TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/16 W108 2227463-1

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Veröffentlicht am 16.01.2020
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Entscheidungsdatum

16.01.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z5
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W108 2227463 -1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Iran, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen Spruchpunkt VII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2019, Zl. 1232439807-190555314 / BMI-BFA_KNT_AST, wegen Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zu Recht:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird Folge gegeben, der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt und der Bescheid im genannten Spruchpunkt ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 01.06.2019 den Antrag, ihm internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 (AsylG) zu gewähren (in der Folge auch Asylantrag).

Dazu gab er im Zuge der Erstbefragung am selben Tag zum Fluchtgrund und zu seinen Rückkehrbefürchtungen im Wesentlichen an: LKW-Fahrer hätten im Iran demonstriert. Auch er wäre bei verschiedenen Demonstrationen dabei gewesen. Es sei gegen die Teuerung und gegen die Regierung und deren Politik demonstriert worden. Die Polizei habe nach den LKW, die bei der Demonstration dabei gewesen seien, gesucht und die Fahrer seien von der Polizei mitgenommen worden. Als er die Polizei gesehen habe, habe er seinen geparkten LKW stehenlassen und sei mit dem Motorrad geflüchtet. In der Folge sei er aus dem Iran ausgereist. Er mache sich Sorgen um seine Familie im Iran, die Polizei habe diese bereits verhaften wollen. Die Polizei habe seine Familie geschlagen, seinem Sohn die Hand gebrochen. Sein Sohn bekomme auch in der Schule Probleme. Die Polizei setze seine Familie unter Druck, um ihn zu finden.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) am 10.10.2019 schilderte der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes:

Er habe in der Zeit der Streiks der LKW-Fahrer im Iran eine Fahrt durchführen wollen. Dabei sei er an einer Straße gekommen, die andere Fahrer gesperrt gehabt hätten. Die Fahrer, die weitergefahren seien und die den Streik gebrochen hätten, seien mit Steinen beworfen worden. Als er sein Fahrzeug dort geparkt habe, seien Zivilbeamte und Polizisten gekommen und hätten die Fahrer beschimpft und verhindert, dass die Fahrzeuge anhalten. Ein Zivilbeamter habe die Kennzeichen der Fahrzeuge notiert und die Fahrer angeschrien und weggestoßen. Er sei weitergefahren und habe in der Folge seinen LKW in der Nähe eines Freundes abgestellt und bei seinem Freund übernachtet. Am nächsten Tag habe er zu seinem LKW schauen wollen, ob alles in Ordnung sei. Es seien wieder Polizisten und Zivilbeamte zum LKW-Parkplatz gekommen und es habe einen verbalen Streit gegeben. Als die Polizei begonnen habe, die Fahrer festzunehmen, sei er sofort auf sein Motorrad gestiegen und sei zu seinem Freund gefahren. Dieser habe aus seiner Wohnung seine Kleidung und seinen Reisepass geholt und ihm ein Flugticket nach Serbien gekauft und Geld gebracht. Er habe mit großer Angst in der Nacht den Iran verlassen. Er sei froh, dass er nicht von den Beamten identifiziert worden sei und dass er habe flüchten können. Die Regierung habe verkündet, dass die Fahrer, die den Streik verursacht hätten, aufgehängt werden würden. Nach seiner Flucht sei er jedoch identifiziert worden und seine Familie sei bedroht worden. Es gebe keinen Festnahmeauftrag gegen ihn, weil die Behörde wisse, dass er das Land verlassen habe. Die Beamten hätten seinen Sohn mitgenommen und befragt. Sein Sohn habe gesagt, dass er das Land verlassen habe. In so einem Fall würden die Beamten ohne Festnahmeauftrag kommen und die Person mitnehmen.

Der Beschwerdeführer sagte auch aus, er sei aus dem Islam ausgetreten, seit seiner Ankunft in Serbien schreibe er auch gegen den Islam. Er habe eine Nachricht von seinem Bruder bekommen, dass deshalb seine Familie im Iran bedroht werde. Der Glaube sei etwas Persönliches, deshalb wolle er nicht darüber sprechen. Diese Einstellung habe er schon seit seiner Schulzeit. Offiziell sei er seit zwei Monaten aus dem Islam ausgetreten. Im Iran habe er bezüglich seines Glaubens keine Probleme gehabt, da er seine Einstellung dort versteckt habe.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 21.11.2019 gab der Beschwerdeführer an: Seit seiner Zeit im Gymnasium habe er sich vom islamischen Glauben abgewendet. Er glaube an keine Religion. Er glaube an einen Gott, aber an keine bestimmte Religion. Er sei kein Moslem, aber er habe sich im Iran dazu nicht geäußert. Im Iran habe er diese Einstellung für sich behalten. Abgesehen von seiner Frau habe davon niemand gewusst. Wenn die Behörde davon erfahren hätte, wäre er hingerichtet worden. Er sei nicht beten gegangen. Im Iran werde niemand gezwungen, in die Moschee zu gehen. Er habe die Rituale nicht eingehalten. Seine Frau habe sich auch vom Islam abgewendet. Er sei sozusagen seit seinem 19. Lebensjahr ein Abtrünniger, aber es sei nie etwas passiert. Im Iran habe er keine religiösen Probleme gehabt. Weil er als Kind zu islamischen Ritualen gezwungen worden sei, sei er gegen den Islam gewesen. Sein Großvater sei ein Mullah gewesen. Erst als er nach Österreich gekommen sei, habe er frei über die Abwendung vom Islam geredet. Jedoch sei er nicht wegen seiner Abwendung vom Islam nach Österreich gekommen, sondern er habe sein Leben retten müssen, da er an einem LKW-Fahrerstreik teilgenommen habe. Die Demonstranten seien zum Tode verurteilt worden. Er habe Angst gehabt. Nach seiner Flucht seien die Polizisten mehrmals bei ihm zu Hause gewesen. Beim ersten Aufsuchen sei sein Sohn geschlagen worden, er und der Laptop seien mitgenommen worden. Sie hätten nach ihm gefragt und sein Sohn habe angegeben, dass er das Land verlassen habe. Sie hätten ihn freigelassen.

2. Mit dem vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wies sie den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran ab (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG; Spruchpunkt IV.), und gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte sie fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die belangte Behörde gewährte gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid erkannte die belangte Behörde gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VIII.).

Die belangte Behörde stellte unter anderem fest, der Beschwerdeführer habe einen unbegründeten Asylantrag gestellt. In einer umfangreichen (12 Seiten umfassenden) Beweiswürdigung legte sie dar, dass und weshalb sie die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe als nicht glaubwürdig erachtete. Die belangte Behörde berief sich dabei u.a. auf ihrer Ansicht nach widersprüchliches, unsubstantiiertes und detailarmes Vorbringen sowie unlogisches und nicht lebensnahes Verhalten des Beschwerdeführers. Obwohl es auch zu einer Verfolgung wegen regimekritischer Äußerungen im Iran kommen könne, sei nicht ersichtlich, warum genau der Beschwerdeführer verfolgt werden sollte; es würde die Kapazität der Behörden überschreiten, jeden zu jeder Zeit zu überwachen. Bei einer allfälligen Rückkehr in den Iran sei nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgung aufgrund einer passiven Demonstrationsteilnahme zu rechnen. Der Beschwerdeführer habe nach der Ansicht der belangten Behörde nicht darstellen können, dass er den Iran aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung oder Bedrohung aufgrund einer Beteiligung an mehreren Demonstrationen (von LKW-Fahrern) verlassen habe. Insgesamt habe er keine staatliche Bedrohung glaubhaft machen können und es sei daher auch nicht glaubhaft, dass er wegen einer solchen im Herkunftsstaat verfolgt sein könnte. Für die Behörde sei eine Gefährdung oder eine Verfolgung aufgrund des behaupteten Atheismus (Abwendung vom Islam) ebenfalls nicht glaubhaft. Er habe Probleme aufgrund seiner religiösen Einstellung sowie eine aktuell drohende individuell gegen ihn gerichtete Gefahr einer Verfolgung in seinem Heimatland nicht glaubhaft machen können. Es möge zwar zutreffen, dass er tatsächlich als LKW-Fahrer gearbeitet habe, jedoch könne aufgrund seiner Tätigkeit nicht per se eine asylrelevante Verfolgung abgeleitet werden. Eine Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Religion oder politischen Einstellung habe er nicht geltend gemacht und habe auch im Ermittlungsverfahren nicht festgestellt werden können.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG (wonach die Behörde die aufschiebende Wirkung dann aberkennen kann, wenn das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht; Spruchpunkt VII.) wurde wie folgt begründet:

