TE OGH 2020/4/28 13Os13/20s

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Veröffentlicht am 28.04.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat am 28. April 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in der Finanzstrafsache gegen Wolfgang M***** wegen des Finanzvergehens des Abgabenbetrugs nach §§ 13, 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. August 2019, GZ 16 Hv 33/11d-622, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 2 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang M***** des Finanzvergehens des Abgabenbetrugs nach §§ 13, 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 2010/104 schuldig erkannt.

Danach hat er am 26. Juni 2012 im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Baden Mödling als unternehmensrechtlicher Geschäftsführer der V***** GmbH vorsätzlich unter Verwendung eines falschen Beweismittels, nämlich einer Rechnung, der keine tatsächliche Lieferung oder sonstige Leistung zugrunde lag, unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten eine Verkürzung an Umsatzsteuer um 182.000 Euro zu bewirken versucht, und zwar durch Abgabe einer unrichtigen Jahreserklärung für das Jahr 2010, wobei es infolge bescheidmäßiger Festsetzung in der richtigen Höhe beim Versuch blieb.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 3 und 4 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Gestützt auf Z 3 wendet sie ein, zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung am 26. August 2019 (und deren Anberaumung am 13. Juni 2019) sei die Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers „nicht außer Zweifel“ gestanden, weil hinsichtlich seiner Person ein „Verfahren nach dem Erwachsenenschutzgesetz anhängig“ gewesen sei. Trotz Kenntnis dieses Umstands habe das Erstgericht die Hauptverhandlung anberaumt und durchgeführt.

Entgegen der Beschwerdeauffassung vermochten die angesprochenen Vorgänge die in § 221 Abs 2 erster Satz StPO normierte Mindestvorbereitungsfrist des Beschwerdeführers (vgl dazu Danek/Mann, WK-StPO § 221 Rz 8 ff; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 241 f) nicht zu tangieren. Mit der Behauptung einer (allfälligen) Verhandlungsunfähigkeit wird die Verletzung oder Missachtung einer Vorschrift, deren Einhaltung in der Hauptverhandlung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet (Z 3), vielmehr gar nicht geltend gemacht (RIS-Justiz RS0097803 [insbesondere T3]; Schwaighofer, WK-StPO § 275 Rz 23; vgl auch RIS-Justiz RS0117395). Auf einen (auf Vertagung wegen Verhandlungsunfähigkeit abzielenden) Antrag des (durch einen Verteidiger vertretenen) Beschwerdeführers, dem das Schöffengericht nicht entsprochen hätte (Z 4; dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302, 309), beruft sich das Rechtsmittel ebenso wenig.

Zur Klärung der Frage der Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers hatte die Vorsitzende mit (richtig) Verfügung vom 30. Juni 2017 (ON 274) eine medizinische Sachverständige bestellt, die am 4. September 2017 ein schriftliches Gutachten abgab (ON 288).

Die weitere Verfahrensrüge (Z 4) bringt vor, das Schöffengericht habe mit Schriftsatz vom 9. September 2017 (ON 290) sowie in der Hauptverhandlung am 5. Juli 2018 (ON 363 S 5 ff) und am 21. Jänner 2019 (ON 531a S 4) gestellte (auf die Behauptung von Befangenheit und mangelnder Sachkunde gestützte) Anträge des Beschwerdeführers auf Enthebung dieser Sachverständigen sowie auf „Einholung eines übergeordneten Sachverständigengutachtens“ zu Unrecht abgewiesen. Diese Anträge habe er in der „fortgesetzten Hauptverhandlung vom 26. 8. 2019, in der an die bisherigen Verfahrensergebnisse angeknüpft“ worden sei, „aufrechterhalten“.

Aus den Verfahrensakten ist festzuhalten, dass die Hauptverhandlung am 26. August 2019 – nach dem Inhalt des darüber aufgenommenen, unbedenklichen Protokolls – der Rüge zuwider nicht (im Sinn des § 276a erster Satz StPO) fortgesetzt, sondern neu durchgeführt (also im Sinn des § 276a zweiter Satz StPO wiederholt) wurde (ON 621a S 2).

