TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/23 W158 2178862-2

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Veröffentlicht am 23.09.2019
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Entscheidungsdatum

23.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §13 Abs2 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z1
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W158 2178862-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Bescheid wie folgt zu lauten hat:

"I. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.

II. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 AsylG erlassen.

III. Gemäß § 53 Abs. 1, Abs. 3 Z 1 FPG wird gegen Sie ein auf die Dauer von 8 (acht) Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

IV. Gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG haben Sie ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX verloren.

V. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Ihrer Haftentlassung."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) mit Bescheid vom XXXX sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, ein Aufenthaltstitel wurde dem BF nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Rückkehrentscheidung 14 Tage ab der Haftentlassung des betrage.

I.2. Nachdem das BFA am XXXX von einer rechtskräftigen Verurteilung verständigt wurde, teilte es dem BF mit, dass es plane eine (neuerliche) Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen und räumte dem BF dazu zu näher ausgeführten Fragen zum Privat- und Familienleben eine siebentägige Frist zur Stellungnahme ein. Die Stellungnahme des BF langte am XXXX beim BFA ein.

I.3. Mit Bescheid vom XXXX , dem BF am XXXX zugestellt, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt II.), ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), festgestellt, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt ab dem XXXX verloren habe (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.).

Dazu führte das BFA aus, der Bescheid diene nur der Würdigung und Feststellung der seit Erhebung der Beschwerde begangenen Straftaten des BF. Um ein Einreiseverbot zu erlassen, sei jedoch neuerlich eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und festzustellen, dass die Abschiebung zulässig sei. Zum Einreiseverbot verwies das BFA auf die vom BF verübten Straftaten und führte mit näherer Begründung aus, dass der BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle und von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen sei. Es sei deswegen ein Einreiseverbot zu erlassen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen.

I.4. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.5. Am XXXX erhob der BF durch die im Spruch genannten Vertreter Beschwerde und beantrage den Bescheid zur Gänze zu beheben, in eventu Spruchpunkt III betreffend das Einreiseverbot aufzuheben, in eventu die Dauer des Einreiseverbots zu verkürzen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Es werde zwar die Rechtmäßigkeit der Formalvoraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nicht bestritten, bestritten werde jedoch die Rechtmäßigkeit der Verhängung eines Einreiseverbots sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach, zumal nicht zwingend mit der Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werde müsse. Das BFA habe Ermittlungen bezüglich der privaten und familiären Interessen des BF im gesamten Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten unterlassen. Zudem bereue der BF seine Straftaten zutiefst und wolle sich in Zukunft keinerlei strafbare Handlungen mehr zu schulden kommen lassen und sich rechtstreu verhalten. Darüber hinaus habe der BF ein schützenswertes Privat- und Familienleben, zumal er mit einer in Österreich asylberechtigten afghanischen Staatsangehörigen verlobt sei.

I.6. Mit Teilerkenntnis vom XXXX wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF;

-

Einsicht in das Strafregister, das Melderegister und das Grundversorgungssystem.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

II.1.1. Zum BF und seiner Situation im Falle einer Rückkehr:

Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Seine Identität kann nicht festgestellt werden.

Der BF stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des BFA hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, ein Aufenthaltstitel wurde dem BF nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 23.09.2019 mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Rückkehrentscheidung 14 Tage ab Haftentlassung betrage. Seitdem haben sich weder in Bezug auf die aktuelle Lage im Herkunftsstaat des BF noch in Bezug auf das Privat- und Familienleben Änderungen ergeben.

Der BF wurde mit rechtskräftiger Strafverfügung der LPD XXXX der Störung der öffentlichen Ordnung nach § 81 Abs. 1 SPG schuldig erkannt, da er am XXXX mehrere Passanten, vorwiegend junge Mädchen, angepöbelt, umtanzt und angegriffen hat. Er wurde dafür zu einer Strafe in Höhe von € 200,00 verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX , rechtskräftig seit XXXX , zu XXXX wurde der BF wegen des Vergehens des Diebstahls zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je € 4,00 im Nichteinbringungsfall zu 15 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Der BF hat versucht einen anderen, der einen verbalen Streit zwischen dem BF und einem Dritten schlichten wollte, am Körper an sich schwer zu verletzen, indem er ihn mit einem Messer in den linken Unterarm stach, wodurch dieser eine ein Zentimeter lange Stichverletzung erlitt und ein weiteres Mal mit dem Messer ausholte und gegen dessen Hand beziehungsweise Arm hinstach, wobei er den anderen nicht verletzte, weil dieser die Hand beziehungsweise den Arm wegzog. Weiters hat er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit drei anderen mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe, einem im Strafurteil namentlich Genannten, fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Geldbörse samt € 95,00 Bargeld, ein Mobiltelefon im Wert von € 110,00 sowie eine silberne Armkette im Wert von ca. € 300,00, mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er dem Opfer ein Messer vor die Brust hielt, es mit der anderen Hand im Halsbereich packte, festhielt und aufforderte "Gibst du alles, was hast du. Wir haben gerade eine gepackt, siehst du Messer ist blutig. Wenn du nicht gibst, ich steche dich. Wenn du Polizei siehst, hast du uns nix gesehen, sonst bekommst du Probleme", während seine Mittäter das Opfer durchsuchten und mehrmals auf es eintraten oder mit dem Knie einschlugen und der BF dem Opfer mit dem Messer die silberne Armkette herunterriss.

