Entscheidungsdatum
12.03.2020Norm
ASVG §113 Abs1 Z1Spruch
W178 2142383-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Din Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Frau XXXX gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse-ÖGK, vormals Niederösterreichische Gebietskrankenkasse vom 20.10.2016, Zl.VA/ED-FP-0285/2016, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 25.11.2016 betreffend Beitragszuschlag nach § 113 Abs 1 Z 1 ASVG zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 20.10.2016 wurde Frau XXXX ein Beitragszuschlag in der Höhe von € 1.800,-- vorgeschrieben, weil die Anmeldungen für die Herrn XXXX nicht vor Arbeitsantritt getätigt worden seien. Die Betretung durch die Finanzpolizei sei am 16.04.2016 erfolgt.
2. Dagegen hat Frau XXXX Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass keine Meldepflicht verletzt worden sei, weil die Genannten nicht in der Autowerkstatt gearbeitet hätten, sondern eine Neuverkabelung (Werk) der Werkshalle durchgeführt hätten.
3. Die damalige NÖGKK (nunmehr ÖGK) hat mit Beschwerdevorentscheidung vom 25.11.2016 der Beschwerde keine Folge gegeben.
4. Seitens der Beschwerdeführerin wurde ein Vorlageantrag gestellt.
5. Es wurde das Erkenntnis des LVwG vom 25.04.2018 betreffend Verfahren nach § 111 ASVG vorlegt, mit dem die Meldepflichtverletzung bestätigt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin (Bf) betrieb zum Betretungszeitpunkt 16.04.2016 eine Autowerkstatt in XXXX , Hauptstraße 6a; die Gewerbeberechtigung lautete auf "Kraftfahrzeugtechnik verbunden mit Karosseriebau- und Karosserielackiertechniker" Der gewerberechtliche Geschäftsführer war Herr XXXX .
Die Herrn XXXX , serbische Staatsbürger, wurden von der Finanzpolizei an diesem Tag arbeitend angetroffen. Sie sind vom Geschäftsführer mit der Neuverkabelung der Werkshalle und der Befestigung von Beleuchtungskörpern beauftragt worden. Sie begannen um ca. 10.00 Uhr, die Arbeit sollte um ca. 14.30 Uhr abgeschlossen sein. Eine weitere Beschäftigung war nicht geplant. Sie haben sich nicht als Automechaniker betätigt.
Die Genannten waren zum Betretungszeitpunkt Pensionisten, während ihrer Berufslaufbahn waren sie Elektriker. Als Gegenleistung wurden die Autos der Genannten in der Werkstatt gratis repariert.
Das mit Beschluss vom 16.10.2019 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren (unter Eigenverwaltung der Schuldnerin) betreffend Frau XXXX wurde mit Beschluss des BG Wiener Neustadt nach Bestätigung des Zahlungsplanes (Quote von 3,42 %) aufgehoben.
2. Beweiswürdigung:
Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, insbesondere dem Bericht der Finanzpolizei vom 06.04.2016, dem Strafantrag vom 29.08.2016, und der von der Finanzbehörde aufgenommenen Niederschrift mit Herrn XXXX .
Den wesentlichen Feststellungen (Montage von Stromleitungen und Beleuchtungskörpern) n liegt die amtliche Wahrnehmung durch die Finanzpolizei zugrunde. Auch die Aussage betreffend die Gegenleistung (Autoreparatur) wurden vom Geschäftsführer und von den Beschäftigten übereinstimmend bereits bei der Ersteinvernahme getätigt. Die diesbezüglichen Aussagen sind glaubhaft. Im Übrigen ist der Sachverhalt unbestritten, strittig ist die rechtliche Einschätzung.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1 Gesetzliche Grundlagen:
Gemäß § 4 Abs 1 Z 1 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.
Gemäß § 4 Abs. 2 erster Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hierzu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
3.2 Judikatur
4.1 Unter einem Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ist das dienstliche Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Dienstnehmers im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG zum Dienstgeber im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG zu verstehen (vgl. VwGH 19.2.2016, 2013/08/0287).
Für die Abgrenzung des Dienstvertrags vom Werkvertrag kommt es entscheidend darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet oder ob er die Herstellung eines Werks gegen Entgelt übernimmt, wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, wohingegen es im Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf dessen Bereitschaft zur Erbringung von Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit (in Eingliederung in den Betrieb des Leistungsempfängers sowie in persönlicher und regelmäßig damit verbundener wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihm) ankommt (vgl. etwa VwGH 11.12.2013, 2011/08/0322, mwN).
Der Werkvertrag begründet in der Regel ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung bis zu einem bestimmten Termin zu erbringen, mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essenziell ist ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit (vgl. VwGH 11.11.2011, 2011/09/0154). Bei der Abgrenzung kommt dem wahren wirtschaftlichen Gehalt im Sinn des § 539a ASVG besondere Bedeutung zu, vgl. u.a. Erk Ra 2015/08/0130 vom 10.10.2018)
Bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers kann bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden, vgl. u.a. Erk vom 03.10.2013, 2013/08/0162 u.a.
3.3 Im konkreten Fall:
Eine Einordnung in den Betrieb der Bf fand nicht statt: Dadurch, dass die Arbeiten nicht im eigentlichen Betrieb (Autowerkstatt) erfolgten und damit nichts mit dem Betriebsgegenstand zu tun hatten, war keine Einordnung in den Betrieb gegeben.
Die Judikatur betreffend einfache manuelle Tätigkeiten ist damit nicht anwendbar, da diese nur in Fällen der Betriebseingliederung heranzuzuziehen ist. Es hat auch keine Weisungen betreffend arbeitsbezogenes Verhalten gegeben, weil die Tätigkeit vor Beginn konkret und ausreichend vereinbart war. Atypische Umstände liegen hier vor.
Die vereinbarte Leistung (Verkabelung, Beleuchtungskörper Montage) war in sich abgeschlossen und genau definiert. Es handelte sich somit um einen Werkvertrag.
Eine Bindung an die Entscheidung des LVwG vom 25.04.2018 in einer Verwaltungsstrafsache besteht nicht.
3.4
Gemäß § 33 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
Da somit die Genannten somit nicht als Dienstnehmer beschäftigt waren, bestand auch keine Meldepflicht nach § 33 ASVG. Damit ist auch die Meldepflichtverletzung ausgeschlossen.
4. Absehen von der mündlichen Verhandlung:
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Beitragszuschlag, Dienstnehmerbeiträge, WerkvertragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W178.2142383.1.00Zuletzt aktualisiert am
19.05.2020