TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/12 I419 2225983-1

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Veröffentlicht am 12.03.2020
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Entscheidungsdatum

12.03.2020

Norm

AlVG §24
AlVG §25
AlVG §38
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §33

Spruch

I419 2225983-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter MMag. Marc Deiser und Thomas Geiger MBA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des AMS XXXX vom XXXX, Zl. XXXX, nach Beschwerdevorentscheidung vom XXXX, Zl. XXXX, und den Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung des Vorlageantrags

A) 1. beschlossen: Die Wiedereinsetzung wird gemäß § 33 Abs. 1 und 4 VwGVG bewilligt.

und

2. zu Recht erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1 Mit dem bekämpften Bescheid wurde der Beschwerdeführerin gegenüber der Bezug der Notstandshilfe von 27. bis 31.03 und von 06. bis 23.04.2019 widerrufen und sie zur Rückzahlung von € 510,60 verpflichtet. Sie sei am letztgenannten Tag von der Finanzpolizei bei der Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung angetroffen worden, die sie dem AMS erst später gemeldet habe.

1.2 Beschwerdehalber wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe mittags im Restaurant R. probegearbeitet und sei nach dem Besuch der Finanzpolizei sowie einem Anruf beim AMS dorthin gegangen, um ihre geringfügige Beschäftigung zu melden. Beim AMS habe man ihr gegen 14:30 Uhr erklärt, dass alles in Ordnung sei und der Arbeitgeber sie bereits als ab diesem Tag dort beschäftigt gemeldet habe.

1.3 Mittels der Beschwerdevorentscheidung wies das AMS die Beschwerde ab, da behördenintern festgestellt worden sei, dass sie am genannten Tag weder vorgesprochen noch angerufen habe. Dieser Bescheid wurde durch Hinterlegung zugestellt (erster Abholtag 21.10.2019).

1.4 Am 04.11.2019 sprach die Beschwerdeführerin beim AMS vor, wo man ihren Vorlageantrag nicht entgegen- und auch keine Niederschrift darüber aufnahm, sondern sie an eine nicht anwesende Bedienstete verwies, auf die sie vergebens wartete. Am 11.11.2019 überreichte die Beschwerdeführerin schließlich den Vorlageantrag ihrer AMS-Beraterin.

Darin wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin sei am betreffenden Tag probehalber in dem Betrieb des B. A. gewesen, da sie den Inhaber noch nicht gekannt habe und nicht arbeiten könne, wenn sie nicht den Arbeitgeber und den Arbeitsplatz kenne. Es habe ihr gefallen, sie habe zugesagt und B. A. habe sie angemeldet. Zum AMS sei sie zwischen 14 und 15 Uhr gekommen, weil sie davor noch einen Termin in einer Autowerkstatt in einer anderen Gemeinde gehabt habe. Ihre Anwesenheit müsse durch die Videoüberwachung der Amtsräume beweisbar sein.

1.5 Aufgrund des Verspätungsvorhalts und der Manuduktion durch das AMS (erster Abholtag 22.11.2019) stellte die Beschwerdeführerin am 26.11.2019 einen Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Frist für den Vorlageantrag, in dem sie schildert, wie sie von Tür zu Tür geschickt worden sei und nach dem erfolglosen Warten auch den ursprünglichen Auskunftsgeber nicht mehr angetroffen habe.

In der Beschwerdevorlage bestätigte das AMS sinngemäß das Vorbringen zur Wiedereinsetzung. Ein positiver Bescheid sei darüber aus verfahrensökonomischen Gründen nicht ergangen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verfahrensgang wird festgestellt, wie eben in I. wiedergegeben.

Ferner wird festgestellt:

1.1 Die Beschwerdeführerin war von 23.04. bis 30.09.2019 beim Unternehmen B. A. geringfügig und danach vollversichert als Arbeiterin beschäftigt. Am erstgenannten Tag trat sie zwischen 10 und 11 h den Dienst an, wusch dort Salat, spülte Teller und wurde gegen 13:15 h, als die Kontrolle des Betriebs begann oder 13:30 h, als sie laut Anzeige ihre Arbeit einstellte, von der Finanzpolizei kontrolliert.

1.2 Der Arbeitgeber gab dieser gegenüber an, er habe die Beschwerdeführerin, die er am liebsten in Vollzeit beschäftigen würde, was aber noch nicht vereinbart sei, bereits am selben Tag anmelden wollen, sei aber von der Küchenarbeit davon abgehalten worden.

Er meldete diese (als geringfügig Beschäftigte) und eine weitere Bedienstete am 23.04.2019 um 17:24 h beim Sozialversicherungsträger an.

1.3 Es kann nicht festgestellt werden, ob die Beschwerdeführerin sich im Lauf des 23.04.2019 in den Räumlichkeiten des AMS aufhielt. Sie hat ihre Beschäftigung nicht bereits am Nachmittag des 23.04.2019 und auch nicht vorher dem AMS gemeldet.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus dem Verwaltungsakt, dem Gerichtsakt und den eingeholten Versicherungsdaten sowie daraus, dass die Beschwerdeführerin einräumte, am 23.04.2019 in dem Restaurant arbeiten angefangen zu haben.