Er wurde dafür vom Landesgericht XXXX mit Urteil vom XXXX zu XXXX in Verbindung mit dem Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom XXXX zu XXXX wegen des Verbrechens der Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 4 StGB und des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe zum oben genannten Urteil des Bezirksgerichts von drei Jahren, elf Monaten und zwei Wochen verurteilt. Zusätzlich wurde er zur ungeteilten Hand zu einem Schadenersatzbetrag an das Raubopfer in Höhe von € 390,00 schuldig erkannt. Der BF befindet sich seit XXXX in Untersuchungshaft und nunmehr in Strafhaft. Dort arbeitet der BF in der Schneiderei.

II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2.2. Die Feststellungen traf allesamt im Wesentlichen - wenn auch teils disloziert - das BFA aufgrund des unstrittigen Akteninhalts und den Angaben des BF. In der Beschwerde wird der Sachverhalt auch nicht bestritten, weswegen daran im Beschwerdeverfahren keine Zweifel aufgekommen sind. Dass sich seit Erlassung des Erkenntnisses im Verfahren über den Antrag des BF auf internationalen Schutz keine Änderungen in Bezug auf die aktuelle Lage im Herkunftsstaat des BF und in Bezug auf das Privat- und Familienleben des BF ergeben haben, konnte bereits aufgrund der kurzen Zeitspanne und dem Umstand, dass sich der BF in Strafhaft befindet, festgestellt werden.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).

§ 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A)

II.3.2.1. Eingangs ist klarstellend festzuhalten, dass das BFA grundsätzlich nicht dazu berechtigt war, erneut eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, solange nicht über den Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig entschieden wurde, da mit der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in diesem Punkt (und damit auch zur Frage des subsidiären Schutzes, da ein inhaltliches Auseinanderfallen dieser Punkte nicht möglich ist) das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, in unzulässiger Weise vorweggenommen wird (VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0146). Da das Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung jedoch stets die Sach- und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt zugrunde zu legen hat (aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 25.06.2019, Ra 2019/10/0012 oder 25.04.2019, Ra 2018/22/0059) und das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz mittlerweile durch Zustellung des die Beschwerde abweisenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig entschieden wurde, steht der Erlassung einer Rückkehrentscheidung daher grundsätzlich nichts mehr im Weg.

II.3.2.2. Das BFA stützte die Erlassung der Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Demnach ist unter einem (§ 10 AsylG) eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz eines Drittstaatsangehörigen sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, auf den sich das BFA stützt, sieht vor, dass eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und vom Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird. Das BFA sprach im gegenständlichen Bescheid jedoch nicht über einen Antrag auf internationalen Schutz ab und änderte auch den vom BFA erlassenen Bescheid vom XXXX nicht gemäß § 68 Abs. 2 AVG ab. Das BFA kann sich daher nicht auf die von ihm zitierten Rechtsvorschriften stützen. Erkennbar geht das BFA jedoch davon aus, dass sich der BF nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und deswegen erneut eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei, wie selbst die Beschwerde annimmt. Diese Ansicht des BFA entspricht der Regelung des § 52 Abs. 1 Z 1 FPG, wonach gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist gegen einen Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird, diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Insofern waren daher die im Spruch ersichtlichen Maßnahmen zu treffen.

Einer erneuten inhaltlichen Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels, der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung steht jedoch die Rechtskraft des Vorerkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts entgegen. Durch die in § 10 Abs. 2 AsylG und die in § 52 Abs. 9 FPG enthaltenen Anordnungen, wonach die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels stets mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist beziehungsweise für den Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung ausnahmslos angeordnet wird, es sei gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, wird insoweit lediglich von dem die materielle Rechtskraft kennzeichnenden Umstand der Unwiederholbarkeit abgegangen. Dass das auch für die Unabänderlichkeit - das bedeutendste Merkmal der Rechtskraftwirkung - gelte, lässt sich dem Gesetz jedoch nicht entnehmen (vgl. VwGH 07.03.2019, Ro 2019/21/0002; 24.01.2019, Ro 2018/21/0011).

