TE Bvwg Beschluss 2020/3/12 W238 2220627-1

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Veröffentlicht am 12.03.2020
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Entscheidungsdatum

12.03.2020

Norm

BBG §41 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W238 2220627-1/9E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Julia JERABEK und die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Behindertenpass, OB XXXX , ausgestellt am 23.05.2019, vom Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, in dem ein Grad der Behinderung von fünfzig von Hundert (50 v.H.) eingetragen wurde, beschlossen:

A) Das Beschwerdeverfahren wird gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG

iVm § 41 Abs. 3 BBG eingestellt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin beantragte am 23.01.2019 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), die Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens wurde der Beschwerdeführerin am 23.05.2019 ein bis 31.07.2020 befristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H. ausgestellt. Unter einem wurde der Beschwerdeführerin das Gutachten vom 06.05.2019 zur Kenntnis gebracht.

3. Gegen den in Form eines Behindertenpasses erlassenen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit näherer Begründung Beschwerde.

4. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 28.06.2019 vorgelegt.

5. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.07.2019 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, sich am 28.10.2019 um 13:30 Uhr im ärztlichen Dienst des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, zu einer ärztlichen Untersuchung durch einen (bisher nicht befassten) Arzt für Allgemeinmedizin einzufinden.

6. Mit Schreiben vom 23.07.2019 ersuchte die Beschwerdeführerin aufgrund des Antritts einer neuen Beschäftigung ab September um einen neuen Begutachtungstermin in den Morgenstunden.

7. In weiterer Folge wurde die Beschwerdeführerin mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.08.2019 aufgefordert, am 16.12.2019 um 09:00 Uhr zu einer ärztlichen Untersuchung im ärztlichen Dienst des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, zu erscheinen. In dieser Aufforderung wurde die Beschwerdeführerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Terminverhinderung unverzüglich und jedenfalls vor dem Untersuchungstermin dem Bundesverwaltungsgericht telefonisch zu melden und das Vorliegen eines triftigen Grundes von der Beschwerdeführerin spätestens binnen sieben Tagen nach dem versäumten Untersuchungstermin einlangend beim Bundesverwaltungsgericht schriftlich zu belegen ist. Weiters wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass das Beschwerdeverfahren gemäß § 41 Abs. 3 BBG eingestellt wird, wenn sie ohne fristgerecht nachgewiesenen triftigen Grund der Aufforderung zum Erscheinen zu zumutbaren ärztlichen Untersuchungen nicht nachkommen sollte.

8. Am 17.12.2019 teilte der beauftragte Sachverständige dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass die Beschwerdeführerin der Untersuchung unentschuldigt ferngeblieben ist.

9. Am 24.12.2019 teilte die Beschwerdeführerin per E-Mail mit, dass es ihr am Tag der Untersuchung psychisch nicht gut gegangen sei. Aufgrund ihrer schlechten Verfassung sei es ihr nicht möglich gewesen, zum Arzt zu gehen und eine Bestätigung vorzulegen. Sie nehme in solchen Fällen Medikamente ein. Verpflichtungen einzuhalten und Amtsangelegenheiten zu erledigen, falle ihr derzeit schwer.

10. Am 10.01.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht seitens des Gutachters der Verwaltungsakt zurückgestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin wurde vom Bundesverwaltungsgericht nachweislich unter Hinweis auf die Rechtsfolge der Einstellung des Beschwerdeverfahrens nach § 41 Abs. 3 BBG zu einer ärztlichen Untersuchung am 16.12.2019 geladen.

Diesem Termin blieb sie fern. Die bloße Behauptung vom 24.12.2019, aufgrund psychischer Probleme an der Wahrnehmung des Untersuchungstermins gehindert zu sein, vermag mangels schriftlicher Bescheinigung des Hinderungsgrundes keinen triftigen Grund für das Fernbleiben zu bewirken (zu den fehlenden Rechtswirkungen von per E-Mail an das Bundesverwaltungsgericht übermittelten Eingaben vgl. die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen).

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der oben festgestellte für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4

BBG.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Einstellung des Verfahrens:

3.2.1. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 41. ...

(3) Das Verfahren ist einzustellen, wenn ein Behindertenpasswerber oder der Inhaber eines Behindertenpasses ohne triftigen Grund einer schriftlichen Aufforderung zum Erscheinen zu einer zumutbaren ärztlichen Untersuchung nicht entspricht, eine für die Entscheidungsfindung unerlässliche ärztliche Untersuchung verweigert oder wenn er sich weigert, die zur Durchführung des Verfahrens unerlässlichen Angaben zu machen. Er ist nachweislich auf die Folgen seines Verhaltens hinzuweisen."

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

..."

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

..."

"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

3.2.2. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

"§ 1. ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes

...

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen."

3.3. Die Vorladung zu einer Untersuchung durch einen medizinischen Sachverständigen erfolgte zum Zwecke der Sachverhaltsermittlung bzw. zur Beurteilung des Beschwerdevorbringens.

