TE Vwgh Beschluss 2020/5/5 Ra 2020/19/0140

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Veröffentlicht am 05.05.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2020/19/0141Ra 2020/19/0142Ra 2020/19/0143

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und den Hofrat Dr. Pürgy sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Thaler, in der Revisionssache des 1. R D alias A, der 2. I alias I D alias D, des 3. L alias L D alias D und des 4. R D alias D, alle in L, alle vertreten durch Mag.rer.soc.oec.Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2019, Zlen. 1. L519 2211523-1/20E, 2. L519 2211518-1/18E,

3. L519 2211521-1/15E und 4. L519 2211520-1/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. August 2019, Ra 2019/19/0138-0141, (Vorerkenntnis) verwiesen. Mit dem Vorerkenntnis wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 27. Dezember 2018 wegen der Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufgehoben. 2 Im fortgesetzten Verfahren führte das BVwG am 25. November 2019 eine Verhandlung durch. Mit mündlicher Verkündung des Erkenntnisses wurde das vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verhängte Einreiseverbot behoben, im Übrigen die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das BVwG führte aus, dass das Fluchtvorbringen wegen näher genannter Widersprüche als unglaubwürdig zu qualifizieren sei. Zudem hätten die Revisionswerber ihr Vorbringen gesteigert. Es lägen keine asylrelevanten Fluchtgründe vor, vielmehr gehe das BVwG davon aus, dass die Revisionswerber ihren Herkunftsstaat aus persönlichen bzw. wirtschaftlichen Gründen verlassen hätten. Bei Rückkehr drohe den Revisionswerbern keine Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK. Hinsichtlich der Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK würden die öffentlichen Interessen an einer Außerlandesbringung die privaten Interessen der Revisionswerber überwiegen. 3 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung mit Beschluss vom 24.2.2020, E 42-45/2020, ablehnte und an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

4 In der außerordentlichen Revision wird vorgebracht, das BVwG habe seine Ermittlungspflicht verletzt. Die Revisionswerber hätten ihre Fluchtgeschichte, die in den Länderberichten Deckung finde, nachvollziehbar und widerspruchsfrei dargelegt und seien ihrer Verpflichtung zur Glaubhaftmachung nachgekommen. Das BVwG wäre verpflichtet gewesen, Recherchen im Herkunftsstaat vorzunehmen oder Gutachten von länderkundlichen Sachverständigen sowie einem Vertrauensanwalt einzuholen, um die Fluchtgeschichte zu überprüfen.

Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung führen die Revisionswerber aus, aus der Rechtsprechung, wonach bei dreijähriger Aufenthaltsdauer eine außergewöhnliche Konstellation vorliegen müsse, um einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu gewähren, folge zwingend, dass bei einer mehr als 5 1/2-jährigen Aufenthaltsdauer, wie im hier vorliegenden Fall, ein humanitärer Aufenthaltstitel auch ohne außergewöhnliche Integration möglich sein müsse. Verschiedene Aspekte der Integration seien zu wenig, die öffentlichen Interessen zu stark gewichtet worden. 5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht kein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens durch Recherche im Herkunftsstaat. Die Beurteilung der Erforderlichkeit derartiger Erhebungen im Sinn des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 obliegt der ermittelnden Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht und stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. etwa VwGH 19.7.2019, Ra 2019/19/0274; 31.10.2019, Ra 2019/20/0479, jeweils mwN). Der Revision gelingt es nicht darzulegen, dass die diesbezügliche Beurteilung des BVwG unvertretbar erfolgt wäre, zumal sie auch nicht angibt, welche konkreten Ermittlungsschritte hätten gesetzt werden müssen.

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0521, mwN). Den Revisionswerbern gelingt es mit ihrem Vorbringen nicht aufzuzeigen, dass die im Rahmen der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung in einer unvertretbaren Weise erfolgt wäre.

10 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190140.L00

Im RIS seit

09.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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