nebendarsteller bzw. Statist in einer österreichischen Filmproduktion.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht erwerbstätig. Seine Mutter lebt in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny. Der Beschwerdeführer hat einen volljährigen Sohn, der in Deutschland lebt und mit dem er nicht in Kontakt steht.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, speziell in Tschetschenien, hat sich in Bezug auf die bereits im Asylaberkennungsverfahren behandelten Aspekte nicht geändert, welches mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.06.2015 abgeschlossen wurde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Tschetschenien Übergriffe von staatlicher oder privater Seite zu erwarten hätten. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass er in eine die Existenz bedrohende Notlage geriete oder eine erhebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands zu erwarten wäre.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zum Verfahrensgang:

Der oben unter Pkt. I. angeführte sowie festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesasylamts und des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl sowie der den Beschwerdeführer betreffenden Gerichtsakten betreffend seine vorangegangenen Verfahren. Mag er exakte Daten auch vergessen haben, sind dem Beschwerdeführer seine früheren asylrechtlichen Verfahren doch im Wesentlichen bekannt. Dies trifft auch für seine strafrechtlichen Verurteilungen zu, die er nicht bestreitet und welche sich im Detail für das Bundesverwaltungsgericht aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister sowie dem im Verwaltungsakt zum gegenständlichen Verfahren aufliegenden Urteil des XXXX vom XXXX ergeben.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers konnten anhand seiner Angaben in den bisherigen Verfahren sowie der im (ersten) Verwaltungsakt aufliegenden Kopie seiner russischen Dokumente festgestellt werden. Sein Gesundheitszustand bzw. seine Verletzungen wurden bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2017 gleichlautend festgestellt; der Beschwerdeführer nahm darauf auch (erneut) in der Einvernahme am 10.10.2019 Bezug. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer keine fortgeschrittenen Deutschkenntnisse aufweist, war insoweit zu treffen, als für die besagte Einvernahme zwecks vollen Verständnisses für den Beschwerdeführer ein Dolmetscher erforderlich war, obwohl der Beschwerdeführer die letzten 15 Jahre fast durchgehend im Bundesgebiet zubrachte. Seine Wohnsituation im Bundesgebiet schilderte der Beschwerdeführer selbst und ergibt sich auch aus einer Einschau in das Zentrale Melderegister. Hinsichtlich seiner Freundschafts- und Verwandtschaftsbeziehungen sowohl im Bundesgebiet als auch in Deutschland als auch in Tschetschenien konnte seinen diesbezüglich unbedenklichen Angaben gefolgt werden.

2.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Die Feststellung, wonach sich an der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, speziell in Tschetschenien, in Bezug auf die bereits im Aberkennungs-verfahren behandelten maßgeblichen Aspekte nichts geändert hat, beruht auf den im mündlich verkündeten Bescheid vom 10.10.2019 enthaltenen Länderberichten zur Lage in der Russischen Föderation. Da diese Länderinformationen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Dem Bundesverwaltungsgericht liegen keine Berichte bzw. Länderdokumente vor, die ein anderes Bild der Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zeichnen würden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelte dem Beschwerdeführer diese Länderberichte auch am 05.09.2019 im Vorfeld der Einvernahme am 10.10.2019; er hatte somit die Gelegenheit, darin Einsicht zu nehmen und in der Einvernahme dazu eine Stellungnahme abzugeben. Eine Feststellung, wonach der Beschwerdeführer bei Rückkehr in die Russische Föderation aufgrund der dortigen allgemeinen Situation in eine seine Existenz bedrohende Notlage geriete, konnte ob der Berichtslage nicht getroffen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2019 wurde dem Beschwerdeführer der faktische Abschiebeschutz, der ihm seit der Stellung seines Antrags auf internationalen Schutz am 28.08.2019 zukam, gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aberkannt.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Verwaltungsakten am 15.10.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vor, was als "Beschwerde an das Bundeverwaltungsgericht" gilt (aufgrund dieser gesetzlich normierten Beschwerdefiktion wird die in Rede stehende Person, die am 28.08.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, in der vorliegenden Entscheidung auch als "Beschwerdeführer" bezeichnet). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2019 gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen, wobei über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes mit Beschluss zu entscheiden ist (vgl. § 22 Abs. 10 letzter Satz AsylG 2005).

