Entscheidungsdatum
20.01.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W250 2227167-1/34E
Schriftliche Ausfertigung des am 10.01.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Algerien, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER, gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 09.12.2019 auf Grund des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.
IV. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 887,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 18.07.2011 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.07.2011 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde, die mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23.07.2012 abgewiesen wurde.
2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 28.10.2011 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und Abs. 3 Suchmittelgesetz - SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, wovon ein Teil von acht Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Daraufhin wurde mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 13.01.2012 gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
3. Der BF wurde von 17.09.2012 bis 29.09.2012 in Schubhaft angehalten, aus der er wegen Haftunfähigkeit, die er durch Hungerstreik herbeigeführt hat, entlassen werden musste.
4. Am XXXX wurde ein Antrag zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der algerischen Vertretungsbehörde gestellt.
5. Von 10.07.2013 bis 17.07.2013 wurde der BF abermals in Schubhaft angehalten, aus dieser musste er wiederum entlassen werden, da er durch Hungerstreik seine Haftunfähigkeit herbeigeführt hat.
6. Am 28.11.2019 suchte der BF in Begleitung jener Person, bei der er Unterkunft zu nehmen beabsichtigte, die Meldebehörde auf, um einen Wohnsitz anzumelden. Der BF wurde von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen und dem Bundesamt vorgeführt.
7. Am 28.11.2019 wurde der BF vom Bundesamt unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme. Zuletzt sei er im Jahr 2011 in das österreichische Bundesgebiet eingereist und halte sich seither durchgehend in Österreich auf. Dass gegen ihn eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen worden sei, wisse er nicht. Nach Algerien sei er bisher nicht ausgereist, da er ein 40 Jahre alter Mann sei und sowohl in Algerien als auch in Österreich nichts habe. Er besitze weder einen Reisepass noch irgendwelche andere Personaldokumente. Ein Reisedokument habe er bei seiner Vertretungsbehörde nicht beantragt. In Österreich habe er an jener Adresse - die der BF im Zuge der Einvernahme nicht nannte - Unterkunft genommen, die auf den Unterlagen vom Tag der Einvernahme eingetragen sei. In diese Unterkunft komme er mit dem Schlüssel. Er wohne in der Wohnung eines Bekannten aus Algerien, sein Bruder wohne dort. Der Schlüssel befinde sich bei der Frau des BF. Diese wohne beim BF. Von seiner Lebensgefährtin könne er lediglich den Vornamen nennen, da er ihren Nachnamen nicht auswendig wisse, weil er sehr lange sei. Ihr Geburtsdatum sei der XXXX . Auf Grund von der vom BF genannten Daten konnte vom Bundesamt keine Person im Zentralen Melderegister gefunden werden. Auf die Frage, wo er davor Unterkunft genommen habe, gab der BF an, dass er sich 2013 angemeldet habe. An Finanzmittel verfüge er über EUR 20,-- und kein Bankkonto, er habe in Österreich als Flyerverteiler für diverse Unternehmen gearbeitet, versichert sei er nicht. Seinen Aufenthalt in Österreich habe er durch die Unterstützung von Personen finanziert. Er habe von jener Person, bei der er wohne sowie von einer älteren österreichischen Frau Unterstützung erhalten. An Familienangehörigen lebe sein Bruder, dessen Geburtsdatum er nicht wisse, in Österreich. Dieser habe vor ca. zwei Monaten Papiere bekommen. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten.
8. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.11.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG Fluchtgefahr vorliege. Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels könne nicht das Auslangen gefunden werden, da der BF nicht behördlich gemeldet gewesen sei, über keine ausreichenden Barmittel verfüge und auf freiem Fuß belassen untertauchen werde.
Dieser Bescheid wurde dem BF am 28.11.2019 durch persönliche Übernahme zugestellt.
9. Am 04.01.2020 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gegen seine Anhaltung in Schubhaft und beantragte die Rechtswidrigkeit der Schubhaft ab dem 09.12.2019 festzustellen, auszusprechen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen und dem BF Kosten im gesetzlichen Umfang zuzusprechen. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass er sich vor der Rückkehr nach Algerien fürchte, auch sein Bruder lebe in Österreich. Er habe vom Verteilen von Werbezetteln gelebt und habe eine Lebensgefährtin gefunden, die er zu heiraten beabsichtige. Bei seiner Lebensgefährtin könne er auch wohnen. Diese sei tschechische Staatsangehörige und sei in Österreich beschäftigt. Nach der Eheschließung sei er rechtmäßig in Österreich aufhältig.
