TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/2 W192 2200831-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.03.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W192 2200831-2/22E

W192 2200829-2/15E

W192 2200826-2/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso über die Beschwerden vonXXXX , 2.) XXXX , und 3.) XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den VMÖ, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2018, Zlen.: 1.) 831187909/1706190, 2.) 831187800/1706211, 3.) 831702501/2400021, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.01.2020, zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I., II. und III. 1.

Satz der bekämpften Bescheide werden gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8, 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird den Beschwerden stattgegeben, die Bescheide hinsichtlich der bekämpften Spruchpunkte III. (2. und 3. Satz) und IV. aufgehoben und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig erklärt. XXXX und 2.) XXXX wird gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 1, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

XXXX wird gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 2, 55 Abs. 2 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführenden Parteien, eine Mutter und ihre zwei minderjährigen Kinder, sind russische Staatsangehörige und gehören der tschetschenischen Volksgruppe an. Die damals schwangere Erstbeschwerdeführerin reiste zusammen mit ihrem traditionell angetrauten Gatten und ihrer gemeinsamen Tochter, der Zweitbeschwerdeführerin, am 15.08.2013 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 16.08.2013 Anträge auf internationalen Schutz.

In einer Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes begründete die Erstbeschwerdeführerin ihren Antrag im Wesentlichen damit, dass sie wegen den Problemen ihres Gatten, der mehrmals von maskierten tschetschenischen Männern mitgenommen worden sei, das Herkunftsland verlassen habe. Sie hätten am 11.08.2013 ihren Wohnort, ein Dorf in Tschetschenien, und in weiterer Folge das Herkunftsland verlassen. Für die Zweitbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

Im November 2013 wurde die Drittbeschwerdeführerin, die jüngere Tochter der Erstbeschwerdeführerin und ihres Gatten, im Bundesgebiet geboren, wobei für diese am 15.11.2013 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.

In einer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden auch: Bundesamt) am 12.03.2014 brachte die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass sie Widerstandskämpfern, die mehrmals in den letzten Jahren im Sommer zu ihnen gekommen seien und nicht lange zögern, sondern zur Waffe greifen würden, Lebensmittel und Medikamente gegeben hätten. Ihr Gatte sei dann im Heimatdorf wiederholt von den Behörden mitgenommen worden, wobei die Erstbeschwerdeführerin - als sie versucht habe, ihrem Gatten zu helfen und die Mitnahme zu verhindern, bewusstlos geschlagen worden sei. Im Jahr 2011, als sie schwanger gewesen sei, habe sie aufgrund derartiger Misshandlungen ihr Kind im Krankenhaus verloren. Der letzte Vorfall, bei dem ihr Mann mitgenommen worden sei, habe sich im August 2013 zugetragen. Nach seiner Freilassung hätten sie das Herkunftsland verlassen. Zu ihren Befürchtungen bei einer Rückkehr ins Herkunftsland befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin an: "Mein Mann wird dann getötet. Die Behörden würden ihn mitnehmen und er würde für immer verschwinden. Ich befürchte, dass wir eine Familie sind, weiter verfolgt würden."

Die übrigen Beschwerdeführerinnen hätten keine eigenen Fluchtgründe.

2015 wurde dem Bundesamt ein handschriftlicher Brief des Gatten der Erstbeschwerdeführerin übermittelt, worin dieser im Wesentlichen erklärte, dass er nicht nach Hause geschickt werden wolle, weil er dort Angst habe, von Kadyrov umgebracht zu werden. Deshalb ziehe er in die Ukraine und werde dort gegen die Russen und Kadyrov kämpfen und sterben. Hinsichtlich der Beschwerdeführerinnen ersuchte er darum, dass sie nicht seinetwegen ins Herkunftsland zurückgeschickt werden, und gab dazu an, dass die Erstbeschwerdeführerin bei einer Rückkehr ins Herkunftsland auch umgebracht werde.

Dem Schreiben folgten im März 2015 und im März 2016 zwei Schreiben der Erstbeschwerdeführerin an das Bundesamt, in denen sie im Wesentlichen mitteilte, dass ihr Mann ohne etwas zu sagen das Quartier verlassen habe und sie zwei Wochen später einen Brief gefunden habe, in dem er erkläre, dass er in Ukraine gehe, um dort für Regierungstruppen zu kämpfen. In einem Telefongespräch mit ihrer Schwester im Heimatdorf habe sie erfahren, dass die Familie ihres Gatten die Nachricht von dessen Tod erhalten habe. Er sei bei Kampfhandlungen in der Ukraine ums Leben gekommen. Im Falle ihrer Rückkehr nach Tschetschenien würden ihr ihre Kinder weggenommen werden, da es in Tschetschenien Tradition sei, dass die Kinder zur Familie des Mannes kommen. Die Erstbeschwerdeführerin ersuchte aufgrund der massiven Situationsänderung jeweils um eine neuerliche Einvernahme.

In einer Einvernahme beim Bundesamt am 29.01.2018 brachte die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen befragt vor: "Ich habe am 12.03.2014 eine Einvernahme im Asylverfahren durchgeführt und ich habe damals angegeben, dass ich keine eigenen Fluchtgründe hätte und mich mit meinen Asylgründen auf die Gründe des Ehemannes stützen würde. Nun ist aber mein Ehemann verstorben und ich befürchte im Falle der Rückkehr, dass mir die Kinder weggenommen werden und der Familie von [...] einverleibt werden und das möchte ich nicht. Ich möchte mit meinen Kindern zusammenleben. Meine Schwester [...] wurde im Frühling 2015 geschieden und die Kinder leben seit der Scheidung auch bei ihrem Ehemann." Die Erstbeschwerdeführerin stützte ihre Befürchtungen auf tschetschenische Traditionen. Die Erstbeschwerdeführerin bestätigte auch die Frage, ob sie Probleme mit den Behörden der Heimat gehabt habe. Ihrem Mann und ihr sei vorgeworfen worden, dass sie im Jahr 2013 die Rebellen unterstützt haben sollen. Dazu gab sie an, dass sie bereits in der letzten Einvernahme angegeben habe, dass sie Übergriffe durch die Behörden zu erdulden gehabt habe. Sie sei damals schwanger gewesen und habe ein kleines Kind gehabt, weshalb sie von den Behörden nicht mitgenommen worden sei. Dazu befragt, was sie konkret erwarte, wenn sie in den Herkunftsstaat zurückkehren müsste, gab die Erstbeschwerdeführerin an: "Meine Kinder würden gezwungen bei der Familie von [...] zu leben und ich könnte mit meinen Kindern nicht zusammenleben."

