Entscheidungsdatum
12.03.2020Norm
BBG §40Spruch
W238 2224441-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia JERABEK sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch ÖZIV Burgenland, Verband für Menschen mit Behinderungen, Marktstraße 3, 7000 Eisenstadt, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Burgenland, vom 24.07.2019, OB XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 23.09.2019, betreffend den Antrag auf Neufestsetzung des Gesamtgrades der Behinderung im Behindertenpass zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der nunmehrige Beschwerdeführer ist seit 22.04.1994 Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.
2. Am 19.03.2019 beantragte er beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Burgenland (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), die Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung im Behindertenpass.
3. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 05.06.2019 erstatteten - Gutachten vom 17.06.2019 wurden als Ergebnis der Begutachtung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v. H. festgestellt. Mit näherer Begründung wurde im Hinblick auf gesundheitliche Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten ausgeführt, dass es bei erstmaliger Beurteilung nach der Einschätzungsverordnung zu einer Herabsetzung des Gesamtgrades der Behinderung um eine Stufe komme.
Dieses Gutachten wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 25.06.2019 dem Parteiengehör unterzogen. Der Beschwerdeführer ließ das behördliche Schreiben unbeantwortet.
4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24.07.2019 wurde gemäß §§ 41, 43 und 45 BBG in Spruchteil 1 der Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung abgewiesen und in Spruchteil 2 der Gesamtgrad der Behinderung von Amts wegen mit 40 v.H. neu festgelegt. Begründend stützte sich die belangte Behörde auf das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Dieses sei dem Sachverständigengutachten zu entnehmen, das einen Bestandteil der Begründung bilde. Dem Beschwerdeführer sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme sei nicht eingelangt, weshalb vom Ermittlungsergebnis nicht abgegangen werden könne. Aufgrund des festgestellten Grades der Behinderung sei der Antrag auf Neufestsetzung abzuweisen. Die Neufestsetzung des Gesamtgrades der Behinderung erfolge von Amts wegen. Als Beilage zum Bescheid wurde dem Beschwerdeführer das Sachverständigengutachten vom 17.06.2019 übermittelt.
5. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass die beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen fortgeschrittenen Grades - unter Berücksichtigung der Dauerschmerzen sowie der maßgeblichen Einschränkungen im Alltag und Beruf - mit 50 v.H. zu bewerten wären. Der Beschwerdeführer unterziehe sich den notwendigen therapeutischen Behandlungen und weiteren Untersuchungen. Beantragt wurde, dem Beschwerdeführer einen Grad der Behinderung im erforderlichen Ausmaß zuzuerkennen und einen Behindertenpass auszustellen.
6. In Folge der daraufhin durch die belangte Behörde veranlassten ärztlichen Begutachtung des Beschwerdeführers durch einen Facharzt für Orthopädie wurde ein Sachverständigengutachten vom 23.09.2019 erstellt, in dem mit näherer Begründung erneut ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt wurde.
7. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23.09.2019 wurde unter Bezugnahme auf §§ 41, 43, 46 BBG iVm § 14 VwGVG eine Beschwerdevorentscheidung erlassen. Begründend stützte sich die Behörde auf die aufgrund der Beschwerde durchgeführte ärztliche Begutachtung. In Spruchteil 1 der Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.07.2019 abgewiesen. In Spruchteil 2 der Beschwerdevorentscheidung wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt. In Spruchteil 3 der Beschwerdevorentscheidung wurde sein Behindertenpass eingezogen und dem Beschwerdeführer aufgetragen, diesen unverzüglich der Behörde vorzulegen. Als Beilage zur Beschwerdevorentscheidung wurde das Gutachten vom 23.09.2019 übermittelt.
8. Die Beschwerde, der Vorlageantrag und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 16.10.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer verfügt seit 22.04.1994 über einen unbefristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H.
Am 19.03.2019 beantragte er die Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung im Behindertenpass.
