TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/3 W207 2180056-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2019
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Entscheidungsdatum

03.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W207 2180056-1/9E

W207 2180071-1/9E

W207 2180061-1/9E

W207 2180067-1/9E

W207 2179988-1/9E

W207 2180065-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Einzelrichter über die Beschwerden von

1.) XXXX , geboren am XXXX ,

2.) XXXX , geboren am XXXX ,

3.) XXXX , geboren am XXXX ,

4.) XXXX , geboren am XXXX ,

5.) XXXX , geboren am XXXX ,

6.) XXXX , geboren am XXXX ,

alle: Staatsangehörigkeit Afghanistan, die minderjährigen Kinder vertreten durch die Mutter XXXX , alle vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Flüchtlingshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2017,

1.) Zl. 1121171002-160919322 (betreffend XXXX ),

2.) Zl. 1121170506-160919365 (betreffend XXXX ),

3.) Zl. 1121171100-160919373 (betreffend XXXX ),

4.) Zl. 1121171601-160919381 (betreffend XXXX ),

5.) Zl. 1121171307-160919390 (betreffend XXXX )

6.) Zl. 1121169908-160919403 (betreffend XXXX )

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.10.2019 zu Recht:

A)

I.

Die Beschwerden werden hinsichtlich der jeweiligen Spruchpunkte I. der angefochtenen Bescheide als unbegründet abgewiesen.

II.

Den Beschwerden gegen die jeweiligen Spruchpunkte II. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und 1.) XXXX , 2.) XXXX ,

3.) XXXX , 4.) XXXX , 5.) XXXX und 6.) XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III.

Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 werden 1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) XXXX , 4.) XXXX , 5.) XXXX und 6.) XXXX befristete Aufenthaltsberechtigungen als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 03.12.2020 erteilt.

B)

Die Revision ist in allen Fällen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet. Sie sind die Eltern des bei Antragstellung noch minderjährig gewesenen Drittbeschwerdeführers, des minderjährigen Viertbeschwerdeführers, der minderjährigen Fünftbeschwerdeführerin und der minderjährigen Sechstbeschwerdeführerin. Die Beschwerdeführer stellten am 01.07.2016 nach illegaler Einreise nach Österreich gemeinsam die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Am 02.07.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Familie statt. Dabei gab der Erstbeschwerdeführer an, am XXXX in Afghanistan geboren zu sein, die afghanische Staatsangehörigkeit zu besitzen, Dari als Muttersprache zu sprechen, der Volksgruppe der Tadschiken und dem moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung anzugehören. Er habe in Afghanistan zehn Jahre lang die Schule besucht. Neben den oben bereits erwähnten, zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährigen Kinder habe er noch zwei volljährige Söhne, welche in der Schweiz leben würden, ein volljähriger Sohn lebe in Österreich und ein weiterer volljähriger Sohn sei mit der Familie zusammen nach Österreich gekommen. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, sohin zu seinen Fluchtgründen, gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er zur Zeit des Präsidenten Najibullah Offizier in der afghanischen Armee gewesen sei. Nach der Machtübernahme durch die Mujaheddin habe er 1992 mit seiner Familie in den Iran flüchten müssen, da sein Leben in Afghanistan in Gefahr gewesen sei. Er sei damals von den Mujaheddin angeschossen worden. Im Iran seien er und seine Familie diskriminiert worden. Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei dieser Erstbefragung an, am XXXX in Afghanistan geboren zu sein, die afghanische Staatsangehörigkeit zu besitzen, Dari als Muttersprache zu sprechen, der Volksgruppe der Tadschiken und dem moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung anzugehören. Sie habe in Afghanistan sechs Jahre lang die Schule besucht. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, sohin zu ihren Fluchtgründen, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass ihr Mann Offizier beim Geheimdienst gewesen sei. Er sei angeschossen worden und habe dabei neun Schussverletzungen erlitten. Sie hätten in Afghanistan keine Sicherheit gehabt, ihr Leben sei in Gefahr gewesen. Im Iran sei ihr Leben ebenfalls nicht sicher gewesen, sie hätten dort keine Dokumente bekommen. Der Drittbeschwerdeführer gab an, am XXXX in Teheran im Iran geboren zu sein, die afghanische Staatsangehörigkeit zu besitzen, Dari als Muttersprache zu sprechen, der Volksgruppe der Tadschiken und dem moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung anzugehören. Er habe im Iran acht Jahre lang die Schule besucht, zuletzt habe er als Schneider gearbeitet. Der Drittbeschwerdeführer führte betreffend seine Fluchtgründe aus, dass seine Familie in Afghanistan Feinde habe, da sein Vater beim Militär gewesen sei. Im Iran hätten sie keine Sicherheit gehabt. Sie seien dort nicht als Menschen angesehen worden, im Iran würden Hunde besser behandelt werden als Afghanen. Der Viertbeschwerdeführer gab bei dieser Erstbefragung an, am XXXX in Teheran im Iran geboren zu sein, die afghanische Staatsangehörigkeit zu besitzen, Dari als Muttersprache zu sprechen, der Volksgruppe der Tadschiken und dem moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung anzugehören. Er habe im Iran neun Jahre lang die Schule besucht. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, sohin zu seinen Fluchtgründen, gab der Viertbeschwerdeführer an, dass sein Vater in Afghanistan keine Sicherheit gehabt habe und deshalb in den Iran geflüchtet sei. Im Iran hätten sie ebenfalls keine Sicherheit gehabt, sie seien nicht respektiert worden und hätten keine Dokumente gehabt. Die Fünftbeschwerdeführerin gab bei der Erstbefragung an, am XXXX in Teheran im Iran geboren zu sein, die afghanische Staatsangehörigkeit zu besitzen, Dari als Muttersprache zu sprechen, der Volksgruppe der Tadschiken und dem moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung anzugehören. Sie habe im Iran neun Jahre lang die Schule besucht. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, sohin zu ihren Fluchtgründen, gab die Fünftbeschwerdeführer an, dass ihr Vater in Afghanistan Feinde habe. Im Iran hätten sie keine Wertschätzung erfahren und seien nicht respektiert worden. Für die am XXXX geborene Sechstbeschwerdeführerin wurde von ihrer Mutter der gegenständliche Asylantrag gestellt.

