TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/4 W217 2166429-1

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Veröffentlicht am 04.12.2019
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Entscheidungsdatum

04.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W217 2166429-1/7E

W217 2166431-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer, Herr XXXX (in der Folge BF1), und die Zweitbeschwerdeführerin, Frau XXXX (in der Folge BF2), reisten illegal in Österreich ein und stellten am 05.08.2015 Anträge auf internationalen Schutz.

1.1. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe der PI Traiskirchen EASt am 07.08.2015 gaben die Beschwerdeführer an, sie seien Angehörige der Sikh und verheiratet. Sikh würden in Afghanistan von den Moslems misshandelt und zur Bekehrung gezwungen. Nach dem Tod ihres Sohnes hätten sie um ihr Leben gefürchtet, daher hätten sie von Freunden Geld gesammelt, um das Land verlassen zu können. Da ihr einziger Sohn tot sei, hätten sie niemanden, der sich um sie kümmere bzw. sie beschütze.

1.2. In der niederschriftlichen Einvernahme am 28.02.2017 vor den Organen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) führte der BF1 aus, er sei in Jalalabad geboren und habe dort 5-6 Jahre eine Religionsschule besucht. Aus finanziellen Gründen habe er als Verkäufer von Süßigkeiten gearbeitet. Anschließend sei er nach Kabul gegangen, wo er als Textilverkäufer gearbeitet habe. Nachdem sein Sohn getötet worden sei, habe er einen Schock bekommen, seither gehe es ihm gesundheitlich sehr schlecht. Hierzu legte er diverse medizinische Beweismittel vor.

Die BF2 gab am selben Tag zu Protokoll, sie sei in der Provinz Parwan, in der Stadt Charikar geboren und aufgewachsen. Sie habe keine Schule besucht. Nach ihrer Heirat habe sie in Kabul mit ihrem Ehemann gelebt. Zu ihren Fluchtgründen führte sie aus, nach der Ermordung ihres Sohnes, ein Jahr vor der Ausreise, sei das Leben für die Beschwerdeführer in Afghanistan unerträglich gewesen. Außerdem hätten sie niemanden mehr gehabt, der sich um sie gekümmert hätte. Alle hätten ihnen geraten, das Land zu verlassen. In dem Gebiet in Kabul, in dem sie gelebt hätten, hätten auch andere Volksgruppen gelebt, auch Muslime. Weder sie selbst noch ihr Ehemann, der BF1, seien in diesem Jahr vor der Ausreise bedroht oder verletzt worden, da sie das Haus nicht mehr verlassen hätten. Auch ihrem Ehemann sei es in diesem Jahr Tag für Tag schlechter gegangen, weil er die ganze Zeit geweint und die anderen Leute beschimpft habe. Anfangs sei sie noch zum Einkaufen hinausgegangen. Dann hätten die Leute aus dem Tempel ihnen geholfen. Ihr Sohn sei 30 Jahre alt gewesen, er habe als Händler von Schmucksachen gearbeitet. Er habe die Sachen an die Geschäfte geliefert, habe jedoch kein Geschäft gehabt. Eines Tages habe er gesagt, dass er noch zum Basar gehen werde und sei nicht mehr zurückgekommen. Seine Leiche sei dann vor ihr Haus geworfen worden. Weshalb er getötet worden sei, wisse sie nicht, er habe aber immer viel Bargeld dabeigehabt. Von den Leuten aus dem Tempel habe sie den Namen und die Adresse des Schleppers bekommen. Die Leute aus dem Tempel hätten sie auch zum Schlepper begleitet.

Beide Beschwerdeführer betonten, sie hätten keine Familienangehörigen in Afghanistan.

2. Das BFA hat mit den oben angeführten Bescheiden vom 22.06.2017 die gegenständlichen Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz jeweils bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Es wurde den Beschwerdeführern jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 21.06.2018 erteilt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aus dem Umstand der behaupteten Tötung des Sohnes keine persönlich gegen die Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung oder Verfolgung abgeleitet werden könne. Es sei weder bestätigbar noch widerlegbar, dass deren Sohn aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Sikh oder der Familie der Beschwerdeführer getötet worden wäre und die Beschwerdeführer somit der Gefahr einer konkreten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt wären. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Sohn Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sei.