II.3.2.3. Da ein Einreiseverbot nach § 53 Abs. 1 FPG nur gemeinsam mit einer Rückkehrentscheidung erlassen werden kann, war daher erneut eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und mit dieser nach § 52 Abs. 9 FPG erneut festzustellen, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist und nach § 10 Abs. 2 AsylG erneut auszusprechen, dass ein Aufenthaltstitel nicht erteilt wird. Das Einreiseverbot war jedoch noch nicht Sache des vorangegangenen Verfahrens, sodass das BFA im Ergebnis zu Recht ein Einreiseverbot erlassen hat (VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0146 Rz 25).

Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet auszugsweise wie folgt:

"(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. [...]

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt."

Das BFA hat das Einreiseverbot zu Recht auf § 53 Abs. 3 Z 1 FPG gestützt, da der BF zu einer mehr als dreimonatigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Der Ansicht, dass das persönliche Verhalten des BF somit eine tatsächliche und gegenwärtige schwerwiegende Gefahr darstellt, ist aus folgenden Gründen beizutreten:

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230).

Das BFA hat die verhängte Dauer des ausgesprochenen Einreiseverbots nicht (nur) auf die Tatsache der Verurteilungen beziehungsweise der daraus resultierenden Strafhöhen, sohin gerade nicht auf eine reine Rechtsfrage abgestellt. Vielmehr hat sie unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist (vgl. VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603; VwGH 22.11.2012, 2012/23/0030) sowie unter Würdigung des individuellen, vom BF durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen und diese Voraussage ihrer administrativrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Wie das BFA dazu richtig ausführt, zeigt das Verhalten des BF, dass er nicht bereit ist, sich der österreichischen Rechtsordnung entsprechend zu verhalten. Aus dem festgestellten Verhalten ergibt sich, dass der BF gegenüber den zum Schutz der Rechte, der Gesundheit und des Vermögens Dritter erlassenen Vorschriften beziehungsweise der österreichischen Rechtsordnung überhaupt negativ eingestellt ist. Aufgrund seiner prekären finanziellen Situation ist zudem bei einer Freilassung von einer Wiederholung einer ähnlichen Tat seitens des BF auszugehen, zumal er mangels Aufenthaltsberechtigung über keine Arbeitsbewilligung verfügt. Das sich aus der Verurteilung und dem sonstigen festgestellten Verhalten ergebende Persönlichkeitsbild lässt keinen Schluss zu, dass der BF sich in Zukunft wohlverhalten werde. Das zeigt sich insbesondere daran, dass der BF Gewalt in einer derartigen Intensität gegen einen Dritten anwendet, der lediglich einen verbalen Streit schlichten wollte, sodass dieser nur durch Zufall einer an sich schweren Verletzung entging und der BF in weiterer Folge mit drei Mittätern unter Zuhilfenahme des vom vorigen Angriff noch blutigen Messer einen Raub verübte und dem Opfer dabei gefährlich drohte. In der Zusammenschau zeigt sich für das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die zu treffende Gefährdungsprognose, dass das Gesamtverhalten des BF und dessen Persönlichkeitsbild von einer weitreichenden Missachtung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung geprägt ist, wie sich etwa auch an seiner rechtskräftigen Strafverfügung wegen der Störung der öffentlichen Ordnung zeigt.

Der BF bestreitet in seiner Beschwerde auch die Verurteilung und die daraus resultierende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht. Er führt dazu nur aus, dass diese weggefallen sei, da er die Straftaten zutiefst bereue und sich in Zukunft wohlverhalten werde. Damit übersieht der BF jedoch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach von einem Gesinnungswandel und einem damit zusammenhängenden Wegfall der Gefährlichkeit nur bei einem (längeren) Wohlverhalten in Freiheit ausgegangen werden kann, weswegen in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich ist (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0060). Da sich der BF seit XXXX durchgehend in Haft befindet, kann daher nicht von einem Gesinnungswandel und einem Wegfall der Gefährlichkeit ausgegangen werden. Die Annahme des BFA, der Aufenthalt des BF stelle daher eine massive Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben beziehungsweise gegen fremdes Vermögen, dar, erweist sich daher als nicht korrekturbedürftig, zumal gerade an der Verhinderung der Gewalt- und Eigentumskriminalität, wie sie der BF verübte, ein großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474).

