TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/28 W270 2222172-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.2019
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Entscheidungsdatum

28.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W270 2222172-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. GRASSL über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 02.07.2019, Zl. XXXX , in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., III., IV., V., und VI. des angefochtenen Bescheids wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG 2014 i. V.m. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stattgegeben und diese Spruchpunkte ersatzlos behoben.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG 2014 i.V.m. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 20.06.2021 gewährt.

B)

Die Revision gegen die Spruchpunkte A.I. und A.II. ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (in Folge: "Beschwerdeführer") stellte am 13.05.2019 einen Antrag auf Verlängerung der im ihm eingeräumten befristeten Aufenthaltsberechtigung. Aufgrund der der belangten Behörde im Zuge des Ermittlungsverfahrens dazu bekannt gewordenen Sachverhaltselementen, leitete die belangte Behörde auch von Amts wegen ein Verfahren zur Aberkennung subsidiären Schutzes wegen geänderter Umstände ein.

2. Am 27.06.2019 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde zu seinem Antrag sowie betreffend die Aberkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter einvernommen.

3. Mit Bescheid vom 02.07.2019, Zl. XXXX , erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den ihm mit Bescheid vom 20.06.2016 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt I.), wies den Antrag vom 13.05.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) Ebenso stellte die belangte Behörde fest, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen damit, dass aufgrund eines vom Europäischen Gerichtshof erlassenen Urteils - konkret in der Rechtssache "Bilali" - eine aktuelle Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes zwingend erforderlich sei. Personen, deren gewährter Schutz auf falschen Daten und Beurteilungen aufbaue, die sich in keiner Situation befänden, die die Voraussetzung für die Gewährung subsidiären Schutzes erfüllen, sei der Schutzstatus abzuerkennen. Wiederholte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs, welche sich auf Richtlinien des UNHCR sowie Einschätzungen des EASO stützen, würden seit Jahren klar zum Ausdruck bringen, dass es keines sozialen oder familiären Netzwerks bedürfe, um von einer tauglichen innerstaatlichen Fluchtalternativen in den Städten Mazar-e Sharif und Herat ausgehen zu können. Dies, sofern es sich bei der betreffenden Person um einen arbeitsfähigen, erwachsenen gesunden Mann handle. Auch hätten sich die subjektiven Umstände des Beschwerdeführers geändert, er habe durch seinen Aufenthalt in Europa einen massiven Zuwachs an Lebenserfahrung erhalten sowie reichlich Berufserfahrung gesammelt und könne außerdem nunmehr auf andere Unterstützungsmöglichkeiten zurückgreifen. Es seien im Verfahren keine Gründe hervorgekommen, die für die Gewährung subsidiären Schutzes sprächen. Auch seien im Verfahren keine Ansatzpunkte hervorgetreten, die die Vermutung einer besonderen Integration des Beschwerdeführers in Österreich rechtfertigen würden. Der Beschwerdeführer spreche zwar Deutsch, gehe jedoch keiner Arbeit nach und verfüge auch nicht über nennenswerte private Kontakte, die ihn an Österreich binden könnten.

4. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom 31.07.2019 werden insbesondere eine Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie eine inhaltliche Rechtswidrigkeit gerügt. Auch moniert die Beschwerde, dass sich aus den Länderberichten ergebe, dass die Sicherheitslage in Afghanistan weiterhin volatil sei und es zu keiner signifikanten Verbesserung gekommen sei. Inwiefern eine maßgebliche Änderung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers eingetreten sei, sei von der belangten Behörde nicht dargelegt worden. Der Beschwerdeführer schloss seiner Beschwerde Sprachzertifikate, eine Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds, eine Kursbesuchsbestätigung des XXXX betreffend einen Basisbildungskurs, seinen Dienstvertrag für die Zeit vom 01.06.2017 bis 30.09.2017, ein Dienstzeugnis der Marktgemeinde XXXX für den Zeitraum vom 01.06.2017 bis 09.02.2018, eine Bestätigung seines Lehrvertrages für die Lehrzeit vom 01.07.2019 bis 30.06.2022 der Wirtschaftskammer XXXX , ein Zeugnis über die Pflichtschulabschluss-Prüfung an der XXXX , ein Zeugnis zur Integrationsprüfung sowie Unterstützungsschreiben an.

5. Am 28.08.2019 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in deren Rahmen der Beschwerdeführer ergänzend einvernommen wurde.

6. Mit Stellungnahme vom 03.09.2019 legte der Beschwerdeführer seinen Lehrvertrag sowie ein Bestätigungsemail von XXXX betreffend das Aufkommen für Kost und Logis für die Dauer des Lehrverhältnisses durch den Lehrherrn des Beschwerdeführers vor.

