TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/1 W197 2106594-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.10.2019
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Entscheidungsdatum

01.10.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W197 2106594-1/43E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.03.2015, ZI. 1029105409/14894257, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.02.2018, zu Recht erkannt:

A)

I. Das Verfahren wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 28 Abs. 1 iVm 31 Abs. 1 VwGVG wegen Zurückziehung der Beschwerde gegen diese Spruchpunkte eingestellt.

II. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III. wird stattgegeben und gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt. XXXX wird gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 1 und 58 Abs. 2 iVm 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der (zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige) Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise am 19.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 23.03.2015, mit dem es den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abwies, dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilte, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erließ und gemäß § 52 Abs. 9 FPG feststellte, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei; für die freiwillige Frist wurde eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

Am 28.08.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer nach Belehrung seine Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zurückzog, jedoch seine Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ausdrücklich aufrechthielt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX . Sein fiktives Geburtsdatum ist der XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Hazara zugehörig und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer stellte nach unrechtmäßiger Einreise am 19.08.2014 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 28.08.2018 zog der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung sowie nach Belehrung seine Beschwerde vom 02.04.2015 gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.03.2015, ZI. 1029105409/14894257 ausdrücklich zurück.

Der Beschwerdeführer ist als Analphabet nach Österreich gekommen und konnte seine Erstsprache Dari weder lesen noch schreiben. In Österreich hat der Beschwerdeführer umfassende Deutschkenntnisse erworben: Der Beschwerdeführer hat Deutsch großteils im Selbststudium erlernt und die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 mit gutem Erfolg bestanden. Die Durchführung der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.08.2018 war aufgrund der sehr guten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers ohne Zuhilfenahme eines Dolmetschers möglich.

Der Beschwerdeführer lebt seit Stellung des Antrages auf internationalen Schutz am 19.08.2014 durchgehend im Bundesgebiet und ist in Österreich nachhaltig integriert. Der Beschwerdeführer hat für die XXXX gedolmetscht, den Mopedführerschein gemacht, an Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen und einen Lehrgang einer Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule besucht. Er arbeitet nunmehr in Österreich als Koch: Seit Februar 2016 absolvierte der Beschwerdeführer im Bundesgebiet eine Kochlehre; am 10.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer das Abschlusszeugnis der dritten Fachklasse für den Lehrberuf Koch ausgestellt, womit der Beschwerdeführer das Bildungsziel der Berufsschule für den Lehrberuf Koch erreicht und damit die Berufsschulpflicht in diesem Lehrberuf erfüllt. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 18.07.2018 wurde dem Arbeitgeber des Beschwerdeführers für den Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Koch für die Zeit vom 18.07.2019 bis 17.07.2020 im Ausmaß von vierzig Stunden pro Woche und mit einem monatlichen Entgelt von 2183,13 brutto erteilt. Der Beschwerdeführer lebt in einer Privatunterkunft und ist selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über einen großen Freundeskreis und führte zuletzt auch eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsangehörigen, mit der er seine Freizeit verbringt und etwa Wandern und Baden geht. In Österreich lebt weiters ein Bruder des Beschwerdeführers, dem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.03.2017 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der der ebenfalls als Koch arbeitet und in einer eigenen Wohnung lebt. Der Beschwerdeführer hat zu seinem Bruder einen sehr guten Kontakt. Zu allfälligen in Afghanistan lebenden Familienangehörigen hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt, ein über das österreichische Rote Kreuz eingebrachter Suchantrag des Beschwerdeführers blieb bis dato erfolglos.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Namen des Beschwerdeführers, seiner Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seinem Familienstand ergeben sich aus den eigenen und plausiblen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Das fiktive Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem rechtsmedizinischen Sachverständigengutachten zum Lebensalter betreffend den Beschwerdeführer vom 12.10.2014 (AS 125).

Das Datum der Antragstellung ergibt sich - ebenso wie die unrechtmäßige Einreise - aus dem Akteninhalt. Die Feststellung zur Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. ergibt sich ebenso aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Protokoll der Verhandlung vom 28.08.2018.

Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers ergeben sich ebenso aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Von den sehr guten Deutschkenntnissen konnte sich der erkennende Richter in der mündlichen Verhandlung selbst überzeugen; zudem legte der Beschwerdeführer im Rahmen der Verhandlung ein Zertifikat über die bestandene Deutschprüfung auf dem Niveau A2 vor.