3. Gegen Spruchpunkt I. der im Spruch angeführten Bescheide wurden von den Beschwerdeführern fristgerecht gleichlautende Beschwerden erhoben und die gegenständlichen Bescheide angefochten.

4. Die Beschwerden und die bezughabenden Verwaltungsakten langten beim Bundesverwaltungsgericht am 31.07.2017 zur Entscheidung ein.

5. Am 27.11.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

In der Verhandlung gab der BF1 an, er sei Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Sikh und sei mit XXXX , der BF2, verheiratet. Er habe zunächst in Jalalabad, sodann seit ca. 1973 in Kabul, in XXXX gelebt. Er habe fünf oder sechs Jahre eine religiöse Schule in Jalalabad besucht. Berufsausbildung habe er keine. In Kabul habe er ein eigenes Geschäft mit Kosmetikartikeln besessen. Finanziell sei es ihm in Afghanistan sehr gut gegangen. Seit 20 Jahren habe er jedoch nicht mehr arbeiten können, da er selber sehr krank sei. Er habe sein Geschäft verkauft. Nur sein Sohn XXXX habe dann gearbeitet. Eines Tages spät am Abend habe dieser zum Markt gehen wollen. Er sei hinausgegangen, aber nicht mehr zurückgekommen. Man habe ihn getötet. Sein Sohn habe als Händler gearbeitet und sei sehr viel unterwegs gewesen. Er habe für jedes Geschäft, das Drogeriesachen benötigt hätte, diese organisiert und geliefert. Man habe seinen Sohn mit einem Seil aufgehängt. Er selber habe es mit eigenen Augen nicht gesehen. Er wisse nicht, wer seinen Sohn umgebracht habe, auch wisse er nicht, warum sein Sohn getötet worden sei. Anzeige habe er bei der Polizei nicht erstattet. Viele muslimische Nachbarn in der Nachbarschaft hätten gemeint, solche Ereignisse kämen in jeder Familie zurzeit vor, das sei fast normal. Eine Anzeige würde nichts bringen. Ca. eineinhalb bis zwei Jahre nach der Ermordung seines Sohnes habe er mit seiner Frau Afghanistan verlassen. Er sei im Jahr 2016 von Afghanistan geflüchtet, Näheres wisse er nicht mehr, weil seine Nerven nicht gut funktionieren würden. Er habe Angst gehabt, weil sein Sohn ermordet worden sei. Man hätte auch ihn töten können. Er habe zwar nichts persönlich erlebt, aber die Angst sei allgegenwärtig da gewesen. Nachgefragt gab er an, als Kind sei er wegen seiner Religion gemobbt, geschimpft und bedroht worden. Als Erwachsener sei er jedoch nicht mehr bedroht worden. Er habe in Kabul sehr gute Zeiten gehabt.

Die BF2 führte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht aus, sie stamme aus der Provinz Parwan, aus der Stadt Charikar, und gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Sie sei verheiratet mit dem BF1. Sie habe weder eine Schul- noch eine Berufsausbildung. Seit ihrer Heirat mit dem BF1 habe sie in der Stadt Kabul gelebt. Sie habe aus der Ehe mit dem BF1 2 Kinder gehabt, einen Sohn und eine Tochter. Ihre Tochter sei 30 Jahre alt und habe ein Jahr vor ihrer eigenen Flucht Afghanistan verlassen. Sie lebe nun in London. Ihr Sohn sei 30 Jahre alt gewesen, als er in Kabul, wo genau wisse sie nicht, ermordet worden sei. Ein Jahr bevor sie Afghanistan verlassen hätten, sei er hinausgegangen und nicht mehr zurückgekommen. Seine Leiche sei vor ihr Haus gebracht worden. Er habe als Geschäftsmann immer viel Bargeld bei sich gehabt. Er habe mit Drogeriewaren gehandelt. Er sei erdrosselt worden. Von wem und warum er getötet worden sei, wisse sie nicht. Anzeige hätten sie keine erstattet, weil die Nachbarn gemeint hätten, dass es für sie als Angehörige der Sikh dann noch gefährlicher wäre. Nach dem Tode ihres Sohnes hätten sie den Rat der Nachbarn befolgt, die ihnen gesagt hätten, sie sollten immer vorsichtig sein und nur im Notfall das Haus verlassen. Bis zum Tode ihres Sohnes sei es ihnen gut gegangen, danach nicht mehr. Sie hätten Todesangst gehabt, besonders der BF1 habe seine Nerven verloren. Sie als Angehörige der Sikh seien wirklich in Gefahr gewesen. Sie selbst sei niemals in Afghanistan persönlich bedroht worden. Wenn sie jedoch das Haus verlassen hätte, wäre sicher etwas passiert. Die Nachbarn, Bekannte und Freunde, ebenfalls Angehörige der Sikh, hätten ihnen alle Einkäufe gebracht. Sie selbst habe nicht hinausgehen können.

