TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/2 97/20/0651

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Veröffentlicht am 02.04.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs3;
AsylG 1991 §2 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des MA in Wien, geboren am 14. Juli 1968, vertreten durch Dr. Alexander Neuhauser, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Dapontegasse 5/11, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Juli 1997, Zl. 4.325.478/6-III/13/97, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste am 19. Oktober 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte am 22. Oktober 1991 einen ersten Asylantrag.

Nach dem Inhalt der am 29. Oktober 1991 mit ihm aufgenommenen Niederschrift gab er u.a. an, er habe den Militärdienst von 1987 bis 1989 als Soldat bei einer Panzereinheit in Kabul geleistet. Über die Fluchtgründe des Beschwerdeführers enthält die Niederschrift folgende Angaben:

"Ich habe in meinem Heimatland bezüglich meiner Religion keine Schwierigkeiten. Ich gehöre keiner politischen Partei oder Organisation an und gehöre auch zu keiner Minderheit. Ich bin deshalb aus meinem Heimatland geflüchtet, da ich gegen das dort herrschende Regime bin und mit der ganzen Politik nicht einverstanden bin. Mein Vater ist ebenso eingestellt wie ich und er hat deshalb seine Arbeit verloren und wurde inhaftiert. Er ist seit 2 Monaten in Kabul im Gefängnis. Dies deshalb, da sich mein Vater und auch ich öffentlich über das derzeitige Regime aufgeregt haben. Ich hätte ebenfalls verhaftet werden sollen, mir gelang jedoch rechtzeitig die Flucht und ich bin deshalb auch aus meinem Heimatland geflüchtet, da ich Angst hatte, daß sie mich bei Aufgreifung inhaftieren oder gleich töten. Aus diesem Grund kann ich auch nicht in mein Heimatland zurück, da die Polizei dort weiß, daß ich regimefeindlich eingestellt bin."

Mit Bescheid vom 4. November 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid gab der Beschwerdeführer an, verschiedene Punkte seien in seinem Interview irrtümlich nicht vorgekommen. So habe er 1983 an einer großen, gegen das Regime gerichteten Demonstration teilgenommen. Er sei dabei verhaftet und während der fünf Monate dauernden Haft gefoltert worden. 1985 habe er auf Grund seines politischen Engagements in der Vergangenheit nicht Medizin studieren dürfen. Er sei gezwungen gewesen, ein Studium an der Militärakademie aufzunehmen, weil er sonst an die Front geschickt worden wäre. Nach Beendigung der zweijährigen Ausbildung sei er, weil er kein Mitglied der Regierungspartei gewesen sei, direkt an die Front geschickt worden. Ein Jahr später sei er an die Front in Kandahar gekommen. Dort seien die sechs ihm unterstellten Soldaten desertiert, woraufhin er zur Strafe als gewöhnlicher Soldat habe weiterdienen müssen. Diese Erlebnisse hätten seinen Haß auf das Regime verfestigt, sodaß er Mitglied der Islamischen Partei geworden sei, der sein Vater schon seit längerem angehört habe. 1988 habe der Beschwerdeführer am Putschversuch teilgenommen und nach dessen Scheitern fliehen müssen, wobei er von Schüssen der Regierungssoldaten im Gesicht getroffen worden sei. Er sei gefangen genommen und neuerlich gefoltert worden. Nachdem er nicht mehr in der Armee gedient habe, habe er sich wiederum in der Islamischen Partei engagieren können. Bei einer Sitzung, die an die Behörden verraten worden sei, sei sein Vater verhaftet worden, während ihm selbst die Flucht gelungen sei. Sein Bruder sei wegen dessen Mitgliedschaft bei der Islamischen Partei getötet worden. Es sei nicht richtig, wenn im Interview des Beschwerdeführers festgestellt werde, er sei nicht Mitglied der Islamischen Partei.

Diese Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 22. Mai 1993 als verspätet zurück.