Einer Anfragebeantwortung vom 12.03.2018 eines vom Bundesamt bestellten Sachverständigen ist zu entnehmen, dass aufgrund von Erhebungen im Ministerium der Russischen Föderation durch ein als Ermittlungshelfer betrautes in den GUS-Staaten konzessioniertes Detektivbüro ermittelt werden habe können, dass der Gatte der Erstbeschwerdeführerin in Tschetschenien in dem von ihr angegebenen Heimatdorf gemeldet sei und auf der Fahndungsliste der "terroristischen und extremistische Organisationen und Personen" der Russischen Föderation gemäß Gesetz RF 115 vom 07.08.2001 stehe, wobei man im Innenministerium der Russischen Föderation über Informationen über seine aktive Teilnahme im bewaffneten Konflikt in der Ostukraine während der Jahre 2014/2015 verfüge. Bei den Behörden der Russischen Föderation würden keine Informationen über seinen Tod aufliegen.

In einer Einvernahme beim Bundesamt am 10.04.2018 wurde der Erstbeschwerdeführerin das Ergebnis der Anfragebeantwortung vom 12.03.2018 zu Kenntnis gebracht, wobei diese dazu im Wesentlichen vorbrachte, dass sie über den Tod ihres Gatten von ihrer Schwester erfahren hätte, wobei die Polizeidienststelle in ihrem Heimatdorf sowohl ihrer Schwester als auch ihrem Bruder mitgeteilt habe, dass ihr Ehemann verstorben sei. Woher die Polizei im Heimatdorf dies wisse, könne die Erstbeschwerdeführerin nicht angeben. Dazu befragt, ob sich seit der letzten Einvernahme hinsichtlich der Fluchtgründe eine Änderung ergeben hätte, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass es keine Änderungen gegeben hätte, sie habe Angst, dass ihr ihre Kinder weggenommen werden, wenn sie in ihre Heimat zurückkehre. Der zweite Bruder ihres Gatten, der in Österreich wohne, habe auf den Koran geschworen, dass ihr ihre Kinder weggenommen werden, wenn sie in ihre Heimat zurückkehre. Der älteste Bruder ihres Mannes namens A. lebe in Tschetschenien und er würde ihr ihre Kinder wegnehmen. Der zweite Bruder ihres Mannes, der in Österreich lebe, sei böse auf die Erstbeschwerdeführerin, weil sie seinen Bruder nicht in Österreich halten habe können. Ihr Gatte und sie hätten sich nicht mehr verstanden, aus diesem Grund sei dieser zu Freunden nach Wien gegangen und habe sie weder angerufen, noch ihr geschrieben. In ihrer Heimat sei es so, dass einer Witwe die Kinder weggenommen werden. Ihre Schwester, welche geschieden sei, habe auch die Kinder dem geschiedenen Ehemann gelassen.

2. Mit Bescheiden des Bundesamtes vom 14.05.2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG 2005 in Bezug auf Asyl (Spruchpunkte I.) und gemäß § 8 AsylG 2005 hinsichtlich subsidiärem Schutz (Spruchpunkte II.) abgewiesen, gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerinnen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerinnen gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.). Mit Spruchpunkt IV. wurde gegen die Erstbeschwerdeführerin gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und mit Spruchpunkt V. bzw. IV. einer Beschwerde gegen die Entscheidung über die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

In der Entscheidungsbegründung verwies die Behörde auf eine in Vorlage gebrachte Sterbeurkunde des Gatten der Erstbeschwerdeführerin und ging davon aus, dass diese keine gegen sie selbst oder ihre minderjährigen Töchter gerichteten asylrelevanten Verfolgungshandlungen vorgebracht hätte. Im Verfahren sei keine Gefährdung der Beschwerdeführerinnen im Herkunftsland festzustellen gewesen; mangels eines schützenswerten Familien- und Privatlebens im Bundesgebiet seien Rückehrentscheidungen auszusprechen gewesen. Da die Beschwerdeführerinnen keine Fluchtgründe vorgebracht hätten, sei einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen. Unter Verweis auf Art. 11 Abs. 1 lit a der Richtlinie 2008/115/EG sowie auf die Mittellosigkeit der Erstbeschwerdeführerin sei gegen diese ein Einreiseverbot zu verhängen gewesen.