Am 21.08.2017 wurden die Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden als BFA oder belangte Behörde bezeichnet) im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er seine Ehefrau, die Zweibeschwerdeführerin, im Jahr 1362 (1983) in der Provinz Kapisa in Afghanistan vor einem Mullah geheiratet habe. Sie hätten insgesamt sechs Söhne und zwei Töchter miteinander. Fünf Kinder seien gemeinsam mit ihm und seiner Ehefrau nach Österreich gekommen, einer seiner Söhne sei in Österreich subsidiär schutzberechtigt. Er sei in der Provinz Kapisa geboren worden und dort aufgewachsen. Im Jahr 1367 (1988) sei er mit seiner Familie nach Kabul gezogen. 1371 (1992) sei die ganze Familie nach dem Sturz der Regierung Najibullah wegen der Mujaheddin in den Iran gegangen, dort hätten sie in Teheran gelebt, bis sie nach Europa gekommen seien. Im Iran habe er als Schweißer auf einer Baustelle gearbeitet. Die vier älteren Kinder seien noch in Afghanistan, die vier jüngeren Kinder im Iran geboren worden. Der Erstbeschwerdeführer gab an, dass er in Afghanistan als Offizier in der Armee gearbeitet habe. In dieser Funktion sei er am 03.03.1359 (24.05.1980) von den Mujaheddin im Dienst angeschossen worden. Von 1357 bis 1371 (1987 bis 1992) sei er Mitglied der Hesb-e demokratike Khalq-e Afghanistan (Demokratische Volkspartei Afghanistan) gewesen. Zuerst sei er Mitglied bei der Revolutionsgarde, der Jugendpartei, gewesen. Als er Offizier geworden sei, sei er Mitglied in der Partei geworden. Im Jahr 1992 sei die Familie in den Iran gegangen, da die Regierung gestürzt und der Präsident Najibullah verhaftet worden sei; der Erstbeschwerdeführer sei aus Afghanistan geflohen wegen des Krieges, weil es nach dem Sturz der Regierung keine Struktur, keinen Staat mehr gegeben habe, man sei nicht mehr sicher gewesen. Den Iran hätten sie im Jänner 2016 verlassen, weil die Afghanen dort nicht gut behandelt worden seien. Man hätte seine Söhne in den Krieg nach Syrien schicken wollen. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan werde der Erstbeschwerdeführer vielleicht durch die Mujaheddin verfolgt.

