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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §115 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der MG in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. Juli 1992, Zl. GA 5 - 2001/2/91, betreffend Jahresausgleich 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin machte im Zuge des Jahresausgleiches für das Jahr 1989 Krankheitskosten ihrer Tochter in Höhe von S 98.000,-- als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 geltend. Die Tochter sei 38 Jahre alt, geschieden, arbeitsunfähig, nicht krankenversichert und studiere. Sie leide an einer Wirbelsäulenverletzung. Dem Antrag war eine Bestätigung der Tochter der Beschwerdeführerin über den Erhalt des genannten Betrages sowie ein Röntgenbefund einer Fachärztin für Radiologie folgenden Wortlautes angeschlossen:
"Gesamte Wirbelsäule:
Normale Schattendichte. Unauffällige Knochenstruktur.
Streckhaltung der unt.HWS.
Gering verstärkte Kyphosierung der BWS.
Sacrum arcuatum.
Flache s-förmige Skoliose der gesamten WS.
In der HWS finden sich Bandscheibenschäden von
C5-C7 mit schnabelförmigen Osteophyten an den Wirbelkörperkanten.
Kleine spondylotische Randzacken an den BWK u.LWK.
Die Bandscheibenräume in der LWS sind normal weit.
Geringe Spondylarthrose am lumbosacralen Übergang.
Die Kreuzdarmbeingelenke sind unauffällig.
Beide Schultergelenke:
Altersentsprechender unauffälliger Befund."
Das Finanzamt forderte die Beschwerdeführerin auf, die Belege betreffend die Krankheitskosten vorzulegen, sowie bekanntzugeben, aus welchen Mitteln die Tochter ihren Lebensunterhalt bestreite.
Die Beschwerdeführerin teilte daraufhin dem Finanzamt mit, daß ihre Tochter die Lebenshaltungskosten "von der Familienbeihilfe und vom Unterhalt ihrer Kinder" bestreite. Als Belege für die Krankheitskosten wurden Rechnungen über eine Reise nach Kuba (S 30.930,--), Mietwagenkosten in Havanna (S 1.241,55) sowie Arzthonorar (US-Dollar 510, von der Beschwerdeführerin umgerechnet auf S 64.770,--) vorgelegt.
Das Finanzamt hielt der Beschwerdeführerin vor, sie habe Arztkosten in Höhe von S 64.770,-- geltend gemacht, diesbezüglich jedoch nur einen Beleg über US-Dollar 520,-- (richtig wohl: 510) vorgelegt. Weiters werde ersucht bekanntzugeben, aus welchen Gründen die Behandlung ihrer Tochter in Kuba und nicht in Österreich durchgeführt worden sei.
Die Beschwerdeführerin blieb in Beantwortung dieses Vorhaltes dabei, daß eine Umrechnung von US-Dollar 510,-- mit einem Kurs von S 12,17 den von ihr geltend gemachten Betrag (S 64.770,--) ergebe. Die Reise- und Mietwagenkosten gehörten zu den Krankheitskosten. Ihrer Tochter sei Kuba empfohlen worden, da "Österreich in Wirbelsäulenerkrankungen ein Neuland ist".
Das Finanzamt wies den Antrag auf Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung im Zuge des Jahresausgleiches ab. Außergewöhnliche Belastungen seien nur dann steuerlich anzuerkennen, wenn sie zwangsläufig erwachsen. Eine Krankenbehandlung im Ausland weise dieses Merkmal nur auf, wenn aus medizinischer Sicht objektiv betrachtet der gleiche Behandlungserfolg im Inland nicht gegeben wäre. Die österreichische Schulmedizin sei weltweit auch im Bereich von Wirbelsäulenerkrankungen anerkannt. Im übrigen hätten die Arztkosten auf Schilling umgerechnet nicht S 64.770,--, sondern lediglich S 6.477,-- betragen.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Ihr Bruttobezug sei beim Jahresausgleich mit S 313.974,-- angesetzt worden, obwohl er laut Bestätigung für die Studienbeihilfenbehörde nur S 302.831,-- betrage. Sonderausgaben seien nur in Höhe von S 1.638,-- berücksichtigt worden. Es sei unzutreffend, daß die österreichische Schuldmedizin weltweit anerkannt werde; gerade auf dem Gebiet der Wirbelsäulenerkrankungen sei "sie nicht mehr auf dem letzten Stand der Technik". Ihre Tochter habe sich vergeblich bemüht, einen Arzt in Österreich zu finden, der sie operieren hätte können. Es mangle dem Organ der Abgabenbehörde an einer medizinischen Ausbildung, um beurteilen zu können, daß eine entsprechende Behandlung auch in Österreich möglich gewesen wäre.
Über Anfrage teilte das Reisebüro, bei dem die Beschwerdeführerin die Reise nach Kuba gebucht hatte, dem Finanzamt mit, daß diese Reise drei Personen betreffe und daß die Kosten auch deren Aufenthalt im Hotel beinhalte.
Dazu befragt, gab die Tochter der Beschwerdeführerin an, daß sie von ihren beiden Töchtern im Alter von ca. 15 und 16 Jahren begleitet worden sei. Die jüngere Tochter sei schwer behindert; die ältere Tochter habe sowohl ihre Schwester als auch die Beschwerdeführerin gepflegt.
Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Auch ein medizinischer Laie könne erkennen, daß die Leiden der Tochter der Beschwerdeführerin laut Röntgenbefund in Österreich hätten behandelt werden können. Die Höhe des Arzthonorars zeige, daß keine weitreichenden Untersuchungen oder Behandlungen vorgenommen worden seien. Hinzu komme, daß die vorgelegte Bestätigung "ohne jeden Aufdruck oder Stampiglie des Arztes ausgestellt wurde. Vielmehr ist der Name und die Anschrift des Arztes offensichtlich mit der Schreibmaschine, mit der die Beschwerdeführerin ihren Schriftverkehr mit dem Finanzamt abwickelt, geschrieben." Gegen eine schwere Erkrankung der Tochter spreche auch, daß diese im Jahr 1990 eine Studienreise in die Türkei absolviert habe. Zusätzlich sei sie in diesem Jahr zumindest mit einer ihrer beiden Töchter nochmals in Kuba gewesen und habe diesen Aufenthalt ausdrücklich als "Urlaub" bezeichnet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 34 EStG 1988 kann jeder unbeschränkt Steuerpflichtige beantragen, daß bei der Ermittlung des Einkommens außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1.
Sie muß außergewöhnlich sein.
2.
Sie muß zwangsläufig erwachsen.
3.
Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die Zwangsläufigkeit des als Krankheitskosten geltend gemachten Betrags von S 98.000,-- nicht als gegeben angenommen.
Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst dem Steuerpflichtigen die Belastung zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Abs. 7 des zitierten Paragraphen (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) normiert überdies, daß Unterhaltsleistungen - um solche handelt es sich aus der Sicht der Beschwerdeführerin - nur insoweit abzugsfähig sind, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden.
Die Beschwerdeführerin rügt im wesentlichen, daß die belangte Behörde das Krankheitsbild ihrer Tochter nicht ausreichend festgestellt habe. Sie habe insbesondere die Einholung eines Fachgutachtens darüber unterlassen, ob die medizinische Behandlung ihrer Tochter in Kuba erfolgversprechender gewesen sei als in Österreich.
Diese Rüge ist unberechtigt. Die Beschwerdeführerin hat zum Beweis der Krankheit ihrer Tochter lediglich einen mit 1. März 1990 datierten Röntgenbefund vorgelegt, in dem verschiedene Feststellungen getroffen werden, die auf keinen besonders ernsthaften Krankheitszustand schließen lassen. Die Reise nach Kuba fand in der Zeit vom 29. Juli bis 12. August 1989, also im vorangegangenen Sommer statt. In diesem Zusammenhang verdient die Aussage in der Beschwerde Beachtung, wonach der Gesundheitszustand der Tochter der Beschwerdeführerin im Jahr 1990 ein anderer gewesen sei als im Jahr 1989. Folgt man diesem Vorbringen, so wurde der behauptete schlechte Gesundheitszustand der Tochter der Beschwerdeführerin im Jahr 1989 durch keinerlei Beweismittel dargetan. Werden aber Heilkosten als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht, so hat der Antragsteller sein Begehren im Rahmen des ihm Zumutbaren derart zu konkretisieren, daß eine ärztliche Diagnose beigebracht und die Zweckmäßigkeit jener Therapie bzw. jenes operativen Eingriffes durch entsprechende ärztliche Bescheinigung dargelegt wird, von der bzw. von dem ein Heilerfolg erwartet oder zumindest erhofft werden kann. Mit der allgemeinen, durch nichts untermauerten Behauptung, zur Behandlung einer nicht näher bezeichneten Wirbelsäulenerkrankung sei ein Aufenthalt in Kuba "empfohlen worden", wird kein Vorbringen erstattet, das die Abgabenbehörde in die Lage versetzen würde, die Zwangsläufigkeit der mit dem Kubaaufenthalt verbundenen Kosten zu überprüfen. Eine Pflicht zur amtswegigen (ergänzenden) Beweisaufnahme hätte für die belangte Behörde allenfalls dann bestanden, wenn sie am Wahrheitsgehalt eines im obigen Sinn ausreichend konkreten Vorbringens der Beschwerdeführerin gezweifelt hätte, sodaß es erforderlich gewesen wäre, die Zweifel entweder zu beseitigen oder zu erhärten.
Da die Beschwerdeführerin ein derartiges Vorbringen nicht erstattet hat, erübrigt es sich auf weitere Ungereimtheiten einzugehen, wie etwa die Umrechnung von US-Dollar 510,-- auf S 64.770,-- (nur unter Zugrundelegung dieser offensichtlich falschen Umrechnung konnte die Beschwerdeführerin in die Nähe der von ihr geltend gemachten Gesamtkosten von S 98.000,-- gelangen) oder die Tatsache, daß stets die Durchführung einer Operation behauptet wurde, wogegen jedoch der geringe Betrag von US-Dollar 510,-- sowie der Umstand sprechen, daß eine derartige Operation im Röntgenbefund aus dem Frühjahr 1990 keine Erwähnung findet. Aus dem Vorhergesagten ergibt sich, daß auch dem weiteren Beschwerdevorbringen kein Erfolg beschieden sein kann. Da es an ärztlichen Attesten, deren Vorlage der Beschwerdeführerin zuzumuten war, und die Auskunft darüber hätten geben können, ob überhaupt eine Krankheitsbehandlung der Tochter der Beschwerdeführerin indiziert gewesen wäre, mangelte, konnten auch keine Feststellungen getroffen werden, ob und welche Behandlung in Österreich zweckmäßig und möglich gewesen wäre und welche Kosten sie verursacht hätte.
Damit erweist sich aber die Beschwerde zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, ohne daß es erforderlich war, die Frage zu klären, ob die Beschwerdeführerin überhaupt rechtlich oder sittlich verpflichtet war, für die behaupteten Krankheitskosten ihrer 38-jährigen Tochter aufzukommen, und ohne auf jenes Beschwerdevorbringen einzugehen, das mit der alleine strittigen Frage der Anerkennung der behaupteten Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung in keinem Zusammenhang steht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1993130192.X00Im RIS seit
20.11.2000