Die belangte Behörde könne dem BF keine Nichtkooperation vorwerfen, da sein illegaler Verbleib in Österreich keine Nichtkooperation sondern ein Akt der Verzweiflung sei. Er komme aus einem diktatorisch regierten Land mit keinerlei demokratischen Freiheiten. Nunmehr sei ein Ende der Verzweiflung abzusehen, da er erstmals durch Heirat seiner Lebensgefährtin die Chance habe ein ordentliches und rechtschaffenes Leben in Österreich zu führen. Die belangte Behörde könne wegen des Aufenthalts seines Bruders und seiner Lebensgefährtin nicht zu Recht mit nichtvorhandener familiärer Bindung argumentieren. Er sei auch insofern beruflich integriert, als er als Werbemittelverteiler in geringem - aber für sein Leben ausreichendem Umfang - selbständig beschäftigt gewesen sei. Bereits daraus sei ersichtlich, dass die Begründung des Schubhaftbescheides die Inhaftnahme nicht tragen könne.
Die Haft könne ihren Zweck nicht erfüllen, da die Abschiebung ohne vorhandenes Reisedokument des BF nicht durchgeführt werden könne.
Darüber hinaus habe die belangte Behörde nicht ernsthaft die Verhängung eines gelinderen Mittels geprüft. Die algerische Vertretungsbehörde stelle in sehr vielen Fällen kein Heimreisezertifikat aus und habe der BF familiären Anschluss und könne bei seiner Lebensgefährtin wohnen. Er habe vor dem Hintergrund seiner baldigen Eheschließung auch keinen Grund nochmals unterzutauchen. Dass der BF beabsichtige seine Lebensgefährtin zu heiraten hätte die belangte Behörde bereits bei der Vorsprache der Lebensgefährtin beim Bundesamt am 09.12.2019 erheben können.
Am 09.12.2019 habe die belangte Behörde wissen müssen, dass Algerien für den BF kein Heimreisezertifikat ausstellen werde und er andererseits bei einer Haftentlassung einen ordentlichen Wohnsitz haben werde.
8. Das Bundesamt legte am 07.01.2020 den Verfahrensakt vor, gab am 09.01.2020 eine Stellungnahme ab und beantrage die Beschwerde als unbegründet abzuweisen oder als unzulässig zurückzuweisen, festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und den BF zum Ersatz der Verfahrenskosten zu verpflichten.
9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.01.2020 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch sowie eines Dolmetschers für die Sprache Tschechisch, im Beisein des Rechtsvertreters des BF sowie einer Vertreterin des Bundesamtes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Dabei gab der Rechtsvertreter des BF an, dass sich die Beschwerde ausschließlich auf den Zeitraum ab 09.12.2019 beziehe und der Umfang der Beschwerde ausdrücklich nicht ausgedehnt werde.
Die Vertreterin des Bundesamtes gab auf Befragen an, dass ein Vorführungstermin vor die algerische Vertretungsbehörde Ende Jänner 2020 vorgesehen sei. Im Vorjahr seien von der algerischen Vertretungsbehörde 69 Heimreisezertifikate ausgestellt worden, die Zusammenarbeit sei sehr gut. Da der BF eine Bestätigung der algerischen Vertretungsbehörde über seine algerische Staatsangehörigkeit bei seinen Effekten gehabt habe, sei davon auszugehen, dass ein Heimreisezertifikat erlangt werden könne.
Die vom BF genannte Lebensgefährtin sei nicht einvernommen worden, da der BF in der Einvernahme am 28.11.2019 nicht in der Lage gewesen sei, ihren vollständigen Namen, ihr Geburtsdatum und ihre Wohnadresse zu nennen. Das Bundesamt sei deshalb nicht von einem Naheverhältnis ausgegangen.