3. Gegen diese Bescheide wurden binnen offener Frist die von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerinnen verfassten Beschwerden eingebracht, worin das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin hinsichtlich der befürchteten Wegnahme ihrer Kinder sowie einer Bedrohung durch die tschetschenischen Behörden, die die Erstbeschwerdeführerin bereits mehrfach misshandelt hätten, wiederholt wurde. Dazu wurden u.a. auch umfangreiche Passagen des Einvernahmeprotokolls des Gatten der Erstbeschwerdeführerin vom 03.05.2013 zitiert. Der Gatte der Erstbeschwerdeführerin habe sich von ihr getrennt und sei gegen die Russen in der Ukraine in den Krieg gezogen, wobei er verstorben sei. Wie sich aus den amtswegigen Erhebungen ergebe, sei ihr Gatte tatsächlich im Herkunftsland auf einer Fahndungsliste vermerkt und verfüge das Innenministerium der Russische Föderation über Informationen über seine aktive Teilnahme am bewaffneten Konflikt in der Ostukraine in den Jahren 2014/2015. Im Frühjahr 2015 hätten tschetschenische Behörden das Haus der Beschwerdeführerinnen in Tschetschenien durchsucht und seien auch die Schwester und der Bruder der Erstbeschwerdeführerin durch tschetschenische Sicherheitsbehörden intensiv nach ihr befragt worden. Sie hätten wissen wollen, wo die Erstbeschwerdeführerin sich befinde und ob sie gemeinsam mit ihrem Gatten in die Ukraine gegangen sei. Im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wäre ernsthaft zu befürchten, dass die Erstbeschwerdeführerin gleich nach der Einreise von russischen Sicherheitsbehörden festgenommen und verhört werden würde. Da ihr Gatte auf einer Liste von Terrorverdächtigen stehe, sei anzunehmen, dass die Behörden den Verdacht hegen, dass die Erstbeschwerdeführerin von seinen Aktivitäten gewusst habe bzw. diese sogar aktiv unterstützt habe. Weiters wäre ernsthaft zu befürchten bzw. sogar davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführerin ihre Kinder von der Familie ihres Gatten, konkret vom Schwager namens A., weggenommen werden würden. Ein Bruder ihres Gatten habe sogar auf den Koran geschworen, dass der Erstbeschwerdeführerin die Kinder im Falle der Rückkehr nach Tschetschenien oder im Falle einer erneuten Eheschließung weggenommen werden würden. Die Familie des Gatten der Erstbeschwerdeführerin gebe ihr die Schuld daran, dass er in die Ukraine gegangen und in der Folge gestorben sei. Sie würden meinen, dass ihr Streit ihn dazu gebracht habe, die Familie zu verlassen und in die Ukraine zu ziehen. Dass diese Vorgehensweise der Realität entspreche, gehe auch insofern aus den getroffenen Länderfeststellungen hervor, als durch die kadyrowsche Islamisierung insbesondere die Rechte der Frauen beschnitten werden würden, neben dem russischen föderalen Recht in Tschetschenien sowohl Adat als auch die Scharia eine wichtige Rolle spielen würden, und es in Tschetschenien traditionell üblich sei, dass Kinder im Fall der Scheidung beim Vater bzw. der Familie des Vaters bleiben würden und geschiedene Frauen, die gemeinsam mit ihren Kindern leben würden, in der Regel nicht wieder heiraten können, da traditionell die Frau zum neuen Mann ziehe und es hier Animositäten gegen die Kinder des Vorgängers gebe. Lokale Behörden würden sich mehr nach Traditionen als nach den russischen Rechtsvorschriften richten. Aus all diesen Gründen sei es der Erstbeschwerdeführerin nicht möglich, ins Herkunftsland zurückzukehren. Die Erstbeschwerdeführerin habe nie freiwillig den tschetschenischen Widerstand unterstützt. Dass sie im Jahr 2013 bewaffneten Widerstandskämpfern Nahrung und Medikamente gegeben hätten, könne man ihnen nicht vorwerfen, da sie dies nicht freien Willens, sondern unter Androhung von Zwangsgewalt gemacht hätten. Der Erstbeschwerdeführerin sei die Unterstützung der Rebellen also völlig zu Unrecht von den tschetschenischen Sicherheitsbehörden vorgeworfen worden. Sie sei persönlich geschlagen, beschimpft und mit den Füßen getreten worden und habe im Jahr 2011 deswegen ein Kind verloren. Indem ihr Gatte nachweislich auf der Liste von Terrorverdächtigen vermerkt sei, habe der Vorwurf der tschetschenischen Behörden gegen sie weiter an Bedrohlichkeit gewonnen und es wäre ernsthaft davon auszugehen, dass die vor der Ausreise bereits gegen sie und ihren Mann stattgefundenen Verfolgungshandlungen im Fall einer Rückkehr eine Fortsetzung finden würden. Weiters wurde auf die besondere Integration der Beschwerdeführerinnen verwiesen, wobei die Erstbeschwerdeführerin inzwischen Deutsch auf B1 Niveau spreche, auf Kinder von befreundeten Familien aufpasse, Dolmetscherdienste leiste und stets helfe, wenn ihre Hilfe benötigt werde. Sie habe bereits eine schriftliche Jobzusage als Gastgewerbehilfskraft in einem Gasthof, sowie zwei Wohnungszusagen, die in der Beschwerde in Kopie beigefügt sind. Die Zweitbeschwerdeführerin habe schon als kleines Kind miterleben müssen, wie ihre Eltern von Sicherheitsbehörden mit äußerster Brutalität behandelt worden seien, habe etwa die Hälfte ihres Lebens nun hier in Österreich verbracht und absolviere gerade die dritte Klasse Volksschule, wobei sie eine sehr gute Schülerin sei und bereits viele Freundinnen und Freunde in Österreich gefunden habe. Die lange Verfahrensdauer sei von den Beschwerdeführerinnen nicht zu verantworten. Dazu wurden entsprechende Schulnachrichten und Unterstützungsschreiben in Kopie beigelegt. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass die Begründung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, nämlich dass die Erstbeschwerdeführerin überhaupt keine Verfolgungsgründe vorgebracht hätte, nicht den Tatsachen entspreche, zumal aus den Niederschriften klar hervorgehe, dass die Erstbeschwerdeführerin Verfolgungsgründe sowohl bei der Erstbefragung als auch bei den Einvernahmen vor dem Bundesamt geschildert habe, wobei sich die Bestimmung des § 18 Abs. 1 Z. 4 BFA-VG nur auf Fälle beziehe, in denen nicht einmal abstrakt ein relevanter Verfolgungsgrund vorgebracht werde. Auch sei nach einer Verfahrensdauer von nunmehr knapp fünf Jahren nicht einzusehen, warum nun auf einmal ein derartiges beschleunigtes Verfahren von der Behörde für notwendig erachtet werde. Auch die Erlassung des Einreiseverbotes sei völlig überzogen, unverhältnismäßig und hinsichtlich der Mittellosigkeit sachlich nicht gerechtfertigt. Weiters würden die dazu angeführten Behauptungen, nämlich das Vorliegen einer Anzeige der Finanzpolizei, dass der Gatte der Erstbeschwerdeführerin einmal wegen Schwarzarbeit angezeigt worden sei und die Erstbeschwerdeführerin in der Vergangenheit wegen diverser Eigentumsdelikte zu Geld- und Haftstrafen verurteilt worden sei, nicht der Wahrheit entsprechen. Im Gegenteil habe sich die Erstbeschwerdeführerin während ihres fast fünfjährigen Aufenthaltes niemals etwas zu Schulden kommen lassen.

4. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.07.2018, Zahlen W182 2200831-1/2E, W182 2200829-1/2E und W182 2200826-1/2E, wurden die angeführten Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Begründend hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, das Bundesamt habe es im Verfahren trotz wiederholter Einvernahmen völlig unterlassen, auf das Fluchtvorbringen sowie die Rückkehrbefürchtungen der Beschwerdeführerinnen einzugehen. Die von der Erstbeschwerdeführerin vorgebrachten Befürchtungen einer im Fall einer Rückkehr drohenden Wegnahme ihrer Kinder sowie einer ihr vorgeworfenen Unterstützung tschetschenischer Rebellen seien im angefochtenen Bescheid in keiner Weise thematisiert, sondern schlichtweg ignoriert worden. Unter Berücksichtigung der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausführungen zur Allgemeinsituation von Frauen in Tschetschenien könne eine Asylrelevanz der vorgebrachten Befürchtungen a priori nicht ausgeschlossen werden. Neben einer unzureichenden Befragung der Erstbeschwerdeführerin habe das Bundesamt auch keine Ermittlungen angestellt, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen es tschetschenische Traditionen in der Praxis zulassen würden, dass einer Witwe die eigenen Kinder von der Familie väterlicherseits weggenommen würden, und ob es dagegen einen effektiven Schutz, sei es durch Behörden oder durch die eigene Familie bzw. den eigenen Clan gebe. Auch seien keine Ermittlungen - sei es durch Befragung der Erstbeschwerdeführerin oder sonstige Erhebungen - durchgeführt worden, die eine Beurteilung der Glaubwürdigkeit ihrer Angaben, von tschetschenischen Behörden vor ihrer Ausreise persönlich misshandelt worden zu sein, zulassen würden. Das gleiche gelte für Ermittlungsergebnisse, die eine aussagekräftige Schlussfolgerung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Befürchtung der Erstbeschwerdeführerin, wegen ihr unterstellter Unterstützung von Kämpfern respektive als Frau einer auf einer Terroristen-Fahndungsliste geführten, inzwischen verstorbenen Person, von Behörden im Herkunftsland verfolgt zu werden, enthalten.

5. Anlässlich einer im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 08.08.2018 abgehaltenen niederschriftlichen Einvernahme führte die Erstbeschwerdeführerin nach Bekanntgabe der in Aussicht genommenen weiteren Ermittlungsschritte aus, sie befürchte eine Wegnahme ihrer Kinder ausschließlich durch den bereits erwähnten, in Tschetschenien lebenden, Bruder ihres verstorbenen Ehegatten, zumal die weiteren Geschwister ihres Ehemannes außerhalb Tschetscheniens ansässig wären. Hierzu legte die Erstbeschwerdeführerin Berichtsmaterial zur Thematik von Scheidung und anschließender Regelung der Obsorge sowie Schreiben ihrer Schwägerinnen vor, welche bestätigen würden, dass die tschetschenischen Traditionen die Wegnahme von Kindern durch die Angehörigen eines verstorbenen Ehemannes vorsehen. Weiters führte sie aus, sie sei im Vorfeld der Ausreise insofern Problemen mit den Behörden des Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen, als sie im August 2013 im Zuge einer versuchten Festnahme ihres Gatten von den Beamten geschlagen worden sei. Zu einem weiteren Kontakt mit den tschetschenischen Behörden sei es bis zu ihrer Ausreise nicht gekommen. Im Falle einer Rückkehr könnte sie festgehalten werden oder verschwinden, da ihr von den Behörden vorgeworfen werde, im Jahr 2013 Rebellen mit Essen und Medikamenten unterstützt zu haben. Grundsätzlich bestünde für sie im Falle einer Rückkehr die Möglichkeit, bei ihren Eltern Unterkunft zu nehmen. Die Erstbeschwerdeführerin wurde im Anschluss zu ihren integrativen Schritten in Österreich befragt, wozu sie ein Konvolut an Unterlagen sie selbst und ihre Töchter betreffend in Vorlage brachte.

6. Am 06.09.2018 wurde ein im Bundesgebiet lebender Schwager der Erstbeschwerdeführerin als Zeuge vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl befragt. Dieser gab an, über den Aufenthaltsort des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin (seines Bruders) nicht informiert zu sein. Auf Vorhalt der Angabe der Erstbeschwerdeführerin, wonach der Zeuge auf den Koran geschworen hätte, dass dieser im Falle einer Rückkehr die Kinder weggenommen werden würden, erklärte der Zeuge, niemand würde der Erstbeschwerdeführerin die Kinder wegnehmen; nur wenn diese sich nicht mehr um die Kinder kümmern würde, wären die Verwandten väterlicherseits bereit, die Betreuung der Kinder zu übernehmen. Die Kultur in Tschetschenischen und die islamische Tradition ließen es nicht zu, dass einer Mutter die Kinder weggenommen würden. Angesichts der Einstufung ihres Gatten als Terrorist und Extremist könne es sein, dass die Erstbeschwerdeführerin nach einer Rückkehr von den Behörden einvernommen würde. Der verstorbene Ehemann der Erstbeschwerdeführerin sei in der Ukraine Kämpfer gewesen und der ältere noch in Tschetschenien lebende Bruder habe bis zu dessen Tode immer wieder Probleme mit den dortigen Behörden gehabt. Seit Ausstellen der Sterbeurkunde hätten die russischen Behörden kein Interesse mehr an der Person des verstorbenen Gatten der Erstbeschwerdeführerin gezeigt.

Am gleichen Datum wurde die Schwägerin der Erstbeschwerdeführerin, eine im Bundesgebiet lebende Schwester des verschollenen Gatten der Erstbeschwerdeführerin, als Zeugin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl befragt. Diese gab ebenfalls an, dass die tschetschenischen Traditionen die von der Erstbeschwerdeführerin befürchtete Wegnahme ihrer Kinder verbieten würden.

7. In einer Anfragebeantwortung vom 28.09.2018 führte der bereits im ersten Rechtsgang hinzugezogene Sachverständige zu einem entsprechenden Rechercheauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl aus, dass die Erstbeschwerdeführerin weder von den tschetschenischen, noch von den russischen Behörden gesucht werde. Die von der Erstbeschwerdeführerin und den befragen Zeugen erstatteten Angaben zur Person des in Tschetschenien lebenden Bruders des verstorbenen Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin wurden im Wesentlichen bestätigt, wobei ausgeführt wurde, dass dessen aktueller Aufenthaltsort nicht bekannt wäre.