Am 7. März 1997 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich Asyl. Nach dem Inhalt der am 9. April 1997 mit ihm aufgenommenen Niederschrift gab er nun unter Vorlage eines Wehrdienstbuches vom 16. Mai 1990 an, den Militärdienst vom 19. Dezember 1987 bis 5. September 1990 geleistet zu haben und Vizeleutnant der Infanterie gewesen zu sein. Die Befragung über die Fluchtgründe verlief nach dem Inhalt der Niederschrift wie folgt:

"Frage: Warum stellen Sie neuerlich einen Asylantrag?

Antwort: Weil in meinem Heimatland Krieg herrscht und weil ich jetzt noch größerer Gefahr ausgesetzt wäre als vorher.

Frage: Welche konkreten Verfolgungsmaßnahmen durch wen und warum erwarten Sie jetzt in Ihrer Heimat?

Antwort: Wenn ich zurückkehren würde, würde ich sofort verhaftet werden weil ich im Nadjibullah-Regime Unteroffizier gewesen bin.

Vorhaltung: Anläßlich Ihrer Befragung zu Ihrem ersten Asylantrag im Oktober 1991, geben Sie an, daß Sie einfacher Soldat bei den Panzerfahrern gewesen sind. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

Antwort: Ich bin zuerst Unteroffizier gewesen, beim Ausscheiden war ich jedoch wieder einfacher Soldat.

Frage: Warum wurden Sie im Laufe Ihrer militärischen Laufbahn degradiert?

Antwort: Ich bin zuerst Unteroffizier gewesen, bin jedoch in den Kriegseinsatz geschickt worden als einfacher Soldat. Ich hatte sechs Soldaten zu befehligen, da diese Soldaten auf meinen Befehl nicht im Krieg kämpften und ich auch nicht, wurde ich degradiert und zum einfachen Soldaten zurückgesetzt.

Frage: Auf welche Umstände, weswegen Sie in Ihrer Heimat verfolgt werden könnten, stützen Sie Ihren zweiten Asylantrag zumal Sie in Ihrem ersten Antrag angegeben haben, keiner politischen Partei angehört zu haben, zu keiner Minderheit zugehörig gewesen zu sein und keiner sonstigen Organisation angehört zu haben. Außerdem haben Sie behauptet, daß Sie damals gegen das Nadjibullah-Regime eingestellt waren, ebenso wie Ihr Vater, daß heißt, die Gründe die damals zu Ihrer Flucht geführt haben, bestehen jetzt nicht mehr.

Antwort: Ich war nicht gegen das Nadjibullah-Regime eingestellt, sondern war lediglich dagegen, daß die damalige Regierung damals mit Rußland kooperiert hat.

Außerdem stimmt nicht, daß ich keiner politischen Partei angehört habe, ich war sehr wohl Mitglied einer politischen Partei.

Frage: Welcher politischen Partei haben Sie angehört und haben Sie einen Nachweis darüber?

Antwort: Ich war von 1987 bis 1990 Mitglied der Demokratischen Volkspartei Afghanistan. Einen Nachweis über meine Mitgliedschaft habe ich nicht, weil sämtliche Unterlagen vernichtet worden sind, als die Usbeken in unser Haus eingedrungen sind. Das war im November 1991.

Frage: Können Sie weitere konkrete Gründe nennen, warum Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat verfolgt werden würden?

Antwort: Ich habe von einer Cousine aus Hamburg vor drei Monaten am Telefon erfahren, daß zwei meiner Cousinen ersten Grades im August 1996 von den Taliban umgebracht worden sein sollen.

Mehr habe ich dazu nicht zu sagen."

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 7. Mai 1997 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 7. März 1997 gemäß § 3 AsylG 1991 abgewiesen. Begründend traf das Bundesasylamt - nach einer Wiedergabe der Behauptungen des Beschwerdeführers im zweiten Asylverfahren - folgende Feststellungen zum Sachverhalt:

"Festgestellt wird, daß die gemäß § 3 AsylG 1991 geforderte Glaubhaftmachung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 leg. cit., sowie die Glaubwürdikgeit Ihrer Person und Ihrer Angaben selbst nicht gegeben sind.

Es kann nicht festgestellt werden, daß durch die stattgefundene Machtübernahme der Taliban in Afghanistan Sie nunmehr erneut einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt sind. Es kann weiters nicht festgestellt werden, daß Sie während des Nadjibullah-Regimes Unteroffizier waren und degradiert wurden, ebenso nicht, daß Sie Mitglied der Demokratischen Volkspartei Afghanistan gewesen sind.