In der mündlichen Verhandlung wurde die vom BF in der Beschwerde namhaft gemachte Lebensgefährtin, eine tschechische Staatsangehörige, als Zeugin einvernommen. Diese gab im Wesentlichen an, dass sie sich seit September 2019 ständig in Österreich aufhalte. Davor habe sie sich nicht für einen längeren Zeitraum in Österreich aufgehalten, sondern sei zwischen Österreich und Tschechien gependelt. Dabei habe sie sich mehrmals für 14 Tage und auch für einen Monat in Österreich aufgehalten. Den BF kenne sie seit ca. fünf Jahren. Sie habe mit dem BF an ihrer nunmehrigen Meldeadresse zusammengelebt, der BF sei an dieser Adresse nicht gemeldet gewesen. Der BF habe bereits vor zwei oder drei Jahren an dieser Adresse mit ihr zusammengewohnt, seit sie sich ständig in Österreich aufhalte, habe der BF bei ihr gewohnt. Der BF habe sich an dieser Adresse nicht angemeldet, da sie in dieser Wohnung bei einem Bekannten lebe, wobei jeder sein eigenes Zimmer habe. Der Bekannte habe nicht gewollt, dass sich der BF an dieser Adresse anmeldet. Am 28.11.2019 habe der BF beabsichtigt sich an der Adresse eines Verwandten anzumelden. Dieser Verwandte des BF habe dem BF sowie der Zeugin helfen wollen, da es für die Hochzeit erforderlich sei, dass der BF eine Meldeadresse habe. Der BF habe zu jenen Zeiten, in denen die BF nicht in Österreich gewesen sei, auch an dieser Adresse gewohnt, da er seinem Verwandten helfe. Einen Schlüssel für die Wohnung des Verwandten habe die Zeugin nicht. Der BF habe auch keinen Schlüssel für die Wohnung der Zeugin. An der Adresse des Verwandten des BF, bei der es sich um ein Einfamilienhaus mit Garten handle, sei immer jemand anwesend. Der BF könne also immer kommen und gehen. Die Zeugin beabsichtige, den BF zu heiraten, die erforderlichen Papiere habe sie schon. Sie habe auch die Geburtsurkunde des BF. Diese habe sie vom BF erhalten, wann das gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Am 09.12.2019 habe sie beim Bundesamt vorgesprochen und mitgeteilt, dass sie den BF heiraten wolle, dass sie mit ihm zusammenlebe und nicht verstehe, warum er festgehalten werde. Beim Bundesamt sei der Bruder des BF, der Deutsch spreche, ebenfalls anwesend gewesen. Der Zeugin sei vom Bundesamt das Formular einer Vollmacht übergeben worden, das sie ausfüllen und vom BF unterschreiben lassen solle, um Akteneinsicht nehmen zu können. Die Zeugin sei vor Weihnachten neuerlich zum Bundesamt gekommen um Akteneinsicht zu nehmen. Einvernommen sei sie nicht worden, sie sei auch nicht nach dem BF bzw. ihrer Beziehung zu ihm befragt worden. Sie habe dem Bundesamt alle Papiere für die Hochzeit gezeigt. Dass der BF eine Ausweisung hat, wisse sie nicht. Die Zeugin könne den BF daran hindern neuerlich unterzutauchen, da sie alles für ihn tun würde. Sie habe ihre Arbeit in Tschechien aufgegeben und habe auch ihre erwachsene Tochter dort gelassen. Sie besuche den BF im Polizeianhaltezentrum und sei auch zu Weihnachten nicht zu ihrer Familie nach Tschechien gefahren, sondern habe den BF im Polizeianhaltezentrum besucht. Sie suche in Österreich Arbeit, was schwierig sei, da sie nicht Deutsch spreche. In Tschechien habe sie gearbeitet und lebe derzeit von ihren Ersparnissen.
Der BF gab in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen an, dass er im Jahr 2011 zuletzt nach Österreich eingereist sei, er habe im September 2019 einen Reisepass bei der algerischen Vertretungsbehörde beantragt, es sei ihm jedoch keiner ausgestellt worden. Unterlagen zum Nachweis seiner Identität habe er der Vertretungsbehörde nicht vorgelegt. Auf die Frage nach der von der Zeugin genannten Geburtsurkunde gab der BF zunächst an, dass er lediglich ein Dokument gehabt habe, das ihm im Jahr 2013 vom Referenten ausgestellt worden sei. Damit habe er sich immer ausgewiesen, jedoch aus Angst abgeschoben zu werden, nicht angemeldet. Auf Wiederholung der Frage nach seiner Geburtsurkunde gab der BF an, dass die Zeugin seinen Namen und sein Geburtsdatum kenne, es handle sich nur um einen Zettel, den er der Zeugin gegeben habe. Diesen habe er aus Algerien mitgebracht, er selbst habe diesen Zettel ausgefüllt. Auf dem Zettel befänden sich die Kennzeichen der Stadtverwaltung. Er habe dieses Dokument aus Angst vor einer Abschiebung im Asylverfahren nicht vorgelegt. Auf den Vorhalt, dass er am 28.11.2019 vom Bundesamt darüber befragt worden sei, ob er im Besitz eines Reisepasses oder eines anderen Dokumentes sei, er diese Frage jedoch verneint habe, gab der BF an, dass er Angst gehabt habe abgeschoben zu werden. Er wolle auf keinen Fall nach Algerien zurück. Aus diesem Grund habe er auch nicht angegeben, dass er ein Reisedokument bei der algerischen Vertretungsbehörde beantragt habe.