Nachgefragt, ob sie wegen ihrer Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Sikh Probleme gehabt habe, gab die BF2 an, ja, man habe ihr gesagt, sie müsse ihre Religion wechseln und Muslime werden. Wann genau das gewesen sei, wisse sie nicht, es sei schon sehr lange her gewesen. Sie sei mehrere Male aufgefordert worden, als Kind, als Jugendliche und als junge Frau sei sie als Angehörige der Religionsgemeinschaft der Sikh gemobbt worden. Sie habe die Leute nicht gekannt, sie wisse nicht, wer das gewesen sei. Auf der Straße habe sie eine Burkha tragen müssen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zu den Beschwerdeführern:

Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige, gehören der Religionsgemeinschaft der Sikh an und sprechen Punshabi und Dari.

Der BF1 und die BF2 sind verheiratet.

Der BF1 stammt aus der Stadt Jalalabad, wo er 5 bis 6 Jahre eine religiöse Schule für Angehörige der Sikh besucht hat. Vor etwa 46 Jahren ist er in die Stadt Kabul gezogen. Dort hatte er ein eigenes Geschäft für Kosmetikartikel. Vor etwa 20 Jahren hat er dieses aus gesundheitlichen Gründen verkauft. Daraufhin hat der Sohn der Beschwerdeführer für die beiden gesorgt.

Die BF2 ist in der Provinz Parwan, in der Stadt Charikar, geboren und aufgewachsen. Sie verfügt weder über Schul-, noch Berufsausbildung. Seit ihrer Heirat mit dem BF1 lebte sie bis zu ihrer Flucht mit diesem gemeinsam in der Stadt Kabul.

Die Beschwerdeführer verfügen über keine Familienmitglieder in Afghanistan. Die Tochter der Beschwerdeführer lebt in London, so auch der Bruder der BF2. Der Sohn der Beschwerdeführer, ein Händler, wurde vor 1 bis 2 Jahren vor der Flucht der Beschwerdeführer in Kabul im Alter von 30 Jahren umgebracht.

Der BF1 wurde zwar als Kind wegen seiner Religion gemobbt, geschimpft und bedroht, als Erwachsener wurde er jedoch nicht mehr bedroht. Er hat in Kabul sehr gute Zeiten gehabt. Die BF2 wurde vor langer Zeit als Kind, als Jugendliche und als junge Frau gemobbt und aufgefordert, ihre Religion zu wechseln und zur Muslime zu werden. Wann genau dies war, weiß sie nicht mehr. Nach dem Tod ihres Sohnes hat die BF2 das Haus kaum verlassen, Einkäufe wurden von den Nachbarn, Bekannten und Freunden, ebenfalls Angehörige der Sikh, getätigt.

Eine wie auch immer geartete Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung in Afghanistan konnten die Beschwerdeführer weder glaubhaft machen, noch geht sie aus der Aktenlage hervor.

Es kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern in Afghanistan eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht.