Soweit die Ergebnisse des amtswegigen Ermittlungsverfahrens mit Ihrem Vorbringen in Widerspruch stehen, konnte Ihnen nicht gefolgt werden."

Beweiswürdigend wurde u.a. ausgeführt, die Behauptung der Gefahr einer sofortigen Verhaftung des Beschwerdeführers im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan sei selbst unter der "fiktiven" Annahme, er wäre Unteroffizier gewesen, nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer habe im übrigen angegeben, "als einfacher Soldat, also offenbar bereits degradiert, in den Krieg geschickt" worden zu sein. Das "widersprüchliche Vorbringen" des Beschwerdeführers, "nunmehr doch Mitglied einer politischen Partei gewesen zu sein", müsse "unter dem Gesichtspunkt, im Jahre 1991 dies ausgeschlossen zu haben, als reine Behauptung gewertet werden, um der nunmehrigen Asylbegründung einen kontroversiellen Charakter in bezug auf die derzeitig politische Lage dort zu verleihen". Da das Bundesasylamt die Angaben des Beschwerdeführers "grundsätzlich als unwahr" erachte, eigneten sich die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid machte der Beschwerdeführer geltend, die vermeintlichen Widersprüche beruhten auf Übersetzungsfehlern in seinem ersten Asylverfahren. Es sei allgemein bekannt, daß die damalige Dolmetscherin zwar sehr nett sei, aber nicht gut Persisch könne. Auch habe man die Verfahren 1991 in einer halben Stunde erledigt. Der Beschwerdeführer habe beim ersten Interview nicht die Möglichkeit gehabt zu sagen, daß er der "tadschikischen Minderheit" angehöre und "Offizier" sei. Bei der Einvernahme am 9. April 1997 habe ihn der einvernehmende Beamte (mit dem Namen des im Bescheid genannten, bei der Einvernahme nach dem Akteninhalt aber nicht anwesenden Organwalters bezeichnet) beleidigt. Er habe ihn wie einen Verbrecher behandelt, woraus sich ergebe, daß er befangen gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei Mitglied der Demokratischen Volkspartei gewesen, sonst hätte er nicht Offizier werden können. Ein Beleg darüber liege in Kopie bei. Weiters werde auf Expertisen verwiesen, aus denen hervorgehe, daß "einem Kommunisten - noch dazu einem Offizier" bei der Rückkehr nach Afghanistan die Hinrichtung drohe. "Kommunisten" würden als Feinde des islamischen Gottesstaates angesehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung ab. Begründend legte sie dar, es liege keiner der in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 angeführten Fälle, in denen eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen sei, vor. Die belangte Behörde übernehme die Sachverhaltsfeststellung und die zutreffende rechtliche Beurteilung des erstinstanzlichen Bescheides und erhebe "die Ausführungen von dessen Begründung" vollständig zum Inhalt ihrer Entscheidung. Zur behaupteten Mangelhaftigkeit der Einvernahme am 29. Oktober 1991 sei zu bemerken, daß der Beschwerdeführer die Vollständigkeit und Richtigkeit der Niederschrift mit seiner Unterschrift bestätigt habe, was er im Falle tatsächlicher Mängel der Einvernahme hätte verweigern "können und sollen", weshalb er nun "auch den § 15 AVG gegen sich gelten" lassen müsse und seine diesbezüglichen Rügen "jedenfalls ins Leere" gingen. Die behauptete Befangenheit des einvernehmenden Beamten könne nicht festgestellt werden, "zumal" der Beschwerdeführer mit dem von ihm namhaft gemachten Beamten keinerlei Kontakt gehabt habe und "im Lichte dessen" auch dieser seiner Behauptung jegliche Glaubwürdigkeit mangle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

In einem ergänzenden Schriftsatz vom 2. März 1998, in dem er um eine rasche Erledigung seiner Beschwerde ersucht, behauptet der Beschwerdeführer, er sei in Afghanistan bis zu seiner Flucht als Polizist tätig gewesen. Auf dieses neue, allen bisherigen Behauptungen (wonach der Beschwerdeführer im Zivilberuf Fotograf gewesen sei) widersprechende Vorbringen ist gemäß § 41 Abs. 1 VwGG nicht einzugehen.