Er habe sich auch eine Woche in Italien aufgehalten, da dort sein Bruder wohne, und sei danach nach Österreich zurückgekehrt. Beim Bundesamt habe er am 28.11.2019 seinen Aufenthalt in Italien nicht genannt, da er während seines Aufenthaltes in Österreich psychisch krank geworden sei. Er habe insgesamt drei Brüder und keine Schwester. Auf den Vorhalt, dass er im Asylverfahren angegeben habe, einen Bruder und drei Schwestern zu habe, antwortete der BF, dass er sich nicht erinnern könne, so etwas gesagt zu haben. Er könne sich auch nicht erinnern wann er in Italien gewesen sei, da er psychisch krank sei. Er sei in Italien auch von der Polizei festgenommen worden und nach seiner Entlassung ohne Reisedokument nach Österreich zurückgekehrt. Auf Vorhalt, dass im Schengener Informationssystem ein von Italien erlassenes Einreise- und Aufenthaltsverbot im Schengener Gebiet aufscheine, gab der BF an, dass er wisse, dass er ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erhalten habe.
Nach seiner strafrechtlichen Verurteilung befragt gab der BF an, dass er keine Drogen verkauft habe. Er nehme keine Drogen und trinke auch keinen Alkohol.
Er habe sich jahrelang unangemeldet in Österreich aufgehalten, da er hier niemanden gekannt habe. Er habe dem Bundesamt aus Angst abgeschoben zu werden keine Zustelladresse bekanntgegeben. Zuletzt habe er bei seinem Halbbruder, bei seiner Frau und manchmal bei einer älteren Frau gewohnt.
Am 28.11.2019 habe er beabsichtigt, sich bei seinem Halbbruder anzumelden.
Die einvernommene Zeugin kenne er seit fünf Jahren und er habe mit ihr zusammengelebt, allerdings nicht für lange Zeit. Sie sei immer zwischen Tschechien und Österreich gependelt. In der Einvernahme am 28.11.2019 habe er den vollständigen Namen und das Geburtsdatum der Zeugin nicht nennen können, da er unter Schock gestanden sei. Der Entschluss zur Heirat sei vor maximal vier Monaten getroffen worden. Sobald er die Zeugin geheiratet habe habe er keinen Grund mehr unterzutauchen. Er werde sich bei seinem Halbbruder anmelden und sich auch bei ihm aufhalten. Nach Algerien könne er - auch wenn für ihn ein Heimreisezertifikat ausgestellt werde - nicht zurückkehren, da Algerien eine Diktatur sei. Aus Angst vor einer Abschiebung habe er auch am 28.11.2019 einen Hungerstreik begonnen. Diesen habe er am 10.12.2019 beendet, da ihm sein Halbbruder und die einvernommene Zeugin gesagt hätten, dass er damit gegen österreichische Gesetze verstoße und ein Anwalt mit seiner Vertretung beauftragt worden sei. Seinen in Österreich aufhältigen Bruder habe er ca. eineinhalb Jahre nach seiner Einreise nach Österreich das erste Mal in Österreich getroffen. Er sehe seinen Bruder unregelmäßig, aber treffe ihn immer wieder. In der Beschwerde habe er seinen Halbbruder als seinen Bruder bezeichnet.
Seinen Aufenthalt in Österreich habe er durch das Verteilen von Flyern finanziert, sein Halbbruder habe ihm immer wieder Geld gegeben und auch die bereits genannte ältere Dame habe ihn immer wieder unterstützt. Zuletzt habe er vor ca. vier Jahren gearbeitet.
In Österreich lebe einer seiner Brüder sowie sein Halbbruder, Freunde habe er keine und er besitze kein Vermögen. Er leide unter Migräne und Magenbeschwerden, weshalb er Medikamente gegen die Übersäuerung des Magens und gegen Migräne einnehme. An diesen Krankheiten habe er auch vor seiner Inschubhaftnahme gelitten und auch Medikamente eingenommen. Bei seiner Einvernahme am 28.11.2019 habe er darüber nichts gesagt, da er unter Schock gestanden sei.
Auf Vorhalt der Angaben des BF vom 28.11.2019 wonach er sich an der Adresse der einvernommenen Zeugin habe melden wollen, an der er mit ihr und seinem Bruder zusammenlebe, gab der BF an, dass er das nicht gesagt habe.
Warum er in der Einvernahme am 28.11.2019 trotz ausdrücklicher Frage des Bundesamtes seinen Halbbruder nicht erwähnte, rechtfertigte der BF damit, dass ihn der Dolmetscher bei der Einvernahme nicht habe richtig verstehen können.
Den Interviewtermin vor der algerischen Vertretungsbehörde werde er auch bei seiner Entlassung aus der Schubhaft wahrnehmen.
10. Am 16.01.2020 stellte der BF einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 10.01.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Zum Verfahrensgang
Der unter I.1. bis I.10. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft
2.1. Der BF ist ein volljähriger Staatsangehöriger Algeriens. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.
2.2. Der BF wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom 28.10.2011 wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und Abs. 3 Suchtmittelgesetz als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall Strafgesetzbuch und wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 erster und zweiter Fall Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, wovon ein Teil von acht Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Dieser Verurteilung liegen Straftaten zu Grunde, die der BF am 24.09.2011 und von Ende Juli 2011 bis 24.09.2011 begangen hat. In diesem Zeitraum war das Asylverfahren des BF beim Asylgerichtshof anhängig.