Wird eine Hauptverhandlung gemäß § 276a zweiter Satz StPO wiederholt, so verlieren Anträge, die in der früheren gestellt wurden, ihre Gültigkeit. Als Hauptverhandlung gilt nämlich nur diejenige, die der Urteilsfällung unmittelbar vorangeht. Formale Voraussetzung für die Geltendmachung von Nichtigkeit aus Z 4 ist aber, dass der Antrag (gerade) in der Hauptverhandlung gestellt wurde. Die Verlesung in einer früheren (infolge Wiederholung obsolet gewordenen) Hauptverhandlung oder (schriftlich) außerhalb derselben gestellter Anträge erfüllt diese Voraussetzung ebenso wenig wie die bloße Erklärung, solche Anträge „aufrecht“ zu halten (RIS-Justiz RS0099049 [insbesondere T3], RS0099099 [insbesondere T13], RS0098869).

Hiervon ausgehend versagt die Rüge schon auf der Grundlage ihres eigenen Vorbringens, der Beschwerdeführer habe die betreffenden Anträge in der Hauptverhandlung am 26. August 2019 (bloß) „aufrechterhalten“. Im Übrigen ist dem hierüber aufgenommenen Protokoll (ON 621a) eine derartige
– folgerichtig auch nicht durch Angabe der Fundstelle in diesem umfangreichen Aktenstück bezeichnete (siehe aber RIS-Justiz RS0124172) – Erklärung des Beschwerdeführers gar nicht zu entnehmen. Ebenso wenig geht daraus hervor, dass das in Rede stehende Sachverständigengutachten in der Hauptverhandlung am 26. August 2019 (überhaupt) vorgekommen (§ 258 Abs 1 StPO) wäre.

Durch die Abweisung (ON 621a S 53 ff) folgender in der Hauptverhandlung am 26. August 2019 gestellter Beweisanträge (ON 621a S 52) wurden – entgegen der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) – Verteidigungsrechte nicht geschmälert:

Der Antrag auf „Ausforschung und Ladung des Zeugen Ing. Hans H*****, der im Auftrag des Angeklagten ein Gutachten über die Artikel erstellt hat, die der Rechnung vom 20. 6. 2008 zugrunde liegen,“ nannte kein Beweisthema (siehe aber § 55 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Der Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des Mag. Franz Ha***** zum Beweis dafür, dass zwischen ihm und dem Angeklagten „vereinbart war, dass Mag. Ha***** die Vorsteuer zur Rechnung vom 20. 6. 2008 seitens der Mu***** erklärt und dass er auch diese gegenüber dem Finanzamt bezahlt hat“, ließ keinen Konnex zur Schuld- oder zur Subsumtionsfrage erkennen (siehe aber RIS-Justiz RS0118444; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327 ff). Ist doch Gegenstand des Schuldspruchs eine (nicht die Rechnungsausstellerin Mu***** GmbH, sondern) die V***** GmbH betreffende Abgabenverkürzung.

Ebenso wenig machte das weitere Antragsvorbringen klar, inwieweit für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollte, dass

„der Angeklagte bei der Schlussbesprechung im Beisein der Steuerberaterin Mag. T***** Rechnungen an den Prüfer übergeben hat und sich aus diesen Rechnungen tatsächlich geleistete Zahlungen der V***** an die Mu***** im Zeitraum Juni und Juli 2008 ergeben“ sowie

sich aus (im Zuge einer Betriebsprüfung angefertigten) „Lichtbildern ergibt, dass die im Zusatz zur Rechnung vom 20. 6. 2008 festgehaltenen Artikelaufstellungen tatsächlich vorhanden waren und tatsächlich einen Wert von EUR 910.000,- gehabt haben.“

Soweit der Antrag auf „Einholung der Arbeitsmappen“ über mehrere Betriebsprüfungen zum Beweis hiefür gestellt wurde, verfiel er schon deshalb zu Recht der Abweisung.

Gleiches gilt für den Antrag auf Vernehmung der Steuerberaterin Mag. T***** als Zeugin zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte die vorhin erwähnten Rechnungen anlässlich der Schlussbesprechung übergeben hat.“

Soweit die „Einholung der Arbeitsmappen“ zum Beweis dafür beantragt wurde, dass hinsichtlich „der inkriminierten“ (nämlich von der Mu***** GmbH an die V***** GmbH ausgestellten) „Rechnung“ (vom 20. Juni 2008) „tatsächlich ein Leistungsaustausch stattgefunden hat“, ließ der Antrag offen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse (siehe aber RIS-Justiz RS0118444; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Das die Anträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS-Justiz RS0099618).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E128124

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00013.20S.0428.000

Im RIS seit

19.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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