3.2. Der faktische Abschiebeschutz in Zusammenhang mit Anträgen auf internationalen Schutz ist in den §§ 12 und 12a AsylG 2005 normiert:

"Faktischer Abschiebeschutz

§ 12. (1) Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt.

(2) Der Aufenthalt eines Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dem kein Aufenthaltsrecht zukommt, ist für die Dauer des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesamt lediglich im Gebiet der Bezirksverwaltungsbehörde, in dem sich sein Aufenthaltsort im Sinne des § 15 Abs. 1 Z 4 befindet, zulässig. Darüber hinaus ist sein Aufenthalt im gesamten Bundesgebiet zulässig, wenn und solange dies

1. zur Erfüllung von gesetzlichen Pflichten notwendig ist;

2. notwendig ist, um Ladungen von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden Folge zu leisten oder

3. für die Inanspruchnahme einer medizinischen Versorgung und Behandlung notwendig ist.

Nach Abschluss des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesamt ist der Aufenthalt des Fremden, solange ihm faktischer Abschiebeschutz zukommt, im gesamten Bundesgebiet zulässig.

(3) Der Aufenthalt gemäß Abs. 1 und 2 stellt kein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 dar.

Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden."

3.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erkannte dem Beschwerdeführer den faktischen Abschiebeschutz zu Recht ab:

3.3.1. Der Beschwerdeführer stellte am 28.08.2019 einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ("jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag"), weil er davor schon - nach seinem abgeschlossenen Asylaberkennungsverfahren - am 16.03.2017 und erneut am 23.01.2019 Anträge auf internationalen Schutz gestellt hatte, die beide wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden. Ein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 - also ein Folgeantrag nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 oder nach einer weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG - liegt dabei nicht vor.

3.3.2. Gegenüber dem Beschwerdeführer besteht eine aufrechte Rückkehrentscheidung, die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2017 rechtskräftig erlassen wurde. Angesichts der zum damaligen Zeitpunkt bereits bestehenden, aufrechten Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots in der Dauer von sechs Jahren erging die mit dem genannten Erkenntnis erfolgende Rückkehrentscheidung zwar rechtswidrig, weil keine Änderung des für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots relevanten Sachverhaltes vorlag (§ 59 Abs. 5 AsylG 2005; vgl. auch VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082). Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Rückkehrentscheidung am 27.09.2017 rechtskräftig erlassen und in der Folge nicht - höchstgerichtlich - aufgehoben wurde. Diese Rückkehrentscheidung ist auch bis dato aufrecht, weil der Beschwerdeführer das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union seither nicht verließ (er reiste im Frühjahr 2019 lediglich in die Niederlande und wurde von dort Ende August nach Österreich rücküberstellt). Die Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 ist sohin gegeben.

3.3.3. § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 stellt als Tatbestandsvoraussetzung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes weiters darauf ab, dass der Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.

3.3.3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgesprochen, dass in Gesamtschau der die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes normierenden (Verfahrens-)Bestimmungen damit nur gemeint sein könne, dass bereits bei einer Grobprüfung des Antrags dessen (spätere) Zurückweisung mangels entscheidungswesentlicher Änderung des Sachverhalts auf der Hand liegen müsse. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtige daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es müsse sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann könne auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolge, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen rechtskräftigen Vorentscheidung zu verhindern (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0010).

3.3.3.2. Ein solcher Fall liegt hier vor:

3.3.3.2.1. Der Beschwerdeführer begründete im gegenständlichen Verfahren seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz lediglich damit, dass seine "alten Fluchtgründe [...] aufrecht" blieben und diese "nur schlimmer geworden" seien. Insgesamt erstattete er mit seinen - im Übrigen vagen und unsubstantiierten - Angaben kein Vorbringen, das nicht bereits Gegenstand des Asylaberkennungsverfahrens gewesen wäre; erneut verwies er auf seine Bedrohung infolge seiner Teilnahme an Kriegshandlungen der 1990er-Jahre, um zu begründen, weswegen er in der Russischen Föderation bedroht sei. Betreffend dieses Vorbringen wurde schon im Aberkennungsverfahren nach eingehender Prüfung festgestellt, dass es nicht mehr auf eine nach wie vor aktuelle Bedrohung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat schließen lässt. Auch soweit der Beschwerdeführer nunmehr vorbringt, russische Sicherheitskräfte hätten das Haus seines Bruders durchsucht und sowohl bei diesem als auch bei seiner Mutter nach dem Beschwerdeführer gefragt, stützt er sich allein auf die behauptete Verfolgung aus den genannten Gründen. Entgegen seiner Auffassung behauptet der Beschwerdeführer damit keinen neuen Sachverhalt, sondern macht denselben Fluchtgrund unter Bekräftigung des schon zuvor angeführten Sachverhalts geltend. Er behauptet letztlich bloß dessen "Fortbestehen und Weiterwirken" (vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480) und beabsichtigt im Ergebnis dessen erneute sachliche Behandlung trotz des rechtskräftigen Erkenntnisses vom 12.06.2015.