Die Zweibeschwerdeführerin legte dar, dass zwei ihrer acht Kinder in der Schweiz leben würden. Auch sie sei in Afghanistan, wie ihr Mann, Mitglied der Jugendpartei gewesen. Betreffend ihre Fluchtgründe aus Afghanistan bzw. dem Iran wich die Zweitbeschwerdeführerin nicht von den Angaben des Erstbeschwerdeführers ab. Schließlich legte sie dar, dass sie, wenn es die Feinde ihres Mannes nicht geben würde, gerne nach Afghanistan zurückgehen würde. Der Drittbeschwerdeführer, der Viertbeschwerdeführer und die Fünftbeschwerdeführerin bezogen sich bei ihren jeweiligen Befragungen vor dem BFA im Wesentlichen auf die Fluchtgründe ihres Vaters.

Im Rahmen der Befragungen wurden vom Erstbeschwerdeführer in Kopie sein Dienstausweis der afghanischen Armee, eine Bestätigung der Personalabteilung der afghanischen Armee betreffend seine Verletzung und eine Mitgliedsbestätigung der Jugendpartei der Hesb-e demokratike Khalq-e Afghanistan vorgelegt.

Am 01.09.2017 langte bei der belangten Behörde ein medizinischer Befund betreffend die Zweitbeschwerdeführerin beinhaltend die Diagnose "Diabetes mellitus und diabetische Retinopathie" ein.

Das BFA wies die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz mit oben genannten Bescheiden bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegenüber den Beschwerdeführern gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die Beschwerdeführer erhoben im Wege ihrer Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 27.11.2017 gegen die oben genannten Bescheide fristgerecht eine (gemeinsame) Beschwerde.

Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom BFA am 12.12.2017 vorgelegt.

Im Akt liegt eine Meldung einer näher genannten Polizeiinspektion vom 03.05.2018 auf betreffend einen Vorfall mit der Fünftbeschwerdeführerin und der Sechstbeschwerdeführerin, im Rahmen dessen zu Protokoll genommen wurde, dass diese angegeben hätten, Angst vor ihren männlichen Familienmitgliedern zu haben.

Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Beschwerdeführern mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit, dass beabsichtigt werde, folgende Unterlagen der Entscheidung zugrunde zu legen: Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, ein ACCORD Bericht zu Afghanistan vom 07.12.2018, die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 und ein EASO-Bericht zu Afghanistan vom Jänner 2018.

Am 03.10.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der die Erst- bis Sechstbeschwerdeführer, deren Rechtsvertretung, eine Vertrauensperson der Beschwerdeführer und ein Dolmetscher für die Sprache Dari teilnahmen; ein Vertreter der belangten Behörde nahm an dieser Verhandlung nicht teil. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden diverse Integrationsunterlagen betreffend den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vorgelegt.

Am 06.11.2019 langte eine ergänzende Stellungnahme der Rechtsvertretung der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit dieser Stellungnahme wurden diverse Artikel betreffend die allgemeine Lage in Afghanistan vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Zu den Beschwerdeführern:

Die Beschwerdeführer führen die im Spruch angeführten Namen. Sie sind afghanische Staatsangehörige und gehören der Volksgruppe der Tadschiken sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an.

Der Erstbeschwerdeführer wurde im Jahr XXXX , die Zweitbeschwerdeführerin im Jahr XXXX in der Provinz Kapisa in Afghanistan geboren. Sie heirateten im Jahr 1983 in ihrer Herkunftsprovinz traditionell. Im Jahr 1988 zogen der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin nach Kabul. Im Jahr 1992 verließen der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin nach dem Sturz Najibullahs und der damit einhergehenden und weiter fortschreitenden Instabilität Afghanistan und zogen in den Iran, wo der Drittbeschwerdeführer im Jahr XXXX , der Viertbeschwerdeführer und die Fünftbeschwerdeführerin im Jahr XXXX und die Sechstbeschwerdeführerin im Jahr XXXX geboren wurden. Die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer lebten bis zu ihrer Ausreise nach Europa im Iran, sie waren noch nie in Afghanistan. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin haben noch vier weitere Söhne, welche zwischen 1985 und 1992 in Afghanistan geboren wurden. Dabei handelt es sich um XXXX , der in Österreich den Status des subsidiär Schutzberechtigten genießt, sowie um XXXX , der mit seiner Ehefrau und seinen drei eigenen Kindern zusammen mit den Beschwerdeführern lebt und dessen Verfahren derzeit beim Bundesverwaltungsgericht anhängig ist, sowie um XXXX und XXXX , welche beide in der Schweiz leben.