Angesichts der vorliegenden Schwere, insbesondere der versuchten schweren Körperverletzung und des schweren Raubes, sowie des dadurch zum Ausdruck gekommen Fehlverhaltens des BF ist daher die Verhängung des Einreiseverbotes in der von der belangten Behörde ausgesprochenen Dauer als angemessen, erforderlich und darüber hinaus auch als verhältnismäßig zu erachten. Unter Berücksichtigung aller genannten Umstände und in Ansehung des bisherigen Fehlverhaltens und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes des BF kann eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere an der Verhinderung von Gewalt- und Eigentumskriminalität, an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften sowie an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, als gegeben angenommen werden (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474, 19.05.2004, 2001/18/0074). Angesichts der vorliegenden Schwere der Verstöße gegen österreichische Rechtsnormen und des zum Ausdruck gekommen Fehlverhaltens des BF ist daher die Verhängung des Einreiseverbotes in der von der belangten Behörde ausgesprochenen Dauer als angemessen, erforderlich und darüber hinaus auch als verhältnismäßig zu erachten. Den persönlichen Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten gegen Leib und Leben und gegen fremdes Vermögen sowie das öffentliche Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung und das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesen gewichtigen öffentlichen Interessen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 07.07.2009, AW 2009/18/0219; 20.03.1996, 95/21/0643; 03.03.1994; 94/18/0021; 12.03.2002, 98/18/0260; 18.01.2005, 2004/18/0365).

Zur Dauer des Einreiseverbotes wird festgehalten, dass die Beschwerde keine Gründe aufzeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre. Die Beschwerde wendet sich zwar (unsubstantiiert) gegen die Dauer des Einreiseverbots, sie legt aber nicht dar, auf Grund welcher Umstände von einem früheren Wegfall der für die Erlassung des Einreiseverbots maßgeblichen Gründe auszugehen gewesen wäre. Die Beschwerde gegen das Einreiseverbot war daher als unbegründet abzuweisen.

II.3.2.4. Gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG verliert ein Asylwerber sein Recht zum Aufenthalt, wenn gegen ihn die Untersuchungshaft verhängt wurde. Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung mitzuteilen. Wird ein Asylwerber unter anderem im Fall der Z 3 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf. Nach § 13 Abs. 4 AsylG hat das Bundesamt im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen. Über den BF wurde zu einem Zeitpunkt als er noch Asylwerber war, die Untersuchungshaft verhängt. Es ist daher die Voraussetzung des § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG erfüllt, was dem BF auch mittels Verfahrensanordnung mitgeteilt wurde. Es ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass § 13 Abs. 4 AsylG mit "verfahrensabschließenden Bescheid" den das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz abschließenden Bescheid meint, allerdings wurde gegen den BF hier neben dem Verfahren auf internationalen Schutz ein weiteres Verfahren zur Erlassung eines Einreiseverbots geführt, als der BF noch Asylwerber war, sodass das BFA auch in den diesem Verfahren abschließenden Bescheid berechtigt war, über den Verlust des Aufenthaltsrechts abzusprechen. Die Beschwerde auch gegen diesen Spruchpunkt war daher mit der im Spruch ersichtlichen Maßgabe abzuweisen, zumal sich der BF bereits seit XXXX in Untersuchungshaft befindet und das BFA - offenbar irrtümlich - den Verlust des Aufenthaltsrechts mit dem Datum der Verfahrensanordnung aussprach.

II.3.2.5. Mit Spruchpunkt VI. sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Danach besteht unter anderem dann keine Frist für die freiwillige Ausreise, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Da das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gemäß § 18 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannte, ist die Entscheidung nicht gemäß § 18 BFA-VG durchführbar, sodass § 55 Abs. 1a FPG nicht mehr zur Anwendung kommt. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Der BF befindet sich seit XXXX in Untersuchungshaft und daran anschließend bis dato in Strafhaft. Es ist zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht absehbar, wann der BF entlassen wird. Damit ist der Beginn der Frist für die freiwillige Ausreise mit dem Zeitpunkt der Enthaftung des BF anzusetzen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Fristenlauf gehemmt. Andernfalls käme ein Drittstaatsangehöriger in Strafhaft, wenn die behördliche Entscheidung mehr als 14 Tage vor seiner Enthaftung erlassen wird, nie in den Genuss der freiwilligen Ausreise, was mit Art. 7 der RückführungsRL offenkundig im Widerspruch stünde (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237). Die Frist zur freiwilligen Ausreise war daher mit 14 Tagen festzusetzen, zumal der BF keine Gründe vorbrachte, die eine längere Frist rechtfertigen würden. Das steht jedoch einem etwaigen Vorgehen des BFA nach § 55 Abs. 5 FPG nicht entgegen. Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.