Der Beschwerdeführer sei von Zivilbeamten weder verfolgt noch bedroht worden. Er selbst habe angegeben, dass seine Familie erst nach seiner Flucht aufgesucht worden wäre, einen Festnahmeauftrag habe er verneint. Er habe daher keine glaubhaften Verfolgungsgründe vorgebracht, somit liege die Ziffer 5 des § 18 Abs. 1 BFA-VG im Fall des Beschwerdeführers vor. So sei [von der belangten Behörde im Bescheid] festgestellt worden, dass er keine Fluchtgründe aus einem in der GFK genannten Gründen geltend gemacht habe. Er habe den Asylantrag nur gestellt, um ein wirtschaftlich besseres Leben zu erlangen. Er selbst habe keinerlei glaubwürdige Verfolgungsgründe iSd GFK angegeben. Eine Bedrohung als LKW-Fahrer habe nicht festgestellt werden können. Seit seiner Antragstellung befinde er sich in der Grundversorgung. Sein Antrag diente lediglich dazu, seiner Lage in seinem Herkunftsstaat zu entkommen bzw. seine persönliche Lage zu verbessern und abzusichern. Von einer Hilfsbedürftigkeit des Beschwerdeführers könne nicht ausgegangen werden. Da ihm von Beginn an bewusst gewesen sei, dass er weder verfolgt noch bedroht worden sei, und er daher seinen Antrag wissentlich unbegründet gestellt habe, werde gegen ihn ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren erlassen. Für die Behörde stehe fest, dass für den Beschwerdeführer bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei. Er bedürfe daher nicht des Schutzes Österreichs. Es sei in seinem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei. Da seinem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden sei und ihm auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat drohe, sei es ihm zumutbar, den Ausgang seines Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Sein Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens trete hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.

3. Gegen alle Spruchpunkte dieses Bescheides richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, in welcher die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung angeregt, der Beweiswürdigung der Behörde substantiiert entgegengetreten und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wird. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran würde für diesen die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen.

4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo sie am 14.01.2020 einlangte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Ausführungen oben unter Punkt I. zum Verfahrensgang (Verwaltungsgeschehen) und Sachverhalt werden festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-VG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Gegenstand der vorliegenden Entscheidung bildet ausschließlich die - fristwahrend erhobene und auch sonst zulässige - Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des Bescheides, womit der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.

3.3. Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Gemäß § 18 Abs. 6 BFA-VG steht ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

Gemäß § 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.

3.4. Daraus ergibt sich für den Beschwerdefall Folgendes:

3.4.1. Die belangte Behörde zog für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung den Tatbestand des § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG heran. Dieser Tatbestand erfasst nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zu den Vorgängerbestimmungen; vgl. dazu die Rechtsprechung zu "offensichtlich" unbegründeten Asylanträgen, etwa VwGH 22.12.2005, 2003/20/0205, mwN)) nur Fälle qualifizierter (offensichtlicher) Unglaubwürdigkeit, eine schlichte Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens reicht nicht aus. Es müssen Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss "unmittelbar einsichtig" ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die Schilderung des Asylwerbers wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich "quasi aufdrängen", die dazu führenden Gesichtspunkte müssen "klar auf der Hand liegen". Bei einem von der Behörde als unglaubwürdig angenommenen Vorbringen kann noch keine Aussage darüber getroffen werden, ob es ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreicht wird, dass dieser Tatbestand als erfüllt angesehen werden kann. Im Ergebnis setzt die im gegebenen Zusammenhang erforderliche qualifizierte Unglaubwürdigkeit somit voraus, dass es weder weitwendiger Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedarf, um zu erkennen, dass das Vorbringen eines Asylwerbers nicht den Tatsachen entspricht. Es kann typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen, aber nicht um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen (vgl. VwGH 19.12.2001, 2001/20/0442). Dieser Tatbestand ist lediglich dann anwendbar, wenn das gesamte Vorbringen zu einer Bedrohungssituation den Tatsachen offensichtlich nicht entspricht; seine Anwendbarkeit scheidet aus, wenn das Vorbringen auch nur in einem Punkt möglicherweise auf eine wahre Tatsache gestützt wird; auf Einzelaspekte gestützte Erwägungen erweisen sich somit für die Anwendung des Tatbestandes der offensichtlichen Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens zur Bedrohungssituation als nicht tragfähig (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0214).