In den von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 17.06.2019 und eines Facharztes für Orthopädie vom 23.09.2019 wurde jeweils ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. ermittelt.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.07.2019 wurde in Spruchteil 1 der Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung abgewiesen und in Spruchteil 2 der Gesamtgrad der Behinderung von Amts wegen mit 40 v.H. neu festgelegt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 23.09.2019 wurde in Spruchteil 1 die Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.07.2019 abgewiesen. In Spruchteil 2 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt. In Spruchteil 3 wurde sein Behindertenpass eingezogen und dem Beschwerdeführer aufgetragen, diesen unverzüglich der Behörde vorzulegen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Inhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsaktes.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4
BBG.
Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
3.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"BEHINDERTENPASS
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist."
"§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
(...)"
"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist."
"§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.
(...)"
"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(...)"
3.3. Gegenständlich beantragte der Beschwerdeführer, der seit 22.04.1994 über einen unbefristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. verfügt, am 19.03.2019 die Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung im Behindertenpass. Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und Einräumung von Parteiengehör wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 24.07.2019 in Spruchteil 1 der Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung abgewiesen und in Spruchteil 2 der Gesamtgrad der Behinderung von Amts wegen mit 40 v.H. neu festgelegt. Nach Beschwerdeerhebung und Einholung eines weiteren medizinischen Sachverständigengutachtens wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 23.09.2019 in Spruchteil 1 die Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.07.2019 abgewiesen. In Spruchteil 2 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt. In Spruchteil 3 wurde sein Behindertenpass eingezogen und dem Beschwerdeführer aufgetragen, diesen unverzüglich der Behörde vorzulegen.
3.4. In seinem Erkenntnis vom 13.12.2018, Ra 2018/11/0204, sprach der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit einem ähnlich gelagerten Fall aus, dass ein Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung, wie sich aus § 41 Abs. 2 BBG ergibt, - innerhalb zeitlicher Schranken - zulässig ist. Im Falle einer solchen Neufestsetzung des Grades der Behinderung ist, solange der Grad der Behinderung weiterhin wenigstens 50 v.H. beträgt, gemäß § 43 Abs. 1 erster Satz BBG der Behindertenpass zu korrigieren (bzw. erforderlichenfalls ein neuer mit geänderten Eintragungen auszustellen). Demgegenüber regelt § 43 Abs. 1 zweiter Satz BBG, wie vorzugehen ist, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses weggefallen sind. In einem solchen Fall "ist der Behindertenpass einzuziehen" (vgl. etwa VwGH 29.03.2011, 2008/11/0191). Die Einziehung hat gemäß § 45 Ab. 2 BBG durch Bescheid zu erfolgen. § 43 Abs. 1 zweiter Satz BBG enthält hingegen keine Ermächtigung für einen gesonderten Ausspruch der Behörde, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr vorliegen (anders als etwa § 14 Abs. 2 BEinstG) oder dass ein Grad der Behinderung von weniger als 50 v.H. besteht. Der Wegfall der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses ist vielmehr als Vorfrage im Einziehungsverfahren zu klären. Da mithin ein eigenes Verfahren vorgesehen ist, in dem die Frage, ob weiterhin ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 v. H. vorliegt, zu beantworten ist, fehlt es auch an einer Grundlage für die Erlassung eines Feststellungsbescheides über das Nichtbestehen dieser Voraussetzung.
3.5. Zum Ausgangsbescheid vom 24.07.2019
Unter Berücksichtigung der soeben zitierten Entscheidung ist die amtswegige Festsetzung des Gesamtgrades der Behinderung mit 40 v.H. in Spruchteil 2 des angefochtenen Bescheides rechtswidrig.
Den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes folgend hätte die belangte Behörde - bei Ermittlung eines Grades der Behinderung von weniger als 50 v.H. - vielmehr amtswegig ein Einziehungsverfahren einleiten und in der Folge gemäß § 43 Abs. 1 letzter Satz BBG die Einziehung des Behindertenpasses aussprechen müssen.
