TE Bvwg Beschluss 2020/3/25 G308 2227627-2

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Veröffentlicht am 25.03.2020
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Entscheidungsdatum

25.03.2020

Norm

AlVG §1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §8a

Spruch

G308 2227627-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur weiteren Führung des Verfahrens gegen die Beschwerdevorentscheidung des Arbeitsmarktservice vom 03.01.2020, GZ XXXX beschlossen:

A)

Dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben und die Verfahrenshilfe in vollem Umfang bewilligt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Antragstellerin XXXX, XXXX (im folgenden kurz Antragstellerin), vertreten durch Mag. Kurt Oberleitner, Rechtsanwalt, St. Veiter Ring 51, 9020 Klagenfurt am Wörthersee, brachte am 02.12.2019 eine Beschwerde gegen den Bescheid des AMS

XXXX GZ VSNR XXXX vom 22.11.2019 ein, die mit Beschwerdevorentscheidung vom 03.01.2020, GZ XXXX abgewiesen wurde.

2. Mit Schreiben vom 10.01.2020 stellte der rechtsfreundliche Vertreter einen Vorlageantrag sowie einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe mit Vorlage eines Vermögensbekenntnisses vom 09.01.2020.

3. Die belangte Behörde legte beides mitsamt Verwaltungsakt mit Schreiben vom 17.01.2020 dem BVwG zur Entscheidung vor, wo er am 22.01.2020 eingelangt ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Antragstellerin bezieht seit mehreren Jahren mit Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Sie wohnt mit ihrem Lebensgefährten in einer Mietwohnung und verfügt selbst über keinerlei Vermögenswerte. Laut Vermögensbekenntnis weist ihr Bankkonto ein Guthaben von 150 € auf, und verfügt sie über ein Barvermögen von 50 €.

Der einschreitende Anwalt erklärte im Antrag ausdrücklich auch als Verfahrenshelfer zur Verfügung zu stehen.

2. Beweiswürdigung:

Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt, aus dem sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt.

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vorliegenden Aktenteilen.

In dem dem Antrag zugrundeliegenden Verfahren ist es strittig, ob bei der Antragstellerin Berufsunfähigkeit aufgrund geminderter Intelligenz vorliegt.

Es ist nachvollziehbar, dass jemand aufgrund geminderter Intelligenz für ein Verwaltungsverfahren rechtsfreundlichen Beistandes bedarf, auch wenn im Regelfall das Verfahren ohne rechtsfreundlichen Beistand geführt werden kann. Die Antragstellerin ist laut abgegebenen Vermögensbekenntnis nicht in der Lage selbst die Kosten der erforderlichen Rechtsvertretung zu tragen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Anzuwendendes Verfahrensrecht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A):

3.2. Zur Gewährung der Verfahrenshilfe:

§ 8a VwGVG bestimmt:

"Verfahrenshilfe

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden.

Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt."

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist.

Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH v. 03.09.2015, Zl. Ro 2015/21/0032).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP - Regierungsvorlage - Erläuterungen zu § 8a VwGVG).

Im konkreten Fall erfüllt die Antragstellerin unstrittig die in § 8a Abs. 1 leg. cit. als Voraussetzung festgehaltenen persönliche Kriterium der geringen Vermögensverhältnisse und ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch nicht offenbar mutwillig oder aussichtslos. Bei Verfahren nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz handelt es sich zwar im Allgemeinen nicht um Verfahren komplexer Natur, jedoch ergibt sich im vorliegenden Fall eine besondere Sachlage, wonach die Antragstellerin rechtsfreundlicher Hilfe bedarf. Über die Erfolgsaussichten der Beschwerde können derzeit naturgemäß keine Aussagen getätigt werden.

Letztlich ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass das gegenständliche Beschwerdeverfahren für den Antragsteller erhebliche Bedeutung hat. Im Rahmen einer Gesamtabwägung ist im konkreten Fall folglich von einem Überwiegen jener Umstände auszugehen, die die Gewährung der Verfahrenshilfe für geboten erscheinen lassen.

Folglich ist dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe spruchgemäß gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG stattzugeben.

Die Bestellung eines Rechtsanwaltes/einer Rechtsanwältin als Verfahrenshelfer/in erfolgt gesondert durch die Rechtsanwaltskammer, jedoch hat sich der einschreitende Anwalt im Schreiben vom 10.01.2020 bereit erklärt als Verfahrenshelfer tätig zu werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Verfahrenshilfe, Vermögensverhältnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G308.2227627.2.00

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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