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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des A K in Graz, geboren am 23. März 1969, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Februar 1996, Zl. 4.323.851/10-III/13/96, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Sri Lanka, reiste am 18. Juni 1991 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 9. Juli 1991 Asyl. Bei seiner Einvernahme am 22. Juli 1991 vor der Bundespolizeidirektion Graz verwies er auf seinen schriftlichen Asylantrag vom 9. Juli 1991. Den Inhalt dieses Antrages hielt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid wie folgt fest:
"Ein Schulkollege habe Sie ermutigt, der "JVP" beizutreten und Sie zum "Unterricht" in ein JVP-Camp mitgenommen. Anfang Dezember 1987 hätten Sie diesen Freund mit Ihrem Motorrad transportiert. Erst später hätten Sie erfahren, daß Ihr Freund eine Bombe bei sich gehabt hätte und durch diese getötet worden sei. Ein anderer Freund habe Ihnen geraten zu verschwinden, da der getötete Freund ein Photo mit Ihren Daten bei sich gehabt hätte. Zwei Monate nachdem Sie zu einem Onkel nach Colombo geflüchtet seien, hätten Sie erfahren, daß die "special task force", eine Einheit der Polizei, nach Ihnen gesucht habe, worauf Sie zuerst nach Kataragma und dann in die "upper-southern-region" nach Akurassa verzogen seien. Dort hätten Sie Ende Februar 1988 erfahren, daß Ihr Vater und Ihre zwei Schwestern von "Unidentifizierten" (vermutlich einem Regierungskommando) getötet worden seien. Von da an hätten Sie sich versteckt gehalten und der JVP bekanntgegeben, daß Sie mit ihr nichts mehr zu tun haben wollten. Sie hätten Angst um Ihr Leben gehabt, weil viele Ihrer Freunde, die der JVP angehört hätten, ermordet worden oder verschwunden seien. Eine Identitätskarte hätten Sie in Colombo nicht bekommen können, da bereits der Versuch eine zu erlangen verdächtig und gefährlich gewesen wäre.
Am 13.06.1991 hätten Sie Colombo auf dem Luftweg verlassen. Im Falle einer Rückkehr in Ihre Heimat müßten Sie mit einer Festnahme, sowie mit Folter und dem Tod rechnen."
Mit (Formular-)Bescheid vom 15. Oktober 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126 (im folgenden: Asylgesetz 1968), sei. In der Begründung dieses Bescheides setzte sich allerdings die Behörde mit den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründen nicht auseinander.
Gegen diesen ihm am 22. Juni 1992 zugestellten Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 29. Juni 1992 die Berufung.
Nachdem der diese Berufung abweisende Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Februar 1994 (wegen irrtümlicher Anwendung des Asylgesetzes 1991) mit hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/19/1069, aufgehoben worden war, wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 21. Februar 1996 die Berufung neuerlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Sie führte darin - ergänzend zu dem bereits oben wiedergegebenen Inhalt des Asylantrages - weiter aus, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung keine vom erstinstanzlichen Vorbringen abweichenden Umstände geltend gemacht. Er habe im Nachhang zu seiner Berufung einen an ihn gerichteten Brief vorgelegt,
"dem zu entnehmen ist, daß Sie (der Beschwerdeführer) in Aktivitäten der JVP involviert gewesen seien und von den Behörden gesucht würden. Ihr Leben würde in Sri Lanka gefährdet sein".
Nach Darstellung des Flüchtlingsbegriffes der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, brachte die belangte Behörde ihren Standpunkt zum Ausdruck, daß der Beschwerdeführer
"im gesamten Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht (habe), die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß Sie (der Beschwerdeführer) sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlandes befinden und nicht gewillt sind, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen."
Die Abweisung begründete die belangte Behörde auszugsweise - soweit entscheidungswesentlich - wie folgt:
"Der von Ihnen angeführte Vorfall mit der Bombe, in dem Ihr Freund und auch Sie verwickelt gewesen seien, ist als rein kriminelles Delikt anzusehen, das in jedem rechtsstaatlichen Land sanktioniert wird. Man wird daher der srilankischen Polizei zugestehen müssen, den Ablauf solcher Vorfälle zu klären und einer Behandlung durch die dortige Strafjustiz zuzuführen. Wenn die Polizei versucht, Personen, die in derartige Vorfälle verwickelt sind, habhaft zu werden, so kann darin kein illegitimes Staatshandeln erblickt werden.
...