Die Sachverhaltsermittlung erfolgt grundsätzlich nicht nur amtswegig im Wege des Gerichtes unter Mitwirkung von Sachverständigen, sondern ist auch einer Partei die Pflicht zur Mitwirkung auferlegt. Es darf vorausgesetzt werden, dass die im Rahmen der zur Aufklärung eines Sachverhalts zur Mitwirkung verpflichtete Partei unverzüglich bekanntgibt, wenn der Fall eintritt, dass die Partei am Erscheinen zum vorgeschriebenen Termin verhindert ist oder allenfalls nach dem Verstreichen des Termins Kontakt zum Bundesverwaltungsgericht sucht, um eine Entschuldigung unter Bekanntgabe der Gründe des Fernbleibens vorzutragen. Das Vorliegen eines triftigen Grundes muss vom Bundesverwaltungsgericht überprüfbar sein, weshalb die Partei diesen auch entsprechend zu belegen hat.

3.4. Festzuhalten ist, dass die Ladung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.08.2019 der Beschwerdeführerin durch Hinterlegung bei der Post ab 22.08.2019 rechtswirksam zugestellt wurde. Die Erledigung wurde von ihr am 02.09.2019 persönlich übernommen. Die Beschwerdeführerin wurde auf die Folgen des Nichterscheinens ausdrücklich hingewiesen.

Die Beschwerdeführerin kam der Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes ohne triftigen Grund nicht nach.

Um der Beschwerdeführerin die Kontaktaufnahme mit dem Bundesverwaltungsgericht ohne unnötigen Zeitaufwand zu ermöglichen, wurde die Rufnummer des zuständigen Sachbearbeiters in der Ladung angegeben. Die Anweisung im hg. Schreiben vom 19.08.2019, wonach eine Terminverhinderung dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich und jedenfalls vor dem jeweiligen Untersuchungstermin zu melden und das Vorliegen eines triftigen Grundes spätestens binnen sieben Tagen nach dem versäumten Untersuchungstermin einlangend beim Bundesverwaltungsgericht schriftlich zu belegen ist, blieb von der Beschwerdeführerin unbeachtet. Zwar informierte die Beschwerdeführerin das Bundesverwaltungsgericht per E-Mail vom 24.12.2019 darüber, dass es ihr aufgrund psychischer Probleme nicht möglich gewesen sei, den Untersuchungstermin am 16.12.2019 wahrzunehmen. Eine Bescheinigung über das Vorliegen des behaupteten Hinderungsgrundes erfolgte jedoch nicht. Ebenso wenig wurde nachträglich eine Bescheinigung des behandelnden Arztes darüber vorgelegt, dass es der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Untersuchung - wie von ihr vorgebracht - tatsächlich nicht möglich war, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die bloße Behauptung gesundheitlicher Probleme (ohne medizinische Belege) ist als Nachweis eines triftigen Grundes jedenfalls nicht hinreichend.

Hinzu kommt, dass E-Mail gemäß § 1 Abs. 1 letzter Satz der Verordnung des Bundeskanzlers über den elektronischen Verkehr zwischen Bundesverwaltungsgericht und Beteiligten, BGBl. II Nr. 515/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 222/2016, keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen beim Bundesverwaltungsgericht im Sinne dieser Verordnung ist. Ein auf einem rechtlich nicht zugelassenen Weg eingebrachtes Anbringen vermag keine Rechtswirkungen zu entfalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/01/0061; 15.03.2018, Ra 2017/21/0155) und gilt - unabhängig davon ob fristgebunden oder nicht - als nicht eingebracht. Das Bundesverwaltungsgericht war auch nicht gehalten, der Beschwerdeführerin im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG einen Verbesserungsauftrag zu erteilen, weil für die Einleitung eines Mängelbehebungsverfahrens das Vorliegen einer an sich wirksam erhobenen (wenn auch mit einem Mangel behafteten) Eingabe erforderlich ist (vgl. dazu VwGH 02.07.2018, Ra 2018/12/0019 mwN).

3.5. Da die Beschwerdeführerin ohne Bescheinigung eines triftigen Grundes der schriftlichen Aufforderung vom 19.08.2019 zum Erscheinen zu einer zumutbaren fachärztlichen Untersuchung am 16.12.2019 keine Folge leistete, war das Verfahren spruchgemäß einzustellen.

3.6. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG unterbleiben, weil der Sachverhalt aus dem Verwaltungsakt hinreichend geklärt ist. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem Entfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. hiezu die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.063/2003 und 19.175/2010 sowie des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 21.11.2012, 2008/07/0161 und VwGH 23.06.2014, 2013/12/0224, je mwH). Diese Judikatur ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch auf Fälle übertragbar, in denen ein Erledigungsanspruch (erst) nach Beschwerdeeinbringung verloren geht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder der - eindeutigen - Rechtslage ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

ärztliche Untersuchung, Säumnis, Verfahrenseinstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W238.2220627.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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