II. Feststellungen:

1. Zur Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter sowie der Verleihung und Verlängerung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung:

1.1. Mit Bescheid vom 20.06.2016, Zl. XXXX , erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 20.06.2017.

1.2. Die belangte Behörde stellte auf S. 8f des Bescheids vom 20.06.2016 u.a. fest, dass der Beschwerdeführer volljährig, grundsätzlich gesund und arbeitsfähig sei. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre dem Beschwerdeführer jedoch die Lebensgrundlage gänzlich entzogen, weil er über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke in Afghanistan verfüge. Feststellungen zum Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers oder einer diesem allenfalls offenstehendenden innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan traf die belangte Behörde nicht.

1.3. Die belangte Behörde traf u.a. folgende Feststellungen zur Lage in Afghanistan betreffend die Situation von Rückkehrern (S. 43f des Bescheids vom 20.06.2016):

"In den letzten zehn Jahren sind im Rahmen der freiwilligen Rückkehr durch UNHCR 3.5 Millionen afghanische Flüchtlinge zurückgekehrt. Insgesamt sind 5.8 Millionen Afghaninnen und Afghanen aus verschiedenen Teilen der Welt nach Afghanistan zurückgekehrt. USDOS berichtet, dass in den Jahren von 2002 bis 2014, Finanzierungen verwendet wurden um Transportkosten und anfängliche Notwendigkeit bei Rückkehr, für mehr als 4.7 Millionen zur Verfügung zu stellen. Somit hat eine große Zahl der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund. Im Jahr 2015 sind 50.000 afghanische Flüchtlinge aus Pakistan im Rahmen des Programms der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan zurückgekehrt.

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Rückkehrer aus Iran und Pakistan stark gestiegen. 2014 lag die Zahl der Rückkehrer bei knapp 17.000, davon über 12.000 aus PAK. Bis Ende Oktober 2015 sind im laufenden Jahr fast 56.000 zurückgekehrt, davon über 53.000 aus Pakistan. Zwei Drittel der Rückkehrer siedeln sich in fünf Provinzen an: Kabul, Nangarhar, Kunduz, Logar und Baghlan. Laut UNHCR-Afghanistan kehrten im Jahr 2014 insgesamt 17.000 Menschen freiwillig nach Afghanistan zurück. Die Kapazität der Regierung Rückkehrer/innen aufzunehmen war auch weiterhin niedrig. Die Zahl der Rückkehrer/innen während des Jahres 2014 verringerte sich aufgrund von Unsicherheiten in Bezug auf die Sicherheitslage im Rahmen der Post-Transitionszeitraumes und aufgrund des Auslaufens der proof of Residence Card (PoR Card) für afghanische Flüchtlinge in Pakistan. In Pakistan werden etwa 1.5 Millionen afghanische Flüchtlinge, die im Besitz einer PoR Card sind von UNHCR unterstüzt.

Die afghanische Regierung kooperierte auch weiterhin mit UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration (IOM), sowie anderen humanitären Organisationen, um intern vertrieben Personen, Flüchtlingen, Rückkehrer/innen und andern Menschen Schutz und Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Regierungsunterstützung für vulnerable Personen, inklusive Rückkehrer/innen aus Pakistan und Iran, war gering, mit einer anhaltenden Abhängigkeit von der internationalen Gemeinschaft. Die Reintegration von Rückkehrer/innen war schwierig. Rückkehrerinnen und Rückkehr hatten angeblich gleichwertigen Zugang zu Gesundheits-, Bildungs- und anderen Leistungen, obwohl manche Gemeinden, die für Rückkehrer/innen vorgesehen waren, angaben, dass eingeschränkter Zugang zu Transport und Straßen zu größeren, besser etablierten Dörfern und städtischen Zentren fehlte. Dies erschwerte den Zugang zu Dienstleistungen und wirtschaftlichen Möglichkeiten.

In Iran und Pakistan halten sich derzeit noch ca. 3 Millionen afghanische Flüchtlinge auf. Dazu kommen nicht registrierte Afghanen, die von der iranischen Regierung jedoch nicht als Flüchtlinge anerkannt sind. Insbesondere von iranischer Seite, in Teilen auch von Pakistan, werden sie gelegentlich als politisches Druckmittel gegenüber Afghanistan ins Feld geführt. Gleichzeitig gelten die Flüchtlinge auch als günstige Arbeitskräfte. In Afghanistan wird zwischen Rückkehrern aus den Nachbarstaaten Iran und Pakistan (die größte Gruppe afghanischer Flüchtlinge) und freiwilliger Rückkehr oder Abschiebung aus v.a. westlichen Staaten unterschieden. Für Rückkehrer aus den genannten Nachbarländern leistet UNHCR in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung bestehen Probleme in der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, so dass Hilfe nicht immer dort ankommt, wo Rückkehrer sich niedergelassen haben.

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, die Niederlande und Schweden haben mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Von Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien ist bekannt, dass diese Länder abgelehnte Asylbewerber afghanischer Herkunft nach Afghanistan abschieben. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Einige Länder arbeiten eng mit IOM in Afghanistan zusammen, insbesondere auch, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet psychologische Betreuung, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche an.

Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bin hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani selbst verbrachte die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil."

1.4. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde u.a. aus, dass die getroffenen Feststellungen zur Situation bei Rückkehr anhand von Informationen zur Sicherheitslage getroffen wurden. Darüber hinaus hätte sich der Beschwerdeführer von seinem zwölften Lebensjahr an im Iran aufgehalten und verfüge über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke in Afghanistan. Daher wäre ihm in seinem Heimatland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen.

1.5. Rechtlich folgerte die belangte Behörde (AS 198f) daraus, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer "realen Gefahr" i.S.d. Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Dies in Anbetracht der derzeitigen Sicherheits- und Versorgungslage sowie der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keine Kernfamilie habe und somit über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke verfüge.

1.6. Mit Bescheid vom 13.06.2017, Zl. XXXX , erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 20.06.2019.

1.7. Am 13.05.2019 brachte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde den Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes ein.

2. Zu möglichen geänderten Umständen:

2.1. Zur derzeit maßgeblichen Lage in Afghanistan:

2.1.1. Zur Lage von Rückkehrern:

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück.

Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern).

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten.

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten. Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet. Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden.

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor. IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung. In Kooperation mit Partnerinstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert. IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an. ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind. AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird.

NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an. Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten. Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein. Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und 14.000 Afghani Förderung ausbezahlt. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden.

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben.

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten.

(Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019 [in Folge: "LIB"], Abschnitt 24. "Rückkehr")

2.1.2. Zur selben Ethnie als soziales Netzwerk:

Nach Angaben des Mitarbeiters in der lokalen Forschungseinrichtung reicht es nicht aus, die gleiche ethnische Herkunft an sich zu haben, um die Unterstützung zu aktivieren; Menschen der gleichen Ethnie unterstützen sich nicht automatisch gegenseitig. Ein Afghane kann nicht an eine Tür in der Nachbarschaft klopfen - auch wenn die Bewohner der Gegend derselben ethnischen Herkunft sind - und erwartet Unterstützung. Eine solche Person würde auf Misstrauen stoßen; wer ist er und was macht er hier? Laut der Quelle muss es in einem solchen Fall auch einen Ansprechpartner geben; sie müssen sich kennen und eine Art Beziehung haben, z.B. müssen sie aus demselben Dorf stammen, im gleichen Flüchtlingslager gelebt haben oder zusammen zur Schule gegangen sein. In solchen Fällen, so die Quelle, sei es schwer, keine Unterstützung zu leisten - zumindest für kurze Zeit. Es kann ein Bett für ein paar Nächte sein, während der Gast eine dauerhafte Lösung für seine Situation findet. Analyst Fabrizio Foschini erklärt auch, dass zum Beispiel in Kabul eine gemeinsame Ethnie keine Garantie für mehr Sicherheit ist; "nur wenn ein gemeinsamer Hintergrund hinzukommt, kann ein gewisses Maß an Gegenseitigkeit und Zusammenarbeit vorausgesetzt werden". Thomas Barfield erklärt, dass in den Städten Geld wichtiger ist als Verwandtschaft. In Kabul zum Beispiel jagen illegale bewaffnete Gruppen vor allem ihre Mitbürger.

(Auszug aus EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan Networks, Februar 2018 [in Folge: "EASO-Bericht Netzwerke"], Abschnitt 1.3.)

2.1.3. Änderungen im Hinblick auf die Sicherheitslage sowie die sonstigen sozioökonomischen Rahmenbedingungen für Neuansiedler in den Städten Mazar-e Sharif sowie Herat:

Die Sicherheitslage und die - nicht bereits unter den Pkt. II.2.1.1. sowie II.2.1.2. behandelten - sozioökonomischen Rahmenbedingungen betreffend die Grundversorgung der Bevölkerung, die sanitäre Situation, die medizinische Versorgungssituation den Zugang zu Wohnraum- und Erwerbstätigkeiten sowie die allgemeinen Lebensbedingungen in den Städten Herat sowie Mazar-e Sharif haben sich gegenüber der Lage bzw. den Bedingungen im Mai 2016 nicht nachhaltig bzw. wesentlich verbessert.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

2.2.1. Der Beschwerdeführer trägt den Namen " XXXX ". Er ist afghanischer Staatsangehöriger und wurde am XXXX in der Provinz Uruzgan, im Distrikt Khas Urozgan, im Dorf XXXX geboren und lebte dort bis zu seinem zwölften Lebensjahr, in welchem er gemeinsam mit anderen Jugendlichen in den Iran ausreiste. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

2.2.2. Der Beschwerdeführer arbeitete in Afghanistan in der familieneigenen Landwirtschaft, im Iran war er auf Baustellen tätig.