Im vorliegenden Fall lässt die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht erkennen, worin die qualifizierte Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers im oben dargelegten Sinn liegen sollte. Die belangte Behörde hat auch gar nicht festgestellt bzw. begründet, dass bzw. weshalb das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Gänze offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht. Vielmehr führte sie selbst aus, es könne zutreffen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich als LKW-Fahrer gearbeitet habe. Die Begründung der belangten Behörde, es könne aus der Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht per se eine asylrelevante Verfolgung abgeleitet werden, reicht sowohl in Bezug auf die Behauptungen des Beschwerdeführers über die Verfolgung/Verhaftung von LKW-Fahrern im Iran als auch mit Blick auf die Feststellungen/Erwägungen der Behörde zu den Verhältnissen im Iran, die eine Verfolgung wegen regimekritischer Äußerungen/Verhaltensweisen (etwa im Rahmen einer Beteiligung an Demonstrationen von LKW-Fahrern) nicht nur nicht auszuschließen, vielmehr sogar nahezulegen scheinen, für das für die Entscheidung erforderliche Offensichtlichkeitskalkül nicht aus. Aus der Argumentation der belangten Behörde, insbesondere soweit sie mangelnde Substanz und Plausibilität des Vorbringens und nicht ausreichende Verfolgungswahrscheinlichkeit beinhaltet, ergibt sich allenfalls eine schlichte, aber keine qualifizierte Unglaubwürdigkeit des Vorbringens. Im Ergebnis lässt sich aus den vorliegenden Verfahrensergebnissen die "offensichtliche" Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht ableiten. Der Anwendung des § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG ist somit der Boden entzogen. Es ist auch nicht zu erkennen, dass ein anderer Tatbestand des § 18 Abs. 1 BFA-VG erfüllt ist. Vor diesem Hintergrund ist kein Grund ersichtlich, warum es erforderlich ist, dass der Beschwerdeführer den Ausgang seines Beschwerdeverfahrens im Herkunftsstaat abwarten muss.

3.4.2. Der Beschwerdeführer hat in seinen Einvernahmen und in seiner Beschwerde ein umfangreiches Vorbringen erstattet. Die Beschwerde regt unter anderem an, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Nach den Beschwerdeausführungen droht dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Iran abgesehen von einer asylrelevanten Verfolgung auch eine Verletzung in seinen von Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechten durch Verhaftung, lange Haftstrafe bis hin zur Todesstrafe. Der Beschwerdeführer legt in seiner Beschwerde ausführlich dar, warum nach seiner Auffassung im Falle seiner Rückkehr in den Iran bzw. im Falle der sofortigen Effektuierung der angefochtenen Entscheidung ein reales Risiko einer Verletzung seiner in § 18 Abs. 5 BFA-VG erwähnten Rechte besteht.

Bei einer Grobprüfung (dh. auch einer grundsätzlichen fallspezifischen Bezugnahme; vgl. VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0284, 0285; 29.11.2017, Ro 2017/18/0002, 0003) kann angesichts der kurzen Entscheidungsfrist (vgl. dazu auch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Erforderlichkeit der "Klärung schwieriger Sachverhaltsfragen, Durchführung einer Beweiswürdigung durch das Gericht und Erörterung von teils schwierigen Rechtsfragen" im Asylverfahren, etwa VfSlg. 20.040/2016, VfGH 26.9.2017, G 134/2017 ua.) derzeit (aufgrund der derzeitigen Verfahrensergebnisse/Aktenlage) nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass es sich hierbei um "vertretbare Behauptungen" handelt. Unter diesen Umständen ist im Beschwerdefall im Sinne des § 18 Abs. 5 BFA-VG die reale Gefahr einer Verletzung der in dieser Bestimmung genannten Rechte anzunehmen und hat der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid die aufschiebende Wirkung zuzukommen.

Ob die behaupteten Rechtsverletzungen tatsächlich vorliegen, kann erst nach eingehender Auseinandersetzung mit den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, den Verhältnissen im Herkunftsstaat und dem Vorbringen des Beschwerdeführers - im Rahmen der durchzuführenden mündlichen Verhandlung - beurteilt werden. Eine solche Beurteilung kann angesichts der im Beschwerdefall gegebenen Umstände nicht innerhalb der kurzen Frist des § 18 Abs. 5 BFA-VG erfolgen.

3.4.3. Der Beschwerde war daher mit Teilerkenntnis (vgl. dazu VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0284) die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuzuerkennen und der dem entgegenstehende Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.

Die Entscheidung über die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides ergeht gesondert, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die getroffene Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens (die Sachentscheidung) vorwegzunehmen.

3.5. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es war daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, ersatzlose
Teilbehebung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W108.2227463.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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