In Afghanistan leben noch eine Schwester des Erstbeschwerdeführers und drei Brüder der Zweitbeschwerdeführerin. Ein weiterer Bruder der Zweibeschwerdeführerin lebt im Iran und ein fünfter Bruder lebt in Belgien. Zu diesen Verwandten besteht seit Jahren kein Kontakt.

Die Beschwerdeführer stellten nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 01.07.2016 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Dari, sie sprechen aufgrund ihres langen Aufenthalts im Iran auch Farsi und haben inzwischen - wenngleich auch nur, was den Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin, die Fünftbeschwerdeführerin und die Sechstbeschwerdeführerin betrifft, sehr rudimentäre - Deutschkenntnisse erworben.

Der Erstbeschwerdeführer hat in Afghanistan zehn Jahre lang die Schule besucht, danach hat er die Offiziersausbildung im Rahmen seines Dienstes bei der afghanischen Armee gemacht. Bis zu seiner Ausreise in den Iran im Jahr 1992 hat der Erstbeschwerdeführer als Offizier bei der afghanischen Armee gearbeitet. Im Iran hat er als Schweißer gearbeitet. In Österreich besuchte der Erstbeschwerdeführer einen Werte- und Orientierungskurs sowie Deutschkurse. Er kann sich in sehr einfachem Deutsch in Grundzügen verständlich machen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat in Afghanistan sieben Jahre lang die Schule besucht. Danach war sie Hausfrau. In Österreich besuchte die Zweitbeschwerdeführerin einen Werte- und Orientierungskurs sowie Deutschkurse. Sie versteht die deutsche Sprache aber bisher kaum und kann sich auf Deutsch nur schwer verständlich machen.

Der bei der Antragstellung minderjährige Drittbeschwerdeführer hat im Iran acht Jahre lang eine afghanische Schule besucht. Außerdem hat er im Iran als Schweißer, Verkäufer und Schneider gearbeitet. Er besucht in Österreich keine Schule, er macht derzeit einen Deutschkurs.

Der minderjährige Vierbeschwerdeführer hat im Iran sieben Jahre lang eine afghanische Schule besucht. Er besucht derzeit in Österreich eine Schule.

Die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin hat im Iran sieben Jahre lang eine afghanische Schule besucht. Sie besucht in Österreich keine Schule, sie macht derzeit einen Deutschkurs. Sie versteht die deutsche Sprache aber bisher kaum und kann sich auf Deutsch nur schwer verständlich machen.

Die minderjährige Sechstbeschwerdeführerin hat im Iran vier Jahre lang eine afghanische Schule besucht. Sie besucht derzeit in Österreich eine Schule. Sie kann sich in sehr einfachem Deutsch verständlich machen.

Die Beschwerdeführer verfügen in Österreich über soziale Anknüpfungspunkte in Form eines kleinen Bekanntenkreises. Anknüpfungspunkte wirtschaftlicher Natur oder das Bestehen einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich sind nicht hervorgekommen. Die Beschwerdeführer beziehen Leistungen aus der Grundversorgung.

Der Erstbeschwerdeführer und die Dritt- bis Sechsbeschwerdeführer sind gesund. Die Zweitbeschwerdeführerin hat insulinpflichtigen Diabetes, aufgrund ihrer psychischen Probleme nimmt sie regelmäßig Medikamente ein.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich bisher strafgerichtlich unbescholten.

Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer konnten nicht glaubhaft machen, dass ihnen aufgrund der fast dreißig Jahre zurückliegenden Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers als damaliger Offizier der afghanischen Armee eine aktuelle, konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr maßgeblicher Intensität in Afghanistan droht.