1.2 Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan Gesamtaktualisierung am 13.11.2019:

Sikhs und Hindus

Die Gemeinschaft der Sikhs und Hindus schätzte 2018 ihre Größe in Afghanistan auf ca. 700 Mitglieder. Im Jahr 2017 hatte sie noch

1.300 Mitglieder umfasst, der Rest ist im Laufe des Jahres emigriert (USDOS 21.6.2019). Noch vor einigen Jahrzehnten lebten einige Hunderttausend Hindus und Sikhs in Afghanistan (AJ 1.1.2017; vgl. AIIA 11.7.2018). Eine sich angeblich verschlechternde wirtschaftliche Lage der Gemeinschaften, erhöhte Sicherheitsbedenken sowie fehlender Zugang zum Arbeitsmarkt waren laut Sikh-Führern Hauptgrund einer verstärkten Emigration (USDOS 21.6.2019). Hindus und Sikhs leben im 1. Kabuler Stadtbezirk im Stadtteil Hindu Gozar (AAN 19.3.2019) sowie in den Provinzen Nangarhar und Ghazni. In Jalalabad war im Jänner 2017 weiterhin eine bedeutende Anzahl von Sikhs ansässig (AJ 1.1.2017). Es gibt zwei aktive Gurudwaras (Gebetsstätten der Sikhs) in Kabul und vier Hindu-Tempel landesweit, davon zwei in Kabul sowie je einen in Jalalabad und Helmand (AA 2.9.2019).

Berichten zufolge werden Hindus und Sikhs von großen Teilen der muslimischen Bevölkerung als Außenseiter betrachtet (AA 2.9.2019). Sie sind verbalen und physischen Übergriffen (USDOS 13.3.2019), Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, können jedoch ihren Glauben öffentlich ausüben. Quellen zufolge sind Hindus weniger gefährdet als Sikhs; der Grund dafür ist das Fehlen sichtbarer charakteristischer Merkmale (z.B. Kopfbedeckung) bei den Hindus (USDOS 21.6.2019). Sikhs sind zurückhaltend bei der Begehung religiöser Feste, um keine Aufmerksamkeit zu erregen und der Staat hat nur eingeschränkte Möglichkeiten, die Gemeinschaft vor alltäglichem sozialem Druck zu schützen. Der afghanische Staat verhält sich den in Afghanistan verbliebenen Sikhs gegenüber nicht feindlich (AIIA 11.7.2018). Staatliche Diskriminierung gibt es nicht, auch wenn der Weg in öffentliche Ämter für Hindus und Sikhs schon aufgrund fehlender Patronagenetzwerke schwierig ist (AA 2.9.2019).

Trotz gesellschaftlicher Diskriminierung bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften weiterhin Regierungsposten. Ein Sitz im Unterhaus ist für einen Vertreter der Hindu- und Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 21.6.2019). Dieser Sitz wird zurzeit durch Narender Singh bekleidet (AB 19.3.2019; vgl. RLY 6.4.2019). Hindus und Sikhs vermeiden nach eigenen Angaben Landstreitigkeiten über Gerichte beizulegen, da sie Angst vor Vergeltungsaktionen haben. Sie regeln Streitfälle mittels Gemeinschaftsversammlungen oder Mediation (USDOS 21.6.2019).

Berichten zufolge schicken Mitglieder der Sikh- und Hindu-Gemeinschaften ihre Kinder aus Angst vor Schikane durch ihre Mitschüler nicht in staatliche Schulen. In der Vergangenheit wurden die Kinder in privaten Hindu- und Sikh-Schulen unterrichtet, jedoch sind heutzutage viele davon geschlossen. Gemäß Angaben der Hindu- und Sikh-Gemeinschaften gibt es nur zwei funktionsfähige Schulen landesweit (Kabul, Jalalabad). Diese sind jedoch nicht für den Lehrbetrieb ausgestattet (USDOS 21.6.2019).