Die Feststellungen zu den Lebensumständen und Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere Absolvierung einer Kochlehre, Arbeit als Koch bzw. Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer, Einkommen, Selbsterhaltungsfähigkeit und Unterkunft, soziale bzw. familiäre Kontakte in Österreich) ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren, insbesondere der mündlichen Verhandlung, den im Verfahren vorgelegten Integrationsunterlagen, Empfehlungsschreiben, Zeugnissen und Bestätigungen (vgl. etwa mit Schreiben vom 30.07.2019, 13.05.2019, 03.10.2017 und 20.04.2016 übermittelte Unterlagen sowie im Rahmen der Verhandlung vorgelegte Dokumente) und Auszügen aus dem Zentralen Melderegister sowie dem Betreuungsinformationssystem. Die Feststellungen zu Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in Afghanistan sowie dem Suchantrag des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung sowie dem in der Verhandlung vorgelegten Suchantrag vom 07.06.2016. Die Feststellungen zum Aufenthalt und Status des Bruders des Beschwerdeführers in Österreich sowie dem Kontakt zu diesem ergeben sich ebenso aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung sowie einer Einsichtnahme in die den Bruder des Beschwerdeführers betreffenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A) I.:

Gemäß § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Wird eine Beschwerde zurückgezogen, kommt eine meritorische Entscheidung über die Beschwerde durch das BVwG nicht mehr in Betracht und der Bescheid wird rechtskräftig (vgl. dazu Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) RZ 742).

In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2019] § 28 VwGVG, Anm. 5).

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offenlässt und ein Willensmangel ausgeschlossen werden kann (vgl. VwGH 27.04.2016, Ra 2015/10/0111). Maßgebend ist das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320).

Eine solche Erklärung liegt im gegenständlichen Fall vor, weil der (rechtsvertretene) Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 28.08.2018 die Zurückziehung seiner Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides klar zum Ausdruck gebracht hat. Einer Sachentscheidung durch das Gericht ist damit die Grundlage entzogen.

Eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerk) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens kommt nicht in Betracht, handelt es sich doch bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung iSd. § 31 Abs. 1 VwGVG. Eine Verfahrenseinstellung ist unter anderem dann vorzunehmen, wenn die Beschwerde rechtswirksam zurückgezogen wurde (VwGH 29.04.2015, Zl. Fr. 2014/20/0047).

Da der Beschwerdeführer die Beschwerde ausdrücklich zurückgezogen hat, war das Beschwerdeverfahren mit Beschluss einzustellen.

3.2. Zu Spruchpunkt A) II.:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen: 1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht, 2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder 3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor.

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist weder begünstigte Drittstaatsangehörige noch kommt ihm ein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungs-entscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 08.04.2008, Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich, Appl. 21.878/06; 04.10.2001, Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, 4. der Grad der Integration, 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. auch VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen ist insbesondere das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17.03.2005, G 78/04, zu erwähnen. Demnach ist das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den privaten Interessen bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen.

Wie schon erwähnt, mindert die Tatsache, dass der Aufenthalt nur aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung rechtmäßig ist, das Gewicht der privaten Interessen, die aus einer in dieser Zeit vollzogenen Integration resultieren. Mit Zunahme der Aufenthaltsdauer tritt aber auch der Aspekt des aufenthaltsrechtlichen Status zunehmend in den Hintergrund, sodass in diesem Zeitraum entstandene persönliche oder gar familiäre Bindungen sich auf die Interessenabwägung mitunter entscheidend zugunsten einer Abstandnahme von der Ausweisung auswirken können. Dies setzt naturgemäß voraus, dass keine besonderen Umstände zulasten des Asylwerbers hinzukommen, wie z.B. strafgerichtliche Verurteilungen.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seines Bruders, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, und führte zuletzt auch eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsangehörigen. Zu prüfen ist daher ein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers:

Das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben ist nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Beziehungen beschränkt, sondern erfasst auch faktische Familienbindungen, bei welchen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben. Auch eine aufrechte Lebensgemeinschaft fällt unter das von Art 8 EMRK geschützte Familienleben (VwGH 9.9.2013, 2013/22/0220 mit Hinweis auf E vom 19.3.2013, 2012/21/0178, E vom 30.8.2011, 2009/21/0197, und E vom 21.4.2011, 2011/01/0131).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Artikel 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern beispielsweise auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem Bruder ist mangels Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses, einer Wohngemeinschaft oder sonstiger intensiver Bindungen nicht vom durch Art. 8 EMRK geschützten Familienleben erfasst (fällt jedoch im Rahmen des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK, dazu gleich unten). Die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Freundin, mit welcher ein gemeinsamer Haushalt nicht besteht, fällt demnach ebenfalls nicht in das durch Art. 8 EMRK geschützten Familienleben, wird jedoch im Rahmen des Privatlebens des Beschwerdeführers berücksichtigt (siehe unten).