Aber auch für die in Spruchteil 1 des angefochtenen Bescheides erfolgte Abweisung des Antrags auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass bleibt bei Zugrundelegung eines Gesamtgrades der Behinderung von weniger als 50 v.H. kein Raum, da diesfalls - wie ausgeführt - ausschließlich mit der Einziehung des Behindertenpasses vorzugehen wäre, zumal die Abweisung eines Antrags auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass nur dann in Betracht kommt, wenn sich im Ermittlungsverfahren ergibt, dass der Grad der Behinderung eines Passinhabers keine Änderung erfahren hat.
3.6. Zur Beschwerdevorentscheidung vom 23.09.2019
Der Behörde steht es gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).
Abweichend von der Bestimmung des § 14 Abs. 1 VwGVG beträgt die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch das Sozialministeriumservice gemäß § 46 zweiter Satz BBG zwölf Wochen.
Vorliegend hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 24.07.2019 erhoben. Der belangten Behörde stand es somit grundsätzlich gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG iVm § 46 zweiter Satz BBG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwölf Wochen mittels Beschwerdevorentscheidung aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen.
Von dieser Möglichkeit machte die belangte Behörde Gebrauch.
Da sich die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid richtet (und sich ihre Begründung auf diesen beziehen muss), bleibt der Ausgangsbescheid Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht. Aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden kann aber nur die - außer in Fällen einer Zurückweisung der Beschwerde - an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung (vgl. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).
Die Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG ist - nicht anders als die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes gemäß §§ 28 und 31 VwGVG - eine Entscheidung über die Beschwerde, die diese, soweit kein Vorlageantrag gestellt wird, auch endgültig erledigt. Schon daraus folgt, dass die Sache des Verfahrens in diesem Stadium nicht anders begrenzt werden kann als im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht selbst. § 14 VwGVG verweist zudem (auch) ausdrücklich auf § 27 VwGVG, der den zulässigen Prüfungsumfang für das Verwaltungsgericht festlegt. Zur Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und dem äußersten Rahmen seiner Prüfbefugnis hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgeführt, dass es sich dabei jedenfalls nur um jene Angelegenheit handelt, die den Inhalt des Spruchs des Ausgangsbescheides gebildet hat (vgl. etwa VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0031-0032).
Da der angefochtene Ausgangsbescheid keinen Abspruch über die Einziehung des Behindertenpasses enthält, ist auch die belangte Behörde aufgrund dieser Beschränkung des Beschwerdeverfahrens dazu nicht (im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung) befugt.
Die in Spruchteil 3 der Beschwerdevorentscheidung ausgesprochene Einziehung des Behindertenpasses erweist sich somit wegen Überschreitung des Beschwerdegegenstandes als rechtswidrig.
Dass eine amtswegige Feststellung, wonach mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt sind, keine Deckung in § 43 Abs. 1 BBG findet, wurde bereits ausgeführt, sodass Spruchteil 2 der Beschwerdevorentscheidung ebenfalls rechtsgrundlos ergangen ist.
Spruchteil 1 der Beschwerdevorentscheidung, mit dem die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid vom 24.07.2019 abgewiesen wurde, kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil sich der angefochtene Bescheid zur Gänze als rechtswidrig erwiesen hat (vgl. Pkt. II.3.5.).
3.7. Abschließend wird angemerkt, dass es auch dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Beschränkung des Beschwerdeverfahrens verwehrt ist, aus eigenem die Einziehung des Behindertenpasses (allenfalls nach Durchführung ergänzender Ermittlungen) zu verfügen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.8. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Im vorliegenden Fall stand bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass die Beschwerdevorentscheidung aufzuheben ist, weshalb eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall VwGVG unterbleibt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung (vgl. dazu die unter Pkt. II.3.4. und II.3.6. wiedergegebene Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Beschwerdegegenstand, Beschwerdevorentscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W238.2224441.1.00Zuletzt aktualisiert am
19.05.2020