In der Beschwerde, in der der Beschwerdeführer auf die im Berufungsverfahren behauptete Befangenheit des einvernehmenden Beamten nicht mehr zurückkommt, wendet er sich gegen den angefochtenen Bescheid mit dem Argument, die belangte Behörde hätte ein Ermittlungsverfahren über die in der Berufung behaupteten Übersetzungsfehler im ersten Asylverfahren durchführen und "unter anderem die Qualifikation der als Dolmetsch beigezogenen, vom Beschwerdeführer in der Berufung namentlich genannten Person überprüfen" müssen. Wenn die Dolmetscherin beispielsweise infolge ungenügender Kenntnisse der persischen Sprache in der Aussage des Beschwerdeführers, wonach er "einer" politischen Partei angehöre, das Wort "einer" mit "keiner" übersetzt habe, so sei dies ein Fehler, der sich auch bei der Rückübersetzung am Schluß der Vernehmung habe auswirken müssen und für den Beschwerdeführer daher nicht erkennbar gewesen sei. Weiters hätte die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer in der Berufung im zweiten Asylverfahren angebotenen Urkundenbeweis "afghanisches Soldbuch" für seine Offizierseigenschaft aufnehmen und berücksichtigen müssen. Bei gesetzeskonformem Vorgehen hätte die belangte Behörde daher zu dem Schluß kommen müssen, daß die wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung "wegen seiner Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit (Tadschiken)" oder "wegen seiner politischen Gesinnung (Mitglied der Demokratischen Volkspartei, Mitglied des Unteroffizierskorps der kommunistischen afghanischen Armee)" gegeben sei.

Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Im vorliegenden Fall erfolgte die Erlassung des Bescheides der belangten Behörde nicht vor der Kundmachung des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76. Da die Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 und 3 dieses Gesetzes somit nicht erfüllt sind, ist der angefochtene Bescheid auf der Grundlage des von der belangten Behörde im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu Recht angewandten Asylgesetzes 1991 zu überprüfen.

Nach § 2 Abs. 3 AsylG 1991 wird Fremden, die bereits einen Asylantrag in Österreich gestellt hatten und deren Asylantrag abgewiesen wurde, kein Asyl gewährt. Diese Bestimmung findet nach § 2 Abs. 4 leg. cit. keine Anwendung auf Fremde, die ihren Asylantrag auf Umstände stützen, die nach rechtskräftiger Abweisung ihres (ersten) Antrages eingetreten sind. Auf das zusätzliche Erfordernis einer Rückkehr in den Heimatstaat kommt es nach dem Verständnis dieser Bestimmung durch den Verwaltungsgerichtshof in einem solchen Fall nicht an (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/0052, und zahlreiche daran anschließende Erkenntnisse).

Gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 ist der Entscheidung über die Berufung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen. Nach dem zweiten Absatz dieser Bestimmung (in der Fassung nach Aufhebung des Wortes "offenkundig" durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) ist eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, wenn es mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht zugänglich waren, oder sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrunde gelegt wurde, inzwischen geändert hat.

Auf erst in der Berufung erhobene Behauptungen, wie etwa - implizit - diejenige, der Beschwerdeführer sei Kommunist, und erst mit der Berufung neu vorgelegte Unterlagen, die dem Beschwerdeführer nicht erst nach dem Abschluß des erstinstanzlichen Verfahrens zugänglich wurden, hatte die belangte Behörde nach der zuletzt genannten Vorschrift nicht einzugehen.

Das Bundesasylamt und die belangte Behörde haben ihre Entscheidungen über den zweiten Asylantrag des Beschwerdeführers nicht auf § 2 Abs. 3 AsylG 1991 gestützt. Sie sind damit (stillschweigend) davon ausgegangen, der Antrag stütze sich auf Umstände, die nach der rechtskräftigen Abweisung des ersten Asylantrages eingetreten seien. Als in dieser Hinsicht maßgebliche Sachverhaltsänderungen, auf die sich der Beschwerdeführer mit der Behauptung seiner "jetzt" gegenüber "vorher" "noch größeren" Gefährdung offenkundig bezog, sind der Sturz des Nadjibullah-Regimes (1992) und in weiterer Folge vor allem die militärischen Erfolge der Taliban-Milizen in Afghanistan anzusehen.

Vor dem Hintergrund dieser allgemein veränderten Lage in seinem Heimatland mußte die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers von einer nachvollziehbaren Erklärung dafür abhängen, warum er in seinem ersten, vor dem Zusammenbruch des Nadjibullah-Regimes gestellten Antrag behauptet hatte, als Gegner diese Regimes verfolgt zu werden, während er nunmehr angab, als (zeitweiliger) Unteroffizier und Mitglied der seinerzeit staatstragenden Partei wegen seiner früheren Nähe zu diesem Regime Verfolgung befürchten zu müssen. Diesen tendenziellen, wenn auch nicht unauflösbaren Widerspruch hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren dadurch zu entkräften versucht, daß er bei seiner Einvernahme am 9. April 1997 im Gegensatz zu den in der Niederschrift vom 29. Oktober 1991 festgehaltenen Angaben behauptete, nicht gegen das Regime Nadjibullah, sondern "lediglich" gegen dessen Kooperation mit "Rußland" eingestellt gewesen zu sein, und sich in der Berufung auf nicht näher bezeichnete Übersetzungsfehler bei der Einvernahme am 29. Oktober 1991 sowie darauf berief, er habe damals "nicht die Möglichkeit" gehabt, zu sagen, daß er der "tadschikischen Minderheit" angehöre und "Offizier" sei.

Dem ist - im Hinblick auf die Beschwerdeausführungen zur Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel - entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer die Behauptung einer ihm wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit drohenden Verfolgung auch seinem zweiten Asylantrag nicht zugrunde gelegt hat, und daß die wiedergegebenen Ausführungen nicht ausreichen, um hinsichtlich der Gefahr einer Verfolgung des Beschwerdeführers wegen seiner politischen Gesinnung widerspruchsfrei darzulegen, warum er sowohl als Gegner wie auch als Anhänger des früheren Regimes von Verfolgung bedroht gewesen bzw. nun bedroht sein sollte. Der Beschwerdeführer hätte zu diesem Zweck die Bedrohungsbilder zueinander in Beziehung setzen und gegebenenfalls aufzeigen können, warum ihm die im ersten Asylverfahren behauptete Gegnerschaft zum damaligen Regime gegenüber nunmehrigen Anschuldigungen, dieses Regime unterstützt zu haben, nichts helfen würde, oder er hätte zur Beseitigung des ihm vorgehaltenen Widerspruches offenlegen müssen, daß seine Behauptungen im ersten Asylverfahren nicht den Tatsachen entsprochen hatten oder zumindest übertrieben gewesen waren, statt sich nur in gedanklich nicht schlüssiger Weise auf Mängel des ersten Asylverfahrens zu berufen, durch die seine äußerliche Nahebeziehung zu dem Regime, vor dem er damals geflüchtet sein wollte, nicht aktenkundig geworden sei. Durch die nunmehrigen Ausführungen über seine grundsätzlich bejahende Einstellung zu diesem Regime und durch die Behauptung, Mitglied der Demokratischen Volkspartei Afghanistan gewesen sein, hat der Beschwerdeführer jedenfalls nicht den ersten, sondern den zweiten der aufgezeigten Wege und den letzteren, der seinerseits das Eingeständnis einer Unwahrheit in sich geschlossen hätte, nur halbherzig beschritten. Auch ohne Bedachtnahme auf die im angefochtenen Bescheid nicht herangezogenen Behauptungen in der verspäteten Berufung gegen den Bescheid vom 4. November 1991 kann der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden, beschränkten Kontrolle der Beweiswürdigung daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Beschwerdeführer nicht als hinreichend glaubwürdig ansah, um auf Grund seiner Angaben festzustellen, er befinde sich aus wohlbegründeter Furcht vor einer ihm wegen seiner politischen Gesinnung drohenden Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997200651.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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