In einer weiteren Anfragebeantwortung vom 30.10.2018 führte der erwähnte Sachverständige aus, gemäß den Normen des "Adat", welche im Alltagsleben seit der Präsidentschaft von Kadyrov gegenüber staatlichem Recht de facto stärkeres Gewicht erlangt hätten, seien nach dem Tod eines Elternteils die Großeltern bzw. Onkeln väterlicherseits für die Erziehung der Kinder verantwortlich. Eine Witwe könne mit ihren Kindern in der Familie ihres verstorbenen Mannes bleiben, eine Einflussnahme auf die Erziehung der Kinder sei ihr traditionell jedoch lediglich bis zum 7. Geburtstag von Söhnen bzw. bis zum 9. Geburtstag von Töchtern gestattet. Sollte einer Witwe das Besuchsrecht an den Kindern verweigert werden respektive diese aggressivem Verhalten von Seiten der Familie des verstorbenen Mannes ausgesetzt sein, habe sie rechtlich die Möglichkeit, sich an die ordentlichen Gerichte zu wenden; de facto stelle eine solche Klage im gegenwärtigen Regime von Kadyrov eine Herausforderung mit äußerst ungewissem Ausgang dar. Alternativ hätte sie die Möglichkeit, sich an zwei näher bezeichnete nichtstaatliche Organisationen zu wenden.

8. Am 26.11.2018 wurde die Erstbeschwerdeführerin ergänzend vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und legte zu Beginn Bestätigungen über den Schul- und Kindergartenbesuch ihrer Töchter sowie über ihre eigene gemeinnützige Erwerbstätigkeit vor. Der Erstbeschwerdeführerin wurden die wesentlichen Inhalte der Rechercheergebnisse des hinzugezogenen Sachverständigen sowie der Aussagen ihres Schwagers und ihrer Schwägerin als Zeugen zur Kenntnis gebracht, wobei diese die Richtigkeit der Ausführungen der Zeugen bestritt; tatsächlich hätten ihr ebenjene Angehörigen im Jahr 2015, nachdem der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin Österreich verlassen hätte, mitgeteilt, dass ihr die Kinder bei einer Rückkehr nach Tschetschenien weggenommen würden. Mittlerweile habe sich das Verhältnis zu diesen jedoch normalisiert. Zur Frage, weshalb sie angesichts des Vorliegens einer Sterbeurkunde betreffend ihren Gatten Probleme mit den Behörden ihres Herkunftsstaates befürchte, gab diese an, dass auch sie Probleme in der Heimat hätte, zumal ihr von den Behörden Tschetscheniens vorgeworfen würde, dass sie in ihrem Haus Rebellen empfangen hätte. Zudem befürchte sie die bereits dargelegten Probleme mit ihrem Schwager, welcher ihr die Kinder wegnehmen könnte. Zuletzt habe sie zu jenem Schwager im Jahr 2015 telefonischen Kontakt gehabt.

9. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge auf internationalen Schutz der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkte I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkte II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die beschwerdeführenden Parteien eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte III.) und die Frist für deren freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass eine Verfolgung der beschwerdeführenden Parteien aus asylrelevanten Gründen nicht habe festgestellt werden können. Die von der Erstbeschwerdeführerin angesprochenen polizeilichen Maßnahmen in Zusammenhang mit ihrem Ehemann seien nicht als Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen. Eine behördliche Suche nach der Erstbeschwerdeführerin selbst sei im Herkunftsstaat nicht gegeben. Auch die vorgebrachte Befürchtung einer Wegnahme der beiden minderjährigen Kinder durch den in Tschetschenien lebenden Bruder ihres verstorbenen Ehemannes begründe keine asylrelevante Verfolgung. Diesbezüglich wurde auf einen Bericht des EASO (Tschetschenien - Frauen, Heirat, Scheidung und Sorgerecht für Kinder, September 2014) verwiesen. Nach Ansicht des Bundesamtes sei die Wahrscheinlichkeit, dass der Erstbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr von ihrem Schwager die Kinder weggenommen würden, als verschwindend gering zu erachten, zumal der Aufenthaltsort ihres Schwagers zuletzt unbekannt gewesen wäre. Zudem könnte sich die Erstbeschwerdeführerin den vorgebrachten Befürchtungen durch Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative entziehen. Im Falle der minderjährigen Beschwerdeführerinnen seien keine darüberhinausgehenden eigenen Rückkehrbefürchtungen geltend gemacht worden.

Weiters habe nicht festgestellt werden können, dass die beschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt sein würden oder eine Rückkehr für diese als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Erstbeschwerdeführerin habe im Herkunftsstaat zahlreiche Angehörige, welche sie und ihre Töchter nach einer Rückkehr unterstützen könnten und es wäre dieser auch im Herkunftsstaat möglich, eine Behandlung hinsichtlich ihrer Probleme im psychischen Bereich sowie im Bewegungsapparat in Anspruch zu nehmen. In Anbetracht der grundsätzlichen Selbsterhaltungsfähigkeit der Erstbeschwerdeführerin könne nicht erkannt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien im Falle einer Rückkehr Gefahr liefen, in eine Existenz bedrohende Notlage zu geraten. Die minderjährigen Beschwerdeführerinnen befänden sich in der Obsorge ihrer pflege- und unterhaltspflichtigen Mutter, sodass auch in deren Fall unter Berücksichtigung ihrer Minderjährigkeit keine Gefährdung im Herkunftsstaat habe erkannt werden können.

Die beschwerdeführenden Parteien würden ein Familienleben lediglich untereinander führen, sodass die für alle Familienmitglieder ausgesprochene Rückkehrentscheidung zu keinem Eingriff in deren Recht auf Achtung des Familienlebens führe. Die beschwerdeführenden Parteien hielten sich seit rund vier Jahren in Österreich auf, hätten jedoch keine Aspekte einer außergewöhnlichen Integration vorgebracht. Die gesamte Familie lebe von der Grundversorgung, die Erstbeschwerdeführerin beherrsche Deutsch auf dem Niveau B1, ginge jedoch keiner legalen Beschäftigung nach und sei in keinen Vereinen aktiv. Demgegenüber habe die Erstbeschwerdeführerin im Herkunftsstaat ein enges familiäres Netz und beherrsche die dortigen Verkehrssprachen fließend. Da sich die minderjährigen beschwerdeführenden Parteien in einem mit hoher Lern- und Anpassungsfähigkeit verbundenen Lebensalter befänden, sei ein Übergang zum Leben im Herkunftsstaat mit keinen unüberwindbaren Schwierigkeiten verbunden.

