TE OGH 2020/4/3 5Ob17/20s

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Veröffentlicht am 03.04.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI J*****, vertreten durch Dr. Wolf-Georg Schärf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch Dr. Martin Neuwirth, Dr. Alexander Neurauter, Rechtsanwälte in Wien, wegen Herabsetzung des Unterhalts, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtsachen Wien als Berufungsgericht vom 28. August 2019, GZ 42 R 98/19i-39, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 1. Oktober 2018, GZ 10 C 14/17v-22, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht gab der auf Herabsetzung des Unterhalts gerichteten Klage teilweise statt und sprach aus, dass der Anspruch der Beklagten erloschen sei, soweit er einen Unterhaltsbetrag von 441 EUR übersteige.

Das Berufungsgericht präzisierte den Spruch des erstgerichtlichen Urteils aus Anlass einer von der Beklagten erhobenen Mängelrüge und bestätigte im Übrigen diese Entscheidung im Wesentlichen mit der Begründung, nach dem Wortlaut des ursprünglich zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Unterhaltsvergleichs sei die Verpflichtung des Klägers zur Leistung von 50 % seines Bezugs aus der ASVG-Pension „unter der Bedingung [gestanden], dass auch der Bezug aus seiner privaten Pensionsversicherung in voller Höhe zur Auszahlung gelangt“. Mit deren Wegfall sei eine maßgebliche Änderung der Vergleichsgrundlage eingetreten, sodass die Voraussetzungen für eine Neubemessung des Unterhalts vorlägen.

Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht über Antrag nach § 508 ZPO für zulässig, weil „die beklagte Partei im Zusammenhang mit der Frage der Gegenüberstellung der Einkommens- und Vermögenssituation zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses und zur Zeit des Schlusses der Verhandlung sowie der behaupteten Verletzung wesentlicher Interpretationsgrundsätze stichhaltige Argumente geltend“ mache.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

1. Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 405 ZPO begründet nach der Rechtsprechung einen Verfahrensmangel, nicht aber – wie die Revisionswerberin meint – eine Nichtigkeit (RIS–Justiz RS0041240). Mit der Frage der Bestimmtheit des vom Kläger erhobenen Begehrens im Sinn des § 226 ZPO und dem von der Beklagten aus deren vermeintlichen Fehlen abgeleiteten Verstoß gegen § 405 ZPO hat sich das Berufungsgericht auseinandergesetzt und eine Mangelhaftigkeit des Ersturteils verneint. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht verneint worden sind, können aber nicht mehr als Revisionsgrund nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (RS0042963).

2.1 Jede Unterhaltsvereinbarung unterliegt der Umstandsklausel, sodass wesentliche Änderungen der Verhältnisse auf Antrag zu einer Neufestsetzung des Unterhaltsanspruchs führen (RS0018984). Ändern sich mehrere Bemessungsparameter (etwa geänderte Bedürfnisse oder Sorgepflichten), hat regelmäßig eine von den Vergleichsrelationen losgelöste Neubemessung des Unterhalts zu erfolgen (RS0047471 [T12]; vgl auch RS0105944), es sei denn, aus der nach den

Auslegungskriterien des § 914 ABGB zu ermittelnden Absicht der Parteien ergibt sich, dass die im Vergleich festgelegte Relation zwischen Einkommen und Unterhaltshöhe auch künftig nicht vernachlässigt werden soll (RS0047471 [T8, T13]). Eine solche Auslegung richtet sich aber stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und wirft regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0047471 [T11]; allgemein zur Vertragsauslegung: RS0042776; RS0042936).

2.2 In dem im Jahr 1999 abgeschlossenen Vergleich haben die Streiteile nicht nur den laufenden Unterhaltsanspruch der Beklagten festgelegt, sondern eine ausdrückliche Regelung für die Zeit, ab der der Kläger nicht mehr erwerbstätig ist und nur noch über Pensionseinkünfte verfügt, getroffen. Danach sollte die Beklagte 50 % des Bezugs des Klägers aus dessen ASVG-Pension erhalten, verzichtete ihrerseits aber auf Zahlungen aus Leistungen der privaten Pensionsversicherung an den Kläger. Diese Vereinbarung stand unter der Bedingung, dass der Bezug [Anm.: des Klägers] aus der privaten Pensionsversicherung in voller Höhe zur Auszahlung gelangt. Nach dem Vergleichswortlaut besteht kein Zweifel, dass die Verpflichtung zur Zahlung von 50 % der monatlichen ASVG-Pension jedenfalls dann nicht bestehen soll, wenn der Kläger über diese Leistung hinaus keine Einkünfte hat. Dazu steht fest, dass der Kläger entgegen seinen Erwartungen aus dem von ihm abgeschlossenen Finanzprodukt seit dem Jahr 2007 keine Auszahlungen mehr erhält und mit Ausnahme seiner ASVG-Pension über kein weiteres Einkommen verfügt. Mit dem Wegfall der Leistungen aus der privaten Pensionsvorsorge haben sich die Umstände daher maßgeblich geändert. Da die Feststellungen nur die Deutung zulassen, dass der Kläger seit 2007 überhaupt keine Einkünfte aus einer privaten Pensionsvorsorge hat, ist es unerheblich, ob die Formulierung des Vergleichs auf eine im Zeitpunkt von dessen Abschluss bestehende Pensionsversicherung abzielt oder auch die vom Kläger im Jahr 2002 abgeschlossene erfasst.

2.3 Ungeachtet dessen beharrt die Beklagte auf ihrem Standpunkt, der Kläger wäre ihr unverändert zur Unterhaltsleistung verpflichtet, wobei sie dieses Ergebnis offensichtlich aus den unterschiedlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Streitteile im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses ableitet. Inwieweit – losgelöst vom Wortlaut des Vergleichs – nach dem übereinstimmenden Parteienwillen eine feste Relation (50 %) zwischen ihrem Unterhaltsanspruch und der ASVG-Pension des Klägers unabhängig von der tatsächlichen Höhe seines Einkommens Vergleichsbestandteil sein soll, vermag sie aber weder mit dem Hinweis auf die „finanziellen Situation“ der Streitteile, noch mit ihren Ausführungen, es wäre unbillig, eine Neubemessung des Unterhalts vorzunehmen, wenn die geänderten Umstände auf leichtfertiges Verhalten des Unterhaltspflichtigen zurückzuführen seien, schlüssig zu begründen, zumal die Verfahrensergebnisse für ein solches Verhalten des Klägers ohnehin keine Anhaltspunkte liefern. Den Vermögensverhältnissen des Klägers käme nur Relevanz zu, wenn sie Grundlage des Vergleichs gewesen wären. Dafür fehlt es schon im Vorbringen der Beklagten im Verfahren erster Instanz an Anhaltspunkten. Damit bedarf es aber keiner Korrektur, wenn das Berufungsgericht zum Auslegungsergebnis gelangte, dass lediglich auf das Einkommen des Klägers abzustellen sei, und es Feststellungen „zur Lebenssituation der Beteiligten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung“ für entbehrlich erachtete.

2.4 Dass die Vorinstanzen die Neufestsetzung des Unterhalts ausschließlich nach der gesetzlichen Regelung vornahmen und dabei auch die beim Kläger seit Abschluss des Unterhaltsvergleichs neu hinzugekommenen Sorgepflichten berücksichtigten, entspricht damit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl RS0019018 [T6]).

3. Einer weiteren Begründung bedarf es daher nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 40 iVm § 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung nicht darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel der Beklagten nicht zulässig ist.

Textnummer

E128120

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00017.20S.0403.000

Im RIS seit

19.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.08.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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