3.3.3.2.2. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer dies mit seinen beiden vorangegangenen Anträgen auf internationalen Schutz vom 16.03.2017 und 23.01.2019 ebenso beabsichtigte, weshalb diese Anträge wegen entschiedener Sache jeweils zurückgewiesen wurden. Nach rechtskräftiger Zurückweisung seines letzten Antrags reiste er in die Niederlande, um dort einen weiteren Asylantrag zu stellen. Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Österreich stellte er den verfahrensgegenständlichen Antrag. Aus den festgestellten Antrags- bzw. Verfahrensverläufen ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht somit eindeutig, dass die wiederholten Antragstellungen lediglich der fortlaufenden Verhinderung der Durchsetzung der bereits bestehenden Rückkehrentscheidung dienen.

3.3.3.2.3. Diese Beurteilung ist auch zu treffen, soweit der neuerliche Antrag des Beschwerdeführers unter dem Blickwinkel des Refoulementschutzes (§ 8 AsylG 2005) zu betrachten ist. In Hinblick auf Art. 3 EMRK sind keine Anhaltspunkte erkennbar, wonach die Rückführung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation respektive Tschetschenien nunmehr (im Gegensatz zur Beurteilung in den vorangegangenen Verfahren) zu einer Situation führen würde, die eine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers nach Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte.

Aus den Länderfeststellungen des mündlich verkündeten Bescheids zur Russischen Föderation respektive Tschetschenien ergeben sich keine Gründe für die Annahme, dass jeder zurückkehrende Staatsbürger der reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass nicht von einem Rückführungshindernis im Lichte der Art. 2 und 3 EMRK auszugehen ist. Dem Bundesamt ist aufgrund der herangezogenen Länderberichte darin beizupflichten, dass sich die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung im Aberkennungsverfahren nicht wesentlich geändert hat. Dasselbe gilt für die individuellen Gegebenheiten des Beschwerdeführers: Auch hinsichtlich seines Gesundheitszustands brachte der Beschwerdeführer keine maßgeblichen Änderungen vor; insbesondere liegen bei ihm Verletzungen und Erkrankungen vor, mit welchen er - zum Teil mit medikamentöser Unterstützung - bereits seit 15 Jahren lebt. Auch betreffend seine individuelle Versorgungslage, welche den Beschwerdeführer im Herkunftsstaat erwartet, sind keine maßgeblichen Änderungen eingetreten, zumal sich die Mutter des Beschwerdeführers nach wie vor im Herkunftsstaat befindet und er mit ihrer Unterstützung rechnen könnte.

3.3.3.3. Der Antrag auf internationalen Schutz ist daher im Sinne des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 bzw. der zu dieser Bestimmung ergangenen Rechtsprechung voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.

3.3.4. Gemäß § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 darf die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung - somit die Umsetzung der bereits bestehenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme - keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für den Beschwerdeführer als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen.

3.3.4.1. Eine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers nach Art. 2 oder 3 EMRK durch seine Rückführung in die Russische Föderation ist - wie unter Pkt. II.3.3.3.2.3. bereits dargelegt - nicht erkennbar. Weder herrscht dort eine allgemeine (Bürger-)Kriegslage noch könnte der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat seine Existenz nicht bestreiten noch leidet er unter solch schwerwiegenden Erkrankungen, dass die Länderberichtslage zur Russischen Föderation den Schluss auf eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands zuließe.

Was den tatsächlichen Vorgang der (fremdenpolizeilichen) Abschiebung betrifft, ist festzuhalten, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen der abzuschiebenden Person stets durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt. Es ist daher davon auszugehen, dass auch die beim Beschwerdeführer bestehende Epilepsie seiner Abschiebung nicht entgegensteht.