Der Zeitpunkt der Anmeldung der Beschwerdeführerin durch den Arbeitgeber ergibt sich aus dem Protokoll der Meldungen des Datensammelsystems ELDA. Demgemäß ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin bereits gegen 14:30 h beim AMS die Auskunft erhalten hätte, sie sei bereits mit Arbeitsbeginn am selben Tag angemeldet worden.

Gegen eine Vorsprache - telefonischer oder persönlicher Art - sprechen auch die Ergebnisse der AMS-intern gepflogenen Erhebungen, wonach ein solches Ereignis zu einem protokollierten Aufrufen des Datensatzes der Beschwerdeführerin und dem Inhalt nach fallbezogen auch zu einem Aktenvermerk geführt hätte. Schließlich ergäbe auch die protokollierte (falsche) Meldung der Beschwerdeführerin vom 29.04.2019 betreffend ihre geringfügige Arbeitsaufnahme per 06.05.2019 in dem Restaurant keinen Sinn, wenn diese davon ausgegangen wäre, bereits am 23.04.2019 das AMS von der Arbeitsaufnahme am selben Tag informiert zu haben.

Die Beschwerdeführerin hat angegeben, sich noch am Tag der Beanstandung in den Räumen des AMS aufgehalten zu haben, was durch Überwachungsvideos bewiesen werden könne.

Da dieser bereits mehrere Monate zurückliegt, und nach § 13 Abs. 3 DSG eine länger als 72 Stunden andauernde Aufbewahrung von Bildaufnahmen verhältnismäßig sein sowie gesondert protokolliert und begründet werden müsste, wurde davon abgesehen, dem weiter nachzugehen. Eine Videoaufnahme der Anwesenheit der Beschwerdeführerin im Gebäude wäre zudem noch kein Beweis für den Inhalt des behaupteten Gesprächs.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Bewilligung Wiedereinsetzung und Abweisung der Beschwerde:

3.1 Nach § 71 Abs. 1 AVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gen die Versäumung einer Frist (u. a. dann) zu bewilligen, wenn die Partei durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet und glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Den Feststellungen nach hat die Beschwerdeführerin nur deshalb den Vorlageantrag nicht rechtzeitig überreichen können, weil sie niemanden antraf, der bereit war, ihn entgegenzunehmen, womit sie die Voraussetzung erfüllt, weil sie weder Derartiges voraussehen noch abwenden konnte und die Frist bereits am selben Tag, dem 04.11.2019 ablief.

Demnach war die Wiedereinsetzung zu bewilligen. Der Vorlageantrag wird damit rechtzeitig.

3.2 Nach § 24 Abs. 2 AlVG ist die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen, wenn sich die Zuerkennung oder Bemessung nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt. Gemäß § 25 Abs. 2 AlVG ist das Arbeitslosengeld oder die Notstandshilfe zumindest für vier Wochen zurückzufordern, wenn der Empfänger bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b oder d durch öffentliche Organe, betreten wird, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat, wobei die unwiderlegliche Rechtsvermutung gilt, dass diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist.

In § 12 Abs. 3 AlVG ist festgelegt, dass als arbeitslos im Sinn der Abs. 1 f insbesondere nicht gilt, wer in einem Dienstverhältnis steht (lit. a), selbständig erwerbstätig ist (lit. b) oder im Betrieb bestimmter Angehöriger tätig ist (lit. d), ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen.

3.3 Wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, ist nach § 50 Abs. 1 AlVG verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen.

Demnach erfüllte die Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 25 Abs. 2 AlVG in der Form, im Sinn der lit. a des § 12 Abs. 3 in einem Dienstverhältnis zu stehen, das sie nicht - und daher auch nicht unverzüglich - gemeldet hatte. Es ist also von Gesetzes wegen und unwiderlegbar zu vermuten, dass ihre Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt war. Die in § 25 Abs. 2 AlVG vorgesehene Rückforderung für die im Bescheid angeführten Zeiten erfolgte daher dem Grunde nach zu Recht.

Da sie in den betroffenen vier Wochen nur an 23 Tagen Notstandshilfe bezogen hatte, ist auch die Berechnung korrekt (23 * € 22,20 = 510,60).

Der Beschwerde war daher keine Folge zu geben und die Beschwerdevorentscheidung spruchgemäß zu bestätigen.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Antrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Dem Bundesverwaltungsgericht liegt ein umfassender Verwaltungsakt mit einem ausreichenden Ermittlungsverfahren und entsprechenden Ermittlungsergebnissen vor.

Die Beschwerdeführerin ist der Beweiswürdigung des AMS nicht entgegengetreten und hat auch, von der Videoaufzeichnung abgesehen, keine neuen Beweise angeboten (außer zum unerheblichen Termin der Autowerkstatt). Eine mündliche Erörterung und die Einvernahme der Parteien hätte daher keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen. Der Sachverhalt war entscheidungsreif im Sinne des eben angeführten § 24 Abs. 4 VwGVG. Daher konnte von einer Verhandlung abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Frage der Meldepflicht einer Beschäftigung auch bei Unterschreiten der Geringfügigkeitsgrenze; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Dienstverhältnis, Geringfügigkeitsgrenze, Meldepflicht,
Notstandshilfe, Rückforderung, Widerruf, Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2225983.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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