Wenn die Polizei tatsächlich nach Ihnen gefahndet hätte oder gegen Sie sogar Verfolgungshandlungen im Sinne der Flüchtlingskonvention setzen hätte wollen, wäre es Ihnen wohl kaum möglich gewesen, sich vier Jahre lang vor der Polizei versteckt zu halten. Dies erscheint auch schon deshalb unwahrscheinlich, weil Sie sich, wie Sie behaupten, ohne die obligatorische Identitätskarte umherbewegten. Angesichts der zahlreichen Straßenkontrollen können sich srilankische Staatsangehörige nicht ohne Identitätskarte im Land bewegen. Personen ohne Identitätskarte werden unweigerlich festgenommen. Noch dazu ist es unglaubwürdig, daß Sie sich vier Jahre lang von den Behörden unbehelligt ohne dieses Dokument im Land aufgehalten haben.
...
An dieser Ansicht der erkennenden Behörde kann auch der von Ihnen vorgelegte Brief (bei dem es sich nicht um ein behördliches Schriftstück, sondern allenfalls um ein bestelltes Schreiben einer Privatperson handelt) nichts ändern, zumal aus diesem ja nicht einmal hervorgeht, aus welchen konkreten Gründen die Behörden nach Ihnen suchten.
...
Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß sich aus Ihrem Vorbringen keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, daß Sie unabhängig von den konkreten von Ihnen ins Treffen geführten strafrechtlich relevanten Vorfällen im Zusammenhang mit Ihrem Freund, irgendwelchen Repressalien seitens der Behörde Ihres Heimatlandes ausgesetzt gewesen wären, die in unmittelbarem Konnex mit Ihrer politischen Gesinnung gestanden wären.
Auffällig in Ihrem Vorbringen ist zudem der Umstand, daß Sie Ihr Heimatland auf dem Luftweg über den einzigen Flughafen Sri Lankas in Colombo, welcher unter besonderer Konrolle der Regierungstruppen bzw. der Polizei steht, verlassen haben, ohne behelligt worden zu sein oder Schwierigkeiten dabei auch nur zu behaupten. Im Falle einer Verfolgungsabsicht durch die staatlichen Behörden hätten Sie die bekannt strengen Sicherheits- und Personalkontrollen auf diesem Flughafen wohl nicht bzw. nicht ohne Schwierigkeit überwinden können.
Zu den Ausführungen, daß Ihr Vater sowie Ihre zwei Schwestern vermutlich von einem Regierungskommando getötet worden seien, muß festgehalten werden, daß auch dies keinen asylrelevanten Umstand darstellt, da in einem Verfahren nur solche Umstände Berücksichtigung finden können, die eine Person unmittelbar betreffen und daher Ereignisse gegen Familienmitglieder nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken können."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist festzuhalten, daß infolge der im angefochtenen
Bescheid zutreffend erfolgten Anwendung des Asylgesetzes 1968
kein Fall des Außerkrafttretens gemäß § 44 Abs. 2
Asylgesetz 1997 vorliegt.
Gemäß § 1 des Asylgesetzes 1968, BGBl. Nr. 126, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 (im folgenden: FlKonv), unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F FlKonv vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 FlKonv ist Flüchtling, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Die belangte Behörde nahm das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes nach Art. 1 Abschnitt F FlKonv nicht an. Die belangte Behörde ging davon aus, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Nachforschungen einer Spezialeinheit der Sicherheitskräfte in Sri Lanka ausschließlich im Zusammenhang mit einem "rein kriminellen Delikt" des Beschwerdeführers zu sehen seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat aber - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - bereits mehrfach ausgesprochen, daß allein der Vorwurf der Begehung einer strafbaren Handlung die Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht ausschließt, weil damit noch nicht gesagt ist, daß die vom Asylwerber zu erwartenden Sanktionen ihre Grundlage ausschließlich in strafrechtlichen Belangen und nicht darüber hinaus auch in solchen haben, die als Konventionsgründe zu werten sind. Selbst terroristische Aktivitäten hindern die Anerkennung als Konventionsflüchtling nicht von vornherein, sofern nicht der Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt F FlKonv vorliegt (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 10. März 1993, Zl. 92/01/0882, und jeweils vom 17. Juni 1993, Zlen. 92/01/0986, 0987). Es ist vielmehr in jedem Fall durch Ermittlungen zu klären und festzustellen, in welchem Zusammenhang die dem Asylwerber vorzuwerfenden strafbaren Handlungen mit seiner politischen Tätigkeit bzw. Meinung stehen, um beurteilen zu können, ob die drohende Strafverfolgung nicht als eine solche wegen der politischen Gesinnung (oder aus einem anderen in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund) angesehen werden kann.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde nicht in Abrede gestellt, daß der Beschwerdeführer Mitglied der "JVP" gewesen sei und die - weder hinsichtlich der näheren Umstände, Ziele und Konsequenzen - festgestellte Fahrt mit seinem (Partei-)Freund, in deren Gefolge dieser eine Bombe zur Explosion gebracht habe, im Zusammenhang mit der Parteimitgliedschaft des Beschwerdeführers gestanden sei, diese also insoweit eine Parteiaktivität gewesen sei. Abgesehen davon, daß es für eine verläßliche Beurteilung der Asylrelevanz dieses Vorfalles einer entsprechenden Auseinandersetzung mit der Zielsetzung, Struktur und Arbeitsweise dieser Organisation sowie Feststellungen über die Eingliederung des Beschwerdeführers in diese, somit des genauen Zusammenhangs der gegenständlichen "Bombenexplosion" mit der politischen Gesinnung des Beschwerdeführers bedurft hätte, ging offenbar die belangte Behörde jedenfalls davon aus, daß Mitgliedern der "JVP" eine politisch-oppositionelle Gesinnung von den Behörden in Sri Lanka unterstellt würde.
