TE Vwgh Beschluss 1998/4/3 98/19/0025

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Veröffentlicht am 03.04.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/01 Rechtsanwälte;

Norm

B-VG Art131 Abs1;
RAO 1868 §19a Abs1;
RAO 1868 §19a Abs3;
RAO 1868 §45 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, in der Beschwerdesache des Dr. MG, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 2. Dezember 1997, Zl. (VZ 1697/92) VZ 2381/97, betreffend Vorstellung i.A. Enthebung eines Verfahrenshelfers, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien wurde der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Abteilung III des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 21. Oktober 1997, mit dem über Ersuchen des JF vom 20. Oktober 1997 anstelle des Beschwerdeführers Rechtsanwalt Dr. AD in einer näher bezeichneten Rechtssache gemäß § 45 Abs. 1 RAO zum Vertreter des JF bestellt worden war, keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer sei zuzubilligen, daß eine "verfahrensbeholfene" Partei nicht unbegründet die Umbestellung eines Verfahrenshelfers beantragen könne. Allerdings bestimme § 45 Abs. 4 RAO, daß unter anderem über Antrag der Partei auch bei Befangenheit des bestellten Verfahrenshelfers eine Umbestellung durchzuführen sei. Nun ergebe sich aus dem dem Antrag auf Umbestellung beigeschlossenen Schreiben des JF, daß dieser aufgrund verschiedener Umstände dem Beschwerdeführer sämtliche Vollmachten gekündigt habe. Letzterer begehre für angebliche Leistungen nunmehr ein nicht nachvollziehbares Honorar von S 4,300.000,-- und habe mitgeteilt, daß aufgrund der zusammenhängenden Sach- und Rechtsfragen der einzelnen Verfahren nur eine gemeinsame Vertretung durch eine Anwaltskanzlei sinnvoll und zweckmäßig sei. Im übrigen sei nach Ansicht des JF die Honorarforderung des Beschwerdeführers überzogen und nicht nachvollziehbar, weshalb das Vertrauensverhältnis getrübt sei. Auch aus dem Vorstellungsvorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich, daß die Höhe seiner Honorarforderungen gegen JF noch strittig sei, wodurch das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Klienten gestört sein könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem "subjektiven Recht auf Verfahrensvorschriftsgemäßheit des Ermittlungsverfahrens sowie auf Unterlassung einer gesetzwidrigen Enthebung als Verfahrenshilfevertreter einer Prozeßpartei nach § 45 Abs. 4 RAO" verletzt. In der Folge legt der Beschwerdeführer dar, weshalb seines Erachtens - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - Gründe, die eine Umbestellung im Sinne des § 45 Abs. 4 RAO rechtfertigten, nicht vorlägen. Er hebt hervor, daß gerade in seinem Fall eine besonders gewissenhafte, eifrige und letztendlich erfolgreiche Vertretung des JF in dessen Amtshaftungsverfahren gegen die Republik Österreich auch im eigenen Interesse des Beschwerdeführers gelegen sei, weil damit nach der Aktenlage nicht nur Prozeßkostenersatz erzielbar wäre, sondern aus dem ersiegten Klagsbetrag vereinbarungsgemäß eine Abdeckung der offenen Resthonorarforderung des Beschwerdeführers möglich wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Beschwerdelegitimation in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a) VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 10, § 26 Abs. 2 und 5 sowie § 45 Abs. 1 und 4 RAO lauten (auszugsweise):

"§ 10. (1) Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, die Vertretung einer Partei zu übernehmen, und kann dieselbe ohne Angabe der Gründe ablehnen; allein er ist verpflichtet, die Vertretung oder auch nur die Erteilung eines Rates abzulehnen, wenn er die Gegenpartei in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Sache vertreten hat oder in solchen Angelegenheiten früher als Richter oder Staatsanwalt tätig war. Ebenso darf er nicht beiden Teilen in dem nämlichen Rechtsstreit dienen oder Rat erteilen.

§ 26. ...

(2) Besteht der Ausschuß aus mindestens 10 Mitgliedern, so sind die ..., ferner ..., die Bestellung von Rechtsanwälten

nach den §§ 45 oder 45a ... in Abteilungen zu erledigen.

...

(5) Gegen den Beschluß einer Abteilung kann binnen vierzehn Tagen nach Zustellung des Beschlusses Vorstellung erhoben werden; über diese entscheidet der Ausschuß.

§ 45. (1) Hat das Gericht die Beigebung eines Rechtsanwalts beschlossen oder schließt die Bewilligung der Verfahrenshilfe eine solche Beigebung ein, so hat die Partei Anspruch auf die Bestellung eines Rechtsanwalts durch die Rechtsanwaltskammer.

...

(4) Kann der bestellte Rechtsanwalt die Vertretung oder Verteidigung aus einem der im § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz angeführten Gründe oder wegen Befangenheit nicht übernehmen oder weiterführen, so ist er auf seinen Antrag, auf Antrag der Partei oder von Amts wegen zu entheben und ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen. Im Fall des Todes des bestellten Rechtsanwalts oder des Verlustes seiner Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft ist von Amts wegen ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen."