2.3. Der BF leidet an Migräne und Magenübersäuerung. Er nimmt Medikamente dagegen ein. Er ist haftfähig.
2.4. Der BF wird seit 28.11.2019 in Schubhaft angehalten.
2.5. Bei der algerischen Vertretungsbehörde wurde am XXXX um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF angesucht. Mit Schreiben vom XXXX hat die algerische Vertretungsbehörde bestätigt, dass es sich beim BF um einen algerischen Staatsangehörigen handelt. Der BF wird zum nächstmöglichen Termin - voraussichtlich Ende Jänner 2020 - der algerischen Vertretungsbehörde vorgeführt werden. Die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF scheint möglich.
3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf
3.1. Der BF hat sich seinem Asylverfahren durch Untertauchen entzogen. Das Asylverfahren wurde vom Asylgerichtshof am 02.11.2011 eingestellt.
3.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.07.2011 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen und der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23.07.2012 abgewiesen. Mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 13.01.2012 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen. Es liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.
3.3. Der BF hat durch Untertauchen seine Abschiebung erschwert, er verfügte zuletzt am 08.09.2011 über eine Meldeadresse außerhalb einer Justizanstalt oder eines Polizeianhaltezentrums und war bis 02.03.2012 als obdachlos gemeldet.
3.4. Der BF wurde von 17.09.2012 bis 29.09.2012 in Schubhaft angehalten, aus der er wegen Haftunfähigkeit, die der BF durch Hungerstreik herbeigeführt hat, entlassen werden musste. Von 10.07.2013 bis 17.07.2013 wurde der BF abermals in Schubhaft angehalten, aus dieser musste er wiederum entlassen werden, da er durch Hungerstreik seine Haftunfähigkeit herbeigeführt hat.
3.5. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 28.11.2019 verhielt sich der BF insofern unkooperativ, als er widersprüchliche Angaben zu seinem Aufenthaltsort machte. So behauptete er, dass er mit seinem Bruder und seiner Lebensgefährtin einen gemeinsamen Wohnsitz habe. Weiters gab er an, dass er bei der algerischen Vertretungsbehörde um kein Reisedokument angesucht habe, was jedoch den Angaben der Botschaft im Schreiben vom XXXX widerspricht. Dass er verpflichtet sei, Österreich zu verlassen, verneinte der BF ebenfalls, obwohl er bereits in der Einvernahme vom 17.09.2012 angab, zu wissen, dass er Österreich verlassen müsse. Dass er seit seiner Einreise nach Österreich, die im Jahr 2011 erfolgte, zu einem späteren Zeitpunkt nach Italien ausgereist ist, verschwieg der BF dem Bundesamt am 28.11.2019 ebenfalls.
3.6. Der BF machte bereits im Asylverfahren falsche Angaben zu seinen Familienangehörigen und legte eine von ihm aus Algerien mitgebrachte Urkunde zum Nachweis seiner Identität bisher nicht vor. Insbesondere verschwieg er die Existenz dieses Dokumentes der Fremdenbehörde.
3.7. Der BF befand sich von 28.11.2019 bis 10.12.2019 in Hungerstreik und versuchte dadurch seine Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen.
3.8. Der BF suchte am 28.11.2019 in Begleitung seines Unterkunftgebers die Meldebehörde auf, um einen Hauptwohnsitz anzumelden. Dies diente ausschließlich als Vorbereitung für seine Heirat. Mit seiner Verlobten lebte der BF an einer anderen Adresse.
3.9. Von Italien wurde gegen den BF ein Aufenthalts- und Einreiseverbot, welches für den gesamten Schengenraum gültig ist, erlassen.
4. Zur sozialen und familiären Komponente
4.1. In Österreich befindet sich der Bruder des BF, der über einen bis XXXX befristeten Aufenthaltstitel verfügt. Der BF wohnt nicht in der Wohnung seines Bruders, der BF hat zu seinem Bruder gelegentlich Kontakt.
4.2. Der BF verfügt in Österreich über eine Verlobte. Diese verfügt in Österreich über keine eigene Wohnung, sondern hat ein Zimmer in der Wohnung eines Bekannten gemietet. Wenn sich die Verlobte des BF in Österreich aufhält, wohnt der BF bei ihr in dem von ihr gemieteten Zimmer. Der BF konnte am 28.11.2019 weder den vollständigen Namen noch das Geburtsdatum seiner Freundin nennen. Der BF beabsichtigt seine Verlobte zu heiraten. In Vorbereitung dieser Hochzeit hat der BF bei der algerischen Vertretungsbehörde um einen Reisepass angesucht und seiner Verlobten ein Dokument aus Algerien zum Nachweis seiner Identität übergeben. Dieses Dokument hatte der BF bereits bei seiner Einreise nach Österreich im Jahr 2011 bei sich.