10. Gegen diese Bescheide erhoben die beschwerdeführenden Parteien mit für alle Familienmitglieder gleichlautendem Schriftsatz vom 27.12.2018 durch die bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation die verfahrensgegenständlichen Beschwerden im vollen Umfang. Begründend wurde ausgeführt, die im fortgesetzten Verfahren erfolgten Nachforschungen zur Rechtslage und gelebten Tradition in Tschetschenien hinsichtlich der Frage der Obsorge für Kinder im Falle des Ablebens des Vaters würden die Befürchtungen der Erstbeschwerdeführerin bestätigen. Die Kinder der Erstbeschwerdeführerin müssten daher beim einzig verbliebenen Bruder ihres verstorbenen Vaters in Tschetschenien leben, zu welchem die Erstbeschwerdeführerin ein zerrüttetes Verhältnis aufweise, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass dieser auch die Erstbeschwerdeführerin bei sich aufnehmen würde. Die anderslautenden Aussagen der vor dem Bundesamt als Zeugen befragten Geschwister des verstorbenen Mannes der Erstbeschwerdeführerin würden nicht verwundern, zumal die Wegnahme der Kinder ein in Österreich strafbares Verhalten darstellen würde; zudem würden die aufgenommenen Niederschriften den Eindruck untereinander abgesprochener Aussagen der Zeugen erwecken, welche mit den länderspezifischen Ermittlungsergebnissen im Widerspruch stünden. Die in Frankreich aufhältigen Ehefrauen von zwei weiteren Brüdern des verstorbenen Mannes der Erstbeschwerdeführerin hätten die Befürchtungen der Erstbeschwerdeführerin in Bezug auf eine ihr drohende Wegnahme der Kinder im Rahmen von schriftlichen Stellungnahmen bestätigt. Aufgrund der einhelligen Aussagen aller Familienmitglieder stehe fest, dass sich der fragliche Schwager nach wie vor in Tschetschenien aufhalte. Auch bei einer Niederlassung in einem anderen Landesteil käme das tschetschenische "Adat" zur Anwendung, sodass der in Tschetschenien lebende obsorgeberechtigte Schwager ein Gericht einschalten könnte und höchst wahrscheinlich Recht bekommen würde. Die Erstbeschwerdeführerin sei der Ansicht, dass eine Wegnahme der Kinder durch die Familie ihres Mannes in Kombination mit der Tatsache, dass es ihr nicht möglich sein würde, sich mit staatlicher Hilfe dagegen zu wehren, sehr wohl einen Asylgrund darstelle, sodass internationaler Schutz aufgrund der Zugehörigkeit der Erstbeschwerdeführerin zur sozialen Gruppe der Frauen, die von einer Wegnahme ihrer Kinder betroffen seien, zuzuerkennen sei. Im Falle der minderjährigen Beschwerdeführerinnen bestehe eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Kinder, die von einer Trennung von der Mutter betroffen wären. Darüber hinaus befürchte die Erstbeschwerdeführerin Verfolgung durch tschetschenische Polizeibehörden aufgrund der Tatsache, dass die Witwe eines Mannes sei, der auf der Liste von Terrorverdächtigen zu finden gewesen wäre. Eine offizielle Fahndung nach ihrer Person habe die Erstbeschwerdeführerin nicht behauptet, jedoch hätten sie und ihr Mann bereits in der Vergangenheit Probleme mit den tschetschenischen Behörden aufgrund ihnen vorgeworfener Unterstützungstätigkeit für tschetschenische Widerstandskämpfer erlebt, wobei die Erstbeschwerdeführerin bereits wiederholt körperlichen Misshandlungen ausgesetzt gewesen wäre. Die Lage hätte sich insofern weiter verschärft, als der Mann der Erstbeschwerdeführerin sich von dieser getrennt hätte, in den Krieg in der Ukraine gegen Russland gezogen sei und entweder noch in der Ukraine getötet oder von den Russen gefangen genommen worden und in Russland getötet worden sei. Im Frühjahr 2015 hätten die tschetschenischen Behörden ihr Haus durchsucht und nach dem Aufenthaltsort der Erstbeschwerdeführerin und ihres Mannes gefragt. Im Falle einer Rückkehr sei zu befürchten, dass die Erstbeschwerdeführerin gleich nach der Einreise von russischen Sicherheitsbehörden festgenommen und befragt werden würde; verwiesen wurde auf Berichtsmaterial, welchem sich entnehmen ließe, dass Verfolgung von Familienmitgliedern von Terrorverdächtigen in Tschetschenien weiterhin an der Tagesordnung stünde. Die Erstbeschwerdeführerin sei demnach von staatlicher Verfolgung aufgrund vermeintlicher Unterstützung des Terrorismus und des tschetschenischen Widerstandes bedroht. Zur Begründung der Rückkehrentscheidung habe die Behörde mehrfach auf unrichtige Sachverhalte, etwa die Aufenthaltsdauer und die fehlende Erwerbstätigkeit der Erstbeschwerdeführerin verwiesen, wodurch sich zeigen würde, dass sich die Behörde nicht ordnungsgemäß mit dem Privatleben der Beschwerdeführerinnen im Bundesgebiet auseinandergesetzt hätte. Aufgrund der sehr guten Deutschkenntnisse, des jahrelangen Aufenthaltes im Bundesgebiet, der außerordentlichen Integration sowie einer konkreten Einstellungszusage der Erstbeschwerdeführerin, sei von einer baldigen Selbsterhaltungsfähigkeit der Familie in Österreich auszugehen, wohingegen eine Rückkehr nach Tschetschenien die beschriebene Trennung der minderjährigen Töchter von der Erstbeschwerdeführerin zur Folge haben könnte.

Übermittelt wurden die erwähnten Schreiben der beiden Schwägerinnen der Erstbeschwerdeführerin, Bestätigungen über die gemeinnützige Tätigkeit der Erstbeschwerdeführerin, Kindergarten- und Schulbesuchsbestätigungen betreffend die minderjährigen Beschwerdeführerinnen, eine Bestätigung über die von der Erstbeschwerdeführerin in Anspruch genommene psychotherapeutische Behandlung sowie diverse Unterstützungserklärungen für die Beschwerdeführerinnen.

11. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.05.2019 wurden die gegenständlichen Rechtssachen der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung W182 abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

Am 22.11.2019 und am 02.12.2019 langten die durch das Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebenen Übersetzungen der von der Erstbeschwerdeführerin übermittelten Schreiben ihrer beiden Schwägerinnen ein.