II.3.3. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts Anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (in der Folge GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S. 389 (2010/C 83/02), entgegenstehen.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 GRC hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge des Abs. 2 leg. cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, u.a. (Slg 19.632/2012) zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Vorgängerbestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

Übertragen auf den vorliegenden Beschwerdefall erfordert ein Unterbleiben einer Verhandlung vor dem BVwG somit, dass aus dem Akteninhalt die Grundlage des bekämpften Bescheides jedenfalls unzweifelhaft nachvollziehbar ist.

Der VwGH hat zur Frage der Verhandlungspflicht in Asylverfahren mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 ausgesprochen, dass sich die bisher zu § 67d AVG ergangene Rechtsprechung auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten weitgehend übertragen lässt. Für den Anwendungsbereich der vom BFA-VG erfassten Verfahren ist primär § 21 Abs. 7 BFA-VG und subsidiär § 24 Abs. 4 VwGVG als maßgeblich heranzuziehen. Für die Auslegung der Wendung in § 21 Abs. 7 BFA-VG, "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint", sind nunmehr folgende Kriterien beachtlich: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Auch der EuGH führte zuletzt aus, dass im Lichte des Art. 47 GRC und dessen Auslegung anhand von Art. 6 Abs. 1 EMRK keine absolute Verhandlungspflicht besteht. Die Durchführung einer Verhandlung ist im Zusammenhang mit einer umfassenden ex-nunc-Prüfung der angefochtenen Sache durch das Gericht zu verstehen. Ist das Gericht der Auffassung, dass es den Rechtsbehelf anhand des Akteninhalts - einschließlich der Niederschrift einer persönlichen Anhörung durch die Verwaltungsbehörde - prüfen kann, so muss keine mündliche Verhandlung erfolgen. Ist das Gericht dagegen der Auffassung, dass eine mündliche Verhandlung für die umfassende Beurteilung notwendig ist, so hat es eine solche durchzuführen und darf nicht etwa aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung darauf verzichten. Bei der Frage der Durchführung bzw. des Verzichts auf eine mündliche Verhandlung kommt es vor allem darauf an, ob sich die Rechts- und Tatsachenfragen anhand des Akteninhalts lösen lassen und ob die Informationen aus vorangegangenen Anhörungen durch die Behörde entsprechend umfassend und vollständig sind (EuGH 26.07.2017, C-348/16, Sacko/Commissione Territoriale per il riconoscimento della protezione internazionale di Milano).

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das BFA vorangegangen. Für die in der Beschwerde nicht substantiiert behauptete Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens ergeben sich aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Befragung sowie mehrmalige Belehrung des BF über seine Mitwirkungspflichten und durch die Heranziehung von aktuellen Länderberichten nachgekommen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung des BFA festgestellt und der BF hat seine Gründe klar dargelegt. Das Bundesverwaltungsgericht teilt die tragenden Erwägungen der Beweiswürdigung des BFA im Bescheid. Aus dem Akteninhalt ist die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar. Die erforderliche Aktualität ist gegeben.

Zudem wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in substantiierter Weise behauptet. Dem Bundesverwaltungsgericht liegt daher kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem BF mündlich hätte erörtert werden müssen. Die Ausführungen in der Beschwerde sind nicht geeignet, erheblich erscheinende neue Tatsachen oder Beweise (vergleiche § 10 VwGVG) darzustellen und eine Verhandlungspflicht auszulösen. Im vorliegenden Fall wurde dem BF im Verwaltungsverfahren ausführlich Parteiengehör eingeräumt. Auch unter Berücksichtigung, der vom VwGH im Zusammenhang mit Einreiseverboten immer wieder postulierten Wichtigkeit der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung (etwa VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0200), stellt sich der vorliegende Fall nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes vor allem unter Berücksichtigung des massiven strafrechtlichen Fehlverhalten des BF als eindeutiger Fall dar, in dem bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft, weswegen trotz Antrags von einer Verhandlung abgesehen werden konnte (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0081; 29.06.2017, Ra 2017/21/0068 uva). Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde folglich geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG und unter Berücksichtigung der oben zitierten Judikatur eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

II.3.4. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht, Ausreise, Diebstahl, Einreiseverbot, Frist,
Gefährdung der Sicherheit, Gefährdungsprognose, Interessenabwägung,
Körperverletzung, öffentliches Interesse, Rückkehrentscheidung,
strafrechtliche Verurteilung, Verlusttatbestände

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W158.2178862.2.00

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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