4.3. Der BF kann in der Wohnung seines Halbbruders Unterkunft nehmen.
4.4. Der BF übt keine Erwerbstätigkeit aus und verfügt über kein Einkommen. Über Vermögen verfügt der BF nicht. Der BF verfügt über keine nennenswerten Deutschkenntnisse.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Akt des Bundesamtes, den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes und in den Akt des Asylgerichtshofes das Asylverfahren des BF betreffend sowie aus dem vom BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck und der Aussage der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugin. Einsicht genommen wurde in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in das Zentrale Melderegister.
1. Zum Verfahrensgang
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie dem Akt des Asylgerichtshofes das Asylverfahren des BF betreffend. Diesen Feststellungen wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten.
2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft
2.1. Dass der BF ein volljähriger Staatsangehöriger Algeriens ist ergibt sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Bestätigung der algerischen Vertretungsbehörde vom XXXX und den damit übereinstimmenden Angaben des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 10.01.2020. Anhaltspunkte dafür, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Da sein Antrag auf internationalen Schutz in Österreich vollinhaltlich abgewiesen wurde, handelt es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten.
2.2. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF beruhen auf der im Verwaltungsakt einliegenden Ausfertigung des diesbezüglichen Urteiles. Dass im Zeitraum der Begehung der dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten das Asylverfahren des BF noch anhängig war, ergibt sich aus dem Akt des Asylgerichtshofes das Asylverfahren des BF betreffend.
2.3. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 10.01.2020. Relativiert werden diese gesundheitlichen Probleme dadurch, dass der BF laut seiner Aussage in der mündlichen Beschwerdeverhandlung bereits vor Anordnung der Schubhaft an diesen Beschwerden gelitten hat, in der Einvernahme durch das Bundesamt am 28.11.2019 auf die konkrete Frage nach seinem Gesundheitszustand und den von ihm eingenommenen Medikamenten jedoch antwortete, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme.
2.4. Dass der BF seit 28.11.2019 in Schubhaft angehalten wird ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.
2.5. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass am XXXX um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF angesucht wurde. Im Verwaltungsakt liegt die Bestätigung der algerischen Vertretungsbehörde vom XXXX ein, wonach es sich beim BF um einen algerischen Staatsangehörigen handelt. Dass der BF zum nächstmöglichen Termin der algerischen Vertretungsbehörde vorgeführt wird, steht auf Grund der Angaben der Vertreterin des Bundesamtes in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 10.01.2020 fest. Aus diesen Angaben ergibt sich auch, dass die Zusammenarbeit mit der algerischen Vertretungsbehörde gut ist, dies zeigt sich auch daran, dass im Vorjahr 69 Heimreisezertifikate von Algerien ausgestellt wurden. Es konnte daher insgesamt die Feststellung getroffen werden, dass mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF gerechnet werden kann.
3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf
3.1. Dass sich der BF seinem Asylverfahren entzogen hat und dieses Verfahren vom Asylgerichtshof am 02.11.2011 eingestellt wurde ergibt sich aus dem Akt des Asylgerichtshofes das Asylverfahren des BF betreffend.
3.2. Die Feststellungen zur rechtskräftigen Abweisung des Antrages des BF auf internationalen Schutz sowie seiner Ausweisung aus Österreich ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie dem Akt des Asylgerichtshofes dieses Verfahren betreffend. Dass gegen den BF mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 13.01.2012 ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen wurde, steht auf Grund der im Verwaltungsakt einliegenden Bescheidausfertigung fest. Insgesamt konnte daher festgestellt werden, dass gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt.
3.3. Die Feststellungen zu den Meldedaten des BF ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Dass der BF untergetaucht ist um seine Abschiebung zu erschweren konnte auch deshalb festgestellt werden, da der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 10.01.2020 angab, dass er dem Bundesamt aus Angst abgeschoben zu werden weder eine Zustell- noch eine Aufenthaltsadresse bekannt gegeben hat.
3.4. Die Feststellungen zu den bisherigen Zeiträumen, in denen der BF in Schubhaft angehalten wurde und der Tatsache, dass er beide Male wegen Haftunfähigkeit, die er selbst durch Hungerstreik herbeigeführt hat, entlassen werden musste, ergeben sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden diesbezüglichen Bescheiden, mit denen die Schubhaft angeordnet wurde, sowie den amtsärztlichen Gutachten, in denen jeweils die Haftunfähigkeit des BF festgestellt wurde.