Infolge der Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachten die Beschwerdeführerinnen mit Eingabe vom 10.12.2019 weitere Unterlagen zum Beleg ihrer Integrationsbemühungen in Vorlage

12. Am 03.01.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher die Beschwerdeführerinnen, eine Vertreterin der von diesen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation und eine Dolmetscherin für die russische Sprache teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte im Vorfeld schriftlich auf eine Teilnahme an der Verhandlung verzichtet. In der Beschwerdeverhandlung wurden die Verfolgungsbehauptungen und Rückkehrbefürchtungen der Erstbeschwerdeführerin, die Situation in ihrem Herkunftsstaat sowie Aspekte des aktuellen Familien- und Privatlebens der Beschwerdeführerinnen erörtert.

Mit Eingabe vom 17.02.2020 übermittelte die Erstbeschwerdeführerin ein Zertifikat über eine bestandene Integrationsprüfung auf dem Niveau B1, mit Eingabe vom 28.02.2010 eine Schulnachricht der Zweitbeschwerdeführerin vom Februar 2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Personen der beschwerdeführenden Parteien und deren Rückkehrsituation:

Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, welche der tschetschenischen Volksgruppe angehörigen und sich zum moslemischen Glauben bekennen. Die Erstbeschwerdeführerin ist Mutter und gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Die damals schwangere Erstbeschwerdeführerin ist gemeinsam mit der Zweitbeschwerdeführerin und ihrem traditionell angetrauten Ehemann illegal in das Bundesgebiet eingereist, stellte am 16.08.2013 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz für sich und die Zweitbeschwerdeführerin und hält sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf. Die Drittbeschwerdeführerin wurde im November 2013 im Bundesgebiet geboren. Der traditionell angetraute Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen hat das österreichische Bundesgebiet im Jahr 2015 mutmaßlich zwecks Teilnahme an Kampfhandlungen in der Ukraine verlassen und ist seither unbekannten Aufenthaltes.

1.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin wegen einer ihr vorgeworfenen Unterstützung der tschetschenischen Widerstandskämpfer respektive aufgrund der Angehörigeneigenschaft zu ihrem Ehemann einer behördlichen Verfolgung in Tschetschenien oder im übrigen Gebiet der Russischen Föderation unterliegt. Ebensowenig kann festgestellt werden, dass die minderjährigen Beschwerdeführerinnen im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat, insbesondere bei einer Ansiedelung außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien, von Angehörigen väterlicherseits zwangsweise aus der Obhut der Erstbeschwerdeführerin entzogen und fortan unter Trennung von ihrer Mutter im Haushalt des in Tschetschenien ansässigen Onkels väterlicherseits leben müssten. Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin und die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wären.

1.3. Es besteht für die beschwerdeführenden Parteien im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit. Diese liefen auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Im Herkunftsstaat halten sich zahlreiche Angehörige der beschwerdeführenden Parteien auf, welche sie nach einer Rückkehr unterstützen könnten. Den beschwerdeführenden Parteien wäre es alternativ zu einer Rückkehr in ihre Heimatregion Tschetschenien, wo sich unverändert die Eltern, sechs Geschwister und weitere Verwandte der Erstbeschwerdeführerin aufhalten, möglich und zumutbar, sich in Moskau oder einem anderen urbanen Gebiet der Russischen Föderation niederzulassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen. Die beschwerdeführenden Parteien leiden jeweils an keinen schwerwiegenden Erkrankungen, die Erstbeschwerdeführerin verfügt über Schulbildung, eine Ausbildung als Buchhalterin sowie Berufserfahrung und ist aufgrund ihres Alters und Gesundheitszustandes in der Lage, den Lebensunterhalt für sich und ihre minderjährigen Kinder in der Russischen Föderation eigenständig zu bestreiten. Die Erstbeschwerdeführerin nahm ihm Bundesgebiet aufgrund von Rücken- und Nackenschmerzen eine zwischenzeitlich abgeschlossene physiotherapeutische Behandlung in Anspruch, zudem befindet sie sich in einer laufenden psychotherapeutischen Behandlung.

1.4. Die beschwerdeführenden Parteien leben in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt und beziehen Leistungen aus der Grundversorgung. Die Erstbeschwerdeführerin hat sich infolge der Trennung von ihrem Mann im Jahr 2015, welcher mutmaßlich bei Kampfhandlungen in der Ukraine ums Leben gekommen ist, bestrebt gezeigt, ein selbständiges Leben für sich und ihre beiden Kinder im Bundesgebiet aufzubauen. Sie hat sich aktiv um die Erlernung der deutschen Sprache bemüht und zuletzt eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 erfolgreich bestanden. Die Erstbeschwerdeführerin zeigt sich seit Jahren hinsichtlich einer Eingliederung am österreichischen Arbeitsmarkt bestrebt und betonte glaubhaft ihr Ziel einer künftigen Selbsterhaltungsfähigkeit ihrer Familie. Während ihres Aufenthaltes hat sie regelmäßig gemeinnützige Tätigkeiten verrichtet und in ihrer Nachbarschaft Arbeiten im Haushalt gegen Dienstleitungschecks übernommen. Sie bemühte sich aktiv, im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und eine berufliche Eingliederung zu erlangen, was sich unter anderem in ihrer Bereitschaft zeigte, ihren Wohnort zu wechseln und gemeinsam mit ihren beiden Kindern in eine private Mietwohnung in geografischer Nähe zu ihrem nunmehrigen Arbeitsort zu übersiedeln. Für den Fall der Erteilung einer Arbeitserlaubnis verfügt sie über Einstellungszusagen durch eine Reinigungsfirma im Ausmaß von 15 Wochenstunden sowie durch einen Gastronomiebetrieb im Ausmaß von zehn Wochenstunden. Sie hat bei Veranstaltungen ihrer jeweiligen Wohngemeinden aktiv mitgewirkt und andere Bewohner ihrer früheren Asylunterkunft beim Erlernen der deutschen Sprache und bei der Kinderbetreuung unterstützt. Die Erstbeschwerdeführerin hat sich einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich aufgebaut.

