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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten betreffend eine Staatsangehörige von Nigeria und ihr minderjähriges Kind; mangelhafte Auseinandersetzung betreffend die gemeinsame Rückkehr mit dem Lebensgefährten sowie den Länderberichten und die Trennung im Hinblick auf eine Rückkehr ohne den LebensgefährtenRechtssatz
Für die erste Alternative, die das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in Erwägung zieht - die gemeinsame Ausreise nach Nigeria oder Ghana -, hätte ermittelt werden müssen, ob und inwieweit es für den Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers möglich wäre, nach Nigeria zurückzukehren bzw ob und inwieweit es für die Beschwerdeführer als nigerianische Staatsangehörige möglich wäre, in Ghana zu leben. Zu dieser Voraussetzung der vom BVwG maßgeblich zur Begründung seiner Entscheidung herangezogenen Variante einer gemeinsamen Ausreise fehlen jegliche Feststellungen und rechtlichen Ausführungen. In Bezug auf die Annahme einer möglichen gemeinsamen Ausreise nach Ghana fehlen zudem jegliche Länderfeststellungen zu den Umständen in Ghana im Allgemeinen und zur Situation schwangerer Frauen und ehemaliger Prostituierter aus Nigeria sowie zu Kindern im Speziellen. Das BVwG argumentiert mit der Möglichkeit einer Ausreise der Beschwerdeführer nach Ghana, ohne sich mit der Situation in diesem Staat auseinanderzusetzen.
In Bezug auf die zweite Alternative - eine Ausreise der Beschwerdeführer nach Nigeria ohne den Lebensgefährten und Vater - unterbleiben gleichermaßen notwendige Ermittlungen und es werden wesentliche Gesichtspunkte des konkreten Sachverhaltes außer Acht gelassen. Zum einen stützt das BVwG seine Beurteilung maßgeblich darauf, es seien zwar die Schwierigkeiten alleinstehender Frauen mit Kindern in Nigeria bekannt, auf die Erstbeschwerdeführerin treffe dies aber nicht zu, da sie auf ein familiäres Netz zurückgreifen könne; sie habe keine Ächtung oder Diskriminierung durch die Familie zu befürchten, weil diese ihre Ehe anerkannt habe. Das BVwG unterlässt es, diese Erwägungen in Beziehung zu den im angefochtenen Erkenntnis abgedruckten Länderberichten zu setzen, wonach alleinstehende Frauen oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt würden, dem sie häufig nur durch Umzug in eine andere Stadt entgehen könnten. Es findet keine substantiiert begründete Auseinandersetzung damit statt, ob ein Rückgriff auf das familiäre Netzwerk überhaupt möglich ist oder ob dieser in Nigeria nach den Länderfeststellungen für alleinstehende Frauen bzw für die zwar - von den Familien anerkannt - verheiratete, aber allein nach Nigeria zurückkehrende Erstbeschwerdeführerin gerade ausgeschlossen bzw mit hoher Wahrscheinlichkeit unmöglich ist. Zum anderen unterbleibt für die Alternative der alleinigen Rückkehr der Beschwerdeführer nach Nigeria im Widerspruch zur Rsp des VfGH jede Auseinandersetzung mit den Auswirkungen einer Trennung der Familienmitglieder auf das Familienleben.
Das BVwG unterlässt somit in Bezug auf beide von ihm gegen die Gefährdung der Rechte der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat angeführten Begründungsalternativen notwendige Ermittlungen und Feststellungen. Es stellt diese Ermittlungen auch im Rahmen der Beurteilung der gegen die Beschwerdeführer erlassenen Rückkehrentscheidung, wo die genannten unterbliebenen Feststellungen auch eine Rolle spielen würden, nicht an.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E2904.2019Zuletzt aktualisiert am
20.05.2020