3.5. Die Feststellungen zum unkooperativen Verhalten des BF in der Einvernahme durch das Bundesamt am 28.11.2019 ergeben sich aus der diesbezüglich mit ihm aufgenommenen Niederschrift.
Insbesondere machte er falsche Angaben, was seinen Aufenthaltsort in Österreich betrifft. So gab er an, dass er beabsichtigt habe, sich an jener Adresse zu melden, an der er mit seiner Lebensgefährtin zusammenlebe, er habe im XXXX Unterkunft genommen. Die Wohnung gehöre einem Bekannten aus Algerien, der BF lebe dort mit seinem Bruder, der mit Hilfe des Bekannten vor ca. zwei Monaten "Papiere" erhalten habe. Der Schlüssel für die Wohnung befinde sich bei seiner Frau. Zu Hause im XXXX befänden sich seine Effekten, seine Frau könne diese bringen. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren - insbesondere die mündliche Verhandlung am 10.01.2020 - hat jedoch ergeben, dass diese Angaben des BF in mehrfacher Hinsicht nicht der Wahrheit entsprechen. Beim Inhaber der Wohnung, an der der BF am 28.11.2019 seinen Hauptwohnsitz anmelden wollte, handelt es sich um den Halbbruder des BF und nicht wie vom BF in der Einvernahme behauptet um einen "Bekannten". An der Adresse leben lediglich der Halbbruder des BF und dessen Ehefrau. Die Freundin des BF lebt laut ihrer Angabe in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ebensowenig an dieser Adresse wie der leibliche Bruder des BF. Die Freundin des BF verfügt laut ihrer Aussage in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auch nicht über einen Schlüssel für diese Wohnung. Laut der Aussage der in der mündlichen Beschwerdeverhandlung einvernommenen Freundin des BF lebt der BF derzeit bei ihr in einer anderen Wohnung, die sich auch nicht im XXXX befindet.
Der BF behauptete in der niederschriftlichen Einvernahme vom 28.11.2019, dass er bei der algerischen Vertretungsbehörde um kein Reisedokument angesucht habe. Diese Aussage wird jedoch durch die Bestätigung der algerischen Vertretungsbehörde vom XXXX , wonach der BF ein Ansuchen um einen Reisepass gestellt hat, widerlegt. Dass er bei der algerischen Botschaft einen Reisepass beantragt hat, gab der BF auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 10.01.2020 an.
Der BF verneinte am 28.11.2019 auch, dass er von der Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot wisse, obwohl er bereits am 17.09.2012 bei seiner Einvernahme durch eine Landespolizeidirektion ausdrücklich angab, dass er wisse, dass gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung sowie eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem 10-jährigen Einreiseverbot bestehe.
Auch seine Ausreise nach Italien und seine darauffolgende Wiedereinreise nach Österreich verschwieg der BF dem Bundesamt, obwohl er am 28.11.2019 ausdrücklich danach befragt wurde, seit wann er sich in Österreich aufhalte und ob er sich seit dem vom BF genannten Jahr 2011 durchgehend in Österreich aufgehalten habe.
3.6. Dass der BF bereits in seinem Asylverfahren falsche Angaben gemacht hat, ergibt sich aus einem Vergleich der im Asylverfahren gemachten Angaben zu seinen Familienangehörigen und den diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 10.01.2020. So gab der BF in seinem Asylverfahren am 20.07.2011 vor dem Bundesasylamt an, dass er drei Schwestern und einen Bruder habe, während er am 10.01.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht angab drei Brüder und keine Schwester zu haben. Nach seinen Angaben im Asylverfahren befragt gab der BF am 10.01.2020 lediglich an, dass er sich nicht daran erinnern könne, so etwas gesagt zu haben.
Dass der BF im Asylverfahren zumindest ein Dokument zum Nachweis seiner Identität nicht vorgelegt hat und dieses Dokument bis zur mündlichen Verhandlung am 10.01.2020 vor den Fremdenbehörden verheimlicht und zurückgehalten hat, ergibt sich aus den Angaben des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. So gab die in der Verhandlung einvernommene Zeugin an, dass sie die Geburtsurkunde des BF besitze. Der BF gab dazu befragt zunächst an, dass ihm vom Referenten im Jahr 2013 ein Dokument ausgestellt worden sei, mit dem er sich immer ausgewiesen habe. Auf Wiederholung der Frage nach seiner Geburtsurkunde gab der BF an, dass die Zeugin wisse, wann der BF geboren sei und welchen Namen er habe, es handle sich bei dem Dokument nur um einen Zettel. Auf die Frage woher er diesen Zettel habe gab der BF an, dass er ihn aus Algerien mitgebracht habe, ausgefüllt habe er den Zettel selbst. Auf die Frage ob sich auf diesem Zettel die Kennzeichen einer Behörde befänden, antwortete der BF "Ja, sicher." Erst auf nochmaliges Befragen nannte der BF die Stadtverwaltung. Auf die Frage, warum er dieses Dokument bisher nicht vorgelegt habe, nannte der BF Angst vor einer möglichen Abschiebung. Der BF räumte damit in der mündlichen Verhandlung nicht nur ein, dass er bereits seit seiner Einreise im Jahr 2011 ein Dokument zum Nachweis seiner Identität besessen und bewusst den österreichischen Asyl- und Fremdenbehörden nicht vorgelegt hat, er versuchte noch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung die Bedeutung dieses Dokumentes herunterzuspielen, als er meinte es sei "nur ein Zettel", den er selbst ausgefüllt habe.