Ein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers ist demnach zu verneinen.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187; vgl. auch VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN). Es kann jedoch auch nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen "kann" und somit schon allein aufgrund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen wäre (vgl. etwa VwGH 28.01.2016, Ra 2015/21/0191, mwN).

Private Interessen am Verbleib im Bundesgebiet können facettenreich sein. Tendenziell ist eine (regelmäßige) Erwerbstätigkeit und vor allem die damit verbundene Selbsterhaltungs-fähigkeit ein wichtiger Aspekt. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.04.2006, 2005/18/0560, scheint mitentscheidend gewesen zu sein, dass der Beschwerdeführer seit fast fünf Jahren ununterbrochen, noch dazu beim selben Dienstgeber, legal beschäftigt war. Für die wirtschaftliche Integration ist nicht maßgeblich, ob es sich um eine qualifizierte Tätigkeit handelt. Hingegen erachtet der Verwaltungsgerichtshof die Integration als stark gemindert, wenn Unterstützungszahlungen karitativer Einrichtungen oder bloße Gelegenheitsarbeiten den Unterhalt gewährleisten oder erst gegen Ende des mehrjährigen Aufenthalts die Tätigkeit als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter ins Treffen geführt werden kann und bis dahin Sozialhilfe bezogen wurde (vgl. VwGH 11.10.2005, 2002/21/0124; VwGH 22.06.2006, 2006/21/0109; VwGH 05.07.02005, 2004/21/0124 ua.).

Als eine berufliche und soziale Verfestigung, die eine "gelungene Integration" erkennen lässt, wertete der Verwaltungsgerichtshof den Fall eines als Fliesenleger tätigen (ehemaligen) Asylwerbers, der über gute Deutschkenntnisse, einen großen Freundes- und Kollegenkreis verfügte und mit einer Österreicherin im gemeinsamen Haushalt wohnte, wobei auch seine Schwester, eine österreichische Staatsbürgerin, mit ihrer Familie im Bundesgebiet lebte. Aspekte zugunsten des Fremden können daher neben Verwandten und Freunden im Inland auch Sprachkenntnisse, ausreichender Wohnraum und die Teilnahme am sozialen Leben sein. In Anbetracht der meistens nicht sehr langen Aufenthaltsdauer und des "abgeschwächten" Aufenthaltsrechts werden strafgerichtliche Verurteilungen die Interessenabwägung erheblich zu Ungunsten der privaten Interessen verschieben. Weitgehende Unbescholtenheit gilt hingegen als wichtiges Element für die Annahme sozialer Integration (vgl. VwGH 05.07.2005, 2004/21/0124 ua.; sowie Marx, Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen Verwurzelung, ZAR, 2006, 261 ff).

Vor dem Hintergrund der in § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG normierten Integrationstatbestände, die zur Beurteilung eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sind, ist in der gegenständlichen Rechtssache der Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der konkreten Besonderheiten des gegenständlichen Falls aus folgenden Gründen in einer Gesamtschau nicht durch die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen gerechtfertigt:

Der Beschwerdeführer lebt seit über fünf Jahren durchgehend im österreichischen Bundesgebiet. Unter Berücksichtigung oben zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers damit maßgebliche Bedeutung zu. In dieser Zeit entwickelte der Beschwerdeführer ein schützenswertes Privatleben in Österreich, von welchem er den erkennenden Richter insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu überzeugen vermochte. Der Beschwerdeführer vermittelte in dieser den Eindruck einer erheblich überdurchschnittlichen Integration in Österreich und redlichem Streben nach weiterer gelungener Integration in die österreichische Gesellschaft.

Der Beschwerdeführer hat seine Aufenthaltsdauer auch nicht durch wiederholte Stellung unbegründeter Asylanträge zu verlängern versucht (vgl. auch VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0033), sondern war sein einziges Verfahren auf internationalen Schutz seit August 2014 anhängig, ohne dass dem Beschwerdeführer diese lange Verfahrensdauer zur Last gelegt werden kann.