2.2.3. In der Heimatprovinz des Beschwerdeführers in Afghanistan leben noch ein Bruder sowie ein Onkel väterlicherseits und Cousins des Beschwerdeführers. Außerdem lebt auch sein Onkel mütterlicherseits in Afghanistan. Der Beschwerdeführer steht mit keinem seiner in Afghanistan lebenden Verwandten in Kontakt. Ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers lebt im Iran, mit diesem steht der Beschwerdeführer regelmäßig in Kontakt. Der ihm Iran wohnhafte Bruder des Beschwerdeführers kann ihn jedoch mangels finanzieller Möglichkeiten - der Bruder verdient gerade genug um sich selbst zu erhalten - nicht unterstützen.

2.2.4. Der Beschwerdeführer arbeitet in Österreich seit 01.07.2019 als Lehrling für den Lehrberuf Koch bei der XXXX . Seine dreijährige Lehrzeit endet am 30.06.2022. Für die Dauer seines Lehrverhältnisses erhält der Beschwerdeführer kostenlose Kost und Logis an seiner Arbeitsstelle. Davor arbeitete der Beschwerdeführer von 01.06.2017 bis 09.02.2018 als Vertragsbediensteter bei der Marktgemeinde XXXX . Er war dort dem Wirtschaftshof zugeteilt. Seine Tätigkeitsbereiche umfassten im Wesentlichen Hilfsdienste bei den Gärtnerarbeiten, Mitarbeit bei der allgemeinen Ortsbildpflege und Winterdiensteinsatz.

2.2.5. Der Beschwerdeführer hat im Dezember 2017 das B1-Sprachzertifikat für die deutsche Sprache erlangt. Aktuell kommuniziert der Beschwerdeführer auf dem Deutschsprachniveau B2 des gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Der Beschwerdeführer bestand seinen Pflichtschulabschluss am 11.02.2019 und legte seine Integrationsprüfung am 03.12.2018 ab. Von 16.08.2017 bis 22.12.2017 absolvierte der Beschwerdeführer im Bildungszentrum XXXX den Basisbildungskurs im Ausmaß von 400 Unterrichtseinheiten, welcher die Gegenstände Deutsch, Mathematik, Englisch, IKT und soziales Lernen umfasste. Er hat überdies am 14.09.2016 am "Werte- und Orientierungskurs" des Österreichischen Integrationsfonds teilgenommen.

2.2.6. Der Beschwerdeführer hat in Österreich eine Patenfamilie, die Familie " XXXX ", welche ihn maßgeblich bei seinen Integrationsbemühungen unterstützt. Sie stehen regelmäßig, ein Mal pro Woche, in Kontakt. Der beste Freund des Beschwerdeführers ist der ebenfalls aus Afghanistan stammende " XXXX ". Mit ihm bewohnte der Beschwerdeführer auch gemeinsam die von der Familie " XXXX " zur Verfügung gestellte Wohnung.

III. Beweiswürdigung:

1. Zu den Feststellungen zur Zuerkennung und Verlängerung des Status als subsidiär Schutzberechtigter sowie zur gegenständlichen Antragstellung:

Die Feststellungen zur Zuerkennung und Verlängerung des Status als subsidiär Schutzberechtigten sowie zur gegenständlichen Antragstellung folgen aus den in den vorlegten Akten einliegenden Bescheiden.

2. Zu den Feststellungen zu möglichen geänderten Umständen:

2.1. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Lage in Afghanistan:

2.1.1. Die Feststellungen zur maßgeblichen Lage in Afghanistan beruhen einerseits auf den nachvollziehbaren und aktuellen Angaben - dies auch vor dem Hintergrund des nunmehr veröffentlichten Länderinformationsblattes vom 13.11.2019, welches hinsichtlich der gegenständlich relevanten Abschnitte zu keinen geänderten Schlussfolgerung veranlässt - der Staatendokumentation. Sie wurden auch bereits von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffen. Die vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde genannten weiteren Beweismittel zur Lage in Afghanistan entsprechen im Wesentlichen den getroffenen, auf aktuelleren Berichten beruhenden, Feststellungen. Dementsprechend sah sich das erkennende Gericht nicht veranlasst, vor dem Hintergrund dieses Vorbringens, zusätzliche oder anderslautende Feststellungen zu treffen oder weitere Ermittlungsschritte zu setzen.

2.1.2. Die Feststellungen zu Lage in Afghanistan beruhen andererseits auch auf einem, vom Bundesverwaltungsgericht zusätzlich in das Verfahren eingeführten, nachvollziehbaren Bericht des EASO aus Februar 2018 betreffend die Funktionsweise und Bedeutung von Netzwerken in der afghanischen Gesellschaft. Dieser Bericht blieb von den Parteien unbestritten.