3.7. Dass sich der BF von 28.11.2019 bis 10.12.2019 im Hungerstreik befand ergibt sich aus den Eintragungen in der Anhaltedatei und wurde vom BF auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 10.01.2020 bestätigt. Da er in der Verhandlung ebenfalls angab, aus Angst vor seiner Abschiebung in den Hungerstreik getreten zu sein, konnte die Feststellung getroffen werden, dass der BF seine Freilassung aus der Schubhaft erzwingen wollte.
3.8. Dass der BF am 28.11.2019 in Begleitung seines Unterkunftgebers die Meldebehörde aufsuchte um einen Hauptwohnsitz anzumelden ergibt sich aus der Meldung einer Landespolizeidirektion vom 28.11.2019 über den Aufgriff des BF sowie aus den Angaben des BF und der einvernommenen Zeugin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2020. Dass dies ausschließlich der Vorbereitung der Heirat des BF mit der einvernommenen Zeugin diente, gaben der BF sowie die Zeugin übereinstimmend in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an. Dass der BF tatsächlich in der Wohnung der Zeugin, die nicht mit jener Wohnung ident ist, an der der BF seinen Hauptwohnsitz anzumelden beabsichtigte, wohnte und dort auch weiterhin aufhältig gewesen wäre, gab die Zeugin in der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2020 an. So gab die Zeugin an, dass der BF seit September 2019, seit sie sich ständig in Österreich aufhalte, bei ihr an der Adresse XXXX , gewohnt habe. Einen Wohnsitz habe er am 28.11.2019 jedoch in der XXXX anmelden wollen. Dort wohne ein Verwandter des BF, der helfen habe wollen, da es für die Hochzeit erforderlich sei, dass der BF eine Meldeadresse habe.
3.9. Dass von Italien ein für den gesamten Schengenraum gültiges Aufenthalts- und Einreiseverbot gegen den BF erlassen wurde ergibt sich aus dem Zentralen Fremdenregister und wurde vom BF im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung bestätigt.
4. Zur sozialen und familiären Komponente
4.1. Die Feststellungen zum in Österreich lebenden Bruder des BF ergeben sich aus den Angaben des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie aus der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie des Aufenthaltstitels des Bruders des BF.
4.2. Dass der BF in Österreich über eine Freundin verfügt, die er heiraten möchte, ergibt sich aus den darin übereinstimmenden Angaben des BF und seiner als Zeugin einvernommenen Freundin in der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2020. Die Feststellungen zu den Wohnverhältnissen der Zeugin sowie zum Aufenthalt des BF bei der Zeugin beruhen ebenfalls auf den Angaben der Zeugin und des BF im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Dass der BF am 28.11.2019 vor dem Bundesamt nicht in der Lage war den vollständigen Namen sowie das Geburtsdatum seiner Verlobten zu nennen, ergibt sich aus dem diesbezüglichen Einvernahmeprotokoll und wurde auch vom BF in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten. Dass der BF Vorbereitungen zur Heirat getroffen hat, ergibt sich aus den darin übereinstimmenden Angaben der Zeugin sowie des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.
4.3. Dass der BF in der Wohnung seines Halbbruders Unterkunft nehmen kann ergibt sich aus den darin übereinstimmenden Angaben des BF sowie der Zeugin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.
4.4. Die Feststellungen über die mangelnde Berufsausübung des BF, sein mangelndes Einkommen und sein mangelndes Vermögen beruhen auf den vom BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gemachten Angaben, wonach er vor vier Jahren zuletzt einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen sei und er kein Vermögen besitze. Dass der BF über keine nennenswerten Deutschkenntnisse verfügt konnte insofern festgestellt werden, als der BF - abgesehen von der Frage nach seinem Namen - in der Beschwerdeverhandlung am 10.01.2020 nicht in der Lage war, die auf Deutsch an ihn gerichteten sehr einfachen Fragen zu beantworten. Der BF räumte auch selbst ein, dass er Deutsch nicht gut verstehe.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft
3.1.1. Gesetzliche Grundlagen
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
§ 77 Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1
FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:
"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."
3.1.2. Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die