Zudem sind die Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat im Entscheidungszeitpunkt als eher gering anzusehen. Der Beschwerdeführer reiste bereits im August 2014 als damals Minderjähriger in das österreichische Bundesgebiet ein und hat keinen Kontakt zu allfälligen in Afghanistan lebenden Familienangehörigen; ein über das österreichische Rote Kreuz gestellter Suchantrag blieb bisher erfolglos.

Demgegenüber verfügt der Beschwerdeführer in Österreich sowohl in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht über eine fortgeschrittene Integration und hat familiäre Anknüpfungspunkte in Form seines Bruders, dem in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und der ebenfalls in das österreichische Bundesgebiet integriert ist. Der Beschwerdeführer spricht sehr gut Deutsch, absolvierte eine Kochlehre und arbeitet auch derzeit als Koch. Der Beschwerdeführer ist selbsterhaltungsfähig und lebt in einer privaten Unterkunft. Er verfügt in Österreich über einen großen Freundeskreis, war ehrenamtlich tätig, hat an Bildungsveranstaltungen teilgenommen und sich in sein soziales Umfeld außerordentlich gut eingelebt und integriert. Der Beschwerdeführer hatte zuletzt auch eine Freundin, mit der er seine Freizeit verbringt und etwa Wandern und Baden geht.

Dem Umstand, dass der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers stets ein unsicherer war, kommt zwar Bedeutung zu (siehe bereits oben), er hat aber nicht zur Konsequenz, dass der während des unsicheren Aufenthaltes erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen ist (vgl. VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005 mwN.). Vielmehr ist dem Beschwerdeführer zu Gute zu halten, dass er sich trotz seines unsicheren Aufenthaltsstaus von Beginn an um eine soziale und wirtschaftliche Integration bemüht hat.

Festzuhalten ist auch, dass der Beschwerdeführer über die gesamte Zeit hindurch in Österreich unbescholten geblieben ist, wobei die strafgerichtliche Unbescholtenheit allein die persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib in Österreich gemäß der verwaltungsgerichtlichen Judikatur nicht entscheidend zu verstärken vermag (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/0018/0029).

Es wird nicht verkannt, dass den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, u. v.a.), der nur in Ausnahmefällen durch das persönliche Interesse des Einzelnen am Verbleib in Österreich überwogen werden kann. Berücksichtigt man jedoch all oben angeführten Aspekte (vgl. Filzweiser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Stand: 15.01.2016, § 9 BFA-VG, K16; vgl. auch Gachowetz/Schmidt/Simma/Urban, Asyl- und Fremdenrecht im Rahmen der Zuständigkeit des BFA, Verlag Österreich (2017) S. 294), so neben der Aufenthaltsdauer von mehr als fünf Jahren die sehr guten Deutschkenntnisse, die erfolgreiche Absolvierung einer Ausbildung und die wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit sowie die soziale und private Integration im Lebensumfeld und familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet bzw. fehlende Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat, so ist in dem gegenständlichen Fall aus den dargelegten Gründen in einer Gesamtschau und Abwägung aller Umstände das persönliche und private Interesse des Beschwerdeführers an der - nicht bloß vorübergehenden - Fortführung seines Privatlebens in Österreich dennoch höher zu bewerten, als das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens.

Die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid verfügte Rückkehrentscheidung und Abschiebung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan stellt angesichts der obigen Ausführungen somit im Entscheidungszeitpunkt einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK dar.

Da die dargelegten, maßgeblichen Umstände in ihrem Wesen nicht bloß vorübergehend sind, war die Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan auf Dauer für unzulässig zu erklären.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 leg. cit. eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Der Beschwerdeführer übt im Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit aus, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG erreicht wird. Die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall AsylG 2005 ist somit ebenfalls erfüllt.

Es war dem Beschwerdeführer somit gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

Der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" berechtigt gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG. Gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 sind Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 leg.cit. für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" auszufolgen (§ 58 Abs. 7 AsylG 2005).

3.3. Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, sondern ausschließlich das Resultat einer eingehenden Glaubwürdigkeitsauseinandersetzung, basierend auf den konkret im Verfahren präsentierten Angaben der beschwerdeführenden Partei ist. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den Spruchteilen A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich somit auch auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

In vorliegendem Fall liegen daher die Voraussetzungen für die Zulassung der ordentlichen Revision nicht vor, es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus, Deutschkenntnisse, Integration,
Interessenabwägung, Privat- und Familienleben, Rückkehrentscheidung
auf Dauer unzulässig, teilweise Beschwerderückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W197.2106594.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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