RS Vfgh 2020/2/25 E3494/2019

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Veröffentlicht am 25.02.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §9, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen afghanischen Staatsangehörigen; keine ausreichende Auseinandersetzung mit dem Leitfaden des EASO und dem Bestehen eines Unterstützungsnetzwerks; unzureichende Berücksichtigung des befristeten Aufenthaltsrechts, des jugendlichen Alters und der Bindung zum Herkunftsstaat bei der Interessenabwägung zur Rückkehrentscheidung

Rechtssatz

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat es unterlassen, zu prüfen, ob dieser Auszug aus dem EASO-Leitfaden vom Juni 2018 (auch Juni 2019) für den Beschwerdeführer maßgeblich ist: Der Beschwerdeführer hat lediglich als Minderjähriger in Afghanistan gelebt und ist seit mindestens sechs Jahren nicht mehr dort gewesen. Das BVwG hat sich auch nicht ausreichend mit dem dahingehenden Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA auseinandergesetzt oder selbst dahingehend ermittelt. Unter Berücksichtigung des jungen Alters des Beschwerdeführers, könnte er daher unter die im EASO-Leitfaden genannte Personengruppe fallen, der nur in Ausnahmefällen eine innerstaatliche Fluchtalternative ohne soziales Netzwerk zumutbar ist. Soweit das BVwG von einem Unterstützungsnetzwerk ausgeht, setzt es sich weder mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander, dass seine Geschwister zwischen sieben und vierzehn Jahre alt sind, noch damit, dass ihn sein Onkel nicht unterstützen könne. Es erläutert auch nicht, inwiefern der Beschwerdeführer von Ghazni aus unterstützt werden kann, obwohl ihm eine Neuansiedlung in Herat oder Mazar-e Sharif zugemutet wird. Im Übrigen ist für den VfGH nicht ersichtlich, inwiefern der zu anderen in Österreich aufhältigen afghanischen Staatsangehörigen gewonnene Kontakt verhindern sollte, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Afghanistan in eine existenzbedrohende Lage gerät.

Die zitierten Entscheidungen des VwGH betreffen Verfahren, in denen weder der Asylstatus noch subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, und können nicht ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Der VfGH geht zwar davon aus, dass der Aufenthaltsstatus als subsidiär Schutzberechtigter provisorischer Natur ist. Dieser Status verleiht aber - für die Dauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung - Schutz vor einer drohenden Verletzung in den durch Art2 und Art3 EMRK geschützten Rechten. Anders als es der Hinweis auf die Entscheidungen des VwGH nahelegen könnte, war der Antrag auf internationalen Schutz im vorliegenden Fall begründet. Das BVwG hat es daher auch verabsäumt, den Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Abwägung nach Art8 EMRK angemessen zu würdigen. Außerdem hat das BVwG nicht näher begründet, warum es davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer weiterhin starke Bindungen zu seinem Herkunftsstaat aufweist und das dahingehende Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ausreichend berücksichtigt. Es hat insbesondere außer Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Einreise nach Österreich erst fünfzehn Jahre alt war.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung, Kinder

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E3494.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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