3.3.4.2. Soweit die Umsetzung der gegen ihn bestehenden Rückkehrentscheidung im Lichte seiner Rechte nach Art. 8 EMRK zu prüfen ist, ergibt sich folgendes Bild:

3.3.4.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer kein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK im Bundesgebiet führt. Dabei wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer bei seiner Schwägerin und ihren Kindern im Bundesgebiet wohnhaft war, doch ist aus seinen Angaben in der Einvernahme vom 10.10.2019 nicht zu erkennen, dass er in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu diesen Personen stünde, zumal er derzeit eine Strafhaft verbüßt, zuvor mehrere Monate nicht im Bundesgebiet aufhältig und davor auch wiederholt in Strafhaft war. Mit seinem in Wien wohnhaften Bruder hat der Beschwerdeführer zwar Kontakt, doch besteht ebenso kein Abhängigkeitsverhältnis, das ein Familienleben begründen würde.

3.3.4.2.2. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers bedeutete allerdings einen Eingriff in sein im Bundesgebiet entfaltetes Privatleben. Dieser Eingriff wäre jedoch statthaft:

Der Beschwerdeführer hält sich seit ungefähr 15 Jahren - mit einer Unterbrechung von wenigen Monaten im Jahr 2019 - in Österreich auf. Während dieses Zeitraums war der Beschwerdeführer nahezu nie erwerbstätig. Fortgeschrittene Deutschkenntnisse sind auch nach diesem langen Zeitraum im Bundegebiet nicht erkennbar. Zwar sind die Beziehungen zu seinen Verwandten im Bundesgebiet sowie seinen hier lebenden Freunden zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, doch stehen seine insgesamt acht strafgerichtlichen Verurteilungen wegen - über den gesamten Zeitraum seines Aufenthalts im Bundesgebiet hinweg gesetzten - Vermögens-, Körperverletzungs- und Suchtmitteldelikten seinen Interessen an einem weiteren Verbleib gravierend entgegen (vgl. auch VwGH 08.02.1996, 95/18/0009, wonach das wiederholte Fehlverhalten eines Fremden eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit bewirkt und derart schwerwiegend sein kann, dass selbst die stark ausgeprägten privaten und familiären Interessen eines Fremden, der seit elf Jahren in Österreich lebt und dessen Kinder im Bundesgebiet bei seiner geschiedenen Gatten leben, zurücktreten müssen).

Abgesehen davon war der Beschwerdeführer schon seit Eintritt der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.06.2015 zur Ausreise verpflichtet und konnte seinen Aufenthalt in Österreich nur dadurch erneut rechtfertigen, indem er mittlerweile drei Anträge auf internationalen Schutz stellte, die - wie bereits erwähnt - allein der Verhinderung seiner Ausreiseverpflichtung dienten. Insofern kann der Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers - isoliert betrachtet - keine hervorgehobene Bedeutung für seinen Verbleib im Bundesgebiet zugemessen werden.

Das Bundesverwaltungsgericht ging bereits im Erkenntnis vom 27.09.2017 von einer erheblichen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer aus. Seither wurde er drei weitere Male delinquent und am XXXX wegen der Vergehen des Diebstahls und der versuchten Entwendung gemäß § 127 und § 15 iVm § 141 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt. Er verbüßt derzeit diese Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX .

Schließlich lebt nach wie vor die Mutter des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat, wo der Beschwerdeführer aufwuchs. Es ist daher davon auszugehen, dass er mit den kulturellen Gegebenheiten seines Heimatlandes vertraut ist und ihm eine (Wieder-) Eingliederung in die tschetschenische Gesellschaft möglich sein wird. Außerdem ist es möglich, dass der Beschwerdeführer den Kontakt zu seiner Schwägerin und seinem Bruder fernmündlich bzw. über elektronische Medien auch von seinem Herkunftsstaat aufrecht halten können wird.

3.3.4.2.3. Die öffentlichen Interessen an der Abschiebung des Beschwerdeführers überwiegen sohin seine Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet im Rahmen einer Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK.

3.3.4.3. Die Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 ist im vorliegenden Fall daher ebenso erfüllt.

3.4. Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, ist der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2019 rechtmäßig erfolgt und spruchgemäß zu entscheiden.

3.5. Gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Judikatur wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Körperverletzung, non-refoulement Prüfung,
Privatleben, strafrechtliche Verfolgung, Suchtmitteldelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W237.2107198.4.00

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten