Entscheidungsdatum
19.12.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W234 2200384-1/22Z
W234 2200398-1/23Z
W234 2200395-1/22Z
W234 2200389-1/22Z
TEILERKENNTNIS:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH als Einzelrichter über die Beschwerden von
1) XXXX , geb. XXXX ,
2) XXXX , geb. XXXX ,
3) XXXX , geb. XXXX , und
4) XXXX , geb. XXXX ,
alle Sta. Georgien, alle vertreten durch Dr. RA Vera M. WELD, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl
1) vom 12.06.2018, Zl. XXXX
2) vom 12.06.2018, Zl. XXXX
3) vom 12.06.2018, Zl. XXXX
4) vom 12.06.2018, Zl. XXXX
zu Recht:
A)
I. Den Beschwerden wird Folge gegeben und der jeweilige Spruchpunkt VII der angefochtenen Bescheide ersatzlos aufgehoben.
II. Die Anträge auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung werden zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Erstbeschwerdeführer, XXXX (zwischenzeitlich verstorben), und die Zweitbeschwerdeführerin, XXXX , sind ein Ehepaar. Die Beschwerdeführerin XXXX ist deren gemeinsames Kind. Die übrigen Beschwerdeführerinnen sind die Kinder nur der Zweitbeschwerdeführerin; der Erstbeschwerdeführer war deren Stiefvater.
Mit den hier angefochtenen Bescheiden vom 12.06.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerinnen für den Status von Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten ab (jeweils Spruchpunkte I und II). Unter einem wurden den Beschwerdeführerinnen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (jeweils Spruchpunkt III), Rückkehrentscheidungen gegen sie erlassen (jeweils Spruchpunkt IV) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig sei (jeweils Spruchpunkt V). Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe für die Beschwerdeführerinnen nicht (Spruchpunkt VI). Beschwerden gegen diese Entscheidungen wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 und 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII).
Gegen diese Bescheide richten sich die hier zu erledigenden, gleich lautenden Beschwerden.
2. Mit Teilerkenntnissen vom 30.10.2018 hob das Bundesverwaltungsgericht den jeweiligen Spruchpunkt VII der hier angefochtenen Bescheide ersatzlos auf und erkannte den Beschwerden dadurch aufschiebende Wirkung zu. Denn gemäß dem Urteil C-181/16, Gnandi gg. Belgien, des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden EuGH) vom 19.06.2018 dürften die Mitgliedstaaten nach der Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz eine Rückkehrentscheidung erlassen, sofern sie das Rückkehrverfahren aussetzen, bis über den Rechtsbehelf gegen die Ablehnung entschieden worden sei. Daraus sei für die hier maßgeblichen Beschwerden abzuleiten, dass der jeweilige Spruchpunkt VII der angefochtenen Bescheide zu Unrecht erlassen worden sei, weil § 18 Abs. 1 Z 1 und 4 BFA-VG über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung durch die unionsrechtlichen Richtlinienbestimmungen (insbesondere Art. 6 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie) von der Anwendung verdrängt würde. Der jeweilige Spruchpunkt VII der angefochtenen Bescheide hätte daher nicht erlassen werden dürfen und sei ersatzlos zu beheben.
3. Über Amtsrevision des Bundesamts hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis Zl. Ro 2018/20/0015-3, vom 11.06.2019 die Teilerkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2018 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf. Denn die Ausführungen des Urteils EuGH 19.06.2018, C-181/16, Gnandi gg. Belgien, würden für die österreichische Rechtslage nicht dazu führen, dass § 18 Abs. 1 BFA-VG unangewendet zu bleiben habe und die Aberkennung aufschiebender Wirkung generell ausgeschlossen sei, sofern unter einem über einen Antrag auf internationalen Schutz entschieden werde. Die Ausführungen des EuGH würden lediglich dazu führen, dass die Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung so lange ausgesetzt seien, bis das Bundesverwaltungsgericht über die Zuerkennung aufschiebender Wirkung entschieden habe; die genannte Rechtsansicht des EuGH stehe daher der Aberkennung aufschiebender Wirkung nicht per se entgegen, weswegen die Teilerkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2018 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben seien.
4. Der Erstbeschwerdeführer, XXXX , verstarb am XXXX . Das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Beschluss vom 18.12.2019 eingestellt.
5. Mit Schriftsatz vom 26.11.2019 stellten die Beschwerdeführerinnen erneut Anträge auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung. Verwiesen wurde auch auf den Umstand, dass direkte Angehörige der Beschwerdeführerinnen in Österreich leben würden, insbesondere die Schwägerin und Tante der Beschwerdeführerinnen, XXXX , und deren Familie.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Die Beschwerdeführerinnen XXXX und XXXX reisten gemeinsam mit dem mittlerweile verstorbenen Erstbeschwerdeführer nach Österreich ein und stellten am 11.01.2015 Anträge auf internationalen Schutz.
Die Beschwerdeführerinnen XXXX reisten nach Österreich ein und stellten am 03.06.2015 Anträge auf internationalen Schutz.
Sämtliche Anträge auf internationalen Schutz begründeten die Beschwerdeführerinnen im Wesentlichen damit, dass der Erstbeschwerdeführer unter einer Reihe von Erkrankungen gelitten habe, für die er in Georgien keinen Zugang zu adäquater medizinischer Behandlung gehabt hätte, sodass sie dort einen für ihn lebensbedrohlichen Verlauf genommen hätten. Zudem hätten die Beschwerdeführerinnen ihren Besitz im Herkunftsstaat verkauft, um die Reise nach Westeuropa zu finanzieren und den Erstbeschwerdeführer hier behandeln zu lassen. Deswegen würden sie mittellos in den Herkunftsstaat zurückkehren und dort in eine ausweglose Lage geraten.
2. Mit den hier angefochtenen Bescheiden vom 19.06.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerinnen für den Status von Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten ab (jeweils Spruchpunkte I und II). Unter einem wurden den Beschwerdeführerinnen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (jeweils Spruchpunkt III), Rückkehrentscheidungen gegen sie erlassen (jeweils Spruchpunkt IV) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig sei (jeweils Spruchpunkt V). Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe für die Beschwerdeführerinnen nicht (Spruchpunkt VI). Beschwerden gegen diese Entscheidungen wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 und 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (jeweils Spruchpunkt VII).
Diese Bescheide wurden den Beschwerdeführerinnen am 15.06.2018 zugestellt.
3. Gegen diese Bescheide richten sich die hier (teilweise) zu erledigenden, gleich lautenden Beschwerden, die beim Bundesamt am 03.07.2018 für sämtliche Beschwerdeführerinnen mit Ausnahme der XXXX per E-Mail einlangten.
4. XXXX ist Tochter der Zweitbeschwerdeführerin und am XXXX geboren.
XXXX ist Tochter der Zweitbeschwerdeführerin und am XXXX geboren.
5. Die Schwägerin der Zweitbeschwerdeführerin und die Tante der übrigen Beschwerdeführerinnen, XXXX , verfügt über den Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU". Sie lebt mit ihrer Familie in Österreich.
6. Die Beschwerdeführerinnen weisen die im Spruch genannten Geburts- und Identitätsdaten auf.
Die Beschwerdeführerin XXXX war bei der Gemeinde XXXX von 01.11.2015 bis 08.07.2016 als Unterstützung im Gemeindekindergarten beschäftigt und wurde als Reinigungskraft bei der Gemeinde beschäftigt. Ferner verrichtete sie Hilfstätigkeiten in Unterkünften der Tiroler Sozialen Dienste und verrichtete gemeinnützige Arbeiten für die Gebietskörperschaft. Auch nahm sie an einem Deutschkurs des Niveaus A2/B1 von 01.11.2016 bis 17.02.2017 im Ausmaß von 32 Unterrichtseinheiten teil. Sie hat ein ÖSD Zertifikat auf A2-Niveau erworben.
Die im Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige Vierbeschwerdeführerin XXXX besuchte die Polytechnische Schule XXXX und die Schule des Vereines XXXX . Sie hat Deutschkurse des Niveaus A2/B1 absolviert und ein ÖSD Zertifikat auf A2-Niveau erworben. Ferner besuchte sie Basisbildungskurse.
Die im Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige Viertbeschwerdeführerin XXXX besuchte die Polytechnische Schule in XXXX und besuchte zuletzt die XXXX Schule in Innsbruck; zuvor besuchte sie eine polytechnische Schule. Sie hat Deutschkurse auf dem Level A1 und A2 besucht. Ferner besuchte sie einen Basisbildungskurs im Zeitraum von 19.09. bis 17.12.2016 im Ausmaß von 160 Unterrichtseinheiten Deutsch, 20 Unterrichtseinheiten Rechnen und 20 Unterrichtseinheiten IKT.
Die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin XXXX besuchte zuletzt den Kindergarten XXXX .
7. Sämtliche Beschwerdeführerinnen halten sich seit ihrer Asylantragstellung durchgehend im Bundesgebiet auf.
8. Sämtliche Beschwerdeführerinnen wohnen gemeinsam an der Adresse
XXXX .
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zu den Beschwerdeführerinnen und ihren Verfahren und die an sie adressierten Bescheide folgen den Verwaltungsakten ihrer jeweiligen Asylverfahren. Die Feststellungen zu ihren Integrationsleistungen folgen insbesondere den vorgelegten Urkunden.
Die Feststellung zur Aufenthaltsberechtigung der Schwägerin bzw. Tante der Beschwerdeführerinnen ergibt sich aus dem Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister vom XXXX .
Die Feststellungen zum Wohnsitz der Beschwerdeführerinnen folgen Auszügen aus dem Zentralen Melderegister und dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich vom 04.12.2019 und den Angaben der XXXX in der Einvernahme vom 20.12.2017.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die angefochtenen Bescheide wurden den Beschwerdeführerinnen am 15.06.2018 zugestellt. Die am 03.07.2018 per Email beim Bundesamt eingelangten Beschwerden sind somit rechtzeitig.
Vorauszuschicken ist, dass auch der an XXXX adressierte Bescheid schon gemäß § 16 Abs. 3 BFA-VG als ebenso zur Gänze in Beschwerde gezogen gilt. Denn sie stellte ihren Asylantrag als Minderjährige und ist daher Familienangehörige der übrigen Beschwerdeführerinnen iSd § 2 Z 22 AsylG 2005, sodass wegen deren Beschwerden auch ihr Erkenntnis als angefochten gilt. Gemäß § 16 Abs 4 leg cit zieht die Zuerkennung aufschiebender Wirkung an die übrigen Beschwerdeführerinnen zudem die aufschiebende Wirkung der Beschwerde von XXXX nach sich.
3.2. § 16 Abs. 4 und § 18 BFA-VG lauten:
"Beschwerdefrist und Wirkung von Beschwerden
§ 16. (1) - (3) [...]
(4) Kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde, oder mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist diese durchsetzbar. Mit der Durchführung der mit einer solchen Entscheidung verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der die bereits bestehende Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Einlangen der Beschwerdevorlage, zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Beschwerdevorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.
(5) - (6) [...]
[...]
Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
[...]
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu verstehen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids des Bundesamts) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren sei ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG allerdings gesetzlich nicht vorgesehen und es könne dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG sei somit unzulässig. Eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids habe in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014). Nunmehr hat der Gesetzgeber entsprechend festgelegt, dass die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche von Amts wegen zu erfolgen hat; der Beschwerdeführer kann eine Entscheidung (in beide Richtungen) aber nach Ablauf dieser Frist mittels eines Fristsetzungsantrags herbeiführen (vgl. § 18 Abs. 5 letzter Satz BFA-VG).
3.3. Für die vorliegende Beschwerdesache bedeutet dies Folgendes:
3.3.1. Die Anträge, den Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, sind als unzulässig zurückzuweisen.
3.3.2. Nach dem Vorgesagten hat das Bundesverwaltungsgericht in Abspruch über die Beschwerde dennoch darüber zu entscheiden, ob eine Verletzung iSd § 18 Abs. 5 BFA-VG anzunehmen ist und die jeweiligen Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung Bestand haben können. Die Beschwerdeführerinnen treffen Ausführungen zur Notwendigkeit der Zuerkennung aufschiebender Wirkung. Sie verweisen vor allem darauf, dass mit der Beendigung ihres Aufenthalts eine Verletzung ihrer Rechte gemäß Art. 8 EMRK einhergehen würde.
3.3.3. Die Beendigung des Aufenthalts der Beschwerdeführer erscheint mit Blick auf Art. 8 EMRK auf Grund der Aktenlage nicht per se als unbedenklich, könnte doch Art. 8 EMRK gebieten, den Inlandsaufenthalt der Beschwerdeführerinnen mit Blick auf ihre Integrationsleistungen nicht zu beenden:
Zunächst halten sich XXXX und XXXX seit nahezu fünf Jahren sowie XXXX seit etwa 4,5 Jahren im Bundesgebiet auf, sodass ihr Aufenthalt eine Dauer erreicht hat, nach deren Verstreichen eine Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf Art. 8 EMRK nicht mehr ohne eingehende Würdigung ihrer Integrationsleistungen unbedenklich erscheint. Ferner verfügen die Beschwerdeführerinnen über Verwandte, die sich dauerhaft in Österreich aufhalten dürfen, was aus Sicht des Art. 8 EMRK ebenso gegen die Zulässigkeit der Beendigung ihres Aufenthalts sprechen kann, könnte mit ihrer Aufenthaltsbeendigung doch auch ein schwerer Eingriff in ihr Familien- oder Privatleben zu diesen Verwandten einhergehen. Ferner besuchten die minderjährig eingereisten Beschwerdeführerinnen während ihres Aufenthalts in Österreich die Schule bzw. den Kindergarten, was das Vorhandensein deutlicher Integrationsleistungen wie Deutschkenntnisse und soziale Bande nahelegt; zudem haben XXXX Deutschkurse und Basisbildungskurse in Österreich besucht. Auch dies deutet auch Integrationsleistungen hin, die als Privatleben iSd Art. 8 EMRK geschützt sein könnten.
Auch war die Zweitbeschwerdeführerin als Unterstützung in einem Gemeindekindergarten und als Reinigungskraft bei einer Gemeinde beschäftigt. Ferner verrichtete sie Hilfstätigkeiten in Unterkünften der Tiroler Sozialen Dienste und verrichtete gemeinnützige Arbeiten für diese Gebietskörperschaft. Auch nahm sie an einem Deutschkurs des Niveaus A2/B1 teil und hat ein ÖSD-Zertifikat auf A2-Niveau erworben. Schon dies könnte als Privatleben iSd Art. 8 EMRK geschützt sein. Zudem führt die Zweitbeschwerdeführerin mit den übrigen Beschwerdeführerinnen ein Familienleben iSd Art. 8 EMRK, was dazu führen könnte, dass es ausscheidet, nur ihren Aufenthalt in Österreich zu beenden, sofern es Art. 8 EMRK aus Gründen des Schutzes des Privatlebens gebieten sollte, den Inlandsaufenthalt der minderjährigen und minderjährig eingereisten Beschwerdeführerinnen nicht zu beenden.
Um zu ergründen, ob die Aufenthaltsbeendigung der Beschwerdeführerinnen trotz dieser bislang feststellbaren Umstände mit Art. 8 EMRK in Einklang steht, sind nähere Ermittlungen zu ihrem Privat- und Familienleben - einschließlich der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung - erforderlich.
Die sofortige Abschiebung der Beschwerdeführerinnen ließe - in Ermangelung der Feststellbarkeit ihrer konkreten, für die Würdigung ihres Privat- und Familienlebens maßgeblichen Lebensumstände - eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 8 EMRK erwarten, sodass den Beschwerden gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist.
Die die aufschiebende Wirkung der Beschwerden aberkennenden Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide sind aus diesem Grund ersatzlos aufzuheben.
Den Beschwerden kommt damit gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG aufschiebende Wirkung zu.
3.4. Mit der hier verfügten Zuerkennung aufschiebender Wirkung scheidet eine Beendigung des Aufenthaltes der Beschwerdeführer im Bundesgebiet aus, bis das Bundesverwaltungsgericht auch über die Beschwerden gegen die übrigen Spruchpunkte der hier angefochtenen Bescheide entschieden hat und das betreffende Verfahren abgeschlossen ist.
4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG entfallen.
3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
In den vorliegenden Fällen ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 BFA-VG wurde durch den Verwaltungsgerichtshof in seiner angeführten Judikatur erläutert; die zuletzt erfolgte Novellierung dieser Bestimmung sieht eine Entsprechung dieser Judikatur im Gesetzeswortlaut vor (vgl. Erläut. 2285/A BlgNR 25. GP, 85).
Schlagworte
Antragsrecht, aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W234.2200395.1.00Zuletzt aktualisiert am
18.05.2020