Der Beschwerdeführer hat zudem angegeben, daß er Angst um sein Leben gehabt habe, weil "viele Freunde, die der JVP angehört hätten, ermordet worden oder verschwunden seien". Weiters erklärte der Beschwerdeführer, er habe erfahren, daß sein Vater und zwei Schwestern von "Unidentifizierten (vermutlich einem Regierungskommando) getötet worden" seien.
Dem hielt die belangte Behörde lediglich entgegen, daß "auch dies keinen asylrelevanten Umstand darstellt, da in einem Verfahren nur solche Umstände Berücksichtigung finden können, die eine Person unmittelbar betreffen und daher Ereignisse gegen Familienmitglieder nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken können".
Damit hat die belangte Behörde dieses Vorbringen nicht als unglaubwürdig abgetan, sondern aufgrund rechtlicher Erwägungen als nicht relevant angesehen. Dazu ist anzumerken, daß nach ständiger Rechtsprechung aus Maßnahmen, die sich gegen einen Angehörigen oder andere nahestehende Personen richten, für sich allein nicht auf die Verfolgung eines dieser Familie oder derselben Gemeinschaft angehörenden Asylwerbers geschlossen werden kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. März 1996, Zl. 95/01/0479, und vom 11. November 1997, Zl. 95/01/0490). Schicksale von Angehörigen sind daher in der Regel nicht geeignet, die individuell einem Beschwerdeführer drohende Verfolgung zu belegen; sie sind aber im Rahmen der Beurteilung der Gesamtsituation heranzuziehen. Im vorliegenden Fall hätte es aufgrund der Behauptungen des Beschwerdeführers, daß er wegen seiner Aktivität für die "JVP" von der Polizei gesucht worden sei und diese deshalb "vermutlich" gegen seine Familienangehörigen vorgegangen sei und sonstige Parteiangehörige ermordet habe, einer Überprüfung im Rahmen der hier gebotenen Gesamtschau vor dem zu klärenden Hintergrund der Zielsetzung dieser Organisation "JVP" und der Vorgehensweise der Regierungspartei gegen Angehörige dieser Gruppierung bedurft.
Aufgrund der im erstinstanzlichen Verfahren gegebenen Darstellung der Fluchtgründe des Beschwerdeführers kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, die Nachforschung nach seiner Person habe keinen bedrohenden, in der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur "JVP" begründeten Charakter. Enthält - wie im Beschwerdefall - das Vorbringen eines Asylwerbers einen hinreichend deutlichen Hinweis auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Konvention in Betracht kommt, so hat die Behörde allenfalls vorhandene Zweifel über den Inhalt und die Bedeutung des Vorbringens des Asylwerbers durch entsprechende Erhebungen zu beseitigen, insbesondere entsprechend der ihr gemäß § 37 AVG obliegenden Verpflichtung den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen. Im vorliegenden Fall hat sich die Asylbehörde mit diesem Vorbringen nicht ausreichend auseinandergesetzt, es somit weder in sachverhaltsmäßiger noch in rechtlicher Hinsicht hinreichend beurteilt.
Hinsichtlich des im Berufungsverfahren vorgelegten Briefes hat die belangte Behörde die Schlußfolgerung getroffen, es gehe aus diesem hervor, daß der Beschwerdeführer in Aktivitäten der "JVP" involviert gewesen sei und deshalb von den Behörden gesucht werde. Die weitere Bemerkung zu diesem Brief, es handle sich dabei "allenfalls um ein bestelltes Schreiben einer Privatperson" deutet zwar an, daß die belangte Behörde dem Inhalt dieses Schreibens keine besondere Überzeugungskraft beimißt, doch geht sie andererseits in ihrem Bescheid dennoch davon aus, daß der Beschwerdeführer Mitglied der "JVP" sei. Indem sie weiters ausführt, aus dem Schreiben ergebe sich nicht, aus "welchen konkreten Gründen die Behörde" nach dem Beschwerdeführer suche, so ist dem entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer im Verfahren die Gründe dargetan hat, weshalb er geflüchtet sei.
