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L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke Flurbereinigung TirolNorm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2020/07/0027Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision 1. des C O und 2. des T A, beide in T und beide vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Beda-Weber-Gasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 28. Jänner 2020, Zl. LVwG-2019/37/1210-19, betreffend einen Antrag auf Aufhebung eines Beschlusses der Vollversammlung einer Agrargemeinschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde; mitbeteiligte Partei:
Agrargemeinschaft T, vertreten durch den Obmann F K in T), den Beschluss
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die ordentliche Vollversammlung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft beschloss am 14. März 2019 den Abschluss eines Übereinkommens nach dem "Mountainbike (MTB) Modell Tirol 2.0" zwischen der mitbeteiligten Agrargemeinschaft und dem Tourismusverband O. ausschließlich für den Fahrweg vom D.-Gatter bis zur K.-Hütte (K.-Weg) einschließlich aller für notwendig erachteten begleitenden Maßnahmen (Tagesordnungspunkt 5. der Vollversammlung).
2 Gegen diesen Beschluss erhoben die Revisionswerber - zwei Mitglieder der mitbeteiligten Agrargemeinschaft - Einspruch. 3 Mit Bescheid vom 8. Mai 2019 wies die belangte Behörde die Anträge der Revisionswerber auf Behebung dieses Beschlusses als unbegründet ab.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerber wies das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
5 Begründet gelangte es zu dem Ergebnis, dass der von den Revisionswerbern angefochtene Beschluss zu Tagesordnungspunkt 5. der Vollversammlung vom 14. März 2019 keine wesentlichen Interessen der Revisionswerber verletze und § 2 der Satzung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft nicht widerspreche. 6 Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision hielt das Verwaltungsgericht fest, dass es bei seiner Prüfung des von der Vollversammlung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft am 14. März 2019 gefassten Beschlusses insbesondere § 2 der geltenden Verwaltungssatzung auszulegen gehabt habe. Die Auslegung von Verwaltungssatzungen stelle prinzipiell keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Zudem sei das Verwaltungsgericht von der zu § 37 Abs. 7 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG 1996) ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen.
7 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision werfen die Revisionswerber dem Verwaltungsgericht "grobe Auslegungs- und Denkfehler sowie eine grobe Verkennung der Rechtslage und insbesondere auch von Auslegungsgrundsätzen und eine auffallend gravierende Fehlbeurteilung" vor. Das angefochtene Erkenntnis sei ihrer Ansicht nach daher "unvertretbar". 12 Die Öffnung eines bislang nicht öffentlichen Wegs zugunsten des öffentlichen Fahrradverkehrs (Mountainbike Tirol) vermöge nach Ansicht der Revisionswerber in keiner Weise die Ansprüche der Mitglieder "bestmöglich" und "andauernd" im Sinn des § 2 der Satzung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft sicherzustellen, sondern fördere unbestritten die Tourismuswirtschaft. 13 Im gegenständlichen Fall lege das Verwaltungsgericht diese Satzungsbestimmung falsch aus, indem es eine Tätigkeit schon dann für zulässig erkläre und mit dem Zweck der Agrargemeinschaft als vereinbar ansehe, wenn die Rechte der Mitglieder "nicht wesentlich" verletzt seien.
14 Die Revision ist nicht zulässig.
15 Gemäß § 37 Abs. 7 TFLG 1996, LGBl. Nr. 74/1996 idF LGBl. Nr. 70/2014, hat die Agrarbehörde auf Antrag unter Ausschluss des Rechtsweges über Streitigkeiten zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis sowie über Streitigkeiten zwischen der Gemeinde und einer Agrargemeinschaft nach § 33 Abs. 2 lit.c in Angelegenheiten, die den Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grundstücke betreffen, zu entscheiden.
16 Gemäß § 2 der Satzung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft hat diese den Zweck, durch pflegliche Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens die bestmögliche und andauernde Erfüllung der berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder sicherzustellen, das Gemeinschaftsvermögen zu erhalten und zu verbessern und zu diesem Zweck auch die erforderlichen gewerblichen Unternehmen zu betreiben.
17 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darf eine Aufhebung der Beschlüsse von Organen einer Agrargemeinschaft durch die Agrarbehörde nur dann erfolgen, wenn die Beschlüsse zum einen gegen das TFLG 1996 oder gegen den Regulierungsplan einschließlich eines Wirtschaftsplanes oder einer Satzung verstoßen und zum anderen dabei wesentliche Interessen der Revisionswerber verletzt werden. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (vgl. dazu aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa VwGH 23.10.2014, 2011/07/0198, mwN). 18 Das Verwaltungsgericht gelangte im vorliegenden Fall zunächst zum Ergebnis, dass die beabsichtigte Freigabe des K.-Wegs für Mountainbiker zu keiner Beeinträchtigung der Holznutzungs- und Weiderechte der Agrargemeinschaftsmitglieder führe. Der Schotterweg stelle für die aufgetriebenen Tiere keine Futterfläche dar und werde auch bei der Festsetzung der AMA-Förderung nicht berücksichtigt. Die einzelnen Agrargemeinschaftsmitglieder würden daher an der Ausübung ihrer Anteilsrechte weder gehindert noch eingeschränkt. Der von der Vollversammlung am 14. März 2019 zu Tagesordnungspunkt 5. ergangene Beschluss bewirke bezogen auf die Anteilsrechte der Agrargemeinschaftsmitglieder somit keine Verletzung wesentlicher Interessen.
19 Das Verwaltungsgericht geht somit davon aus, dass bereits eine der kumulativen Voraussetzungen für die Aufhebung des genannten Beschlusses der Vollversammlung, nämlich die Verletzung wesentlicher Interessen der Revisionswerber, nicht vorliegt. In der Revision wird hingegen nicht näher dargelegt, inwiefern entgegen der Beurteilung des Verwaltungsgerichts wesentliche Interessen der Revisionswerber im Sinn des § 37 Abs. 7 TFLG 1996 verletzt wären (vgl. VwGH 23.1.2020, Ra 2018/07/0443, mwN). 20 Auf Grund der mangelnden Bekämpfung der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach keine wesentlichen Interessen der Revisionswerber verletzt würden, erweisen sich deren Zulässigkeitsausführungen einer gravierenden Fehlbeurteilung von § 2 der Satzung der mitbeteiligten Agrargemeinschaft als nicht mehr relevant.
21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen. 22 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 10. April 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020070026.L00Im RIS seit
26.05.2020Zuletzt aktualisiert am
26.05.2020