Bei der Zweitbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführerin handelt es sich nicht um auf Eigenständigkeit bedachte Frauen, die in ihrer persönlichen und identitätsprägenden Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten, die traditionelle afghanische Gesellschafts- und Geschlechterordnung ablehnenden Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert sind und die deshalb im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wegen abweichender Lebens- und Verhaltensweisen einer Verfolgung ausgesetzt wären. Die Zweitbeschwerdeführerin und die Fünftbeschwerdeführerin sprechen kaum Deutsch, was im Falle der Zweitbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführerin eine bewusste Informationserlangung hinsichtlich der Elemente einer westlichen Lebensführung und in diesem Zusammenhang eine kritische Auseinandersetzung mit der rigiden Gesellschafts- und Geschlechterordnung des Herkunftslandes Afghanistan erschwert. Die Zweibeschwerdeführerin kümmert sich in Österreich primär um den Haushalt und die Kinder, was sie auch bisher in Afghanistan und im Iran getan hat. Zur mündlichen Verhandlung erschien sie mit Kopftuch. Die Fünftbeschwerdeführerin, die in der mündlichen Verhandlung kein Kopftuch trug, kann aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse in Österreich aktuell keine Schule besuchen. Sie hat kaum Kontakte zu österreichischen Jugendlichen und verbringt die meiste Zeit zuhause im Kreise ihrer Familie. Die zur Fünftbeschwerdeführerin getätigten Feststellungen gelten im Ergebnis auch für die nunmehr 15-jährige Sechstbeschwerdeführerin, die anders als die Fünftbeschwerdeführerin zwar aktuell - trotz geringer Deutschkenntnisse - eine Schule besucht, aber mit 15 Jahren noch keine persönliche und identitätsprägende Werteentwicklung im Sinne einer die traditionelle afghanische Gesellschafts- und Geschlechterordnung kritisch hinterfragenden "westlichen Orientierung" erfahren hat.

Dem nunmehr volljährigen Drittbeschwerdeführer und den minderjährigen Viert- bis Sechstbeschwerdeführern ist es nicht unmöglich oder unzumutbar, sich in das afghanische Gesellschaftssystem zu integrieren. Dem Drittbeschwerdeführer und den minderjährigen Viert- bis Sechstbeschwerdeführern würde auch aufgrund ihres Alters bzw. vor dem Hintergrund der Situation der Kinder in Afghanistan keine gezielt gegen sie gerichtete physische und/oder psychische Gewalt drohen und wären sie deswegen keiner Verfolgung ausgesetzt.

Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht konkret vorgebracht. Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen.

Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass den Beschwerdeführern bei einer Rückkehr in die ursprüngliche Herkunftsprovinz Kapisa in Anbetracht der dort vorherrschenden allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Bei einer Ansiedelung in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat könnten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin aktuell die grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft, für sich und ihre drei minderjährigen Kinder sowie für den inzwischen volljährigen Drittbeschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in ausreichendem Maße befriedigen. Die Beschwerdeführer würden daher Gefahr laufen, in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Die Beschwerdeführer haben seit Jahren keinen Kontakt zu ihren in Afghanistan lebenden Familienangehörigen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass diese im Fall einer Rückkehr der Beschwerdeführer willens wären, diese zu unterstützen.

Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).

[...]

Kapisa

Kapisa zählt zu den zentralen Provinzen Afghanistans. Die Provinz grenzt im Norden an Panjshir, im Westen an Parwan, im Süden an Kabul und im Osten an Laghman. Im Nordosten der Provinz befinden sich die Vorhügel des Hindukusch-Gebirges und breit bewaldete Gegenden, während der Südwesten felsiger und flacher ist. Die Provinz besteht aus folgenden Distrikten: Hesa Dovon/Hisa-e-Duwum-e-Kohestan, Kohistan, Hesa Aval Kohistan/Hisa-e-Awal-e-Kohestan, Koh Band/Kohband, Nijrab/Nejrab, Ala Sai/Alasay, Tag Ab/Tagab und die Provinzhauptstadt Mahmud-i-Raqi/Mahmud-e-Raqi (NPS o.D. vgl. UN OCHA 4.2014). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 455.574 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Tadschiken, Ghilzai, Safi, Paschai und Nuristani (NPS o.D.).