Die zwölfjährige Zweitbeschwerdeführerin besucht im Bundesgebiet die erste Klasse eines Bundes(real)gymnasiums, nachdem sie zuvor die Volksschule mit durchwegs guten Noten abgeschlossen hatte. Die im Februar 2020 ausgestellte Schulnachricht enthält eine positive Beurteilung im Unterrichtsfach "Deutsch." Die sechsjährige Drittbeschwerdeführerin hat ihr gesamtes bisheriges Leben in Österreich verbracht und wird demnächst den Schulbesuch beginnen. Beide Kinder verwenden Deutsch als Alltagssprache und haben einen Freundeskreis im Bundesgebiet.

Die rund sechseinhalbjährige Aufenthaltsdauer der beschwerdeführenden Parteien liegt in der Dauer des Verfahrens begründet, welche diesen nicht zuzurechnen ist.

1.5. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 3.9.2019a, vgl. BMeiA 3.9.2019, GIZ 8.2019d). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 3.9.2019).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderten Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Die gewaltsamen Zwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an die internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Eine weitere Tätergruppe rückt in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sog. IS kämpfen, wird auf einige tausend geschätzt (Deutschlandfunk 28.6.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.9.2019a): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/russischefoederationsicherheit/201536#content_0, Zugriff 3.9.2019

-

BmeiA (3.9.2019): Reiseinformation Russische Föderation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation/, Zugriff 3.9.2019

-

Deutschlandfunk (28.6.2017): Anti-Terrorkampf in Dagestan. Russische Methoden,

https://www.deutschlandfunk.de/anti-terrorkampf-in-dagestan-russische-methoden.724.de.html?dram:article_id=389824, Zugriff 29.8.2018

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (3.9.2019): Reisehinweise für Russland, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/russland/reisehinweise-fuerrussland.html, Zugriff 3.9.2019

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2019d): Russland, Alltag,

https://www.liportal.de/russland/alltag/#c18170, Zugriff 3.9.2019

-

SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 3.9.2019

Nordkaukasus

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 13.2.2019). In internationalen sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff "low level insurgency" umschrieben (SWP 4.2017).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum sog. IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Nowaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine ‚Provinz Kaukasus', als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus-Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Dschihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren (SWP 10.2015). Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak, haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist. Innerhalb der extremistischen Gruppierungen verschoben sich in den vergangenen Jahren die Sympathien zur regionalen Zweigstelle des sog. IS, die mittlerweile das Kaukasus-Emirat praktisch vollständig verdrängt hat. Dabei sorgt nicht nur Propaganda und Rekrutierung des sog. IS im Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti-Terrorismuskomitees dem sog. IS zuzurechnen waren (ÖB Moskau 12.2018). Offiziell kämpfen bis zu 800 erwachsene Tschetschenen für die Terrormiliz IS. Die Dunkelziffer dürfte höher sein (DW 25.1.2018). 2018 erzielten die Strafverfolgungsbehörden maßgebliche Erfolge, die Anzahl terroristisch motivierter Verbrechen wurde mehr als halbiert. Sechs Terroranschläge wurden verhindert und insgesamt 50 Terroristen getötet. In den vergangenen Jahren hat sich die Hauptkonfliktzone von Tschetschenien in die Nachbarrepublik Dagestan verlagert, die nunmehr als gewaltreichste Republik im Nordkaukasus gilt, mit der vergleichsweise höchsten Anzahl an extremistischen Kämpfern. Die Art des Aufstands hat sich jedoch geändert: aus großen kampferprobten Gruppierungen wurden kleinere, im Verborgenen agierende Gruppen (ÖB Moskau 12.2018).

Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Während in den Republiken Inguschetien und Kabardino-Balkarien auf einen Dialog innerhalb der muslimischen Gemeinschaft gesetzt wird, verfolgen die Republiken Tschetschenien und Dagestan eine konsequente Politik der Repression radikaler Elemente (ÖB Moskau 12.2018).

Im Jahr 2018 sank die Gesamtzahl der Opfer des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus gegenüber 2017 um 38,3%, und zwar von 175 auf 108 Personen. Von allen Regionen des Föderationskreis Nordkaukasus hatte Dagestan im vergangenen Jahr die größte Zahl der Toten und Verwundeten zu verzeichnen; Tschetschenien belegte den zweiten Platz. Im gesamten Nordkaukasus sind von Jänner bis Juni 2019 mindestens 31 Menschen dem Konflikt zum Opfer gefallen. Das ist fast die Hälfte gegenüber dem ersten Halbjahr 2018, als es mindestens 63 Opfer waren. In der ersten Jahreshälfte 2019 umfasste die Zahl der Konfliktopfer 23 Tote und acht Verletzte. Zu den Opfern gehören 22 mutmaßliche Aufständische und eine Exekutivkraft. Verwundet wurden sieben Exekutivkräfte und ein Zivilist. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2019 lag Kabardino-Balkarien mit der Zahl der erfassten Opfer, neun Tote und ein Verletzter, an der Spitze. Als nächstes folgt Dagestan mit mindestens neun Toten, danach Tschetschenien mit zwei getöteten Personen und vier Verletzten. In Inguschetien wurde eine Person getötet und drei verletzt; im Gebiet Stawropol wurden zwei Personen getötet. Dagestan ist führend in der Anzahl der bewaffneten Vorfälle - mindestens vier bewaffnete Zusammenstöße fanden in dieser Republik in den ersten sechs Monaten des Jahres 2019 statt. Im gleichen Zeitraum wurden in Kabardino-Balkarien drei bewaffnete Vorfälle registriert, zwei in Tschetschenien, einer in Inguschetien und im Gebiet Stawropol. Seit Anfang dieses Jahres gab es in Karatschai-Tscherkessien und in Nordossetien keine Konfliktopfer und bewaffneten Zwischenfälle mehr (Caucasian Knot 30.8.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-2018-13-02-2019.pdf, Zugriff 3.9.2019

-

Caucasian Knot (30.8.2019): In 2018, the count of conflict victims in Northern Caucasus dropped by 38%, https://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/reduction_number_victims_2018/, Zugriff 3.9.2019

-

DW - Deutsche Welle (25.1.2018): Tschetschenien: "Wir sind beim IS beliebt",

https://www.dw.com/de/tschetschenien-wir-sind-beim-is-beliebt/a-42302520, Zugriff 3.9.2019

-

ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001768/RUSS_%C3%96B_Bericht_2018_12.pdf, Zugriff 3.9.2019

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten