TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/31 W137 2151416-2

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Veröffentlicht am 31.03.2020
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Entscheidungsdatum

31.03.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35

Spruch

W137 2151416-1/9E

W137 2151416-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. VR China, vertreten durch RA Bischof & Lepschi, gegen die Festnahme des Beschwerdeführers am 08.03.2017 sowie die Anhaltung von 08.03.2017 bis 10.03.2017 und die Abschiebung am 10.03.2017 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG (in der Fassung vom 08.03.2017) iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft von 08.03.2017 bis 10.03.2017 für rechtmäßig erklärt.

II. Die Beschwerde gegen die Abschiebung am 10.03.2017 wird gemäß § 46 FPG als unbegründet abgewiesen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

IV. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der VR China. Er stellte in Österreich 2004 unter falschen Angaben zu seiner Identität erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieses Verfahren wurde noch im selben Jahr eingestellt.

Mit Bescheid vom 22.03.2007 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers vollständig abgewiesen und mit einer Ausweisung verbunden. Der Asylgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 19.01.2011 die dagegen eingebrachte Beschwerde abgewiesen und die Ausweisung des Beschwerdeführers in die VR China verfügt.

2. Am 16.12.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG. In diesem Zusammenhang erfolgte am 11.02.2016 eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA). Am 13.02.2017 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag abzuweisen. Im Rahmen der ihm eingeräumten Stellungnahmemöglichkeit legte der Beschwerdeführer einen aufschiebend bedingten Dienstvertrag (bei Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung) vom 27.02.2017 vor.

3. Am 08.03.2017 wurde gemäß § 34 Abs 3 Z 3 BFA-VG ein Festnahmeauftrag betreffend den Beschwerdeführer erlassen. Die Festnahme erfolgte noch am selben Tag unter Sicherstellung des Reisepasses des Beschwerdeführers.

4. Am 10.03.2017 wurde der Beschwerdeführer erfolgreich in seinen Herkunftsstaat VR China abgeschoben.

5. Am 28.03.2017 brachte der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ein. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Vertreter aufgrund widersprüchlicher Ausführungen zum Beschwerdeumfang umgehend einen Verbesserungsauftrag. Mit Schriftsatz vom 12.04.2017 führte der Vertreter aus, dass sich die Beschwerde sowohl gegen die Festnahme vom 08.03.2017 (samt Anhaltung) als auch die Abschiebung am 10.03.2017 richte.

6. Am 29.03.2017 langte der Verwaltungsgericht beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einer Stellungnahme vom 30.03.2017 verwies das Bundesamt ausführlich auf das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers - insbesondere habe sich dieser lange dem Asylverfahren entzogen. Das Verfahren gemäß § 55 AsylG stehe einer Abschiebung nicht entgegen und es sei nicht mit einer freiwilligen Rückkehr des Beschwerdeführers (trotz entsprechender Verpflichtung) zu rechnen gewesen.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der VR China. Er verfügte zum Zeitpunkt der Festnahme/Abschiebung über einen gültigen chinesischen Reisepass. Er war nicht Asylwerber; gegen ihn bestand eine rechtskräftige und durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung. Der Beschwerdeführer verfügte zu den genannten (entscheidungsrelevanten) Zeitpunkten über keinen Aufenthaltstitel für Österreich.

Der Beschwerdeführer hielt sich in Österreich über Jahre hinweg unter Verwendung einer falschen Identität auf. Mit dieser führte er unter anderem sein Asylverfahren vor dem Asylgerichtshof und trat auch sonst gegenüber Behörden auf. Seine tatsächliche Identität enthüllte er erst ab Oktober 2015, um ein Verfahren für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu führen. Der Beschwerdeführer ist in besonderem Umfang nicht vertrauenswürdig.

Der Beschwerdeführer verfügte zum relevanten Zeitpunkt über soziale Beziehungen im Bundesgebiet und sprach gut Deutsch. Darüber hinaus lebt sein Bruder legal in Österreich. Seine Ehefrau und sein volljähriger Sohn leben hingegen in China. Seine Existenz war zum Zeitpunkt der Festnahme/Abschiebung in Österreich nicht gesichert, zumal er weder über ein größeres Vermögen noch über ein gesichertes Einkommen verfügte. Er war damals beschäftigungslos und verfügte lediglich über einen aufschiebend bedingten Dienstvertrag für den Fall der Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 557591600-170186683. Unstrittig sind die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie zu seinem Asylverfahren.

Die Feststellungen zum Reisepass sowie zum Fehlen eines Aufenthaltstitels ergeben sich aus der Aktenlage und sind ebenfalls unstrittig.

1.2. Dass sich der Beschwerdeführer in Österreich jahrelang unter Nutzung einer falschen Identität aufhielt ist im Akt umfassend belegt (insbesondere durch das AsylGH-Erkenntnis zur Zahl C7 311082-1/2008/9E und diverse Unterstützungsschreiben, die beide Identitäten anführen). Unter seiner tatsächlichen Identität - unter der er ab Dezember 2015 ein Verfahren bezüglich eines Aufenthaltstitels führte - ist er erstmalig am 30.10.2015 im Zentralen Melderegister registriert worden.

Aus den dargelegten Umständen - insbesondere der unstrittigen Tatsache, dass der Beschwerdeführer im Umgang mit Behörden jahrelang und in bewusster Täuschungsabsicht eine falsche Identität nutzte - ergibt sich, dass ihm in besonderem Umfang die Vertrauenswürdigkeit abzusprechen ist.

1.3. Unstrittig sind die über Jahre in Österreich aufgebauten sozialen Beziehungen, die Existenz des legal im Bundesgebiet lebenden Bruders und jene der in China lebenden Frau sowie des gemeinsamen Sohnes. Im Verfahren ist kein bestehendes legales Beschäftigungsverhältnis zum Zeitpunkt der Festnahme hervorgekommen. Auf Vermögenswerte, die zu einer mittelfristigen Sicherung der eigenen Existenz in Österreich beitragen würden gab es ebenfalls keinen Hinweis. Der Dienstvertrag liegt im Akt auf.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

2.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit "Festnahmeauftrag" betitelte § 34 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung zum Zeitpunkt der Festnahme, lautet:

"§ 34. (1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn dieser

1. Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt, oder

2. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden auch ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorliegen und

1. der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, nicht Folge geleistet hat oder

2. der Aufenthalt des Fremden nicht festgestellt werden konnte.

(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,

1. wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt;

2. wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist;

3. wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder

4. wenn er, ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2a FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung eines Ersatzreisedokumentes bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat.

(4) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Asylwerbers anordnen, wenn er sich dem Verfahren entzogen hat (§ 24 Abs. 1 AsylG 2005).

(5) Der Festnahmeauftrag ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.

(6) In den Fällen der Abs. 1 bis 4 ist dem Beteiligten auf sein Verlangen sogleich oder binnen der nächsten 24 Stunden eine Durchschrift des Festnahmeauftrages zuzustellen.

(7) Die Anhaltung eines Fremden, gegen den ein Festnahmeauftrag erlassen wurde, ist dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen. Dieses hat mitzuteilen, ob der Fremde in eine Erstaufnahmestelle oder Regionaldirektion vorzuführen ist.

(8) Ein Festnahmeauftrag ist zu widerrufen, wenn

1. das Verfahren zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten eingestellt wurde und die Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig ist (§ 24 Abs. 2 AsylG 2005) oder

2. der Asylwerber aus eigenem dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht seinen Aufenthaltsort bekannt gibt und nicht auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde sich wieder dem Verfahren entziehen.

3. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2015)

(9) Das Bundesamt hat die Erlassung und den Widerruf eines Festnahmeauftrags den Landespolizeidirektionen bekannt zu geben."

Der mit "Festnahme" betitelte § 40 des BFA-VG in der zum Festnahmezeitpunkt geltenden Fassung lautet:

"§ 40. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

----------

1.-gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2.-wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3.-der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn

----------

1.-dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist,

2.-gegen diesen eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde,

3.-gegen diesen nach § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde,

4.-gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde oder

5.-auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt.

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2015)

(6) Während der Zulässigkeit der Sicherung der Zurückweisung im Flughafenverfahren sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, zu verhindern, dass ein zurückgewiesener Asylwerber in das Bundesgebiet einreist, soweit es ihm nicht gestattet ist."

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit der Festnahme am 08.03.2017 und der weiteren Anhaltung bis 10.03.2017

Das Bundesamt stützte den Festnahmeauftrag auf § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG, also in der Absicht, einen Auftrag zur Abschiebung zu erlassen. Ein solcher ist dann auch tatsächlich erfolgt. Die Festnahme selbst erfolgte gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG unter Bezug auf den oben angeführten Festnahmeauftrag.

Dem Beschwerdeführer wurde nachweislich umgehend die Information über die bevorstehende Abschiebung (am 10.03.2017) ausgefolgt. Dem Beschwerdeführer war zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass er Österreich schon vor Jahren (nach seiner Ausweisung im Asylverfahren) verlassen hätte müssen. Die Festnahme zum Zweck der Erlassung eines Auftrags zur Abschiebung ist vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen; Mängel des Festnahmeauftrags wurden in der Beschwerde nicht aufgezeigt.

Die weitere Anhaltung (bis zur Abschiebung) erfolgte als Verwaltungsverwahrungshaft und war durch § 40 Abs. 4 BFA-VG gedeckt. Der Beschwerdeführer wurde bis zu seiner Abschiebung rund 58 Stunden lang angehalten. Eine Auseinandersetzung mit dieser Bestimmung ist in der gegenständlichen Beschwerde allerdings gar nicht erfolgt.

Die behauptete Verletzung von Art. 8 EMRK durch die Festnahme wird im Übrigen nicht nachvollziehbar begründet und erweist sich vor diesem Hintergrund als unschlüssig.

4. Zur Frage der Rechtswidrigkeit der Abschiebung

Der mit "Abschiebung" betitelte § 46 des FPG in der zum Festnahmezeitpunkt geltenden Fassung lautet:

"§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat das Bundesamt bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. § 97 Abs. 1 gilt. Der Fremde hat an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken.

(2a) Die Verpflichtung zur Mitwirkung gemäß Abs. 2 kann auch mit Bescheid auferlegt werden, § 19 Abs. 2 bis 4 AVG gilt sinngemäß. Der Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments bei der zuständigen ausländischen Behörde, verbunden werden (§ 19 AVG).

(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Abs. 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.

(4) Liegen bei Angehörigen (§ 72 StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.

(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.

(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen."

Zum Zeitpunkt der Abschiebung bestand gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige und durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung. Der Beschwerdeführer wurde nachweislich persönlich und in seiner Muttersprache umgehend nach Rechtskraft dieser Entscheidung von seiner Ausreiseverpflichtung in Kenntnis gesetzt. Damit erweist sich § 46 Abs. 1 Z 2 FPG jedenfalls als erfüllt.

Das Fehlen einer Rechtsgrundlage hinsichtlich der Abschiebung wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter in seiner Beschwerde auch nicht nachvollziehbar dargelegt. Wieso die Voraussetzungen des § 46 FPG nicht gegeben sein sollten, wird im Beschwerdeschriftsatz lediglich behauptet und nicht näher begründet.

Von dieser (obigen) Entscheidung war das Familienleben mit dem damals bereits seit Jahren legal in Österreich lebenden Bruder mitumfasst. Dies im Übrigen trotz der Tatsache, dass dessen Existenz im Verfahren vom Beschwerdeführer bewusst verheimlicht worden war - es gab für den Beschwerdeführer nie ein objektives Hindernis, wahrheitsgemäße Angaben vor österreichischen Behörden und Gerichten zu machen.

Unstrittig ist, dass das zum relevanten Zeitpunkt offene Verfahren bezüglich der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG der Durchführung einer Abschiebung nicht entgegensteht. Auch die unstrittige Tatsache, dass der Beschwerdeführer in diesem Verfahren allen Ladungen Folge leistete und sich kooperativ verhielt, belastet eine Abschiebung während eines solchen Verfahrens nicht mit Rechtswidrigkeit.

Wieso die Abschiebung einer Person, die sich im Bundesgebiet seit Jahren rechtswidrig (ohne Aufenthaltstitel und unter Missachtung einer rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung) und ohne legale Beschäftigung aufhält sowie über substanzielle familiäre Anknüpfungspunkte (Frau, Sohn) im Herkunftsstaat verfügt, eine Verletzung von Artikel 8 EMRK darstellen sollte, wird in der Beschwerde ebenfalls nicht näher dargelegt. Die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes spricht im Übrigen von einem auf "asylrechtlichen Bestimmungen" zurückzuführenden Aufenthalt - der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet basiert allerdings seit Jahren nicht auf asylrechtlichen Bestimmungen sondern auf einem bloßen Verharren samt finanzieller Unterstützung durch den Bruder - sowie der nicht unwesentlichen Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich erstmalig 2015 unter Vorlage seines Reisepasses mit seiner richtigen Identität im Melderegister registrieren ließ.

Die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Thematik darf auch nicht so interpretiert werden, dass sie eine Einladung zur Identitätsverschleierung oder Behördentäuschung darstellen würde.

Abschließend ist festzuhalten, dass auch eine allfällige Verletzung der Informationspflichten des § 58 FPG die Abschiebung selbst nicht mit Rechtswidrigkeit belasten würde.

5. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Im Übrigen hat der bevollmächtigte Vertreter ursprünglichen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 12.04.2017 ausdrücklich zurückgezogen.

6. Kostenersatz

6.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

6.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei daher kein Kostenersatz. Die belangte Behörde ist auf Grund der Beschwerdeabweisung vollständig obsiegende Partei und hat daher Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang.

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass beide Verfahrensparteien gemeinsame Schriftsätze (mit durchmischter Begründung) zu beiden Beschwerdethemen übermittelt und jeweils nur einfachen Kostenersatz (der Vertreter des Beschwerdeführers diesbezüglich auch ausdrücklich im Schriftsatz vom 27.03.2017) beantragt haben.

7. Entfall der Übersetzungen

Aufgrund der nachweislichen guten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers erweist sich eine Übersetzung von Spruch und Rechtsmittelbelehrung als nicht erforderlich.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung, Anhaltung, Festnahme, Identität, Kostenersatz,
Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2151416.2.00

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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