2.1.3. Die Feststellungen betreffend den Vergleich der Sicherheitslage folgen aus einer Gegenüberstellung der Ausführungen zur Sicherheitslage auf den S. 14 bis 22 des Bescheids vom 20.06.2016 mit dem LIB in der Fassung der Kurzinformation vom 04.06.2019 und den dortigen Ausführungen zur Sicherheitslage in den Städten Mazar-e Sharif und Herat. Die Feststellungen betreffend die sozioökonomischem Rahmenbedingungen gründen auf einem Vergleich der Feststellungen auf den S. 39 bis 40 des im Vorsatz erwähnten Bescheids mit den Ausführungen im LIB in der Fassung der Kurzinformation vom 04.06.2019 sowie dem nachvollziehbaren und von den Verfahrensparteien als solches unbestritten gebliebenen Bericht des EASO über sozioökonomische Rahmenbedingungen u.a. in den Städten Mazar-e Sharif und Herat vom April 2019 (abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_COI_Afghanistan_KSEI_April_2019.pdf, abgerufen am 21.11.2019).

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers sowie insbesondere zu seinen Verwandtschaftsverhältnissen und allfälligen Unterstützungsmöglichkeiten durch seinen Bruder beruhen auf den nicht als unglaubwürdig zu erkennenden Angaben des Beschwerdeführers sowohl in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht als auch vor der belangten Behörde (s. die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht [in Folge: "VHS"] S. 4ff sowie AS 6ff) sowie der im Rahmen der Beschwerde und mit Stellungnahme vom 03.09.2019 vorgelegten Urkunden, an deren Echtheit und Richtigkeit sich das erkennende Gericht nicht zu zweifeln veranlasst sah.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A.I.: Ersatzlose Behebung der Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheids

1. Maßgebliche Rechtslage:

1.1. Unionsrecht:

1.1.1. Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in Folge: "Statusrichtlinie") lautet samt Überschrift:

"Interner Schutz

(1) Bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz können die Mitgliedstaaten feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern er in einem Teil seines Herkunftslandes

a) keine begründete Furcht vor Verfolgung hat oder keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht oder

b) Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden gemäß Artikel 7 hat,

und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei Prüfung der Frage, ob ein Antragsteller begründete Furcht vor Verfolgung hat oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden in einem Teil seines Herkunftslandes gemäß Absatz 1 in Anspruch nehmen kann, berücksichtigen die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers gemäß Artikel 4. Zu diesem Zweck stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, eingeholt werden."

1.1.2. Art. 16der Statusrichtlinie lautet samt Überschrift:

"Erlöschen

(1) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser hat keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist.

(2) Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

(3) Absatz 1 findet keine Anwendung auf eine Person, der subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, die sich auf zwingende, auf früher erlittenem ernsthaftem Schaden beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, oder wenn sie staatenlos ist, des Landes, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, abzulehnen."

1.1.3. Art. 19 der Statusrichtlinie lautet samt Überschrift:

"Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus

(1) Bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG gestellt wurden, erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Artikel 16 nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.

(2) Die Mitgliedstaaten können einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus aberkennen, diesen beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn er nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß Artikel 17 Absatz 3 von der Gewährung subsidiären Schutzes hätte ausgeschlossen werden müssen.

(3) Die Mitgliedstaaten erkennen einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen eine Verlängerung ab, wenn

a) er nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß Artikel 17 Absätze 1 und 2 von der Gewährung subsidiären Schutzes hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist;

b) eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen seinerseits, einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente, für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend war.

(4) Unbeschadet der Pflicht des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, gemäß Artikel 4 Absatz 1 alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen, weist der Mitgliedstaat, der ihm den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, in jedem Einzelfall nach, dass die betreffende Person gemäß den Absätzen 1 bis 3 dieses Artikels keinen oder nicht mehr Anspruch auf subsidiären Schutz hat."

1.2. Nationales Recht:

1.2.1. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 lautet samt Überschrift:

"Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

1.2.2. § 9 Abs. 1 AsylG 2005 lautet samt Überschrift:

"Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

2. Anwendung auf den gegenständlichen Fall:

Streitwesentliche Bescheidbegründung und streitwesentliches Vorbringen der Parteien

2.1. In ihrer rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheids geht die belangte Behörde auf S. 95f vor dem Hintergrund des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zusammengefasst davon aus, dass aufgrund des Urteils des EuGH vom 23.05.2019, Rs. C-720/17, Bilali (in Folge: "Urteil Bilali" oder "Rechtssache Bilali"), eine aktuelle Prüfung der Notwendigkeit des subsidiären Schutzes zwingend erforderlich sei. So würde es der Statusrichtlinie widersprechen, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellungen Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck internationalen Schutzes aufweisen. Personen, deren gewährter Schutz auf falschen Daten und Beurteilungen aufbaue und die sich in keiner Situation befinden, welche die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes erfüllen, stehen somit in keinem Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes. Damit sei der nicht rechtmäßig gewährte Status auch jedenfalls abzuerkennen, wenn der Irrtum hinsichtlich der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen zur Gewährung des Schutzes festgestellt wird. Wenn also niemals eine tatsächliche Gefahr bestanden habe, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie zu erleiden, welche die Gewährung des subsidiären Schutzes gerechtfertigt hätte, müsse daraus geschlossen werden, dass sich die Gründe, die zur Zuerkennung des Status geführt haben, in einer Weise geändert haben, dass die die Aufrechterhaltung bzw. die Notwendigkeit des Status nicht mehr gerechtfertigt sei.

2.2. Wiederholte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtsgerichtshofs, so die belangte Behörde weiter, diese gestützt auf Richtlinien des UNHCR und Einschätzungen des EASO brächten seit Jahren klar zum Ausdruck, dass kein soziales oder familiäres Netzwerk erforderlich sei, um von einer tauglichen IFA in den Städten Mazar-e-Sharif und Herat ausgehen zu können, sofern es sich bei der betreffenden Person um einen arbeitsfähigen, erwachsenen und gesunden Mann handle. Wenn es also in einem so gelagerten Fall, wie dem des Beschwerdeführers zur Gewährung subsidiären Schutzes kam, ohne dass individuelle, relevante Gründe hinzugekommen wären, so erfolgte diese Gewährung aufgrund der ausbleibenden Berücksichtigung einer zwingenden Voraussetzung; nämlich der ordnungsgemäßen Prüfung des Vorliegens einer tauglichen innerstaatlichen Fluchtalternative.

2.3. Im Fall des Beschwerdeführers, seien die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht - in Klammer gesetzt - mehr vorliegend, umso mehr der Beschwerdeführer auch im verwaltungsbehördlichen Verfahren nichts vorgebracht oder glaubhaft gemacht habe, dass eine aktuell vorliegende Gefährdung seiner Person annehmen ließe.

2.4. Im Rahmen der Beweiswürdigung hält die belangte Behörde ab S. 91ff des angefochtenen Bescheids auch fest, dass dem Beschwerdeführer im Jahr 2016 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, weil er "damals (zum Entscheidungszeitpunkt) über keine nahestehenden Verwandten in Afghanistan verfügt haben" solle, und somit hätte davon ausgegangen werden müssen, dass der Beschwerdeführer in seinem "Heimatland nicht zumutbar leben" hätte können. Nun seien nach aktuellen Länderinformationen Teile des Heimatlandes des Beschwerdeführers nach wie vor als ausreichend stabil zu bewerten und dem Beschwerdeführer sei außerdem noch eine Neuansiedlung in den Städten Mazar-e Sharif und Herat zuzumuten, weil er ein gesunder Mann im erwerbsfähigen Alter sei. Weiters habe er Arbeitserfahrung als Hilfsarbeiter gesammelt und darüber hinaus - hier in Österreich - an Arbeitserfahrung dazu gewonnen. Aus diesen Gründen sei festzustellten, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr für seine Existenzsicherung aufkommen könne. Auch ein fehlender sozialer Background bzw. fehlende Unterstützung in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif würden nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Neuansiedlung in diesen Städten führen, weil der Beschwerdeführer als erwachsener, arbeitsfähiger und gesunder Mann seinen Lebensunterhalt in eigener Regie organisieren und bewerkstelligen und dabei im Bedarfsfall auch auf die diversen Unterstützungsnetzwerke - internationale und nationale Rückkehrorganisationen bzw. NGO¿s - zurückgreifen könne.

2.5. In ihren beweiswürdigenden Erwägungen ab S. 92 des angefochtenen Bescheids führt die belangte Behörde insbesondere noch aus, dass dem Beschwerdeführer im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt eine Rückkehr nach Afghanistan, speziell nach Mazar-e Sharif oder Herat zuzumuten sei, weil er aufgrund des langjährigen Aufenthaltes in Europa einen massiven Zuwachs an Lebenserfahrung sowie auch reichlich Berufserfahrung gesammelt habe, so dass er auch auf sich alleine gestellt seinen Lebensunterhalt in Afghanistan bestreiten könne. Er müsse im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan über kein soziales oder familiäres Netzwerk verfügen. Allerdings könne er sein Leben in einer der beiden genannten Städte zumutbar bestreiten, weil ihn auch seine Familie unterstützen könne, ein funktionierendes Bankwesen sei in Afghanistan vorhanden. Die belangte Behörde wies auch auf das Netzwerk der Volksgruppe der Hazara, welcher der Beschwerdeführer angehöre sowie auf internationale und nationale Unterstützungsmöglichkeiten hin.