Gemäß Art. 131 Abs. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen dessen Rechtswidrigkeit nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde erheben, wer durch diesen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht die bloße Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechts dann nicht aus, wenn eine Rechtsverletzung gegenüber dem Beschwerdeführer gar nicht möglich ist. Diesfalls ist die Beschwerde mangels Legitimation zurückzuweisen (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8, Rz 953, mit weiteren Hinweisen auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen, weil er nur unter dem Gesichtspunkt der Verletzung subjektiver Rechte der Parteien zu erkennen hat (vgl. den hg. Beschluß vom 15. Mai 1979, Slg. Nr. 9.842/A). Ebensowenig berechtigen bloß wirtschaftliche Interessen zu einer Beschwerdeführung vor dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. den hg. Beschluß vom 21. September 1981, Zlen. 81/01/0163, 0164). Verfahrensmängel können nur dann zu einer Rechtsverletzung führen, wenn sie sich auf ein subjektives Recht einer Partei beziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1976, Slg. Nr. 9.170/A).

Nach dem Vorgesagten wäre der Beschwerdeführer zur Erhebung einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof nur dann legitimiert, wenn die Möglichkeit einer Verletzung subjektiver Rechte des Verfahrenshelfers durch eine Enthebung desselben nach § 45 Abs. 4 RAO bestünde. Dies wiederum setzte das Bestehen eines subjektiven Rechtes des Verfahrenshelfers auf Beibehaltung seiner Stellung mangels Vorliegens berechtigter Enthebungsgründe voraus. Die behauptete Verletzung der vom Beschwerdeführer ebenfalls als Beschwerdepunkt geltend gemachten Verfahrensrechte berechtigte diesen nach dem Vorgesagten nur dann zur Beschwerdeführung vor dem Verwaltungsgerichtshof, wenn die Möglichkeit einer hiedurch mittelbar bewirkten Verletzung materieller subjektiver Rechte des Beschwerdeführers bestünde.

Ob durch die Rechtsvorschriften einer Person subjektive Rechte eingeräumt werden, ist eine Frage der Auslegung der betreffenden Vorschriften des materiellen Rechtes. Nicht jede Norm des objektiven Verwaltungsrechts gewährt auch eine subjektive Berechtigung. Ein subjektives öffentliches Recht ist dann zu bejahen, wenn eine zwingende Vorschrift - und damit eine sich daraus ergebende Rechtspflicht zur Verwaltung - nicht allein dem öffentlichen Interesse, sondern (zumindest auch) dem Interesse einzelner zu dienen bestimmt ist. Die Tatsache, daß eine Rechtsvorschrift dem Bürger Vorteile bringt, begründet für sich allein noch kein subjektives Recht, sondern vermittelt nur eine günstige Reflexwirkung. Durch Auslegung ist also zunächst festzustellen, ob eine Rechtsnorm die Verwaltung zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet (Rechtspflicht der Verwaltung); sodann ist zu ermitteln, ob diese Norm - zumindest auch - dem Schutz der Interessen einzelner Bürger dient (Individualinteresse) (vgl. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 298).

Der im vorliegenden Zusammenhang hiefür maßgebliche § 45 Abs. 4 RAO räumt nun sowohl dem Verfahrenshelfer als auch der Partei ein Antragsrecht auf Enthebung des Rechtsanwaltes ein. Daraus ist wohl ein subjektives Recht der Partei und des Verfahrenshelfers auf Enthebung bei Vorliegen der in dieser Bestimmung umschriebenen Gründe abzuleiten. Hingegen kann der in Rede stehenden Bestimmung der RAO nicht entnommen werden, diese diene auch dem Schutz des Individualinteresses eines Rechtsanwaltes auf Beibehaltung seiner Stellung als Verfahrenshelfer, zumal darauf gerichtete schutzwürdige rechtliche Interessen nicht erkennbar sind. Bei den vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Interessen, seinen bisherigen Aufwand aus dem Prozeßkostenersatz und andere offene Resthonorarforderungen aus dem vom Prozeßgegner eingebrachten Kapitalbetrag beglichen zu erhalten, handelt es sich bloß um solche wirtschaftlicher Natur. Diese wirtschaftlichen Interessen sind überdies bei Fortführung des Prozesses durch den nunmehr bestellten Verfahrenshelfer gleichermaßen gewahrt (vgl. in diesem Zusammenhang die Bestimmungen des § 19a Abs. 1 und 3 RAO zum Kostenpfandrecht bei sukzessiver Vertretung einer Partei durch mehrere Anwälte).

Steht aber einem Rechtsanwalt nach dem Vorgesagten ein subjektives Recht auf Beibehaltung seiner Stellung als Verfahrenshelfer nicht zu, fehlte es an der Möglichkeit einer Rechtsverletzung des Beschwerdeführers in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht. Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998190025.X00

Im RIS seit

18.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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