Die weiteren Ausführungen "wenn die Polizei tatsächlich nach Ihnen gefahndet hätte ..." bringen zum Ausdruck, daß die belangte Behörde bezweifelt, der Beschwerdeführer sei tatsächlich in Sri Lanka von der Polizei gesucht worden. Im Widerspruch dazu stellt aber die Behörde im darauffolgenden übernächsten Absatz "zusammenfassend" fest, daß keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß der Beschwerdeführer "unabhängig von den konkreten von ihm ins Treffen geführten strafrechtlich relevanten Vorfällen im Zusammenhang mit seinem Freund irgendwelchen Repressalien seitens der Behörden seines Heimatlandes ausgesetzt gewesen wäre".
Insoweit erweist sich demnach die Begründung in sich als widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Der angefochtene Bescheid läßt überdies vermissen, auf welcher Sachverhaltsgrundlage die Feststellung beruht, daß sich Staatsangehörige in Sri Lanka angesichts der zahlreichen Straßenkontrollen nicht ohne Identitätskarte im Land bewegen könnten und diesfalls unweigerlich festgenommen würden. Der Beschwerdeführer gab an, sich seit dem Vorfall mit der "Bombenexplosion" bis zu seiner Ausreise versteckt gehalten und die Ausreise aus Sri Lanka mit Hilfe eines Schleppers organisiert zu haben. Auch wenn durchaus Zweifel am Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung bei einer (weiteren) Aufenthaltsdauer von ca. vier Jahren nach einer den Behörden bekanntgewordenen Beteiligung an einem (vermutlichen) Bombenattentat durchaus angebracht sein mögen und auch eine legale Ausreise über einen Flughafen grundsätzlich eine unmittelbare Verfolgungsgefahr nicht zu indizieren scheint, hätte die belangte Behörde aus diesen Umständen nur dann auf die Unglaubwürdigkeit der behaupteten Fluchtgründe schließen dürfen, wenn sie den Beschwerdeführer zunächst zu den genauen Umständen seines Aufenthaltes bis zur Ausreise befragt und sich auch mit der näheren Vorgangsweise bei dessen Ausreise über den Flughafen Colombo auseinandergesetzt hätte. Abgesehen davon, daß die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seine Angehörigkeit zur "JVP" und seine aktive Beteiligung im Zusammenhang mit der nicht näher aufgeklärten "Bombenexplosion" nicht ausdrücklich die Glaubwürdigkeit versagt hat, ist eine Beweiswürdigung, die allein aus einem nachfolgenden weiteren Aufenthalt - wenn auch in der Dauer von ca. vier Jahren - und aus dem Umstand der Ausreise über einen Flughafen auf die Unglaubwürdigkeit eines asylrelevanten Fluchtgrundes schließt, ohne zuvor die näheren Umstände des Aufenthaltes sowie der Umgehung allfälliger Flughafenkontrollen zu erheben, unschlüssig. Es kann dem Beschwerdeführer diesfalls auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn er in der Beschwerde diese Umstände nicht nachträgt, sondern sich im wesentlichen darauf beschränkt, die Unschlüssigkeit der maßgeblichen Sachverhaltsannahmen aufzuzeigen.
Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, daß nach ständiger Judikatur des Gerichtshofes (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 7. November 1995, Zl. 94/20/0793) Umstände, die sich schon längere Zeit vor der Ausreise ereignet haben, in der Regel nicht mehr beachtlich sind, weil die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung bis zur Ausreise andauern muß. Jedoch besteht der für die Annahme einer aktuellen Verfolgungsgefahr erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen den behaupteten staatlichen Verfolgungshandlungen und dem Verlassen des Landes auch bei länger zurückliegenden Ereignissen dann, wenn sich der Beschwerdeführer während seines bis zur Ausreise noch andauernden Aufenthaltes im Lande verstecken konnte. Ab welcher Dauer eines derartigen Aufenthaltes Zweifel am Vorliegen einer wohlbegründeten Furcht vor (noch aufrechter) Verfolgung begründet erscheinen mögen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Mit diesen hätte sich die belangte Behörde - etwa durch eine ergänzende Einvernahme des Beschwerdeführers unter Vorhalt ihrer Zweifel - auseinandersetzen müssen.
Die belangte Behörde hat damit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid häte gelangen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996200281.X00Im RIS seit
20.09.2001