2.6. Die Beschwerde führt dazu im Wesentlichen aus, dass der Bescheid in seinem Spruch gar nicht konkretisiere, ob die Aberkennung des Schutzstatus auf den ersten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 oder den zweiten Fall gestützt wurde. In der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer dar, dass sich die Behörde im Hinblick auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung sowie in der rechtlichen Beurteilung auf § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 stütze (vgl. VHS S. 3). Im ersten Fall stelle das Gesetz darauf ab, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nie vorgelegen seien. Dieser Tatbestand korrespondiere mit Art. 19 Abs. 3 lit. b der Statusrichtlinie. Danach erfolge eine Aberkennung oder Nichtverlängerung des Status dann, wenn eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen, einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend war. Die unionsrechtliche Grundlage für den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, in welchem also die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, sei Art. 19 Abs.1 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie. Die Beschwerde verweist auch auf die Gesetzesmaterialien zu § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 und führt aus, dass der Gesetzgeber eine nähere Abgrenzung zwischen den Begriffen "nicht mehr vorliegen" und "nicht" nicht vornehme. § 9 AsylG 2005 könne nur unionsrechtskonform interpretiert werden.

2.7. Die Beschwerde führte zusammengefasst auch noch aus, dass eine dauerhafte und nachhaltige Verbesserung der Lage in Afghanistan bzw. an einem, als innerstaatliche Fluchtalternative in Frage kommenden Ort, nicht erkennbar sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar wie die in Österreich angeeigneten Erkenntnisse für den Beschwerdeführer bei Rückkehr nach Afghanistan von Vorteil sein könnten und zu einer wesentlichen Änderung der Umstände im Falle einer Rückkehr führen sollten. Es sei außerdem der Familie, konkret dem im Iran lebenden Bruder des Beschwerdeführers nicht möglich, diesen im Fall einer Rückkehr zu unterstützen. Der Beschwerdeführer habe auch kein Netzwerk in Afghanistan, auf welches er zurückgreifen könne, weil er zu seinem Onkel und seinem anderen Bruder seit seinem zwölften Lebensjahr keinen Kontakt mehr habe. Die Beschwerde führte auch noch zur Beschränktheit von Rückkehrunterstützungsprogrammen aus.

2.8. Die Beschwerde ist letztlich im Recht:

Zur möglichen Erfüllung von § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005

2.9. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der (1.) in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder (2.) dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn in den Fallen 1. oder 2. eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden u.a. dann der Status als subsidiär Schutzberechtigter abzuerkennen wenn die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Status "nicht" (1. Fall) oder "nicht mehr" (2. Fall) gegeben sind.

2.10. Gegenständlich ist, wie von der Beschwerde zu Recht moniert, aus dem Spruch des bekämpften Bescheides nicht eindeutig zu entnehmen, ob die belangte Behörde von der Erfüllung des ersten Falls, des zweiten Falls oder ohnedies beider Fälle von § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ausging. In der Bescheidbegründung stützt sich die belangte Behörde überwiegend auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005. Wie im Folgenden näher darzustellen ist, fehlt es nach den getroffenen Feststellungen allerdings an den Voraussetzungen im Hinblick auf beide möglichen Fälle einer Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005:

2.11. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 verfolgt das Ziel sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt. Dies lässt sich auch den Materialien zum Fremdenrechtspaket 2005, kundgemacht mit BGBl. BGBl. I Nr. 100/2005 entnehmen, indem betont wird, dass der Fremde auch in einem solchen Fall den Schutz Österreichs nicht mehr benötige. Während der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 die Konstellation erfasst, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiären Schutz die dafür notwendige Voraussetzung nicht erfüllt hat, betrifft der von der Behörde und vom Bundesverwaltungsgericht hier zur Anwendung gebrachte § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind. Dies steht im Einklang mit Art. 19 Abs. 1 Statusrichtlinie, wonach bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG gestellt wurden, die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus aberkennen, diesen beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn die betreffende Person gemäß Art. 16 StatusRL nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz. 77f, unter Hinweis auf das erwähnte Urteil des EuGH vom 23.05.2019, und darin Rz. 44ff).

2.12. Unbeschadet der Pflicht des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, gemäß dem Art. 4 Abs. 1 Statusrichtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen, weist gemäß Art. 19 Abs. 4 leg. cit. der Mitgliedstaat, der ihm den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, in jedem Einzelfall nach, dass die betreffende Person gemäß den Abs. 1 bis 3 dieses Artikels keinen oder nicht mehr Anspruch auf subsidiären Schutz hat (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz. 78).

2.13. Zunächst ist in Erinnerung zu rufen, dass die von Amts wegen durch die belangte Behörde wie auch durch das Bundesverwaltungsgericht zu prüfende Frage, ob einem Antragsteller auf internationalem Schutz eine - ihm auch zumutbare - innerstaatliche Fluchtalternative i.S.d. § 11 AsylG offensteht oder nicht eine Frage der rechtlichen Beurteilung ist, welche auf Grundlage entsprechender Sachverhaltsfeststellungen zu beantworten ist (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0217, Rz. 15). "Zumutbar" bedeutet i.S. einer Auslegung konform mit Art. 8 der Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/02/0096, m.w.N.). Dabei reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er im als innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Vielmehr muss es ihm möglich sein, in diesem Gebiet nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landesleute führen können (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, Rz. 23). Betreffend die Sicherheitslage wiederum muss mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der Asylwerber im als innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würde, findet (vgl. VwGH 17.09.2019, Ra 2019/14/0160, Rz. 37). Diese Fragen sind auf Grundlage ausreichender Sachverhaltsfeststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit zu beantworten (vgl. VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, m.w.N.).