Viele Musliminnen und Muslime lehnen insbesondere die Feuerbestattung ab, die im Hinduismus und Sikhismus das zentrale Begräbnisritual darstellt (AA 2.9.2019). Hindus und Sikhs berichten weiterhin von Störungen während ihrer traditionellen Feuerbestattungen durch Anrainerinnen und Anrainer aus der Nähe ihrer Kremationsstätte (shamshan). Obwohl ihnen die Regierung Land für eben diesen Zweck zur Verfügung gestellt hat, beschweren sich Sikhs, dass der Ort zu weit von urbanen Zentren entfernt liege und dieser somit u.a. wegen der schlechten Sicherheitslage unbenutzbar sei (USDOS 21.6.2019). Die Regierung stellt Polizeischutz für die Sikh- und Hindugemeinschaft zur Verfügung, während diese ihre Kremationsrituale abhalten (USDOS 21.6.2019; vgl. AIIA 11.7.2018). Auch wurde den Gemeinschaftsführern die Möglichkeit gewährt, sich mit Präsident Ghani zu treffen (AIIA 11.7.2018; vgl. NYT 1.7.2018), wenngleich eines dieser Treffen aufgrund eines Bombenanschlages auf den Konvoi nicht zustande kam. Unter den Todesopfern war auch der einzige Sikh-Kandidat für die Parlamentswahlen im Oktober 2018, Avtar Singh Khalsa (NYT 1.7.2018; vgl. AIIA 11.7.2018). Sein Sohn, Narender Singh, kandidierte daraufhin für den Sitz der Hindu- und Sikh-Gemeinschaft und wurde Abgeordneter im Unterhaus (SC 4.1.2019).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019):

Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf, Zugriff 11.9.2019

• AAN - Afghanistan Analysts Network (19.3.2019): Kabul Unpacked; A geographical guide to a metropolis in the making, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006715/Kabul-Police-Districts.pdf, Zugriff 6.5.2019

• AB - Afghan Bios (19.3.2019): Khalsa, Narinder Singh, http://www.afghan-bios.info/index.php?option=com_afghanbios&id=4066&task=view&total=4182&start=1937&Itemid=2, Zugriff 12.9.2019

• AIIA - Australian Institute of International Affairs (11.7.2018):

A Precarious State: the Sikh Community in Afghanistan, https://www.internationalaffairs.org.au/australianoutlook/precarious-state-the-sikh-community-in-afghanistan/, Zugriff 6.5.2019

• AJ - Al Jazeera (1.1.2017): The decline of Afghanistan's Hindu and Sikh communities,

https://www.aljazeera.com/indepth/features/2016/12/decline-afghanistan-hindu-sikh-communities-161225082540860.html, Zugriff 6.5.2019

• NYT - New York Times, The (1.7.2018): Sikhs and Hindus Bear Brunt of Latest Afghanistan Suicide Attack, https://www.nytimes.com/2018/07/01/world/asia/afghanistan-school-attack-nangarhar.html, Zugriff 6.5.2019

• RLY - Reporterly (6.4.2019): Elected Lawmakers of Afghan House of Representatives (9): Journey of 3 Representatives in the New Round of Parliament,

http://reporterly.net/elections-2018/elected-lawmakers-of-afghan-house-of-representatives-9-journey-of-3-representatives-in-the-new-round-of-parliament/, Zugriff 2.9.2019

• SC - Sikh Channel (4.1.2019): Afghanistan: Son Of Afghan Sikh Leader Killed In 2018 Terror Attack, Leads In Polls, http://www.sikhchannel.tv/afghanistan-son-of-afghan-sikh-leader-killed-in-2018-terror-attack-leads-in-polls/, Zugriff 6.5.2019

• USDOS - U.S. Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/AFGHANISTAN-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 24.6.2019

• USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Afghanistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004129.html, Zugriff 7.5.2019

2. Beweiswürdigung:

Die obigen Feststellungen ergeben sich aufgrund folgender Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA sowie der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführer und zu deren Fluchtgründen:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, der Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sikh, der familiären Situation sowie der Lebenssituation der Beschwerdeführer ergeben sich aus den dahingehend glaubhaften und übereinstimmenden Angaben der beiden Beschwerdeführer.

Die Feststellungen zur Schul- und Berufserfahrung des BF1 und der BF2 basieren auf deren diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Das Vorbringen der Beschwerdeführer zu den Gründen für das Verlassen Afghanistans beruht auf deren Angaben in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem BFA, den Ausführungen in der Beschwerde, sowie den Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Angaben der Beschwerdeführer waren grundsätzlich nicht widersprüchlich oder unglaubwürdig und wurden daher auch den Feststellungen zugrunde gelegt. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführer ihren Fluchtgrund insbesondere auf die Ermordung ihres Sohnes gestützt haben, der ein Händler gewesen war und - wie die BF2 ausführte - immer viel Bargeld bei sich gehabt hat. Weshalb bzw. von wem ihr Sohn ermordet wurde, ist den Beschwerdeführern unbekannt.

Eine Bedrohung oder eine Diskriminierung als Angehörige einer religiösen Minderheit wurde von den Beschwerdeführern nicht vermittelt. Diese taucht zwar im Vorbringen gelegentlich in allgemeinen Ausführungen auf, die Beschwerdeführer schilderten jedoch keinen einzigen konkreten Überfall, der sich auf sie als Angehörige der Sikh bezieht.

Konkret befragt, ob er als Angehöriger der Sikh Probleme gehabt hatte, gab der BF1 an, als Kind wegen seiner Religion gemobbt, geschimpft und bedroht worden zu sein, als Erwachsener sei er jedoch nicht mehr bedroht worden. Die BF2 gab auf diese Frage an, sie sei vor langer Zeit als Kind, als Jugendliche und als junge Frau gemobbt und aufgefordert worden, ihre Religion zu wechseln und zur Muslime zu werden. Wann genau dies war, wisse sie nicht mehr. Nach dem Tod ihres Sohnes habe sie das Haus kaum verlassen, Einkäufe seien von den Nachbarn, Bekannten und Freunden, ebenfalls Angehörige der Sikh, getätigt worden. Beide Beschwerdeführer gaben übereinstimmend an, sie wüssten nicht, wer und aus welchem Grund man ihren Sohn getötet hätte. Anzeige sei keine erstattet worden.

Aus dem Umstand der behaupteten Tötung des Sohnes der Beschwerdeführer kann keine persönlich gegen diese gerichtete Bedrohung oder Verfolgung abgeleitet werden.

Übereinstimmend und glaubwürdig gaben die beiden Beschwerdeführer bei der Erstbefragung, aber auch in der Einvernahme an, dass nach der Tötung ihres Sohnes das Leben für sie schwer geworden sei und sie niemanden mehr gehabt hätten, der sich um sie gekümmert hätte.

In Ermangelung von den Beschwerdeführern individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt vor dem Hintergrund des getätigten Fluchtvorbringens im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat auf Grund generalisierender Merkmale - konkret wegen ihrer Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sikh - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wären.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführer als Angehörige der Religionsgemeinschaft der Sikh im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müssten, alleine wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung im Sinne der GFK ausgesetzt zu sein:

Den oben festgestellten Länderberichten ist unter anderem zu entnehmen, dass Sikh verbalen und physischen Übergriffen, Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt sind, sie können jedoch ihren Glauben öffentlich ausüben.

Dabei wird nicht verkannt, dass Sikh generell in ihrem Alltagsleben Diskriminierung erfahren, was sich auch aus den der gegenständlichen Entscheidungen zugrunde gelegten Länderberichten ergibt. Maßgeblich für die konkrete Beurteilung der Situation der Beschwerdeführer ist aber, dass sie über diese alltäglichen, von Sikh zu gewärtigenden Diskriminierungen (wie Aufforderung zum Religionswechsel und verbale Beleidigungen, abschätzige Behandlung) keine sie betreffenden, darüberhinausgehenden aktuellen Drangsalierungen glaubhaft gemacht haben. Die Glaubensausübung war den Beschwerdeführern in Kabul möglich, es gibt dort zwei aktive Gurudwaras, auch erhielten sie Unterstützung von den Leuten aus dem Tempel. Der Sohn der Beschwerdeführer war ein erfolgreicher Händler, sodass die Beschwerdeführer in einer wirtschaftlich sehr guten Situation lebten. Den Beschwerdeführern war demnach auch aufgrund ihrer Situation nicht die wirtschaftliche Existenz verunmöglicht. Unter diesen Aspekten ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführer eine Situation der Verfolgung oder der Verletzung ihrer nach Art. 3 EMRK gewährten Rechte zu gewärtigen haben.

Auch aus allgemeinen Berichten zur Lage der Sikh in Afghanistan lässt sich ohne konkretes glaubhaftes Vorbringen keine generelle asylrelevante Verfolgung ableiten.