In Kapisa stieg die Opium-Produktion im Jahr 2017 (+360 Hektar), wenngleich nicht so stark wie in der Provinz Nangarhar. Insgesamt wurden im selben Jahr in Kapisa drei Hektar an Opiumfeldern umgewidmet (UNODC 11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage in Kapisa

Kapisa war eine der relativ friedlichen Provinzen in Nordostafghanistan, jedoch hat sich die Sicherheitslage in einigen abgelegenen Gebieten der Provinz in den letzten Jahren verschlechtert (Khaama Press 10.8.2017; vgl. Khaama Press 8.8.2017, Khaama Press 1.7.2017). Im Rahmen eines von Taliban geführten Aufstandes in Schlüsselprovinzen im Norden und Süden des Landes, versuchen regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen die Provinz Kapisa zu destabilisieren (Khaama Press 2.10.2017). Talibanaufständische sind in abgelegenen und unruhigen Distrikten der Provinz aktiv; ihre Aktivitäten sind: gezielte Tötungen, Straßenbomben und koordinierte Angriffe auf Sicherheitskräfte, Regierungsbeamte und deren private Anlagen (Khaama Press 1.7.2017; vgl. Pajhwok 6.3.2018, Aawsat 20.2.2018).

Speziell im Winter haben Sicherheitskräfte mit Unterstützung durch die Luftwaffe begonnen Nachtrazzien in unsicheren Gegenden von Kapisa durchzuführen (Pajhwok 24.11.2017).

In der Provinz Kapisa arbeiten auch Frauen für die afghanischen Sicherheitskräfte (DVIDS 3.8.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 83 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Kapisa 101 zivile Opfer (34 getötete Zivilisten und 67 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 19% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

In Kapisa leben Binnenflüchtlinge, die aus dem Distrikt Tagab aus Sicherheitsgründen flüchten mussten (ARCS 21.2.2018). Mitte März 2018 wurde von ca. 1.300 Personen berichtet, die aus verschiedenen Teilen des Landes (Kapisa, Laghman, Nuristan und Parwan) aufgrund anhaltenden gewaltsamen Konflikts in die Distrikte Mahmud-e-Raqi, Hisa-e-Awal-e-Kohestan und Hisa-e-Duwum-e-Kohestan der Provinz Kapisa geflüchtet sind (UN OCHA o.D.).

Militärische Operationen in Kapisa

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 1.3.2018; vgl. AAT 11.3.2018, Tolonews 23.1.2017, Xinhua 22.1.2017, Khaama Press 22.1.2017, Khaama Press 15.1.2017, Tolonews 12.1.2017, Pajhwok 24.11.2017); dabei wurden unter anderem Anhänger der Taliban und des IS getötet (Khaama Press 1.3.2018; vgl. AA Turkey 11.3.2018, Khaama Press 2.10.2017, Tolonews 19.1.2017, Khaama Press 7.1.2017, Kabul Tribune 4.1.2017) und manchmal ihre Anführer (Pajhwok 6.3.2018; vgl. Khaama Press 2.10.2017).

Luftangriffe wurden durchgeführt; dabei wurden Taliban-Kommandanten getötet (Tolonews 11.11.2017; vgl. Pajhwok 24.11.2017). Es kommt zu Zusammenstößen zwischen den Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Xinhua 22.2.2018; vgl. NZH 21.2.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Kapisa

Talibanaufständische sind in abgelegenen und unruhigen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 1.7.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen - zu denen Taliban und IS zählen - sind in folgenden Distrikten aktiv: Tagab, Alasay und Najrab (Khaama Press 1.3.2018; vgl. Pajhwok 24.11.2017, Pajhwok 8.9.2017, Pajhwok 5.9.2017). In Tagab haben die Taliban 2016 ein Fernsehverbot ausgesprochen und 2017 Frauen aus dem Distrikt-Bazar verbannt. Afghanische Sicherheitskräfte betonten, dass sie im Distrikt-Bazaar von Tagab vor Ort wären und dass das Frauen-Verbot nicht implementiert werden würde bzw. weiterhin zurückgewiesen bleibe. (Pajhwok 8.9.2017).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kapisa keine IS-bezogenen Sicherheitsvorfälle registriert (ACLED 23.2.2018).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Informationen und Beispiele zu öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) können dem Kapitel "Sicherheitslage (allgemeiner Teil)" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Cha

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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