2.14. Zwar führt die belangte Behörde auf S. 96f des angefochtenen Bescheids aus, dass es in einem so gelagerten Fall, wie dem des Beschwerdeführers, nur deshalb zur Gewährung subsidiären Schutzes gekommen sei, weil die Berücksichtigung einer zwingenden Voraussetzung, nämlich der ordnungsgemäße Prüfung des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative, ausgeblieben sei. Dabei ist, wie bereits im Vorabsatz ausgeführt, die belangte Behörde jedoch darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative um eine Rechtsfrage handelt. Auf Sachverhaltsebene festzustellen sind die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers und die allgemeinen Umstände im Herkunftsstaat, am möglichen Ort einer tauglichen innerstaatlichen Fluchtalternative bzw. zu dessen Erreichbarkeit von Österreich aus. Anhand dieser Fakten ist dann die Frage der Zumutbarkeit im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu bejahen oder zu verneinen.

2.15. Ausgehend von getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Afghanistan sowie zu persönlichen Umständen des Beschwerdeführers (konkret: dem Fehlen tragfähiger familiärer oder sozialer Anknüpfungspunkte in diesem Land) zog die belangte Behörde im Bescheid vom 20.06.2016 die rechtliche Schlussfolgerung, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorlagen (s. S. 53 des Bescheids vom 20.06.2016)

2.16. Nunmehr vertritt die belangte Behörde jedoch unter Hinweis auf das Urteil Bilali die Auffassung, dass vor dem Hintergrund einer unveränderten Tatsachenlage auch dann nach § 9 Abs. 1 Z 1 1. Fall AsylG 2005 abzuerkennen wäre, wenn die Gewährung des subsidiären Schutzes erfolgte, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt waren.

2.17. Dem im Vorabsatz erwähnten Urteil des EuGH lag die Frage zugrunde, ob die unionsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere Art. 19 Abs. 3 der Statusrichtlinie einer nationalen Bestimmung eines Mitgliedstaats betreffend die Möglichkeit der Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten entgegenstehen, wonach auf Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erkannt werden kann, ohne dass sich die für die Zuerkennung relevanten Tatsachenumstände selbst geändert haben, sondern nur der diesbezügliche Kenntnisstand der Behörde eine Änderung erfahren hat und dabei weder eine falsche Darstellung noch das Verschweigen von Tatsachen seitens des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend waren. Hintergrund war ein Irrtum über die Staatsangehörigkeit des dortigen Antragstellers (vgl. Urteil des vom EuGH 23.05.2019, Rz. 38).

2.18. Zu dieser Frage führte der EuGH in den Erwägungsgründen 40 bis 44, 47 bis 49 und 51 des erwähnten Urteils wörtlich aus:

"40 In Art. 19 der Richtlinie 2011/95 sind die Fälle festgelegt, in denen die Mitgliedstaaten den Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkennen, beenden oder seine Verlängerung ablehnen können oder müssen.

41 In diesem Zusammenhang ist zweitens darauf hinzuweisen, dass Art. 19 Abs. 3 Buchst. b dieser Richtlinie, wie das vorlegende Gericht ausführt, den Verlust des subsidiären Schutzstatus nur für den Fall vorsieht, dass der Betroffene etwas falsch dargestellt oder verschwiegen hat und dies bei der Entscheidung, ihm diesen Status zuzuerkennen, ausschlaggebend war. Des Weiteren sieht keine andere Bestimmung dieser Richtlinie ausdrücklich vor, dass der genannte Status dann aberkannt werden muss oder kann, wenn die betreffende Entscheidung über die Zuerkennung wie im Ausgangsverfahren ohne eine falsche Darstellung oder das Verschweigen seitens des Betroffenen aufgrund unzutreffender Tatsachen getroffen wurde.

42 Drittens ist jedoch festzustellen, dass Art. 19 der Richtlinie 2011/95 auch nicht ausdrücklich ausschließt, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten verloren gehen kann, wenn sich der Aufnahmemitgliedstaat gewahr wird, dass er diesen Status aufgrund unzutreffender, nicht dem Betroffenen zuzurechnender Daten gewährt hat.

43 Es ist daher zu prüfen, ob unter Berücksichtigung auch der Zielsetzung und der allgemeinen Systematik der Richtlinie 2011/95 auf eine solche Situation einer der anderen Gründe für den Verlust des subsidiären Schutzes anwendbar ist, die in Art. 19 der Richtlinie 2011/95 aufgeführt sind.

44 Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass es der allgemeinen Systematik und den Zielen der Richtlinie 2011/95 widersprechen würde, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellungen Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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