So brachte die Zweitbeschwerdeführerin vielmehr selbst vor, zwar nach dem Tod ihres Sohnes kaum mehr aus dem Haus gegangen zu sein. Die Einkäufe hätten Freunde, Bekannte und Nachbarn erledigt. Nachgefragt führte sie jedoch aus, diese seien ebenfalls Sikh gewesen. Eine Gruppenverfolgung allein aufgrund der Zugehörigkeit zu den Sikh konnte von den Beschwerdeführern sohin nicht glaubhaft dargelegt werden.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten.

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A.)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist.

Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.).

Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet.

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183, 18.02.1999, 98/20/0468).

Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011).

Es sei weiters betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung einnimmt (VwGH vom 20.06.1990, Zl. 90/01/0041).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht der Beschwerdeführer, in ihrem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht vorliegt.

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Die Beschwerdeführer führten als Fluchtvorbringen im Wesentlichen aus, nach dem Tod ihres Sohnes sei für sie das Leben unerträglich geworden, außerdem hätten sie niemanden mehr, der sich um sie gekümmert hätte.

Persönliche aktuelle Bedrohungen oder Verfolgungen wurden von den Beschwerdeführern nicht behauptet. Der BF1 brachte lediglich Bedrohungen und Mobbing als er noch ein Kind gewesen sei, die BF2 Mobbing als Kind, Jugendliche und junge Frau, vor. Auch sei sie vor langer Zeit aufgefordert worden, die Religion zu wechseln und Muslime zu werden. Konkrete Angaben, wann das gewesen sei und wer sie aufgefordert hätte, konnte sie jedoch nicht machen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (in der Folge VwGH) liegt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird, sondern es kann eine dem Staat zuzurechnende asylrelevante Verfolgungssituation auch dann gegeben sein, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist von Privatpersonen ausgehende Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, sofern diesen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - Asylrelevanz zukommen sollte (VwGH 21.9.2000, 98/20/0434; VfGH 03.09.2009, U 591/08). Auf die Frage, ob der Staat "seiner Schutzpflicht nachkommen kann", kommt es im Zusammenhang mit einer drohenden Privatverfolgung, die in keinem Zusammenhang mit einem Konventionsgrund steht, nur an, wenn die staatlichen Einrichtungen diesen Schutz aus Konventionsgründen nicht gewähren (VwGH 24.06.1999, 98/20/574; dazu auch VwGH 13.11.2001, 2000/01/0098; 23.11.2006, 2005/20/0406).

Im gegenständlichen Fall ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer hierfür aber keine Anhaltspunkte. Staatliche Diskriminierung gibt es nicht, auch wenn der Weg in öffentliche Ämter für Hindus und Sikhs schon aufgrund fehlender Patronagenetzwerke schwierig ist (AA 2.9.2019). Trotz gesellschaftlicher Diskriminierung bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften weiterhin Regierungsposten.

Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den UNHCR-Richtlinien zwar besondere Beachtung zu schenken, ersparen jedoch nicht eine nähere Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt (vgl. VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118-5, mwN.). In diesem Zusammenhang konnten die Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht keine konkrete Bedrohung oder Verfolgung glaubhaft aufzeigen. Eine denkbare Verfolgung ist nicht ausreichend. Vielmehr ist zu beachten, dass eine Verfolgungsgefahr erst dann anzunehmen ist, wenn eine Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185 mwN.). Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen:

Die allgemeine Lage in Afghanistan ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste (vgl. etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358-1/2010/15E, sowie den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, U1500/11-6 u.v.a.).

Auch aus der wirtschaftlich schlechten Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. VwGH 28.06.2005, 2002/01/0414). Wirtschaftliche Benachteiligungen einer ethnischen oder sozialen Gruppe, die den Angehörigen dieser Gruppe jegliche Existenzgrundlage entzieht, kann grundsätzlich asylrelevant sein (vgl. VwGH 06.11.2009, 2006/19/1125). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, reicht auch der Verlust (oder die Schwierigkeit der Beschaffung) eines Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährung zu begründen, solange damit nicht eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden ist (VwGH 19.06.1997, 95/20/0482). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist.

Den Beschwerdeführern wurde aufgrund der aktuellen Lage in Afghanistan und aufgrund ihrer individuellen Situation bereits der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

mangelnde Asylrelevanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W217.2166429.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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